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Nr. 100. 30. Jahrgang.

4. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonnabend, 26. april 1913.

des Zentralverbandes hatten diese Zumutung des Besizers abge-| daß G. als tüchtiger Arbeiter anzusprechen sei, doch habe Eichhorn

5. Verbandstag des Zentralverbandes der Zivilmusiker lehnt; die Militärmuſiker aber führten den Auftrag aus

Deutschlands .

Breslau , den 24. April 1913.

Dritter Verhandlungstag.

Die Verhandlungen begannen mit dem Referat des Genossen Peitert( Arbeitersekretär, Breslau ) über

,, Die Musiker unter der Reichsversicherungsordnung." An der Hand von Tabellen und sonstigem reichhaltigen Zahlen­material wußte Redner den Anwesenden zu zeigen, daß nach Be­rechnung der Durchschnittslöhne die niedrigst entlohnte Arbeiter­schaft, welche die niedrigste Marke im Preise von 16 Pf. klebt, den höchsten Beitrag für die Invalidenversicherung zahlt, nämlich von pro 100 M. ihres Einkommens 2,80 M. pro Jahr, dagegen zahlt die 36- Pf.- Klasse pro Jahr nur 133½ Pf. Weitere Klarstellungen des Referenten über die Bestimmungen der Hinterbliebenen- und Altersrente, sowie der Krankenversiche­rung zeigten, daß diese ganze Versicherungsgesetzgebung durchaus nicht geeignet ist, die Zustimmung der Arbeiter, wie der Sozial demokratie, uneingeschränkt im Reichstag zu erhalten. Habe doch selbst der Vorsitzende der Gesellschaft für Volkswohl, der in bier Abenden in Breslau die Reichsversicherungsordnung in Vor­trägen behandelte, gesagt, daß dieses Gesetz nicht ohne Mängel und Schäden sei, doch solle man das Für und Wider genau prüfen. Die Sfizzierung des Gesetzes, besonders soweit es für die Musiker in Frage kommt, löste den Beifall der Anwesenden aus. Es schloß sich hieran eine kurze Fragestellung. An der Beant­wortung beteiligten sich der Referent und der Vorsitzende Fauth. Darauf gelangte folgende Resolution zur Annahme:

" Der 5. Verbandstag der Zivilmusiker macht es den Ver­bandsmitgliedern zur Pflicht, in allen Fällen, wo sich unsere Arbeitgeber weigern, die Beiträge zur Invaliden- und Kranken­versicherung zu entrichten, die rechtsprechenden Instanzen, Ver­ficherungsamt, Oberversicherungsamt, Aufsichtsbehörde anzu­rufen, und darauf zu dringen, daß endlich Klarheit über die Ver­ficherungspflicht der Zivilmusiker geschaffen wird." Dann referierte Fauth- Berlin über

Die Versicherung der Privatangestellten."

In längeren Ausführungen gab Redner wertvolle Fingerzeige, wie sich die Musiker zu dieser Versicherung zu stellen haben. Die Generalversammlung beschließt, die Beiträge ihrer Beamten zu dieser Versicherung ganz, und die Beiträge zur Unterstützungs­einrichtung der modernen Arbeiterbewegung zur Hälfte auf die Verbandskasse zu übernehmen.

Für die Beschwerdekommission berichtet Meier- Rübed; seine Ausführungen erstrecken sich auf den Ausschluß eines Mitgliedes, der im Hauptberuf Bildhauer ist und von Liefer Organisation

ausgeschlossen ist. Ueber

,, Die Militärkonkurrenz in Theotie und Praxis"

Die Resolution fand einstimmige Annahme. Die Verhandlungen wurden dann auf Freitag vertagt.

Gerichts- Zeitung.

Polizeitaten im Rechtsstaat" Preußen.

Der Polizeisergeant Niedermeyer in Schildesche bei Biele­ feld betrat am 11. November 1911, abends gegen 11 Uhr, das Lokal des Wirtes Lücking daselbst und gebot Feierabend. Es waren noch Gäste da. Der eine ging alsbald, der andere, ein Arbeiter, trank noch sein Glas Bier. Der Wirt machte den Beamten unterdes darauf aufmerksam, daß es in einer Nachbarwirtschaft mit dem Feierabend offenbar nicht so genau Darauf ging der Beamte hinaus, kam genommen werde. aber gleich zurück und traf Lücking und den Arbeiter bereits vor der Tür. Er ließ es geschehen, daß sein Hund den Wirt anfiel und ihm die Hosen zerriß. Vorhaltungen deswegen beantwortete der betrunkene Beamte damit, daß er den Ar­beiter zweimal in die Goffe stieß. Dieser bat nun den Wirt, ihm Schutz zu gewähren. Der Wirt nahm ihn mit ins Haus und versuchte dann die Tür abzuschließen. Hieran suchte Niedermeyer ihn zu hindern. Ein anderer Polizeibeamter Beide drangen nun mit war inzwischen herbeigekommen. ihren Hunden in das Haus. Dort wurden die Hunde auf die beiden genannten Personen und auf Frau und Kinder des Wirtes gehezt; Niedermeyer hatte seinen Säbel gezogen und schlug blindlings um sich und verwundete den Wirt und den Arbeiter an mehreren Stellen erheblich. Er hörte damit erst auf, als der Arbeiter einen Stich in die Brust bekommen und schreiend zur Vorsicht gemahnt hatte.

Bei dem zweifelsfreien Tatbestande wurde allgemein an genommen, daß die Polizeibeamten alsbald ihres Amtes ent­hoben werden würden. Darin täuschte man sich. Denn nicht gegen die Beamten wurde vorgegangen, sondern gegen die, die von ihnen und besonders von Niedermeyer in so un­erhörter Weise Angegriffenen.

Aber das Schöffengericht würdigte die Taten der Polizei­helden nach der klaren und unanfechtbaren Beweisaufnahme so, wie sie es verdienten, und die Angeklagten wurden frei­gesprochen, obwohl die Staatsanwaltschaft Verurteilung be­antragt hatte. Die objektivste Behörde der Welt" gab sich damit aber nicht zufrieden, sie bemühte die Straffammer des Bielefelder Landgerichts. Hier wurden der Wirt, seine Frau und der Arbeiter, die in so brutaler Weise von dem Beamten geschlagen, gestochen und von den Hunden zerrissen worden

sprach Vorsitzender& auth- Berlin. Die Ausführungen des Red- waren, obendrein mit Geldstrafen von 100, 50 und 50 M.

ners find in folgender Resolution zusammengefaßt:

Seitens der Militärverwaltung sind in neuerer Zeit wieder­holt Rundgebungen ergangen, in denen stets die Behauptung wiederkehrt, daß seitens der Regierungen alles geschehen sei, den berechtigten Beschiverden der Zivilmusiker bezüglich der Militär­fonkurrenz Rechnung zu tragen und daß infolge der von der Militärverwaltung getroffenen Maßregeln berechtigte Be­schwerden von den Zivilmusikern nicht vorgebracht werden

können.

Demgegenüber sieht sich der 5. Verbandstag des Zentral­verbandes der Zivilmusifer Deutschlands genötigt, erneut fest­zustellen, daß die Erklärungen der Regierungs bertreter den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Zwar mag zugegeben sein, daß die ergangenen Ministerialerlasse den Zweck verfolgen, den allerärgsten Miß­ständen abzuhelfen. In Wirklichkeit aber stehen die Bestimmun gen dieser Erlasse vielfach nur auf dem Papier, da die darin den Regiments ufiv. Kommandeuren gegebenen Befugnisse, Aus­nahmen zuzulassen, sehr weitgehende sind und davon der aus­gedehnteste Gebrauch gemacht wird.

bedacht.

Die dagegen eingelegte Revision hatte Erfolg: das Ober­landesgericht wies die Sache zu neuer Verhandlung an das Landgericht zurück.

Die Straffammer hat nach neuer Verhandlung jezt auf Freisprechung erkannt. Die Staatsanwaltschaft allerdings hielt auch in diesem Stadium daran fest, daß die Angeklagten verurteilt werden müßten, ja ihr genügte bei dem einen eine Geldstrafe noch nicht einmal, sie beantragte gegen den Wirt eine Woche Gefängnis.

Werden jetzt die Polizeibeamten angeklagt werden? Preußen soll ja doch ein Rechtsstaat" sein, freilich ein Rechts­staat mit Dreiflassenwahlrecht.

als Vorgesetter bei seinem energischen Vorgehen nicht jedes Wort auf die Goldwage legen können. In derartigen Situationen müßten die Arbeiter den Mund halten, wenn ihnen ein Vorgesetzter Vor­haltungen macht.

Wo ist bei einer solchen Rechtsprechung noch ein Unterschied zwischen dem Arbeitsvertrag freier Mensche und dem Kadaver­gehorsam auf dem Kasernenhofe zu erkennen?,

Ungültigkeit einer Gemeindeverordnetenwahl.

Bei einer Gemeindeverordnetenwahl in Mastrup, die 1911 stattfand, standen sich die Hofbesizer Knudsen und Krack als Kandi­daten gegenüber. Da sowohl bei der Hauptwahl, wie bei der en= geren Wahl Stimmengleichheit herrschte, so mußte das Los ents scheiden. Es entschied für Krack. Die Gemeindevertretung erklärte nun unter dem 19. August 1911 dessen Wahl aus irgend einem, hier nicht interessierenden Grunde für ungültig. Nun wurde eine neue Wahl ausgeschrieben, und zivar für den 28. August, wo die 14tägige Klagefrist, die Krad zustand, noch nicht abgelaufen war. Aus verschiedenen Gründen nahm man an, Krad würde oder habe auf eine Klage verzichtet.

Bei der Wahl am 28. August standen sich nun wieder Krad und Knudsen als Kandidaten gegenüber. Und wieder mußte dies= mal das dos entscheiden. Es fiel jetzt aber auf Knudsen. Auch dessen Wahl wurde angefochten, und zwar deshalb, weil in der Einladung zur Wahl das Wahllokal nicht angegeben worden war. gültig. Die Gemeindevertretung erklärte auch die Wahl Knudsens für un­

Knudsen klagte nun auf Gültigkeitserklärung seiner Wahl, in= dem er geltend machte, die Nichtangabe des Wahllokals habe vor­liegend nicht geschadet, da doch alle Wähler erschienen seien.

Der Kreisausschuß zu Hadersleben , der Bezirksausschuß zu

Schleswig und jetzt das Oberverwaltungsgericht wiesen die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht führte zur Begründung aus: Das Oberverwaltungsgericht stehe auf dem Standpunkt, daß im Falle der Ungültigkeitserklärung einer Wahl die neue Wahl nicht eher stattfinden dürfe, als bis die Frist zur Erhebung der Klage gegen den Beschluß der Gemeindevertretung oder einer Stadtverordneten­Versammlung abgelaufen sei. Das sei hier nicht beachtet worden. Werde die Neuwahl, wie hier, nach ungültigerklärung der vor­herigen Wahl innerhalb der Frist anberaumt, so müsse auch die Neuwahl für ungültig erklärt werden.

Vernunft wird Unsinn.

Das Sprengstoffgeset bedroht mit der Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis den, der Dynamitpatronen ohne polizeiliche Genehmigung im Besiz hat. Der Bergmann Adolf Rischen hatte einige Dynamitpatronen gefunden, sie erst in der Erde vergraben und dann wieder an den Fundort gebracht. Das Landgericht Wiesbaden verurteilte ihn zur Mindeststrafe, weil nach dem Wort­laut des Gesetzes auch der vorübergehende Besitz unter Strafe ge­stellt sei. Gegen das Urteil legte der Verurteilte Revision ein. Der Reichsanwalt beantragte am Donnerstag Verwerfung der Re­vision. Das Reichsgericht erkannte jedoch mit folgender verstän­digen Begründung auf Aufhebung des Urteils und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Die Urteilsgründe lauteten: Wie das Reichsgericht in einer früheren Sache ausgeführt hat, ist das Erfordernis einer vernunftgemäßen Rechtsanwendung, daß die Vorschrift des§ 9 des Sprengstoffgefeßes nicht unter allen Um­ständen buchstäblich angewendet werden kann. Das trifft nach Ansicht des Senates auf den gegenwärtigen Fall zu. E3 muß erst noch klargestellt werden, ob der Angeklagte die Patronen weg­genommen hat, um sie sofort zu vernichten und dadurch ein Unglück zu verhüten. Wenn er in dieser Absicht die Patronen vergraben und möglichst rasch vernichtet hat, so würde auf diesen Fall die oben erwähnte Ansicht zutreffen. Es kann unmöglich die Absicht des Gesetzgebers sein, daß jemand, weil er lediglich Dynamit in die Hände nimmt, um es zu vernichten, trotzdem strafbar sein soll, weil er es in diesen wenigen Augenblicken in Besiz gehabt hat. Von welchem Geiste manche Recht sprechende Richter heute Ar- Festzustellen ist allerdings noch, ob er die Patronen nicht länger beitern mit aufrechtem Sinn gegenüber erfüllt sind, zeigte am als notwendig in Besiz gehabt und sich dadurch strafbar gemacht Mittwoch eine Verhandlung vor dem Schöffengericht Erfurt . In hat. So hat das Reichsgericht in diesem Fall mal der Warnung In der Tat ist es weder in bezug auf die Verdrängung von einer Brauerei hatte der erst seit vorigem Herbst angestellte Ma- Vernunft nicht Unsinn werden zu lassen, Rechnung getragen. Das Zivilmusikern aus ihren Stellungen durch die Militärkapellen schinenmeister Friedrich Eichhorn den schon 13 Jahre in dem ist der Registrierung wert. noch in bezug auf die Einhaltung der tariflichen Löhne ein Betriebe beschäftigten Maschinisten G. in Gegenwart einiger Kol­nennenswerter Fortschritt zugunsten der Zivilmusiker in die Er- legen den frechsten und faulsten Arbeiter" genannt. Bei den nach- Die Beratung der Geschworenen in der Anklage gegen den scheinung getreten. Der Verbandstag kann nur aufs tiefste bedauern, daß die folgenden Berhandlungen mit der Direktion nannte der so schwer Architekten Waldemar dauerte bis gegen 11 Uhr abends. Las Militärverwaltung sich als so unzulänglich und unzutreffend in- gereizte Arbeiter G. den Eichhorn einen gemeinen Lügner. Es Urteil konnten wir deshalb nicht mehr in der ganzen Auflage mit­formiert in dieser Frage erweist. Er ist aber auch nach wie vor kam zur Klage des Eichhorn gegen G. wegen Beleidigung; letzterer teilen, wir holen dies hiermit nach. Die Geschworenen bejahten davon überzeugt, daß eine wirkliche Befferung nur herbeigeführt erhob Widerklage. Dem G. wurde von dem Direktor vor Gericht nur die Frage, ob der Angeklagte schuldig, den Fabrikanten Her­werden kann durch ein gänzliches Verbot des gewerblichen Musi- ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt: der Mann befize aber ein mann Heinze durch Fahrlässigkeit getötet zu haben. Das Urteil zierens der Militärkapellen und macht es daher jedem Musiker startes Unabhängigkeitsgefühl, wie es selbständigen Arbeitern eben lautete auf ein Jahr Gefängnis unter Anrechnung von 6 Mo naten der Untersuchungshaft. zur dringenden Pflicht, alles einschlägige Material zu sammeln eigen ist. Schon in der Verhandlung nun meinte der amtierende und mit allem Nachdruck bei Gesetzgebung und Regierung auf Amtsrichter Dr. Krause: Es sei bekannt, daß die Leute heute mit Erlaß eines solche Verbots hinzuwirken." Glacéhandschuhen angefaßt werden wollten." Schließlich wurde In der Debatie wurden haarsträubende Dinge von der Militär­fonkurrenz vorgetragen. So soll doch sogar im Jahre 1911 das in der den Arbeiter zuerst beleidigende Maschinenmeiſter Eichhorn Vormundschaftsgericht den Namen des Vaters des Kindes anzu­Altona in Garnison stehende Thüringische Infanterieregiment freigesprochen, ihm wurde der§ 193 zugesprochen; dagegen erhielt geben. Gibt sie aber einen falschen Namen bewußt an, so macht Nr. 31 im Ballhaus" Flora"( Altona ) anläßlich einer Masterade der von jenem erit gereizte Arbeiter G. 20 M. Geldstrafe. In der sie sich nach einem am Donnerstag vom Reichsgericht gefällten in Verkleidung als Damenkapelle" gewirkt haben Die Mitglieder mündlichen Begründung des Urteils erkannte der Vorsitzende an, Erkenntnis nach§ 169 des Strafgesetzbuches strafbar.

Richter und Arbeiter.

Urteil in der Wilmersdorfer Totschlagsaffäre.

Muß die Mutter den Vater des unehelichen Kindes nennen? Die Mutter eines unehelichen Kindes ist nicht verpflichtet, dem

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