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Reserveoffizier ist, in den A u f s i ch t Z r a t der Dillinger Werke zu wählen, zumal das französische Kapital in der General- Versammlung in der Minderheit ist. Man hätte schon vor 15 bis 20 Jahren, als die Dillinger Werke sich in erster Linie auf die Anfertigung von Panzerplatten für die deutsche Marine und den deutschen Festungsbau legten, von der Wahl französischer Reserveoffiziere und Staatsbürger absehen sollen. Das deutsche Handelsgesetzbuch legt einem Aufsichtsrats- Mitglied die Pflicht auf, sich eingehend mit dem ihm anvertrauten Betrieb zu befassen. Noch nack dem Tode des Königs Stumm vor 1s Jahren leitete der Borfitzende des Auffichtsrates die Generalversammlung und den Aussichtsrat in fr an z ö sis ch e r Sprache. Diese Tatsachen werden durch kein Dementi aus der Welt geschafft." Und daß die französischen Kapitalisten aus den deutschen Steuergeldern Mstungsprofite beziehen, erst recht nicht.___ Das Rüstungskapital. Unter dem Titel.Ganz wie bei uns" schreibt dieFranks. Ztg." Eine vortreffliche Parallele zu den Praktiken in der beut- schen Rüstungsindustrie spielt sich gerade in England ab. Dort hat dieDaily Mail", die schon seit langem eine Riesen- Propaganda für den Luftschiffbau(und damit für sich selbst I) betreibt, das Rathaus für ein großes Meeting am 5. Mai gewonnen, in dem der Lord Mayor, unterstützt von Balfour , Lord Roseberh, Lord Roberts und anderen, die Parolezwei zu einS in der Luft" propagieren soll. Dagegen wendet sich nun der angesehene Londoner.Economist " in sehr ernster Weise, indem er u. a. folgendes schreibt: Voriges Jahr um diese Zeit wurde das Marconi - System der drahtlosen Telegraphie ausposaunt(booweä) als ein großes Mittel der Reichsverteidigung. Jetzt fängt die r s e an, von einem Lustschiff- Boom zu sprechen, dessen einzige Basis die Ausficht sein wird, daß riesige Geldsummen aus den Taschen des Publikums in die Taschen bestehender oder projektierter Luftschiffgesellschaften übergeleitet werden. Auch der Gutgläubigste könne nicht leicht meinen, daß die absurden Berichte von den über der englischen Ost- küste schwebenden deutschen Luftschiffen aus rein patriotischen Motiven fabriziert und verbreitet werden. Es sei schon bekannt, daß Luft- schiffanlagen von Unternehmern geplant sind, die mit der Admiralität und dem Kriegsministerium in Verbindung stehen und die sich deren Aufträge sichern wollen.... Man sieht, die Methoden sind diesseits wie jenseits des Kanals die gleichen!_ Tie Stellung des Kriegsministers. DieNational-Zeitung" schreibt: Zu Gerüchten über eine Erschütterung der Stellung des Kriegs- Ministers v. Heeringen hören wir, daß man sich in parlamenta - rischen Kreisen die schwierige Position des Kriegsministers nicht ver- hehlt, aber trotz mancher Meinungsverschiedenheiten seine energische und auch geschickte(?I) Vertretung des Militäretats durchaus an- erkennt. Das Verhalten dcS Kriegsministers imFall Krupp" wird als völlig einwandfrei angesehen und man ist der Anficht, daß er in dieser peinlichen Affäre in jeder Hinsicht seine Schuldigkeit getan hat. Die gegen Herrn v. Heeringen aus Anlaß der Liebknechtschen Enthüllungen gerichteten Angriffe erscheinen um so weniger angebracht: als man zu'wissen glaubt, daß der Kriegs- minister bereits vor einiger Zeit sein Entlassungsgesuch eingereicht habe und nur den Wunsch ausgesprochen habe, noch die Wehrvorloge vor dem Reichstag zu vertreten." Gegen die Bachemiten wendet sich Graf Oppersdorffs WochenschriftKlarheit und Wahr- heit" in ihrer neuesten Nummer mit besonderer Schärfe. Das Blatt weist im Anschluß an eine Polemik derKölnischen Volks- zeitung" gegen die konservativenDresdener Nachrichten" auf die ehrliche Art hin, in der dieKreuz-Zeitung ", v. Heydebrand u. a. die Konservativen als evangelische Partei charakterisieren, während die herrschende Richtung im Zentrum nicht genug Mut und Ehr- lichkeit besäße, das Zentrum als die Partei zur Vertretung der katholischen Interessen gelten zu lassen. Das Oppersdorffsche Blatt schreibt: Man darf getrost sagen: In Fragen der Weltanschauung haben die Konservativen den Opportunismus jenes Kölner M i m i- C h r i st e n t u m s sowie jede Art von Heuchelei immer stolz verschmäht." DieKölnische Volkszeitung" hatte sich dagegen gewandt, daß die sächsischen Konservativen den protestantischen sächsischen Land- tagsabgeordneten Landgerichtsrat Dr. Mangler wegen seiner Rede zum Jesuitengesetz desavouiert haben. DieKölnische Volkszei- tung" legte einewarme Lanze" ein für dieFreiheit der eigenen Ueberzeugung" des konservativen Politikers. Dazu schreibtKlarheit und Wahrheit": Wir lehnen es ab, uns hier neben eine(!)Kölnische Volks- zeitung" hinzustellen. Denn jenes rheinische Zentrumsblatt h a t längst das moralische Recht verloren, im Namen der Freiheit politischer Ueberzeugung das lei- feste Wort zu sprechen. GeradeKöln "(die herrschende Bachem-Richtung in: Zentrum) verfolgt ja jede Meinung, jeden Mann, der über den politischen Charakter der Zentrumspartei oder über die Taten ihrer Führer eine andere als die ganz spezielle Bachemsche Sonderansicht hegt und äußert, verfolgt sie öffentlich, am meisten heimlich, immer in maßloser, in terra- ristischer Weise und mit unauslöschlichem Haß. Da sind Im- Parität und Intoleranz längst biszur Grimasse und bis zum Anfall gesteigert! Riag auch als mildernder, aber trauriger Umstand behauptet werden, daßKöln " physisch, intellektuell und moralisch zusammenbräche, müßte es heut« die nackte Wahrheit, neben sich gestellt, vertragen oder gar selbst aussprechen." Was Graf Oppersdorfs da über den Terrorismus der Herr- schenden Zentrumsrichtung gegen die A:U>ersmeinenden im eigenen Lager sagt, ist kein leeres Gerede. In der skrupellosesten Weise haben die um Porsch. Bachem. Trimborn usw.. die Roeren. Bitter, Oppersdorfs. Kaufmann. Schölten usw. terrorisiert und aus ihren Wirkungskreisen hinausgedrängt, beschimpft und verleumdet. Em neuer deutsch-französischcr Grenzzwischenfall. Kaum daß sich die Gemüter über den programmwidrigen Abstecher desZ IV" nach Frankreich beruhigt haben, ist durch einen erneuten Besuch des deutschen Luft- Militarismus in Frankreich neue Erregung ge- schaffen worden. Diesmal war es keinZeppelin", sondern eine deutsche Mikitärflugmaschine, die sich über die Grenze verirrt hatte und um Vz8 Uhr am Dienstag bei A r r a c o u r t in Frankreich , drei Kilometer jenseits der Grenze, gelandet war. Das Flugzeug, ein Euler-Doppeldecker, das mit zwei Offi- zieren in Uniform bemannt war, war um 5 Uhr worgens mit noch drei anderen Flugmaschinen in Darmstadt aufgestiegen, um Ni e tz zu erreichen. Während eins der Flug- Zeuge wegen des böigen Wetters nach Darmstadt zurückgekehrt war und zwei andere Maschinen unterwegs landeten, wurde die vierte Maschine über die französische Grenze verschlagen, wo sie aus Benzinmangel niederging, um erst jetzt ihre Irr- fahrt zu bemerken. Natürlich wurde der Fall sofort von den herbeizitierten militärbehördlichen Instanzen untersucht. Da sich heraus- stellte, daß di e Maschine offenbar nur durch den starken Wind abgetrieben worden!var, erfolgte die Freigabe des Flugzeugs., Nichtsdestoweniger hat dies erneute Vorkommnis begreif­licherweise den Unwillen der französischen Behörden erregt. Wie die offiziöse Agence Havas mitteilt, hat sich der Minister- rat bereits mit der Angelegenheit befaßt und beschlossen, den französischen Botschafter in Berlin zu beauftragen, bei der deutschen Regierung Schritte zu tun, um ähnliche Zwischenfälle für die Zukunft zu vermeiden. Der Botschafter Cambon hat ferner den Auftrag, die deutsche Regierung auf die ernsten Unannehmlichkeiten aufmerksam zu machen, welche sich bei häufiger Wiederholung solcher Landungen an der Grenze ein- stellen müßten. Die beiden Regierungen sollen übrigens schon seit einiger Zeit in Verhandlungen eingetreten sein, um ein Reglement auszuarbeiten, das ftir die Zukunft solche sich allenfalls einstellende Unfälle der Luftschiffahrt nach festen Regeln erledigt. Besser natürlich wäre es, wenn solch unerwünschte Be­suche nach Möglichkeit unterblieben. Bei der gegenseitigen nötigen Vorsicht, bei gewissenhafter Beobachtung der Luft- strömungen und Berücksichtigung der Witterung(z. B. dem Nichtauffteigen bei Nebel) wäre das auch durchaus zu machen. Kommt trotzdem ein Ueberfliegen der Grenze vor, so wäre auf beiden Seiten größte Kaltblütigkeit geboten! Registriert zu werden verdient auch ein Dummerjungen- streich, der von 13 W deutschenPfadfindern" verübt wurde, die trotz wiederholter Zurückweisungen französischer Zoll­beamter mit Kokarden und Fahnen über die Grenze zogen, offenbar um zu beweisen, daßteutsche" Jugend jede gallische " Abgeschmacktheit nachzuäffen vermag. Hoffentlich sorgen die deutschen Behörden dafiir, daß ähnliche Lächerlich- leiten künftig unterbleiben.__ Ein Parteitag der Nationalliberale» des Rheinlandes tagte am Sonntag in Elberfeld . Obgleich die Tagung öffentlich und mit großer Rellame angekündigt worden war, daß die Parade- Pferde der Partei. Bassermann und Stresemann, reden würden, war der Stadthallensaal nur halb gefüllt. Das Interesse an den national- liberalen Wackelrän�en ist also ein recht mäßiges. Bassermann war nicht erschienen. So nahm als erster Redner gleich Dr. S t r e j e- mann das Wort zu seinem Vortrage über die politische Lage. Er pricS den Imperialismus und die neue MUitärvorlage. Die nationalliberale Partei kenne nur einen bedingungslosen Patriotismus, und es liege ihr fern, ihre Zustimmung zu der Heeresvorlage etwa von der Erfüllung von Parleiforderungen abhängig zu machen. Dann sprach der Landtagsabgeordnete Oertel, ein Land- Pfarrer aus dem Hnnsrück, über die Möglichkeit, der nationalliberalen Partei neuen Boden zu gewinnen. Der nationalliberale Gedanke sei wohl noch zugkräftig, aber leider fehle die Begeisterung. Es seien in der Partei wohl Offiziere, aber keine Mannschaften vorhanden. Kein Wahllreis sei mehr sicher.Bornehme Naturen" zögen sich aus den Wahlkämpfen zurück und wo d a S Geld eine Rolle spiele, sinke das Niveau der Erwählten. Man gehe trüben Zeiten entgegen. Ein Kompromiß mit der Sozialdemokratie sei ganz und gar ausgeschlossen. Die Sozial- demolratie iei die größrs Gefahr, weil sie eine Macht darstelle, die aus dem Born der' Wissenschaft einen tiefen Trunk getan habe. Ihr wobne eine tiefe sittliche Kraft inne. Deswegen sei auch in den Städten nichts für die Nationalliberalen mehr zu holen. Aber auf dem Lande lägen dieWurzeln der nationalliberalen Kraft", das Land sei derJungbrunnen des Liberalismus". Mit der Versicherung, daß die Gegner den Rhein nicht haben sollten, schloß auch dieser Redner. In der Diskussion erhob ein Redner Widerspruch dagegen, daß die Sozialdemokratie geistig überwunden werden müsse. Dann ließ man das Vaterland und die Wackeltanzpartei hochleben und sich dasFestessen" gut schmecken. Am Tage vorher fand ein nationalliberaler Ver- tretertag statt, auf dem in einer Resolution zur Wahlrechts- frage den Abgg. Friedberg und Schiffer für ihremeisterhaften Reden" Anerkennung ausgesprochen wurde. Ein Delegierter aus Düsseldorf regte an,die Sozialdemokratie in ihren eigenen Versammlungen zu bekämpfen". Ein tapferer Vorsatz, von dem man wünschen möchte, die Nationalliberalen setzten ihn in die Tat um. Berlin -Breslau . Bekanntlich fühlten sich die patriotisch-freisinnigen Stadtverord- neten von Berlin unter Führung der echt freisinnigen Männer Cassel und M o m m s e n in ihren patriotischen Gefühlen tief verletzt, als unsere Genossen im Stadtparlament ihre Teilnahme am Jahrhundertfeierrummel ablehnten. Unseren Genossen wurde von den Freisinnigen unter Beifall der Mehrheit der Versammlung Mangel an Patriotismus und Vaterlandsliebe vorgeworfen. Die freisinnig-patriotische Erregung schlug sogar noch im Dreiklassenhause ihre Wellen. Dort fanden die Freisinnigen einen noch günstigeren Resonanzboden für ihren Patriotismus. Die jubelnde Zustimmung war Balsam auf die patriotischen Wunden des Freisinns. Zu einer ganz gleichen Auseinandersetzung über mangelnden Patriot isnius und Vaterlandsliebe kam es in der letzten Stadtverordnetenversammlung in Breslau , nur mit dem Unterschied, daß dort die Blauschwarzen dem Freisinn gegen- über den Vorwurf erhoben. Den Anlaß dazu gab die Bewilligung von 3600 M. für Bücherprämien aus Anlaß der Jahr- Hundertfeier. Der freisinnige Stadtverordnete Prof. Wohlauer bat um Bewilligung der Summe und fügte hinzu, daß die Auswahl der Bücher so getroffen sei, daß der Jugend Sinn für Freiheit, Unabhängigkeit und Duldsamkeit beigebracht werde. Da den Blauschwarzen die anzuschaffenden Bücher in bezug auf Patriotismus und GeschichtSverfälschuiig nicht ganz stubenrein er- schienen, protestierten sie gegen die Auswahl der Bücher unter be« sonderer Betonung der Vaterlandsliebe und machten den Frei- sinnigen den Vorwurf des n, angeln den Patrio- t i s m u s. Die Freisinnigen waren zunächst wegen dieserschweren Verdächtigung" ganz aus dem Häuschen, schließlich sagte aber der Referent den Blauschwarzen folgende Wahrheiten: Ich halte es unter meiner Würde, fortwährend offen t- lich nur meine Vaterlandsliebe zu betonen. (Große Unruhe bei den Blauschwarzen) Was Sie(zu den Blauschwarzen) betätigen, ist nicht Vaterlandsliebe, sondern Hurrapatriotismus."(Beifall bei den Libe- ralen. Unruhe bei den Blauschwarzen) Der Streit, wer den eigentlichen Patriotismus in Erbpacht ge- »ommen bot, tobte noch eine ganze Zeitlang. Schließlich wurden die 3600 M. für die anzuschaffenden Bücher bewilligt. Unsere schöne Mikitärjustiz. . Ein Fabrikant Graf aus Rodenkirchen bei Köln machte im vorigen Jahre eine Eingabe an den Kriegsminister, in der er be- hauptete, sein Sohn sei beim 25. Infanterieregiment in Aachen bei einer Felddienstübung derartig gcschuhriegelt worden, daß er sich ein schweres Lungenleiden zugezogen habe. Daraufhin wurde die «ache untersucht, und die Folge war eine Anklage gegen den Unteroffizier und jetzigen Sergeanten K a tz e k wegen vorschrists- widriger Behandlung Untergebener. Katzke stand jetzt vor dem Kölner Oberkriegsgericht, Er hatte gelegentlich emer Uebung in der Nähe von Aachen eine Kompagnie geführt und die Leute nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen in unmenschlicher Weise gequält. Die Leute hatten etwa dreiviertel Stunden ununterbrochen laufen, sich hinlegen, aufstehen und wieder laufen müssen. Teile der Mannschaft mußten diese Uebungen in einem Holzschlage machen, Ivo sich verschiedene Soldaten Verletzungen zuzogen. Wenn eS nicht schnell genug ging, mußte ein Gefreiter, der hinterher lief, die Soldatenaufmuntern". Als die Leute schließlich in Schweiß gebadet waren, befahl der Unteroffizier hinlegen! Er ließ sie dann ungefähr eine halbe Stunde auf dem gefrorenen Boden liegen und Entfernungen schätzen. Trotz dieser Feststellungen kam das Oberkriegsgericht zu einem Freispruchc. Der Sachverständige Oberstabsarzt Dr. Renncrt sagte in seinem Gutachten, diese Uebungmüsse nicht unbedingt" die Ur- fache für das Lungenlciden de§ Soldaten Graf sein! Das Gericht begründete den Freispruch damit, dein Angeklagten könne nach der langen Zeit nicht mehr mit Sicherheit nachgewiesen werden, daß er seine Untergebenenmit Absicht' vorschrists- widrig behandelt habe. Sollte sich dieseRechtsprechung" bei den Militärgerichten ein- bürgern, so werden Verurteilungen wegen vorschriftswidriger Bc- Handlung recht bald zu den seltensten Ausnahmen gehören! Verlängerung des MaffenftiUftandes. Konstantinopcl, 22. April. Die Waffenruhe, die laut der mündlichen Verabredung morgen abläuft, soll für die Türkei , Bulgarien und Griechenland in einen zweinionatigen Waffen st illstand um- gewandelt worden sein._ Oeftcirddi. Ein österreichisches Panama . In Wien ist eine merkwürdige Provisionsaffäre des früherenKriegsministersRittervonAuffcn- b e r g aufgedeckt worden, die mit dem Verkauf von Zehn- taufenden von Gewehren und Millionen von Patronen an Bulgarien vor dem Kriegsbeginn zusammenhängt. Die Sache ist noch zu dunkel, um zu erkennen, ob am Ende der Kriegs- minister selbst direkt an der Angelegenheit beteiligt ist. Jedenfalls aber haben eine Reihe von Mittelsmännern eine Menge Geld daran verdient, daß Oesterreich auf solche Weise zu den Erfolgen der Balkanstaaten beigetragen hat, gegen die es nachher wieder eine Mobilisierung vornahm! Und dazu kommt, daß in einer Versammlung in Nordböhmen der Wiener demokratische Abgeordnete Zenker mitgeteilt hat, daß die Heeresverwaltung vor einigen Monaten einige Zehntausend- Landwehrhosen an die russische Militärverwaltung verkauft hat. Und jetzt, wo man die österreichischen Reservisten mobili- siert hat, kommen massenhafte Klagen darüber, daß die eigenen Staatsbürger in zerrissenen und dünnen Kleidern den Stra- pazen des Winters an den Reichsgrenzen ausgesetzt waren. Schließlich hätte es noch dahin kommen können, daß die mit österreichischen Landwehrhosen bekleideten Russen die eigenen Landsleutc niedergeknallt hätten. foivland. Ein Notschrei der politischen Gefangenen. Die sozialdemokratische Dumafraktion hat dieser Tage folgende Mitteilung über die Zustände in der Schlüsselburger Bastille erhalten, in der vorzugsweise die zur Zwangsarbeit(Katorga) ver- urteilten politischen Gefangenen interniert sind: Die politischen Katorgagefangenen in Schlüsselburg bitten die sozialdemokratische Fraktion dringend, ihre Aufmerksamkeit auf die schwere Lage der Gefangenen zu lenken und die russische Gesell- schaft von der Dumatribüne von Nachstehendem in Kenntnis zu setzen: Die Karzerstrafe ist in Schlüsselbnrg zu einem System er- hoben. Man wird dort für jede Kleinigkeit eingesperrt, keine Krank- heit rettet vor der Karzerstrafe. Selbst Kranke, die an Epilepsie, Herzerweiterung, Tuberkulose usw. leiden, kommen in den Karzer. Als im Juni v. I. ein Prolest der Gefangenen wegen der Durch- peitschungen und der grausamen Behandlung stattfand, brachen viele von den zum Karzer Verurteilten noch vor Ablauf der 30tägi- gen Straffrist zusammen. Einige Gefangene, wie z. B. Sapo- shnikow, Engelhardt, Lawgmin und Pismentschuk mußten von der Administration nach dem Spital geschafft werden. Den vollständig kranken Gefangenen Skorodnmow schaffte man nach 28tägiger Karzerhaft erst dann ins Spital, als er bereits einige Tage voll- kommen hilflos dalag. Nach einiger Zeit starb er. Kurze Zeit vorher starb Saposhnikow, dem die eisernen Fesseln erst dann ab- genommen wurden, als die Todesagonie bereits eingetreten war. Dies sind keineswegs die einzigen Todesfälle, die durch den Karz" beschleunigt oder hervorgerufen wurden. Hierzu gehört auch der Tod der Gefangenen Sikorsky, Timofejew, Budanow, Jefimow, Kurashow u. a. Eine spezielle Untersuchung könnte ein sehr langes Verzeichnis solcher Todesfälle ergeben. 20 30 Tage Karzerhaft siird eine alltägliche Erscheinung. Von den befragten 63 Personen (47 politischen und 16 Kriminalgefangenen) sind 50 bloß im Jahre 1912 2463 Tage im Karzer interniert gewesen.... Nicht selten werden die Gefangenen im Karzer geschlagen. Dies geschah z. B. mit Kudasheiv und Lawgnin, bei dem letzteren in Gegenwart und unter Beteiligung des Direktorgehilfen KubiS.... Der Direktor empfängt die neu ankommenden Gefangenen mit den Worten:Bei mir ist es so: weniger als 30 Tage(Karzer) bekommt niemand, dann folgen 100 Rutenschläge, und wenn Euch das Leben über- drüffig ist, habt Ihr Handtücher."(Es ist nicht bekannt, ob der Gefangene Popkow, der, nachdem er von einem Aufseher halb tot geschlagen wurde, sich im Jahre 1911 erhängte, diesen Rat befolgt hat.)Eine Kugel kostet 3 Kopeken!" heißt es auch bei dem Di- rektor. So groß ist seine Sicherheit, daß seine Handlungen straflos bleiben." Zaristische Schandjustiz. In Od e s s a wurden dieser Tage 7 Personen wegen Zuge­hörigkeit zur Odessacr Gruppe der sozialdemokratischen Arbeiter- Partei Rußlands zum Verlust aller Rechte und zur lebenS- länglichen Deportation nach Sibirien verurteilt. In G r o d n o verurteilte die Gerichtskammer den Angeklagten Smolitschansty wegen Zugehörigkeit zumJüdischen Arbeiterbund" und wegen Verbreitung von Flugblättern zum Verlust aller Rechte und zur sechsjährigen Zwangsarbeit! Die» sind die typischsten Fälle aus der gerichtlichen Verfolgung der Sozialdemo- kratie nur für wenige Tage. Und nun ein Gegenstück: Der Regierende Senat in Petersburg fällte in diesen Tagen sein Urteil in der KasiationSklage der Schutz- leut« Wasnewsty und Machmatfch von der Detektivabteilung in Snwalki(Polen ), die wegen systematischer Folternngen der Ge- fangenen zu 6 und zu 2 Monaten Haft verurteilt worden waren. Die Folterungen zeichneten sich, wie vor Gericht festgestellt worden war, durch außerordentliche Grausamkeit aus. So wurden die Gefangenen beim Verhör mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen, auf spitze Nägel gesetzt usw. Der Senat hob da» Urteil kraft des Amnestie- Erlasses Pom 6. März auf! Russische. Gerechtigkeit!