Das Gericht sprach die Frau L. frei, da chre Behauptung: FrauHauptmann habe ihren Mann des Meineids bezichtigt, bewiesensei; der Ehemann L. wurde zu 5 M. Geldstrafe verurteilt, weiler direkt gesagt habe, Hauptmann habe einen Meineid geschworen.Das Wiederaufnahmeverfahren in Sachen Fröhlich kann nunnicht länger verweigert werden. Wird man ihn jetzt wenigstenssofort vorläufig auf freien Futz setzen? Oder mutz er die schuld-los erlittene Haft bis zum Ende, August 1913, verbützen?Nach deu„Wehr-Nummern" der„Wehr-Kalender".Nicht nur die Waffen-, Mumtions- und sonstigen Armeelieferanten suchen die aufgepeitschte„vaterländische" Stimmungzu benutzen, um sich allerlei wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen;auch manche reaktionären Parteiführer halten die Gelegenheit fürgünstig, unter der verlogenen Devise„Dem Vaterlande, nicht derPartei" an der patriotischen Opferwilligkeit ihr Parteisüppleinzu kochen. Dem„Verl. Tagebl." ist nämlich folgendes interessanteZirkular auf den Redaktionstisch geflattert:»Zu treuen Händen!Bertraulich!Einschreiben!Vom Interesse matzgebcndcr RcgierungSkreise, insbesonderedes Herrn Reichskanzlers, begleitet, ist mit Hilfe privater Mittelein wirklich grotzes, nationales, an die breiteVolksmasse gehendes Aufklärungsmittel ge-schaffen worden, das vaierlänoischen Interessen dient undden in dieser Beziehung gemeinsamen Programmpunkten derstaatserhaltenden, königstreuen Parteien mächtig und grotz-zügig Ausdruck verleihen soll. Die mitunterzeichneten VertreterderFreikonservativcn Partei sLandrat a. D. Ottov. Dewitz, Mitglied des Abgeordnetenhauses),Konservativen Partei sOberverwaltungsgerichtsratGraf Kuno v. Westarp, Mitglied deS Reichstages),Nationalliberalen Partei sPaul Fuhrmann, ge-schäftsführender Vorsitzender des altnationalliberalenReichsverbandes),Zentrumspartei(Schriftsteller Matthias Erzberger,Mitglied des Reichstages),baben unter dem Motto„D�m Vaterlande, nicht derPartei" die Herausgabe eines in3(drei) MillionenExemplaren zur Verbreitung gelangenden Buchkalendcrs unterdem Titel„Deutscher BolkSfreund" ibeschloffen, der in volkstümlicher, packender Form nationale Fragen behandelt undder dem deutschen Volke ein Wegweiser und Führer in verschie-denen, die Gesamtheit des Vaterlandes betreffenden Fragensein soll. Redigiert wird der Kalender von dem bekanntenSchrift st eller Richard Nordhausen. Die dreiMillionen Exemplare werden unter Zuhilfenahme unserer Or-ganisationen auf Wegen verbreitet, die nur uns zur Verfügungstehen. Das vortrefflich ausgestattete und reich illustrierte, vierTextbogen starke Kalenderbuch wird zum Preise von 1l> Pfennigabgegeben. Um wenigstens einen Teil der Mehrkosten deckenzu können, laden wir eine kleine ZahlangesehenerFirmen zur Insertion ein. Wir bitten Sie im Jnter-esse der großen und wichtigen Sache, Ihre Mitwirkung dabeinicht versagen und gleichfalls eine Anzeige aufgebenzu wollen. Wird doch bei der gewaltigen Auflage des Ka-lenders und seiner Verbreitung durch ganz Deutschland dieseMitwirkung auch kaufmännisch von besonderem Erfolge sein.Berlin, den 18. April 1913.Der Aud'chutz:Zedlitz, v. Loebell,sechandlungspräsident a. D. Wirklicher Geheimer Rat.Mitglied deS Ülbgeordnetenhauses. Oberpräsident a. T.Vertreter der Parteien:M. Erzberger. Paul Fuhrmann, v. Dewitz. Graf Westarp."Herr Richard Nordhausen, der Allerweltsjournalist, wird alsoein„großes nationales" Ausklärungsmittel schaffen— selbstverständlich gegen hohe Bezahlung. Deshalb heran ihr Armee- undMarinelieferanten, gebt schöne Anzeigen auf und berappt hoheJnsertionsgebühren, damit die Kosten gedeckt werden und nochansehnliche Extraprofite abfallen. Hoch das Vaterland und derProfit!Wie man sieht weckt das Beispiel der Leipziger„IllustriertenZeitung" Nachahmung— denn das Geschäft bringt etwas ein.Gin örtermchirch- bulganfchcr Geheim vertrag.London, 21. April. Tie„Daily Mail" läßt sich aus Belgradmelden, daß zwischen Oesterreich und Bulgarien ein geheimes Ab-kommen bestehe, demzufolge sich beide Staaten gegenseitige Hilfe-leistung zu sichern, falls einer von ihnen in kriegerische Berwicke-lungen mit Serbien geraten sollte. Dieses Abkommen sei durch dieIndiskretion eines untergeordneten diplomatischen Beamten bc-kannt geworden. Diese Bestimmung sei auf Anregung KönigFerdinands einem bereits bestehenden Vertrage zwischen Oester-reich und Bulgarien gelegentlich eines Besuches des ZarenFerdinand im vergangenen Sommer in Ungarn hinzugefügt worden.Der erste Vertrag stammt bereits aus dem Jahre 1908, aus derZeit, als Oesterreich Bosnien und die Herzegowina annektierte.Bei dieser Gelegenheit war es gewesen, daß Zar Ferdinand vonder Sobranje die Ermächtigung forderte, ohne vorherige Zu-stimmung des Parlaments Staatsverträge abzuschließen.Abzug der Serben von Skutari.Wien, 21. April. In San Giovanni di Medua herrscht, der„Neuen Freien Presse" zufolge, große Bewegung. Di« serbischenBelagerungstruppen von Skutari rücken staffelweise mit Gepäck undArtillerie ein und bereiten sich zur Einschiffung auf di« griechischeTransportflotte vor, welche sie über Saloniki befördern wird.Freigabe türkischer Kriegsgefangener.Konstantinovcl, 21. April. Die Pforte hat die von Griechenlandaufgestellten Bedingungen für die Rücksendung der Kriegsgefan-genen angenommen. 5000 Kriegsgefangene werden in Mersina anLand gesetzt werden. Griechenland wird seine Truppen von Chioszurückziehen.Eine Sitzung der serbischen Skupschtina.Belgrad, 21. April. Skupschtina. Bei der VerHand-lung der Gesetzesvorlage, wonach das für 1912 angenommeneBudget auch für 1913 bewilligt wird, erklärte Der Finanzminister,daß die Regierung infolge des Krieges und der hierdurch verur-sachten außergewöhnlichen Verhältnisse in der staatlichen Admi-nistration außerstande wäre, den Staatsvoranschlag für daslaufende Jahr aufzustellen. Der Minister ersuchte deshalb dieSkupschtina, das vorjährige Budget auch für das Jahr 1913 zubewilligen. Der Jungradikale Draskowic vedvieS namensseiner Partei da-auf, daß das Vorgehen der Regierung dem Geisteder Verfassung und dem Finanzgesetz widerspreche, weshalb diejungradikale Partei gegen die Vorlage stimmen werde.Der sozialdemokratische Abgeordnete Katz-lerowic kritisierte in scharfer Weise die innere und die äußerePolitik der Regierung und wies auf die Gefahr hin, welche durcheine übermäßige Bevorzugung der Armee, insbesondere des Offi-zierkorps, für die Zivilstaatsgewalt entstehen könne. Der gegen-wärtige Balkanbund sei offenkundig auf sandigerGrundlage aufgebaut worden. Serbien müßte die Jni-tiative zu einer demokratischen Konföderation derBalkan st aaten ergreifen.Der Parteiführer der Nationalisten Vcja Velkoviclehnte die Vorlage aus Mißtrauen gegen die auswärtige Politikder Regierung ab, welche besonders in der Frage des Bünd-ni s s e s mit Bulgarien sich als planlos erwiesen habe.Ministerpräsident P a s i t s ch führte aus, daß die Regierung imGeiste der Verfassung regiere. Eine Einberufung der Skupschtinawährend des Krieges sei nicht möglich gewesen. Die Regierungbeabsichtige nicht, nach Bewilligung des Budgets die Session derSkupschtina zu schließen. Der Ministerpräsident müsse entschiedendie tapfere serbische Armee, insbesondere das Offizierskorps gegendie Angriffe in Schutz nehmen, die der Abgeordnete Katzlerowicgegen sie gerichtet habe. Die auswärtige Politik Serbiens seifolgerichtig und nicht planlos.fU'r MrflltimglDie Vorstände der deutschen und der französischen Friedens-gesellschaft werden sich in einem Aufrufe an die Oeffentlichkeit,eine Verständigung über die Rüstungsbeschränkung herbeizu-führen. In dem Aufruf heißt es:Enorm ist seit Jahrzehnten die Steigerung der Rüstungslasten.Die fünf Mächte, die heute im Dreibund und im Zweibundgruppiert sind, hatten im Jabre 1890/97, zurzeit, da der Zwei-bund abgeschlossen wurde. Militär- und Marinebudgets in derHöhe von reichlich 2>/z Milliarden Mark, fast gleich-mäßig auf beide Mächtegruppen verteilt. Schuldzinsen und andereNebenetats nicht gerechnet. Heute, nach 16 Jahren, ist dieseRüstungslast auf nahezu fünf Milliarden jährlich an-gewachsen: die Verteilung auf Dreibund und Zweibund ist diegleiche geblieben.Die weitere Rüstungsvermehrung, die heute den Völkern zu-gemutet wird, ist so u n g e h e u e r I i ch wie noch niemals irgendeine zuvor. Noch niemals aber ist es auch so einleuchtend ge-wesen, daß diese riesigen Anstrengungen ihren Zweckvollkommen verfehlen.Ist es nicht ein Gebot des gesunden Menschenverstandes, sichdahin zu v e r st ä n d i g e n, daß man gleichzeitig und gleich-mäßig auf Maßnahmen, die einen so furchtbaren Druck erzeugenund die noch dazu sofort durch Gegenmaßnahmen unwirksam ge-macht werden, verzichtet?Jeder Vernünftige erkennt: So können die Dinge auf dieDauer nicht weitergehen! Jeder empfindet heute mehr als je dieSinn- und Nutzlosigkeit dieses Rüstungswettkampfcs.Und doch ergeben sich Millionen unserer Mitbürger darein, wiein ein unabwendbares Fatum. Ist das würdig politisch mündigerNationen?Wenn die Regierungen und Parlamente sich nicht entschließen,diesen Weg zu gehe«, so wird man zu spät erkennen, wie berechtigtunsere Mahnung war.Die Stunde der Entscheidung ist gekommen.Fraglich bleibt vorerst nur, ivann die bürgerlichenFriedensfreunde von den Worten zu Taten übergehen unddie Rüstungsvorlagen verweigern lverden.frankreicb.Eaillaux gegen die dreijährige Dienstzeit.Paris, 21. April. Der frühere MinisterpräsidentEaillaux hielt vor seinen Wählern in Prevclles(DepartementSarthe) eine Rede, in der er erklärte, er könne die Militärvorlagen.besonders das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit, nicht alsDogmen ansehen. Er lehne den von den Sozialisten befürwortetenGedanken einer Milizarmec ab, aber ebenso sei er ein Gegnereiner B e r u f s a r m e e. Er sei ein Anhänger der Idee desVolkes in Waffen, welches in der Zeit der Gefahr bereit sei, dasVaterland in Reih und Glied mit der aktiven Armee gegen denAngreifer zu verteidigen. Man müsse sich das Beispiel der Balkan-armee vor Augen halten, die mit Soldaten, von denen die jüngstenüber 35 Jahre alt waren, Adrianopel eroberten. Zum Schlußforderte Eaillaux die Abschaffung aller Ungleichheiten und Vor-rechte, die unter dem Schutze der bestehenden Wehrgesetze entstandenseien. Er wolle von den Bürgern für den Militärdienst nur dieunerläßlichsten Opfer verlangen. Er werde alle Vorschläge be-kämpfen, die in der französischen Armee eine Aristokratie schaffenkönnten.Lelgien.Ein Volksfreund.Brüssel, 20. April.(Eig. Ber.) Während das belgische Prole-tariat seinen grandiosen Kampf für sein Recht auSsicht, kommt dieNachricht vom Tode Paul Jansons, her aufrecht und tapferZeit seines Lebens für diese» Recht und alle anderen demokratischenForderungen die Kraft seines Wortes und seiner politischen Person-lichkeit eingesetzt hat. Aller billigen, demagogischen Phraseologie ab-hold. Hot Janson den demokratischen Ideen und einem rein empfun-denen demokratischen Ideal seine ganze Kraft gewidmet und fast inallen großen Kämpfen— insbesondere für daS Wahlrecht und diefreie Schule, den obligatorische» Unterricht, für die persönlicheDienstpflicht, gegen den politischen Klerikalismus und die Machtder Kirche— wegbahnend und mutvoll hervorgetreten.Daß daS belgische Proletariat heute, mitten im wogenden KampfPaul Jansens gedenkt, daß die streikenden Kämpfer hinter seinemSarge gehen, einer der ihren Dank und ehrenvolles Erinnern desProletariats aussprechen wird. daS zeugt mehr als jede Lobeshymnevon der Anerkennung des Volkes für Leben und Arbeit des Ver-storbenen. Janson wurde 73 Jahre alt. Er gehörte der Kammermit Unterbrechungen seit 1877 an. Seit 1912 war Janson„Staats-minister".Janson war einer der angesehensten, berühmtesten AdvokatenBelgiens und alle großen Prozesse sind mit seinem Namen verbunden.Auch als Verteidiger suchte er nur dem Recht und dem Rechten zudienen. Unvergeßlich aber wird Janson vor allem dadurch bleiben,daß er als einer der Ersten, wenn nicht als Erster das Privilegien-Wahlrecht bekämpft hat.Lhina.Eine Wendung in der mongolischen Politik.Die Besserung der politischen Situation in China, die An-Näherung zwischen China und Japan, der Rücktritt der VereinigtenStaaten von dem Sechsinächtekonzern und die damit eingeleiteteAnnäherung zwischen der chinesischen und der nordamerikanischenRepublik— alle dies« Momente haben bereits eine gewisse Wen-dung in der mongolischen Frage herbeigeführt. Ter Hutuchtu inUrga, das geistliche und politische Oberhaupt der Mongolei, daSvornehmlich als Werkzeug der russischen Eroberungspolitik dient,hat sich bereits einverstanden erklärt, mit der chinesischen Regierungin Unterhandlung zu treten. Andererseits sucht auch die PekingerRegierung einen versöhnlichen Ton anzuschlagen, um den Konfliktmit der Mongolei aus friedlichem Wege zu schlichten, und so der rufst-scheu Politik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Usber dieseWendung in der mongolischen Politik schreibt die Petersburger„Rjetsch", die in diplomatischen Dingen gut unierrichtet ist, fol-gendes:„Die Nachgiebigkeit des Hutuchtu, der bisher alle Unter-Handlungen mit China entschieden ablehnte, erklärt sich zsfenbardurch innere Verwickelungen in der Mongolei, verstärkt durch dieStreitigkeiten unter den Fürsten und verschärft durch die Beziehun-gen zwischen dem Hutuchtu und den Fürsten, die mit seiner Politikunzufrieden sind. Tie oppositionelle Bewegung hat in der: letztenZeit einen bedrohlichen Umfang angenommen; viele Fürsten drohendem Hutuchtu, daß sie sich China anschließen werden. Andererseitsdrückt auch die mongolische Bevölkerung, die unter den erhöhtenSteuern und Rekrutenaushebungen zu leiden hat, ihre Unzuftiedcn-heit mit der neuen Lage aus und will zu den früheren Mrhäli-nissen zurückkehren. Es heißt ferner, daß die nach Petersbuez cnt-sandte außerordentliche Gesandtschaft, die jetzt zurückgekehrt ist, dieErwartungen des Hutuchtu getäuscht und ihn zu dem Einschlußgebracht hat, mit China in Unterhandlungen zu treten."Mrokko.Verlustreiche Kämpfe.Paris, 21. April. Wie aus Merada von gestern gemeldet vird,hat eine französische Kolonne eine 2000 Gewehre starke Harkvy. diesich in der Nähe des Postens von Necklila gesammelt hatte, zerstreut,. Das Lager der Harka wurde zerstört. Ter Feind hottezahlreiche Tote. Auf feiten der Kolonne wurden vier Man ngetötet und 17 verwundet, darunter zwei Offiziere.Hm Induftric und FtendelWilsons Thronrede und der neue Zolltarif.Die Aussichten für ein persönliches Regiment sind unter de'«neuen demokratischen Regime in Washington nicht übel. Die new:Zolltaril-Bill, die dem 63. Bundeskongreß am 8. April in denAugenblick seiner Eröffnung zuging, wird von Freund und Feintder Maßregel als„Administrations-Bill" oder direkt als„Wilson-Bill" bezeichnet, und der neue Herr des Weißen Hauses, Präsident:Woodrow Wilson, hat eine mehr als hundertjährige Tradition bei-.feite gesetzt, indem er sich in eigener, allerhöchster Person zur Ver-lesung seiner Zolltarifbotschaft nach dem Kapital begab. DieParteigegner nicht nur, selbst„originale Wilson-Leute"— worunter man die Macher der Wilson-Kandidatur im demokratischenNominationskonvent versteht— sprechen von einer„Thronrede"Wilsons vor versammeltem Parlamente und werfen ihm billigeNachahmung monarchischen Pomps vor. Der nordamerikanischenRiwublik fehlt bekanntlich die Institution der Ministerpräsidenten.wie überhaupt eine offizielle Berührung der Minister mtt derVolksvertretung. Wilson will nun offenbar sein eigener Minister«Präsident sein, wie er schon sein eigener Zolltarifausschuß gewesewist. Er geht dabei ein persönliches Wagnis ein. Der parlamen-tarische Mißerfolg eines Zolltarifgesetzes, für das er sich selber inso dramatischer, um nicht zu sagen, sensationeller Weise eingesetzthat, würde jetzt eine persönliche Niederlage des Präsidenten be-deuten, und wie viele Klippen das Tarifschifflein im Kongreß zufürchten hat, weiß Wilson am besten, weshalb er bereits von vorn-herein mit der„Berufung ans Volk", daß heißt, mit einem schwerenParteikrach bei den Wahlen von 1916, droht. Tie Gefahr lauertim Oberhause des Bundesparlaments, dem Senat, im Volke..Millionärskammer" genannt. Jeder einzelne dieser Dandes istSachwalter irgendeines Trusts oder der in seinem Staate dielängste Pfeife rauchenden kapitalistischen Jnteressenten-Clique, undso alt der amerikanische Schutzzoll ist, so lange sind auch dieTarifsätze schließlich immer von den schachernden und mogelndenEhrengreisen des Bundessenats normiert worden, unter gebieten»der Mitwirkung ihrer kapitalistischen Vettern aus dem Lande, dieals„Zeugen" in den öffentlichen Parlamentsverhören zum Tarif-gesetz— auch eine spezifisch-amerikanische Einrichtung, die natür-lich in der Praxis nur den kapitalistischen Interessenten zugutekommt— wochenlang das Kapital umlagern. Und die„Woll- undZuckcr-Senatoren" haben dem Präsidenten, der sein eigenes Tarif-gesetz machen will, bereits ihre Absage geschickt. Der WilsonscheEntwurf hob jeden Zoll auf Rohwolle überhaupt auf und«-mäßigt den Zuckerzoll um 25 Proz., wobei vollständige Zollfreiheitdes Zuckers bis zum Jahre 1916 vorgesehen ist. Zucker- und Woll-zölle sind aber, neben den Wollwarenzöllen des berühmten„Schodule"(Klasse G des Aldrich-Tarifes), die heiligsten Güter deramerikanischen Protektionswirtschaft, und die(demokratischen!)Senatoren der Zucker- und Wollstaaten verteidigen„ihre" Zölledenn auch mit wütenl�r Entschiedenheit, wie sie für die Wahrungder Konstitution, der Unabhängigkeitserklärung oder die Erklärungder Menschenrechte nie und nimmer ins Zeug gehen würden. DieNew Uorkcr„World", das Hauptorgan der demokratischen Partei,spricht denn auch bereits von Parteizcrklüftung und Parteiverrat.Es bereitet sich zurzeit, wenn sich die hauptsächlich beteiligten Par-teien darüber auch noch nicht klar sind, ein Kampf der radikalenDemokratie mit dem Oberhause des Parlaments, ähnlich dem An-stürm auf die englische Lordskammer vor, und einen ganz wesent-liehen Schritt in der Richtung einer Beschränkung der Senats-Prärogative bringt schon der Wilsontarif mit der Bestimmung, daßder Präsident befugt sei, Handelsvertragsverhandlungen anzu-knüpfen und die so zustande gekommenen Verträge nur der ein-fachen Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses bedürfen,um Gesetz zu werden. Bisher war es das exklusive Recht desSenats, Verträge mit auswärtigen Mächten zu ratifizieren, undzwar war dazu Zweidrittelmehrheit erfordert. Bekanntlich fcheiter-ten hieran die Friedens- und Schiedsgerichtsverträge des Präsiden-ten Taft. Das Hauskomitee, das den Zolltarifentwurf formell„einberichtet"— dem Hause zur Annahme unterbreitet— hat erklärt, in klarem Englisch, das an Llohd George anklingt, der Senatsei„nicht direkter Vertreter der Mehrheit des Volkes der Vereinig-ten Staaten". Uebrigens ist es wahrscheinlich, daß in Zeit voneinem Jahre eine Verfassungsänderung zustande kommen wird,die jenes mächtige Bollwerk der Trustintcrcssenten und der politi-scheu Reaktion zu Falle bringt, und zawr einfach durch Einführungder direkten Volkswahlen zum Senat, der bisher bekanntlich eineArt Telegatenversammlung der einzelstaatlichen Parlamentebildet. Für das nichtamcrikanische Publikum, soweit es nicht, wiedie Arbeiter, an dem innerpolitischen Fortschritt in der großenRepublik ideellen Anteil nimmt, ist der weitaus wichtigste Punktin der„Wilsonbill" natürlich der Uebergang zur HandelSver-tragspolitik. Der Aldrichtarif nahm noch von sämtlichenhandeltreibenden Völkern des Erdballs ohne weiteres alle und jedeVergünstigung in Anspruch, die diese sich nach dem vertraglich fest-gesetzten Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gegenseitigeingeräumt hatten, und im Weigerungsfalle konnten die erpresseri-scheu Reaktion zu Falle bringt, und zwar einfach durch Einführungist es der reguläre Tarif des Zollgesctzes, der als Maximaltarifgedacht ist, wobei der Präsident bei gehörigen Zugeständnissenseitens anderer Nationen Ermäßigungen eintreten lassen kann.Ueber den allgemeinen Charakter des Tarifs als einer„Abwärts-revision" der alten Zollsätze ist die deutsche Presse bereits durchdas Kabel unterrichtet; auf die Details weiter einzugehen, erübrigtsich bisher, da keine amerikanische Tarifbill in ihrer Original-sassung Gesetz wird, und hiervon wird auch die„Wilsonbill" trotzdes oratorischen Donners vom Throne keine Ausnahme machen.Ein Telegramm meldet weiter: der demokratischeA u s i ch u ß des Repräsentantenhauses hat mit überwältigen-der Mehrheit die gesamte Tarifrevisionsbill mit nurwenigen, unbedeutenden Aendcrungen angenommen. DieBill wird am Montag durch Underwood im Repräsen«tantenhause wieder eingebracht werden. Underwoodglaubt, die Annahme der Bill bis zum 11. Mai voraussagenzu können.