Nr. 98. 30. Iahrgavs. 2. J rite des„öoraiirts" ßttlintt örilislilntl Domlkrstag, 24. April 1913. Reichstag 147. Sitzung. Mittwoch, den 23. April 1S13, nachmittags 2 Uhr. Am Bundesratstisch: v. Heerin gen, Delbrück . Militär-Etat. Sechster Tag. Die Beratung beginnt beim Kapitel.Festungswesen.' Abg. Hofrichter(Soz.): Den Festungsstädten wird die durch ihre wirtschaftliche Eni- Wickelung bedingte und notwendige Ausdehnung unterbunden, so daß sie ihre kommunalpolitischen Aufgaben nicht erfüllen können. Die durch die Hausagrarier verschuldeien Mißstände im Wohnungs« Wesen werden in den Festungsstädlen noch verschärft durch den Militarismus. Luft und Licht fehlt den enggebauten Festungsstädlen durchgängig. Der Militarismus unterbindet ihnen die kommunale und wirtschaftliche Entwickelung und verschärft die Mißstände auf sozialpolitischem und sanitärem Gebiet sehr erheblich. Wegen der Fortschritte aui dem Gebiete der Artillerie, namentlich bei der Tragweite der Geschütze, begnügt man sich mit vorgeschobenen Forts. In neuerer Zeit kehrt man aber bei uns wieder zu Wall und Graben zurück. Anstatt den Städten ent- gegenzukommen, zeigt sich die Militärverwaltung bei der Veräußerung von Festungsgelände und auch bei der Veräußerung von anderem fiskalischen Gelände vom kleinlich st en Krämergeist beseelt. Von großen Gesichtspunkten geht die Militärverwaltung nur aus, wenn sie mit Forderungen an den Reichstag herantritt, sonst nicht. Hierin müßte grundlegender Wandel geschaffen werden. Es muß schon sehr arg geworden sein, wenn sich eine Stadt doch zur Flucht in die Oeffenllichkeit entschließt. So wurde in Köln starke Klage erhoben wegen der Ansprüche, die an die Stadt wegen ihres Festungscharakters gestellt wurden. Der Redner legt in seinen weiteren Ausführungen dar, welche wirtschaftlichen Schäden der Stadt Köln aus dem Widerstand des Fiskus bei notwendigen Bahnbauten entstanden sind. Es er- gibt sich die selbstverständliche Pflicht, nichts zu versäumen, um die Festungsstädte aus ihrer schwierigen Lage zu befteien. Das ist gerechtfertigt, da die Festungsstädte dem Schutze des Reiches dienen sollen. Das beste wäre die B e s e iti g u n g d e r F e st u n gen. In unserer Zeit der imperialistischen Bestrebungen und Kriegs- treibereien wird diese allerdings nicht zu erreichen sein lSehr richtig! bei den Sozialdemokraten), aber auch so läßt sich eine ganz erhebliche Erleichterung der Festungsstädte er- reichen, die bisher sehr stiefmütterlich behandelt worden sind. Bei der Prüfung der neuen Militärvorlage, die ganz erhebliche Mittel für Festungsbauten vorsieht, muß untersucht werden, ob und inwieweit eine weitere Einschränkung der Festungen in Deutschland stattfinden kann. Zu verlangen ist aus jeden Fall, daß Wall und Graben in allen Festungsstädten schleunigst beseitigt werden und weiter, daß bei einer Veräußerung von Festungsgelände nur an die Stadt verkauft werden darf. Bei der Preisfestsetzung muß berücksichtigt werden, daß die Stadt beim Erwerb von großem Festungsgelände eine Reihe�von Aufgaben plötzlich lösen muß, die sie sonst Schritt für Schritt hätte lösen können. Verlangt mutz auch werden, daß für die Veräußerung militärfiskalischen Geländes allgemeine Grundsätze aufgestellt werden. Weiter muß verlangt werden, daß die Militärbehörden den Städten bei wirtschaftlichen' Anlägen ikrehr entgegenkommen, und vor allem müssen die Kosten für Festungsbauten vom Militär- fiskus getragen werden, nicht von den Städten. Die Erfüllung dieser Wünsche ist möglich, und dann wird der Militarismus nicht mehr wie ein Alp auf den Festungsstädten lasten.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Trimbor»(Z.): Schon früher habe ich verlangt, daß die Festungsstädte wegen der Schäden, die sie naturgemäß wegen dieses EharakterS haben, einen größeren Anteil an der Wert- zuwachS st euer erhalten als andere Städte. Aus den allgemeinen Teil der Frage bin ich früher schon öfter eingegangen und kann es heute daher unterlassen. Aber widersprechen mutz ich dem Vorredner, wenn er das gegenseitige Verhältnis zwischen Militär- und Stadlverwaltung als schlecht schildert, es ist vielmehr im all- gemeinen ein sehr gutes. Auch bei den Forderungen, die in Köln vom MilitärfiSkuS erhoben wurden. lageS nicht ganz so schlimm wie der Vorredner meinte. Trotzdem erleiden die Festungsstädte tatsächlich schwere wirtschaftliche Nachteile und ich bitte mit dem Vor- redner die Militärverwaltung, möglichst für Abhilfe zu sorgen. Die Erweiterung von Festungstoren muß gesetzlich auf Reichskosten ge- schehen. Diese Bestimmung sollte ausgedehnt werden aus alle durch Erweiterung der Festung notwendigen Festungsbauten. Die Festungs- städte tragen ihre schwere Last doch im Interesse der Allgemeinheit und deshalb sollte auch die Allgemeinheit ihnen helfen. (Bravo ! im Zentrum.) Generalleutnant Wandel: Die Militärverwaltung ist stets be- müht, den Stadtverwaltungen entgegen zu kommen. Aber die Pflichten, deren Erfüllung im militärischen Interesse notwendig ist, darf sie nicht versäumen. Widerspruch muß ich erheben gegen den Vorwurf des Abg. H o f r i ch t e r die Militärverwaltung lasse sich bei dem Verkauf von Grundstücken von kleinlichem Krämergeist leiten.(Bravo ! rechts.) Abg. Weinhausen(Vp.) wünscht Aufhebung der Rayonbeschrän- kungen Danzigs . Generalleutnant Wandel hält aus militärtechnischen Gründen das jetzige Verhalten der Heeresverwaltung für gerechtfertigt. Abg. Dr. Weill(Soz.): Von einem Entgegenkommen der Heeresverwaltung in Festungs- fragen habe ich in Elsaß-Lothringen nichts gehört. Ohne Rücksicht aus militärische Jntereffen werden Forderungen gestellt, die beinahe den Eindruck machen, die Mlitärverwaltung möchte ihre Rechte zu einer möglich st gün st igengeschäftlichenAuS- Nutzung bnngen. Die Erfahrungen in Straßburg und Metz bei der Ablösung der- Rayonbeschränkungen zeigen lein Ent- gegenkommen der Behörden. Die Terrainipekulation hat eine äußerst ungünstige hygienische und soziale Bedeutung.— Zu wünschen wäre, daß die Militärverwaltung ihre Geschäfts- tüchtigkeil auch beweist gegenüber Privatleuten und Reichsmittel nicht ausnutzen läßt von Privatleuten. Namentlich geschieht das von syndizierten Unternehmern. Auch beim süddeutschen Zementiyndikat geschiedt das. Eisenportlandzement wird pro Waggon in Deutschland für 380 M. verkauft, nach Frankreich für 250 M. (Hört I hört! links.) Trotz des Zolles kaufen wir den deutschen Zement auf dem Wege über Frankreich billiger als bei direktem Bezüge m Deutschland. (Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Gewiß soll die Militär- Verwaltung. wenn möglich, der deutschen Industrie den Borzug geben. Aber die ungeheuren Ueberschüsse, die das Zemenlsyndikar macht, finden zu einein großen Teil im Auslande Verwendung, denn das Syndikat hat einen Fonds geschaffen, aus dem die Konkurrenz, und das ist namentlich ausländische, durch Entschädigungen bei eitrgt wird. Wir müssen verlangen, daß die Militärverwaltung die Reichsmittel nicht widerstandslos einem allmächtigen Syndikat zur Verfügung stellt.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) � Abg. Trimborn(Z.) wünscht Besierstellung der Schreiber in den Lrtllleriedepols. Abg. Behrens(Wirtsch. Vg.s klagt über die Verwendung von auslandischen Arbeitern bei �Festungsbauten und verlangt zwangsweise Einführung von Schiedsgerichten bei Streitig- teste» zwische» den Tiefbauunternehmern und ihren Arbeitem. Generalleutnant Wandel meint, daß die ausländischen Arbeiter leider nicht entbehrlich seien, da die Inländer oft die Uebernahme sehr schwerer Arbeiten ablehnen. Vizepräsident Dr. Paasche teilt mit, daß die Regierung die Etatsposilionen betr. die Erwerbung eines Grundstücks in der Viktoriasiraße für Aufnahme des Militärkadinetts zurückgezogen habe. (Heiterkeit und Beifall.) Eine Reihe weiterer Kapitel werden bewilligt. Beim Kapitel 43„Verschiedene Ausgaben' führt Abg. Liebknecht(Soz.) aus: Ich weiß nicht, ob unter dem Titel„Entschädigungen im Be- reiche der Militärverwaltung' auch der Ersatz von Schäden verstanden wird, die durch militärischen Terrorismus hervorgerufen sind. Ich will nicht den Fall der Erna Oppenheim anführen, der die Militärkapelle verweigert wurde; ich meine den Fall des Molkerei- besitzers Arnold in Potsdam , der zu den krassesten Fällen gehört, die wir bisher in Deutschland erlebt haben. Arnold bezog nicht nur von der Hofgärtnerei in Potsdam Gras, er hatte auch Lieferungsverträge mit verschiedenen Potsdamer Regimentern. Dieser Arnold, ein schlichter, unpolitischer Mensch, der mit der Sozialdemo- kratie nichts zu tun hat, hat sich an ein Versprechen gebunden er- achtet und seinen Garten mehrfach der Sozialdemokratie zur Abhaltung von Versammlungen zur Verfügung gestellt. Nicht nur von der Hofgärtnerei, sondern auch von den Regimentern wurden ihm die Lieferungen gekündigt, ja, es wurde ihm sogar das Betreten der Kai'ernements untersagt. Der Kriegsminister hat behauptet, daß dieses Vorgehen der Militärverwaltung keinerlei politische Gründe gehabt habe, sondern nur militärische. Dem- gegenüber bin ich in der Lage, nachzuweisen, daß der Kriegsminister falsch unterrichtet worden ist. Vor mir liegt eine Anfrage Arnolds an das 1. Garderegiment zu Fuß. Ihm ist von dem Regimentskommandeur sein Schreiben zurückgesandt worden mit der Bemerkung: Dem Herrn Einsender mit einliegender Annonce zurück. Diese Annonce enthält eine Ankündigung einer B er s a m m l u n g, die ich in P o t S d a m abhalten sollte. Das Vorgehen des Re- giments ist also begründet worden durch politische Rück- sichten. Ich habe weiter folgendes anzuführen: Nachdem Arnold geschäftlich fast ruiniert worden war, hat er das Geschäft auf seinen Sohn übertragen, der beim 1. Garderegiment diente. Dieser Sohn beantragte beim Garde-Husarenregiment und der Unteroffizierschule, daß ihm die Milchlieserung übertragen werden möge, er wurde aber abschlägig beschieden. Die Lösung des Rätsels ist darin zu suchen, daß beide Kommandos sich bei der Potsdamer Polizei erkundigt hatten, ob der Antrag- steller der Sohn des Sozialdemokraten Arnold sei. Daraus geht doch hervor, daß das Verhalten durch politische Gründe bestimmt worden ist. Man muß annehmen, daß die Informationen des Kriegsmintsters auf Offiziere zurückzuführen sind, und man hatte bisher geglaubt, daß die Offiziere in allererster Linie die Pflicht zur Wcrhrheit haben. Wie gering aber das Maß von Wahrheitsliebe und die Neigung zu objektiven und subjektiven Un- Wahrheiten ist, dafür liegt der Beweis hier vor.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Generalleutnant Staads: Der Fall ist schon in der Kommission erörtert worden. Es ist bei der Untersuchung schon einmal fest- gestellt worden, daß sowohl das Gardehusarenregiment wie die Unteroffizierschule die alten Lieferanten beibehalten haben, von einem Boykott also nicht die Rede ist. Ich Kge entschiedenste Verwahrung dagegen ein, daß behauptet wird, ein Offizier hätte die U nw ahr h e i t gesagt. Arnold ist, wie ich auf Erkundigung er- fahre, durchaus nicht geschäftlich ruiniert, sondern hat noch jetzt ein Geschäft von 24 Milchkühen.(Beifall rechts.) Abg. Liebknecht(Soz.): Ich möchte nur das eine bemerken, daß' Arnold der billigste Offerent war, und daß ihm, trotzdem er ein einwandsfreier Mensch war, die Lieferung doch nicht übertragen worden ist. Das Wesent- liche daran ist, daß sich die Militärverwaltung in diesem Falle bei der Polizei erkundigt hat(Sehr richtig! b. d. Soz.s, ob der Betreffende der Sohn deS Sozialdemokraten Arnold sei. Wenn das dem Kriegsminister nicht berichtet worden ist„ so ist ihm das wesentlichste verschwiegen worden. Will die Militärverwaltung diesen Schaden»ichi gut machen? Erwiesen ist die traurige Tatsache, daß die Militärbehörden im vollen Bewußtsein dieses systematisch gesetzwidrige Verfahren gegenüber Bürgern ausdrücklich billigen.(Beifall bei den Sozial- demokraten.) Kriegsminister v. Heeringe»: Ich lege dagegen Verwahrung ein, daß die Militärverwaltung irgendwie gesetzwidrig verfährt, lieber Disziplin gehen meine und des Abg. Liebknecht Ansichten aus- einander. Vizepräsident Paasche: Sollte Abg. Liebknecht von einem gesetzwidrigen Verfahren gesprochen haben— ich werde Einsicht in das Stenogramm nehmen— so würde ich ihn zur Ordnung rufen.> Abg. Liebknecht(Soz.): Daß das Vorgehen der Militärverwaltung gesetzwidrig ist.(Vizepräsident Paasche: DaS Wort, das ich soeben indirekt gerügt habe, bitte ich nicht zu wiederholen.) Daß das Verfahren objektiv gesetzwidrig ist, ist nicht zu ver- kennen. Die Militärverwaltung hat die Verpflichtung, � die Staatsbürger in ihren bürgerlichen Rechten nicht zu stören. Der Terrorismus, den sie ausübt, ist nicht zu recht- fertigen. Wenn-der Minister hat sagen wollen, er hält diese Art des Boykotts für gerechtfertigt, so bat er noch über seinen Vertreter hinaus das Zugeständnis für den Boykott ausgesprochen. Das wird der Sozialdemokratie eine treffliche Waffe in die Hand geben.(Leb- hafter Beifall bei den Sozialdemokraten. Zuruf rechts: Sie boy- kottieren ja selbst!) Der Titel wird bewilligt. Die Ostmarkcnzulage wird gegen die Rechte, Nationalliberalen und die Volkspartei abgelehnt. Bei den„Einmaligen Ausgaben" begründet Abg. Davidsohn(Soz.) einen Antrag, 147 000 M. zu streichen, die zur Umwehrung deS Exerzierplatzes vor dem Schönhauser Tor in Berlin verlangt wird. Die Einfriedigung soll auf polizeiliche Antorderung vorgenommen werden, auch zur Abwehr von Stönmgen durch Zuschauer. Daß Kasernen durch Mauern geschützt sind. sind wir gewohnt, daß aber Exerzierplätze durch Mauern geschützt werden sollen, ist neu. Bei kleinen Exerzierplätzen fängt man an, dann werden wohl größere herankommen. Truppen, die sich nicht selbst vor Belästigungen bei den Uebungen schützen können, sind keinen Schuß Pulver wert. So viel weiß ich auch von meiner militärischen Laufbahn her, in der ich es freilich, was wohl mit meiner Nasenform zusammenhängt, nicht weiter gebracht habe als bis zum äußersten Grad der Gemeinheit. Als Berliner weiß ich auch, daß dieser Exerzierplatz fast gar nicht mehr benutzt wird. Auch zu B a u m p f l a n z u n g e n auf dem Exerzierplatz soll die Summe mit verwendet werden. Diese Baumpflanzungen sind bereits begonnen. Also will die Militärverwaliung wohl nachträglich für schon verausgabte, aber nicht bewilligte Aus- gaben sich auf diesem Wege Indemnität holen. Ein Teil des Platzes ist bereits mit einem l'/z Meter hohen Stachelzaun umgetan. Auf diesem" Teile sieht man zwar nicht Soldaten, wohl aber Fußballspieler. Das legt den Verdacht nahe, daß aus der Forderung die sogenannte patriotische Jugendbetätigung unterstützt werden soll. Daß diese jugendlichen Spieler dort nicht gesehen werden sollen, begreife ich, nicht aber, daß unsere exerzierenden Truppen dort nicht gesehen werden sollen. Würde der Posten getrennt sein, so daß ersichtlich wäre, was für die Mauer, was für die Regulierung der Bürgersteige und was für die Baumanpflanzungen gefordert wird, so würde ich die beiden letzteren Forderungen vielleicht bewilligen; so haben wir gar keinen Anlaß, diese Forderung zu bewilligen, wenn sich nicht etwa wieder eine Hamburger Rettungsgesellschaft Brabond- Heckscher<mftun will. (Heilerkeit und Beifall bei den Soziamemokraten.) Generalleutenant Staads: Der Platz wird dringend als Deiail- exerzierplatz für das Alexander-Regiment gebraucht. Früher war ein Zaun darum, der wurde stückweis entfernt und war eines schönen Tages ganz verschwunden.(Heiterkeit.) Jetzt fordert der Polizeipräsident seine Wiederaufrichtung und sie ist auch dringend nötig, denn einen mitten im Berliner Verkehr liegenden Platz ist es nicht möglich, so abzusperren, daß Belästigungen der übenden Truppen ausgeschlossen sind. DaS ist auch der Grund, wes- halb er jetzt so wenig benutzt wird. Zum Spielen steht der Platz Schulen, wie alle anderen Exerzierplätze, zur Verfügung. Die Vor- würfe und Verdächtigungen des Abg. Davidsohn sind also ganz unzutreffend.(Beifall rechts. Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Paasche: Den Ausdruck„Verdächtigung' im Munde eines Abgeordneten einem Regierungsvertreter gegenüber hätte ich nicht zugelassen. Abg. Davidsohn(Soz.): Der Zaun ist abgetragen worden, als ich meine ersten Hosen trug. Der Platz liegt keineswegs mitten im Verkehr, sondern abseits vom Verkehr. Zu Spielen wird er den Sportabteilungen der Ber - liner Arbeiter sicherlich nicht zur Verfügung gestellt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der Titel wird bewilligt. Vizepräsident Paasch«: Der Abg. Liebknecht hat vorhin der Militärverwaltung gesetz- und pflichtwidriges Verfahren vorgeworfen; ich rufe ihn dafür zur Ordnung. (Beifall rechts.) Beim Kapitel Artillerie- und Waffenwesen bean- tragt die Kommission, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zur Prüfung der gesamten Rüstungslieferungen für Reichsheer und Marine eine Kommission zu be- rufen, zu welcher vom Reichstag zu wählende M itglieder des Reichstages und Sachverständige zuzuziehen sind. Der Reichskanzler wird ersucht, den Bericht der Kommiision den gesetzgebenden Körperschaften mit Vorschlägen zur Beseitigung etwaiger Mißstände mitzuteilen. Hierzu liegt folgender Antrag Albrecht(Soz.) vor: Die von der Kommission vorgeschlagene Resolution wie folgt zu fassen:. 1. zur Prüfung der gesamten Rüstungslieferungen für Reichs- Heer und Macine eine Kommission von 21 Mitgliedern einzusetzen; 2. den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den der zu 1. genannten Kommiffion diejenigen Rechte eingeräumt werden, die den o rde nt- li ch en G e r i ch ten für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie für die Anordnung der Durch- suchung und Beschlagnahme zustehen. Abg. Ledebour(Soz.): Wir werden getrennte Abstimmung über die beiden Punkte unseres Antrages verlangen. Wir dürfen uns der Tatsache nicht verschließen, daß die Regierung in diesem Falle bis zu einem gewissen Grade Partei ist. Die Regierung wird sich dagegen verteidigen müssen, daß sie mindestens durch U n t.e r l a s s u n g s- sünden es den Interessenten ermöglicht, hat,- das Rei.ch zu schädigen. Wenn aber,-was von allen Seiten anerkannt ist, in bezug auf diejenigen Rüstüngslieferungen, die als mit unlauteren Manövern verknüpft, schon bekannt geworden sind, eine gewisse Mitschuld der Regierung fest- gestellt ist, dann wäre eS höchst verkehrt, wenn Regierungs- Vertreter an der einzusetzenden Untersuchungskommission teilnehmen würden. Bei den früheren Kommissionen, besonders bei der Land- kommission für Deutsch-Südwestafrika sind auch Erfahrungen gemacht worden, die nicht gerade dazu anreizen, daß wir hier der Regierung freie Hand in der Besetzung der Kommission lassen. Es waren damals Mitglieder der Kommission Leute, die Interessenten bei der Gesellschaft waren, deren Machinationen untersucht werden sollten. In ihrer Naivität hatte die Regierung diese Herren zu Mitgliedern der Untersuchungskommission ernannt. Bon einem der Herren wurden sogar Versprechungen über sein Verhalten in der Kommission abgegeben. Wir haben damals die Ueberzeugung gewonnen, daß die Kommission ihre Aufgabe nicht erfüllen konnte, weil ihr das Recht, die Zeugen eidlich zu vernehmen, nicht erteilt worden war. Daher verlangen wir einen Gesetzentwurf, durch den der jetzt einzusetzenden Kommission diese Ermächtigung erteilt wird. Wir können uns auf die Erfahrungen berufen, die man in England mit solchen Kommissionen gemacht hat. Nur so werden wir zu einer gründlichen Erforschung aller der üblen Machenschaften gelangen. Wir stehen hier einem Konzern von Militärintercssentcn gegenüber, der eine kolossale Macht im Staate und in der Gesellschaft hat. Wenn die Kommission nicht die verlangte Befugnis erhält, so erblicken wir darin eine große Gefahr, haben wir eS doch in der Budgetkommission erlebt, daß ein Herr meinte, die Unter- suchungskommission habe auw die Aufgabe unberechtigte Angriffe zurückzuweisen. Wir können uns auf nette Dinge gefaßt machen, wenn Leute in die Kommission hineinkommen, die im Sinne dieser Kritik ihre Aufgabe auffassen. Ein württem- bergischer Bundesratsbevollmächngter hat der grundsätzlichen Standpunkt vertreten, den wir in diesem Antrage formuliert haben. Ich bitte, unseren Anträgen zuzustimmen.(Bravo ! bei den Sozial- demokraten.) Vizepräsident Dove teilt mit, daß zwei handschriftliche Anträge A l b r e ch t und Genossen eingegangen sind, wonach zwei Drittel der Kommission aus Mitgliedern des Reichstages bestehen sollen und diese ReichStagsmitglieder nach den für die Besetzung der Kommissionen maßgebenden Grundsätzen auf die Fraktionen zu ver- teilen sind. Lkriegsminister v. Hceringen: Der Abg. Ledebour hat gesagt, eS sei die Mitschuld der Regierung an den Vorkommnissen, die in den letzten Tagen hier besprochen worden sind, festgestellt worden. Eine solche Feststellung ist nicht erfolgt und konnte nicht erfolgen, weil eine Mitschuld der Regierung gar nicht vorhanden ist. Diese Angriffe auf die Heeresverwaltung weise ich daher mit aller Ent- schiedenheit zurück. Staatssekretär Dr. Delbrück: Es liegen zwei Resolutionen vor. Ich darf mich wohl der Hoffnung hingeben, daß die Resolution Albrecht und Genossen abgelehnt und nur die Resolution der BudgetkomkNission angenommen wird. Ich halte aber einige Be- merkungeu zu der Resolution für nötig. Die Einsetzung einer solchen Kommission würde in der V c r f?' i � n g des Deutschen Reiches ihre Grundlage nicht finden. Eine Bestimmung, wie sie im Z 82 der preußischen Ber« fassungsurkunde enthalten ist. besteht für das Deutsche Reich nicht. Ein Antrag, der im Norddeutschen Reichstage 1868 eingebracht wurde, und der dahin ging, daß man dem Deutswen Reichstage nachträglich durch eine Abänderung der Verfassung diese Befugnisse beilegen möchte, ist abgelehnt worden. Hiernach kann kein Zweifel bestehen, daß für die Einsetzung einer Kommission nach dem Antrage Albrecht und Genossen eine verfassungsmäßige Grund» läge im Deutschen Reiche nicht besteht.(Zustimmung rechts.) Weiter verlangt dieser Antrag, daß dieser Kommission das Recht der Zeugenvernehmung in dem Umfange beigelegt wird, wie es den Gerichten zusteht, und wünscht zu diesem Zwecke die Ein» bringung eines Gesetzes durch die Regierungen. Einen solchen Ent»
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