dort wieder ein Stimmungsbild, daneben erhält der Telepljonistsein Material diktiert, dieweil das Amt sich schon bemüht, diefernsten Städte im Reich zu erreichen und den tollen Betried amKönigsplatz, mit einem ebenso verrückten in Nürnberg, Wien oderaar Pari» zu verbinden, wo sich das Geschäft in umgekehrterReihenfolge vollzieht.Reichskanzlerreden oder große Zusammenstoße gehen allegleickimäßig an, und da arbeitet nötigenfalls auch alles zusammen,wie denn überhaupt auf der Parlamentstribüne die Parteiuntcr-schiede die Kameradschaftlichkeit nicht hindern, und vor der höherenEinheit der Ironie zurücktreten. Was aber der..leitende Staats-mann" für die ganze Tribüne bedeutet— Arbeit nämlich, mehrnicht— das ist für jedes einzelne der Bureaus der eigene Frak-tionsredner, den die anderen nur kurz und meistens auf Kraft-Worte und polemische Spitzen hin würdigen, während er von dereigenen Presse„ausführlich gemacht" und von ihren Bericht-erstattern zumeist auch mit einer inneren Anteilnahme behandeltwird, die sich gelegentlich in einem„Sehr gut! fein!" Luft macht,das deni lieben Nachbar freilich oft nicht gefällt und von ihm miteinem„Ouatsch!" quittiert wird.So gehts an den großen Tagen zu, wo die Journalisten oftgenug stundenlang nicht Zeit haben, aufzuatmen oder gar waszu essen und wo man noch eine Stunde und länger nach Schlußder Sitzung in den Zimmern der Presse die Maschinen klappernund die Federn kratzen hören kann.Wie ganz anders in den Tagen des parlamentarischen Einer-lci! Wenige Leute nur auf der Tribüne, hier und da nur schreibteiner einen neuen Satz, die andern sitzen in der Kneipe, plaudernunten auf den weichen Sofas der Wandelgänge mit befreundetenM. d. R.s oder lesen in dem prächtigen Zeitungssaal des Presse-gcschosses, dem einzigen Räume im Reichstag, der der Bedeutungder Presse für das Parlament halbwegs angemessen ist. Die paarMänneken aber, die gerade Dienst haben und die Fahne hochhaltenmüssen, vertreiben sich die Zeit, so gut es geht. Einer hat ein Buchda, einer spielt auf einen Taschenschach mit sich selber, dort rechneteiner trotz einem Schatzsekretär seinen Dalles nach, und jenerschreibt Briefe, um Beschäftigung für die parlamentslose Zeit zufinden. Ein weiser Daniel des Parlamentarismus hat den Frauen,also auch unseren unentbehrlichen Helferinnen von der Schreib-Maschine, den Zutritt zur Journalistentribüne verboten, auf daßsie uns nicht von der Arbeit abhalten, dem Volke zu melden, daßwir seine Vertreter hier gähnen oder schlafen sehen(dies trifftbesonders für den Erwählten von Salzwedel-Gardclegen, dengreisen Jordan v. Kröcher zu). Aber auch das hat sein Ende, wenndie Glocke wieder ganz anders, viel holder tönt dem müden Rc-porter und sich der Präside mit der grünen Mappe erhebt, um nacheinigem, fast unhörbarem Murmeln zu erklären, daß die Tages-ordnung der nächsten Sitzung feststehe und er die heutige schließe.Sin entlarvtes Spit�elgenie.Vor einigen Tagen konnten wir im„Vorwärts" eines derTalente vom Alexandcrplatz, das sich in die sozialdemokratische Or-ganisation eingeschlichen und der politischen Abteilungder Polizei Spitzeldienste leistete, der Oeffentlichkeitvorstellen. Aber es ist zum Gotterbarmen! Die Qualität der poli-zcilichcn Helfershelfer wird von Jahr zu Jahr schlechter.Man mutz wirklich sagen, der entlarvte Polizeigentlcman, derTischler Alfred Bruns, Marien burger Straße 33,Hof parterre, steht noch unter dem bekannten Durchschnitt derPolizeigenies. Tat er doch das, was man nicht für möglich haltensollte: er kam auf die Redaktion des„Vorwärts" und er-suchte uns allen Ernstes, den Lesern zu erzählen: der von unsbekannt gegebene Polizeispitzel Bruns sei nichtidentisch mit dem Tischler Alfred Bruns, Marien-burger Straße 33. Offenbar wurde er bei diesem Verlangengeleitet von dem Bestreben, dann um so ungehinderter seinem ehr-baren Gewerbe atS Polizeispion nachgehen zu können.Man muß da? treuherzig« Gesicht des Biedermannes gesehenhaben, als er seine Gründe anführte. Auf die Zähne mußten wiruns beißen, um nicht loszuplatzen, als Ehren-Bruns un« erzählte:er könne sich doch nirgends mehr sehen lassen. Nicht einmal zurMaifeier könne er gehen. Das ist freilich ein Malheur. Aberer hat doch dadurch keinen finanziellen Verlust, denn auf Mai-feiern sind keine Soldaten zu finden, an die man sich heranbiedernkann, wie es Bruns früher getan hat. Sieben Soldaten, die sich1— SHwSgHMS!!8eH, damit der Gesang der Vögel noch ein wenig ins Grabdringe._________Kleines feuilletonTer reformierte Bühnenvertrag.Während viele Direktoren, die sich durch sogenannte künst-lerischc und menschliche Rücksichten blenden lassen, nur allzu bereitsind, die wohlerworbenen Eigentümlichkeiten chrcS Standes preis-zugeben, ist in anderen der gesunde konservative Sinn glücklicher-weise nicht ausgestorben. Das Theater ist ihnen eine ehrwürdigeErscheinung, an der nicht gerüttelt werden darf.Um aber selbst den Schein kapitalistischer Parteilichkeit zu ver-meiden, wollen sie der nun einmal erregten öffentlichen Meinungentgegenkommen, ohne die bewährten Grundsätze des bisherigenTheatcrbetriebes aufzugeben. Von einer sachverständigen Kam-Mission sind darum iu die alten Theaterverträge neue Züge hinein-gezeichnet worden. Die neue wohlerwogene Modernisierungdes alten Vertrages ist den konservativen Gesinnungsgenossen unterden Direktoren in einem vertraulichen Schreiben mitgc-Hit worden, das also lautet:Sehr geehrter Herr Kollege!Es wird Ihnen bekannt sein, daß die sogenannte„g e w e r I.s ch a f t l i ch e Bewegung" der Schauspieler, die das Theatermit einer Stiefelfabrik auf eine Stufe stellt, in der Oeffentlichkeitleider cm sehr starkes Echo gefunden hat und sogar den Reichstagund die Gesetzgebung beschäftigen wird. Daß sich die Gesetzgebervon den verhetzten Schauspielern sollten zu Unbesonnenheiten hin-reißen lassen, vermögen wir vorläufig nicht zu glauben. Wohlaber dürfte es sich empfehlen, der öffentlichen Meinungmit einer Reibe besonnener Reformen entgegenzukommen. Wirgestatten uns, Ihnen zu diesem Zweck die folgenden Vorschläge zuunterbreiten:1. An der Spitze jedes Vertrages muß ausgesprochen werden,daß die Rechte und Pflichten zwischen den Direktoren und Schau-spielcrn zu teilen sind. Wir hegen dabei die Erwartung, daßder Direktor als der autoritative Leiter des Betriebes sich dieRechte zu sichern wissen wird.o Um die sogenannte Äostümfrage der Schauspielerinnenaus der Welt zu schaffen, empfehlen wir den Bühnen mit mo.derncm Repertoire da» historische Kostüm vollständig freim liefern und dieses Entgegenkommen durch wirkungsvolle Zei-tungsnotizcn verbreiten zu lassen.8 Wenn Chordamen, die weniger als 100 M. Monatsgagehaben', in Solo-Partien beschäftigt werden, mutz ihnen sowohl dashistorische wie das moderne Kostüm unentgeltlich geliefertEs empfiehlt sich bereits aus künstlerischen Gründen, Chor-damcn, die weniger als 100-c. Monatsgagc haben, niemals zuSolopartien zuzulassen. r•,•.ö Verheirateten caiausplelcriniieii wird wahrend derSchwangerschaft die Hälfte der Gage weiter bezahlt.6 verheiratete Schauspielerinnen notorisch auf das Publi-k'.m eine' geringere Anzichunaskraft ausüben, empfiehlt es sich, inZukunft nur unverheiratete �.awen zu engagieren.auf c!n Ostervergnügen des S. Kreise» verirrten, mußten die Be-kanntschast des Biedermanns Bruns mit Arrest büßen.DaS ziveierlei Tuch hat es dem Bruns überhaupt angetan. Wieer in einem Briefe reumütig gesteht, hat er in mehreren FällenMilitärpflichtige bespitzelt, ob sie der sozialdemokra-tischen Partei und der„sozialdemotratischen" Gewerkschaft ange-hören. Tie Bezahlung für die Liebesdienste ist aller Ehren wert.Auch die politsche Polizei kann sich der herrschenden Teuerung nichtverschließen. Während sie früher ihren Helfern acht Groschenzahlte, bekam Bruns, wie er in seinem Geständnis schreibt:„für dieGänge in der Militärsachc 1,50 M., Fahrgeld und Zehrgeld, ins-gesamt 2,80 M.".Bruns scheint nach der Ansicht seiner polizeilichen Vorgesetztenbesondere Talente cutwickelt zu haben. Um deswillen ist ihm vondem Kriminalbeamten L o„ v i l s(?), der ihm seinen Ehrensoldauszahlte, für Oktober 1013 f e st e A» st c l l u n g bei der politischenPolizei mit einem Salär von monatlich 30 Mark versprochenworden. Genau soviel Silbcrlinge wie Jutws bekam, als er seinenHerr» verriet. Auch damit wird es wohl nun vorbei sein; dennnachdem er uns anbot, Mitteilungen über das Treiben der Polizeizu liefern, wenn wir die gewünschte Lüge unseren Lesern auf-tischten, wird sein Polizciwirken wohl ein Ende finden. Das istauch gut. Wenn wir der politischen Polizei einen Rat gehendürfen: wir raten von einer festen Anstellung dringend ab. Konntenwir doch beim besten Willen, trotz aufmerksamsten Beobachtens,keinerlei hervorstechende Charaktereigenschaften an dem Gesinnungs-tüchtigen bemerken, es sei denn eine etwas große A c n g st l i ch k e i t.Diese bei einem Polizeimanne freilich nicht gerade rühmeus-werte Eigenschaft hat ihn am Sonnabend, den 13. April, einenspäter bereuten Streich gespielt. Bruns, der zurzeit in der Dres-dcncr Straße in einem bestreikten Betriebe als arbeitswilligerKistenmacher tätig ist, traf an dem genannten Tage den früherbespitzelten Genossen I., der mit einem anderen Genossen zufälligdie Straße passierte. Das schlechte Gewissen ließ ihn zum Revolvergreifen. Nur dadurch, daß einige Uniformierte hinzukamen, wurdeweiteres Unheil verhütet. Ihnen rief Bruns zu:„Abteilung?"und ließ den Genossen I. sistiereu. Pünktlich erhielt der Genosseei» Strafmandat,„weil er bei seiner Zwangsgestellung un-gebührlichertveise lärmte und dadurch groben Unfug verübt habe".Bruns aber bereute bald seine unzeitgemäße Aengstlichkeit,Am Montag traf er die beiden Genosseit wieder und nun war erzerknirscht. Er kam mit ihnen auf die Redaktion des„Vorwärts"und legte ein volles Geständnis ab. Um zu zeigen, daß ergar kein wütiger Löwe sei, zeigte er auf Verlangen seinen—>Revolver und ließ ihn entlade».Wer von der Polizei ißt, stirbt daran! könnte-manals Motto zu"dem Werdegang dieses und wohl jedes Polizeispitzelssetzen. Wie Bruns erzählt, hat der K r i m i u a I s ch u tz m a n nRobert Rhein, E b e r t h st r a ß e 2, ihn zur Spitzelei ver-leitet. Wirtschaftliche Not habe ihn zu dem ehrlosen Schritte ge-trieben. Jetzt wolle er nichts mehr mit der Polizei zu tun haben,die auch seinen 1 V- o d e r 1 7 jä h r i g e n Sohn, der als Straßen-feger arbeitete, in ihren Dien st stellen wollte.Die Polizei weiß dem Zuge der Zeit zu folgen. Wo alle« inJugclchpflege»tacht, will auch sie ihr Teil zur nationalen Jugend-pflege beitragen. Bon dem Sohne deS Bruns verlangte einKriminalbeamter, daß er dem Gemeindearbeiterver-bände beitrete und ihm berichte, was dort vorgehe und ge-sprochen werde. Aber die Polizei leistet auch ettvaS dafür. Soerzählte uns Bruns, daß ihm und wahrscheinlich allen Spitzeln derWahlvereinsbeitrag und das Abonnement für den„Vorwärts" bezahlt werden.Wer von der Polizej ißt, stirbt danjn! Das istnicht nur das Schicksal dieses einen Bruns, sondern euch all derer,die jetzt noch glauben, unerkannt ihre Klassengenossen für ein paarLumpengroschen verraten zu können. Stach der Entlarvung vorihren Freunden und Bekannten gebrandmarkt, werden sie als Ge-ächtete von ihren ehrlichen Arbeitskollegen gemieden. Die Polizeiaber, die ihnen nur so lange den Judaslohn zahlt, als sie Spitzel-berichte erhält, schüttelt sie als lästig gewordene Verräter ab.Ein hartes, aber reichlich verdientes Schicksal!7. Um der modernen sogenannten„Mutterschutz-Bewegung"entgegenzukommen, kann auch unverheirateten Damenwährend der Schwangerschaft die Hälfte der Gage belasten werden,mit der Maßgabe jedoch, daß der Beginn der Schwangerschaft beimAbschluß des Engagements mindestens II Monate zurückliegen muß.8. Um das Ansehen unseres bedrohten Standes zu stärken,haben wir beschlossen, um die Schaffung eines neuen Titels fürTheatcrdircktoren einzukommen, zu welchem Punkt wir Ihregütigen Vorschläge erbitten. Die Anregung, besonders tüchtigenDirektoren unserer Gesinnung den Rang eines„GeheimenP r o st i t u t i o n s r a t e s" z» verleihen» haben wir geglaubt ablehnen zu müssen.In der Hoffnung, daß Sie den Grundsätzen dieses SchreibensIhre Zustimmung nicht versagen werden, zeichnen wirhochachtungsvollDer Scharfmacherverband deutscher Thcaterdirektoren.Aus Emile Zolas Anfänge». Der ehemalige Mitinhaber desPariser Verlages, Cbarpentier Maurice Dreyfu», veröffentlicht unterdem Titel:.Was mir noch zu sagen übrig bleibt...* eine Fortsetzung seiner vor einiger Zeit erschienenen Lebenserinnerungen. DasBuch enthält zahlreiche Anekdoten über Gautier, Balzac. JulesSandeau, die Brüder Goncourt, Mistral, Daudet. Flaubert, Zolaund andere. Zola war ein junger Parlamentsjournalist, als ihnCharpentier und DreyfuS eines Tages rufen ließen, um ihn, daseine ersten Romane auf ein großes Talent schließen ließen, fürihren Verlag zu gewinnen. Der junge Romandichter kam und setzteden beiden Verlegern seine Pläne und seine Wünsche auseinander:.Hören Sie an, meine Herren." sagte er.„was ich möchte undwünschte. Ich möchte mein Werk in Ruhe fortsetzen können und darumdie Sicherheit habe», daß ich jeden Monat eine bestimmte Summe er»hielte: ich brauche sie für meine Mutter, für meine Frau und fürmich selbst, denn ich müßte die Gewißheit haben, daß ich mir nieum mein tägliches Brot Sorge zu machen hätte. Zur Bestreitungmeiner Ausgaben brauche ich monatlich 500 Frank, und ich würdeIhnen jährlich zwei Romane liefern. Sie könnten sie veröffentlichen.wo und wie sie wollten, selbst als ZeitungöfeuilletonS. Ich mußIhnen aber bald sagen, daß dieses letztere nicht leicht wäre: manwill meine Romane in keinem Blatte haben. Sie sehen", fügte erlächelnd hinzu,.daß Leuten vom Bau. wie Sie eS sind, solche Ansprüche als verwegene Phantastegebilde erscheinen müffen, und ichmuß gestehen, daß sie auch mir nichts weiter sind als ein schönerTraum..." Die Bilder dieses Traumes sollten bald darauf zurWirklichkeit werden, denn Zola verdiente mit seinen RomanenSummen, an die er auch in seinen kühnsten Träumen nicht zudenken gewagt hätte.Elektrische Hinrichtung von Tiere». Die Vereinigung für Tier.schütz in Boston hat die Neuerung geschaffen, kranken und Herren-losen Tieren auf elektrische Art den Gnadenstoß zu versetze». DieVereinigung hat tvährcnd eines Jahres nich: ivciiiger als 23 000Katzen, fast 5500 Hunde Und 175 Pferde in Schutz genommen,Vögel, Kaninchen und anderes ungerechnet. Ein großer Teil dieserTiere mußte beseitigt werden, und mau bat jetzt die Elektrizitätals das sanfteste Mittel dazu erwählt. Durch eine besondere Vorrichtung können 200 Katzen oder Hunde auf diese Art durch einenlieber Sngel, bitt für uns!Nicht nur in der katholischen Kirche findet man die Anbetungder unterschiedlichen Heiligen, auch in gut evangelischen Kreisen istihre Verehrung an der Tagesordnung. So steht in Goslar amHarz auf dem Marktplatz ein„bittender Engel", dem alle die, diein den kleinen Nöten des Lebens Fürsprache brauchen, mit einerkleinen Geldspende ihre Wünsche anvertrauen. In der„GoslarschenZeitung" werden die Spenden registriert, es finden sich da ganzergötzliche Naivitäten. Aus Dankbarkeit für Hilfe in schwererKrankheit erhält der„bittende Engel" seinen Obulus. 50 Pf.werden gespendet,„weil in ganz Goslar keine grünenHeringe heute vorhanden sind". Eine an der Treue ihresSchatzes zweifelnde Schöne opfert drei Nickel mit der Bitte,„daßmir mein Willi treu bleibt und sich alles zum Gutenwendet". Aber nicht nur als Erhalter der Liebe und Treue fun-giert der„bittende Engel", auch neue Liebesbande soll er an-knüpfen helfen. Da wünscht eine Licbessehnsvchtige:«L. E. er-höre meine Bitten, führe mich mit H. aus O. z u sa m m e n."Na, hoffentlich hat der Engel kein steinern Herz und läßt sich er-weichen, denn wer die Liebe kennt, weiß, was die Arme leidet. Auchdie Schulbuben und die um das Fortkommen ihrer Sprößlinge bc-sorgten Mütter machen sich die Dienstfertigkeit des bittenden Engelszunutze. Wiederholt finden wir in der Quittung Geldspenden mitdem Wunsche, die S ch u l p r ü f u n g zu bestehen. Unrecht jedochfinden wir es von dem kleinen AllcriveltSkerl auf dem GoslarerMarktplätze, daß er sich in die inneren Streitigkeiten der Religions-feiten mischt. So opfert eine Frau 30 Pf.„aus Tank, daß meinMann aus Strick und Band der Adventisteu-gemeinde befreit ist".Tie Uuiversalhilse wäre eine Atquisition für Berlin. Dawürde man bald folgende Bitten finden: Geheimrat C.: L. E.laß meinen Lohn Reserveleutnant werden. V. Heeringen: Schenkemir lange Amtsd.auer. Krupp: Strafe die roten Hetzer für ihreFrechheit. Chor der Landräte: Der Teufel hol die amtlichenWahlurnen. Der lange Theobald: Befreie mich von der gott-gotvollten Abhängigkeit.Lieber Engel, bitt für uns!Kultur-Apostel.Den Ultramontanen ist jede Regung modernen Geiste» einheidnischer Greuel, der wert Uwe, mit Feuer und Schivert aus-gerottet zu werden. Leider ist jedoch immer noch nicht wieder derScheiterhaufen in Tätigkeit, jeden unbequemen Neuerer zur höherenEhre Gottes den Flammen zu weihen. Die wahrhaft Frommenmüssen sich daher mit den kleinen Mitteln ultramontaner Kampfes-weife begnügen. Wie sie ihre ganze Person in dem heiligen Kampfegegen den Unglauben einsetzen, wurde jüngst in einer Klage gegenden Buchhändler Schöller enthüllt, der sich wegen Beleidigungvon fünf Professoren des Gymnasimns zu R o t t w e i l vorder Rottweiler Strafkammer zu verantworten hatte. Die Beleidi-gung wurde erblickt in einer Eingabe des Schöller an die Mini-sterialabteilung für das höhere Schulwesen in Württemberg. Indem Schreiben hatte der Buchhändler sich in kräftigen Worten überB o p k o t t a n d r o h u n g durch Lehrer des Gymnasiums beschwert.Die umfangreiche Beweiserhebung stellte fest, daß ein Professorvon einem Buche Paul H e y f e s in der Auslage der Schöllcr-scheu Buchhandlung unter unverblümter Boykottan-drohung als von einem Schand» und Schundbuche g:-sprochen Hab«. Der Rektor des Gymnasiums bekundetesein Kunstverständnis dadurch, daß er die Entfernung einesBildes von A st i aus der Auslage verlangte. Der Betätigung»-drang eines dritten Gymnasialprofessors lag mehr auf religio»»-wissenschaftlichem Gebiete. Er verlangte unter versteckter An-drohung des Boykott? die Entfernung eines Buches desModernisten Wicland aus der Auslage. Da Schöller frei-gesprochen wurde, dürfen die Steuerzahler die Kosten des Wirkensder Herren tragen.Wie schön wars in der guten alten ZeitI Da wurde nicht langegefackelt. Die Modcrnisten wurden dem Scheiterhaufen überliefert;konnte man ihrer nicht habhaft werden, wurden wenigstens die ge-druckten Irrlehren dem Feuer überantwortet. Ja, dir gute, alteZeit....einzigen Menschen vom Leben zum Tode gebracht loerdcn— ein„ungeheurer Fortschritt, der im Lande, wo Schnelligkeit und Ge-schäftstätigkeit über alles geschätzt wird, besonders hoch bewertetwird". Hoffentlich arbeitet diese Vorrichtung sicherer als der bc-rüchtigte elektrische Stuhl für die amerikanischen Verbrecher. Uebri-gcns Iverden im Durchschnitt doch nur 2500 Tiere im Monat inBoston elektrisch hingerichtet und dann in einem besonderen, mitGas geheizten Krematorium verbrannt.Notizen.— Gegen das Reichstheater gcsetz rüsten jetzt dieThcaterdirektoren. Im Vorstande des Deutschen Bühnen-Vereins haben sie mehrere Resolutionen eingebracht. Sie erklärensich außerstande, die Lasten zu tragen, die ihnen daS Gesetz auferlegen wolle. lieber die Resolutionen wird demnächst die Ge-neralvcrsammlung des Vereins entscheiden.— K u n st ch r o n i k. Im Kupferstichkahinett derköniglichen Museen wird morgen, Dienstag, eine AusstellungDelacroix und die Meister von Barbizon(Radie-rungen und Steindrucke) cröfftwt. Dclacroix, einer von den Stür-mern der französischen Romantik, der Generation von 1830. ist dendeutschen Arbeitern als Maler des Bildes„Die Freiheit führt dasVolk auf die Barrikade" bekannt.— Ein wichtiger Fortschritt der Chemie. Nachfast zehnjährigen?lrbeiten ist es dem Prof. Fritz Haber gelungen,Ammoniak tl nm ittelbar ans seinen ElementenStickstoff und Wasserstoff zu gelvinncn. Er führte das Experiment,an dem die Landwirtschaft größtes Interesse hat, einer Ver-sammlung der Deutschen chemischen Gesellschaft vor. die amSonnabend im Hoftnannshause tagte.— EinneuesBildvonKleist. Bisher war nur ein ein-ziges Porträt des Dichters Heinrich von Kleist bekannt: ein Jung-lingsbild. Jetzt ist ein weiteres entdeckt worden, eins aus demsiebenten Lebensjahre, das den Knaben mit seiner Mutter dar-stellt. Arthur Elvasser veröffentlicht es in Velhagens Monats-heften. Gemalt hat es der Miniaturenmaler Close.— Der Golfstrom soll nach einer soeben bekannt werdenden Hypothese Fridtjof Nansens nicht, wie man bisher geglaubthat, aus den mittelamerikanischen Gewässern herkommen, sondernvon der afrikanischen und westeuropäischen Küste.— Rußland sperrt den Parsifalaus Tie Auf-führung des Wagnerschen Werkes tourde in Rußland endgültigverboten, wie es heißt: aus religiösen Gründen.— Ibsens Peer G Y n t, vor einer Rethe� von Jahreneinmal von der Berliner Lessinggesellschaft auf die Bühne gebracht,würde im Nürnberger Stadttheater als Festspiel aufgeführt. Fastsechs Stunden dauerte die Ausfiihrung.— Der Architekt Gabriel v. Seidl, der Erbauer desDeutschen Museums, ist gestern nachmittag im 65. Lebensjahregestorben. Viele große Schloß- und Villenbauten hat er geschaffen.Auch die Häuser der Maler Lenbach und F. A. von Kaulbach sindsein Werk. Das Braukapital wußte sein Talent für Junen-dekoration für de» Bau moderner Bicrpaläste auszunutzen.