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Nr. 102.

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Telegramm Adrese: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenftraße 69. Fernsprecher: Amt Morikplay, Nr. 1983.

Der Generalitreik in Belgien  .

Von Emile Vandervelde  .

Montag, den 28. April 1913.

Expedition: S. 68, Lindenftraße 69.

Fernsprecher: Amt Moritplas. Nr. 1984.

Regierung die Sache der Revision seit neun Monaten unge­heure Fortschritte gemacht hätte, die öffentliche Meinung von ießt an gewonnen, die Wahlreform nur noch eine Frage der Beit sei, und daß es unter diesen Umständen der Anwendung des letzten Mittels: des Generalstreiks, nicht bedürfe. Umsonst.

der Arbeiter und verlangten von diesen den Verzicht auf den sähe, daß fie in der Arbeiterpartei die stärkste Enttäuschung Streif, von jenen, daß er die Frage der Verfassungsrevision hervorrufen würde und das Signal zu einer neuen Agitation zum Studium bringe und es gab einen Augenblid, wo alle werden könnte." Welt überzeugt war, daß ihre Intervention vom Erfolg ge Als ich dieses sagte, war ich ein nur zu guter Prophet. frönt werden würde. Die Regierungserklärung rief bei der Arbeiterschaft einen Der belgische Generalstreik ist zu Ende. Er war, was er In der Tat bevollmächtigte am 29. Februar der Mi- wahren Entrüstungssturm hervor. Vergeblich versuchten die nach dem Willen des Proletariats sein sollte: ungeheuer und nisterpräsident Herr de Broqueville die Bürgermeister, der Führer der Partei, zur Geduld zu mahnen. friedlich. Vom ersten Tage an hatten 300 000 die Arbeit ein- Arbeiterpartei mitzuteilen, daß sie den Eindruck hätten, daß Sie wiesen darauf hin, daß trop des Auskneifens der gestellt. Bald waren sie 400 000 und fast zwei Wochen lang die Regierung, wofern die Streifankündigung zurückgezogen blieb diese riesige Masse unbeweglich und kaltblütig. Keine werden würde, eine Geste der Versöhnung und der Beruhi­Gewalttätigkeit wurde begangen, die Ordnung" nicht einen gung nicht verweigern würde". Die Bürgermeister, die dem Augenblick gestört. in das Stadthaus von Brüssel   berufenen Streifkomitee diese Mitteilung machten, fügten hinzu, daß unter diesen Bedin­gungen die Sache der Revision als gewonnen betrachtet werden und daß es nicht bezweifelt werden könne, daß, falls Bekanntlich sind nach der belgischen Verfassung alle die Eigenliebe der Regierung durch die Zurücknahme des Männer vom 25. Jahre an wahlberechtigt, aber wie in Streifs geschont werde, die Frage der Revision studiert und Sachsen   haben die reichen oder doch wohlhabenden Leute zwei bald in bejahendem Sinne entschieden werden würde. oder drei Stimmen, die Armen aber nur eine. Um dieſes Als die sozialistischen   Führer diese Erklärungen empfin­Pluralvotum abzuschaffen, haben die Sozialisten seit 20 Jahren gen, hatten sie die Ueberzeugung, daß die Regierung die alle Mittel der Propaganda und der Ueberredung angewendet. Bürgermeister zu einer solchen Botschaft bevollmächtigt hatte, Bei den letzten allgemeinen Wahlen im Juni 1912 hofften sie weil sie bereit war, ihnen, wenn auch den Schein wahrend, Der klerikalen Mehrheit ein Ende zu machen und die Wahl- Genugtuung zu geben.

Um den Wert der Ergebnisse zu ermessen, muß man zum Ausgangspunkt der Krise zurückgehen und sich die wichtigsten Wendungen vergegenwärtigen.

Der Kongreß vom 23. März beschloß mit einer unge­heuren Mehrheit den Streit für den 14. April, und an dieſem Tage begann der große Ausstand in einer bewunderungs­würdigen Geschlossenheit, mit einer bezwingenden Ruhe..

Zwei Tage später nahmen die Kammern nach einem Monat Ferien ihre Sizungen auf.

Unterm Einfluß des Streiks wurde die Tagesordnung um­geworfen. Es entspann sich eine Debatte, in der der Kabinetts­chef, von den sozialistischen   Deputierten in die Enge getrieben, seine versöhnlichen Absichten beteuerte und sein Versprechen einer Studienkommission für das Lokalwahlrecht erneuerte, wobei er aber zur allgemeinen Ueberraschung hinzufügte, daß, Stabinettchef selbst hatten nicht mit den extremen Elementen würden, eine einheitliche Formel zustandekäme, sie in der Aber die Bürgermeister und wahrscheinlich auch der wofern in dieser Kommission, wo alle Parteien vertreten sein der klerikal- konservativen Partei gerechnet. die dreißig oder vierzig, jeder Wahlreform feindlichen Depu- am m Iungen Anwendung finden könnte. Kaum hatten Folge auch auf die Wahlen für die gesetzgebenden Ver­tierten der Mehrheit vom Geschehenen Wind bekommen, als eine wahre Schilderhebung gegen die Minister erfolgte, die sich verdächtig gemacht hatten, mit den Sozialisten ver­handeln zu wollen. Man gebot ihnen, nichts zu tun und der Stabinettchef wurde gezwungen, um die Einheit seiner Partei nicht zu gefährden, seine versöhnlichen Abfichten dem bösen Willen seiner Anhänger zum Opfer zu bringen.

reform durch ein Einvernehmen der Linksparteien zu ver- Es ist übrigens gewiß, daß dies auch die Ueberzeugung wirklichen. Die Hoffnung wurde getäuscht, da eine gewisse der Bürgermeister und wahrscheinlich, daß es die Absicht des Zahl von Dreistimmenwählern, die gewöhnlich liberal ge- Herrn de Broqueville war. stimmt hatten, aus Klasseninstinkt abfiel. Die klerikale Mehr­heit wurde nicht vernichtet, sondern stieg noch von 6 auf 16 Stimmen. Aber der Ausgang dieser Wahl hatte sofort eine wahre Explosion des Aufruhrs gegen das Pluralwahlrecht zur Folge. In den großen Industriezentren traten tausende Ar­beiter spontan in den Streik, um ihre Unzufriedenheit fund zugeben. In Verviers   und Lüttich   brachen Emeuten aus, die unbarmherzig niedergeworfen wurden und zweifellos hätten die Dinge eine noch schlimmere Wendung genommen, wenn es der Arbeiterpartei nicht gelungen wäre, die Ruhe wieder her­zustellen, aber nur dadurch, daß sie den Beschluß faßte, im gegebenen Augenblick den Generalstreit zur Durchsetzung der Berfassungsrevision und damit der Aufhebung des Plural

wahlrechts zu unternehmen.

Aber im Gegensatz zu ähnlichen früheren Bewegungen in Belgien   oder anderswo handelte es sich diesmal nicht mehr Belgien   oder anderswo handelte es sich diesmal nicht mehr um einen improvisierten und stürmischen, sondern um einen langen, geduldig und methodisch vorbereiteten Streif.

Bom Juli angefangen, während der neun Monate, die ihm folgten, war die ganze Energie der Arbeiterpartei dieser Vorbereitung gewidmet. Ein Propagandafonds wurde von den Genossenschaften, Gewerkschaften und politischen Gruppen errichtet; alle vierzehn Tage Manifeste und Propaganda­broschüren im Land verbreitet; die großen Gewerkschaften beschlossen, der Unterstützung des Streits einen bedeutenden Teil ihrer Barbestände zu widmen; von den bürgerlichen, An­hängern des allgemeinen Wahlrechts forderte man die Ver­pflichtung, die Streitenden mit Geld zu unterſtüßen oder ihre Kinder aufzunehmen; und vor allem wurde ein Spar­system von sehr großem Ausmaß in der Arbeiterklasse einge­richtet, um die genügenden Mittel für einen mehrwöchigen Streit von drei- oder vierhunderttausend Arbeitern anzu­fammeln.

Steuer.

nellen Erklärung, und am folgenden Tage beantragte ein Wir unterstrichen sofort die Bedeutung dieser sensatio­liberaler Deputierter, Herr Masson, diese Regierungs­erklärung zur Kenntnis zu nehmen und hob hervor, daß sie alles in allem die Diskussion des gesamten Wahlrechts­problems einschließe. Drei Tage später, am 22. April, nahm die Kammer die von der Rechten etwas abgeänderte Tages. tragte die Wiederaufnahme der Arbeit. ordnung Masson einstimmig an und das Streiffomitee bean

Symans am 12. März ihn über seine Absichten befragte, mit So erwiderte denn auch Herr von Broqueville  , als Herr einigen unbestimmten Phrasen, die die Möglichkeit einer Ver- Ohne die Bedeutung dieses parlamentarischen Resultats fassungsrevision nach den Wahlen von 1914 durchblicken übertreiben zu wollen, ist es doch sicher, daß die Revision von ließen und mit dem Versprechen der Errichtung einer Stom- iegt ab auf dem Marsche ist. mission, die sich ausschließlich mit der Frage des lokalen Es bleibt nur die Frage, ob sie noch vor den Wahlen bon 1914 oder sofort nachher vollbracht werden wird. Wahlrechts beschäftigen sollte.

Aber was in unseren Augen unendlich wichtiger ist, ist die Tatsache, daß der Kampf, den wir geführt haben, bewiesen hat, daß der Generalstreik zum Zweck der Durchsetzung einer bestimmten Reform vollkommen friedlich und streng gesetzlich bleiben und befriedigende Ergebnisse liefern kann, wenn er methodisch vorbereitet und von einem disziplinierten, seiner Aufgabe bewußten und sie energisch verfolgenin Proletariat durchgeführt wird.

Die Bürgermeister waren derart hinters Licht geführt. Sicherlich hatte der Kabinettschef feine Versprechungen nicht gebrochen, da er keine formellen gemacht hatte. Aber er hatte Hoffnungen bestehen lassen, er hatte Hoffnungen erweckt und Hoffnungen berechtigt. Und dann hatte der Brüsseler Bürger­meister, Herr Max, ihm zu verstehen gegeben, daß es eitel und gefährlich sein würde, die Diskussion der Frage auf das lokale Wahlrecht beschränken zu wollen. Noch am 8. März schrieb In diesem Sinn hoffen wir, daß die in Belgien   soeben ihm Herr Mar: In einer meiner Unterredungen mit Herrn Vandervelde   habe ich ihn über diese Möglichkeit befragt. Er gemachte Erfahrung für die anderen Parteien der sozialisti­erwiderte mir ohne Zaudern, daß er sie als unheilvoll an- fchen Arbeiterinternationale nicht verloren sein wird.

Die Geheimnisse des Rüftungskapitals.

( Das internationale Waffenkartell).

Desterreichische

Diese Spartätigkeit nahm namentlich in den zwei großen Provinzen Lüttich   und Hennegau   solchen Umfang an, daß der Kleinhandel bald durch die bloße Vorbereitung des Streits schwer betroffen wurde. Viele Kleinhändler sahen ihren Umfaz um 30, 40, ja selbst 50 Proz. abnehmen. Die Handelsreisenden klagten bitter, die Atzisenverwaltung ver­Der Vorwärts" hat vor kurzent das Bestehen eines zeichnete einen bedeutenden Verlust im Ergebnis der Bier- Marinelieferantenkartells in Deutschland   nachgewiesen, das Waffenfabriks- Gesellschaft. Als aber dann, nachdem die Kammer am 12. Februar schließt und den Stahlfabrikanten gestattet, dem Reiche die die Konkurrenz bei Bewerbung von Staatsaufträgen aus- An die Deutschen   Waffen- und Munitionsfabriken. 1913 abgelehnt hatte, unsern Revisionsantrag auf die Tages- Preise zu diktieren. Wir hatten auch jenen Brief der Deut­ordnung zu sehen, der Generalstreik für den 14. April be- schen Waffen- und Munitionsfabriken veröffentlicht, der schlossen wurde, brachte die bloße Tatsache dieser Entscheidung zeigte, welche Wachenschaften das Rüstungskapital anzettelt, eine tiefe Verwirrung im Gang der induſtriellen Geschäfte um lukrative Aufträge noch zu beschleunigen. Liebknecht zu hervor. Viele Unternehmer wagten es nicht, Bestellungen hat dann im Reichstag   die Treibereien der Berliner  anzunehmen, die auszuführen sie nicht sicher waren oder sie Krupp- Agenten enthüllt und am Sonnabend das Bild sahen sich ausländische Konkurrenten vorgezogen. Besonders im Hafen von Antwerpen   klagte man darüber, daß sich viele Schiffe aus Furcht vor dem Streif nach Hamburg   oder Rotterdam   gewendet hatten.

Berlin  Waffenfabrik Mauser, Attien- Gesellschaft. Oberndorf a. N.. Fabrique Nationale d' Armes de Guerre  . Händen der Deutschen   Waffen- und Munitionsfabriken in Herstal  

Berlin  .

Wir empfingen von Ihnen nachstehendes Schreiben: An die Desterreichische Waffenfabriks- Gesellschaft Wien  . Wir unterfertigten Firmen, und zwar: Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin  , Waffenfabrik Mauser, Aktien- Gesellschaft in Oberndorf   a. N. und Fabrique Nationale d' Armes de Guerre   in Herstal   bei Lüttich  , ( zusammen Gruppe I) haben mit Ihnen( Gruppe II) nachstehende Bereinbarung getroffen:

U

vervollständigt durch den dokumentarischen Nachweis einer internationalen Verbindung der Waffen­fabriken zur gemeinsamen Ausbeutung aller Länder. Die Sturz, in einem gegebenen Augenblic erreichte die Krise führende Rolle bei diesem internationalen Plünderungs­syndikat haben dieselben Deutschen   Waffen- und Muni­einen solchen Grad, daß von bürgerlicher Seite mächtige An- tionsfabriken" inne, die versucht haben, durch von ihnen lan­strengungen gemacht wurden, um einen Ausgleich zu erzielen. Man wußte, daß sich die Mehrheit der Minister unter cierten falschen Nachrichten in der französischen   Presse die deut­§ 1. Die Grundabsicht der vorliegenden Vereinbarung geht dem Einfluß des Königs schon seit einiger Zeit mit einer fche Regierung zu Bestellungen zu veranlassen. Revision in einer mehr oder minder nahen Zukunft abge- Die Dokumente Liebknechts bestehen in zwei Schreiben, dahin, daß Waffengeschäfte, welche sich auf Lieferung von neu­funden hatte, daß sie nur versuchte, Zeit zu gewinnen, um in denen die Oesterreichische Waffenfabriks- herzustellenden Repetiergewehren oder Starabinern für Ruß land, Japan  , China   und Abessinien beziehen, zu gemeinschaft­Das Stap der Wahlen von 1914 zu umschiffen und einstweilen gesellschaft" ihren Beitritt zu den Verträgen kundgibt, lichem Nußen durchgeführt und die annähernden Gewinne nach gerne bereit gewesen wäre, das Problem der Wahlreform die ihr die andere Gruppe, nämlich die Deutschen   einer in einem späteren Baragraphen festgestellten Skala unter die zum Studium zu bringen, wenn sie nicht gefürchtet hätte, fich 28 affen- und Munitionsfabriken", die af beiden Gruppen verteilt werden... auf diese Weise die Ungunst der reaktionärsten Elemente der fenfabrik Mauser" und die belgische Fabrique§ 2. Zur Erlangung von Aufträgen für die in§ 1 erwähnten Nationale d' Armes de Guerre" vorgelegt hat. Der Vertragsländer sollen die die Interessen beider Gruppen vertreten­zweite Vertrag ist nur eine Ergänzung und Erweiterung des den gemeinschaftlichen Agenten einvernehmlich bestellt erſten. Der Raum verbietet uns, die Verträge vollständig ab- und hierbei möglichst die Agenten, bezw. Vertreter der Gruppe I, zudrucken, nur das Wesentliche ist im Nachfolgenden wörtlich resp. der Deutschen   Waffen- und Munitionsfabriken, beibehalten wiedergegeben.

Rechte zuzuziehen. Um fie nun dazu zu bringen, öffentlich zu sagen, was Sie schon in den Wandelgängen der Kammer gesagt hatte, legten sich die liberalen Deputierten und die Verbände der Kaufleute und Industrielle ins Mittel, aber ohne Erfolg. Auch die Bürgermeister der neun Provinzhauptstädte inter­venierten zwischen dem Ministerpräsidenten und den Führern tiert und lautet:

Das erste Schreiben ist Wien  , 7. Oftober 1905, da­

werden.

§ 3. Insoweit sich bei den unter die vorliegende Vereinbarung fallenden Waffenbestellungen in Rußland  , Japan  , China   oder Abessinien eine Lieferung von Mauserschen oder Mannlicherschen