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eben der preußische Justizminister gewesen sein. Wenn der Reichskanzler zwei juristische Instanzen einmal verwechselt, ist das doch weiter nicht wunderbar.(Sehr richtig! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. Zuruf: Ist denn der Justiz- minister gefragt worden?) Präsident Kaempf: Es ist parlamentarisch nicht zulässig, wenn der Abg. L e n s ch dem Reichskanzler Verletzung einer An- standspflicht vorgeworfen hat. fLachen bei den Sozialdeino- kraten.) Abg. Lensch: Ich kann im grohen und ganzen die Darstellung des Unter- staatssekretärs Wahnschaffe bestätigen.(Rufe rechts: Na also). Dann sind Sie sehr bescheiden.(Rufe rechts: Das sind Sie nichtl) Nein, Sie wissen, nur die Lumpe sind bescheiden.(Präs. Kaempf: Diese Bemerkung, Mitgliedern des Hauses gegenüber, ist nicht parlamen- tarisch.) Als Herr Wahn schaffe mir sagte, es werde sich viel Material gegen die sozialdemokratische Presse im allgemeinen herbeischaffen lassen, habe ich ihm geantwortet: Wenn der Reicks- kanzler mit allgemeinen Redensarten kommt, dann würde er die Antwort in öffentlicher Sitzung bekommen, die ihm gebührt. (Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Den großen Zitatensack kennen wir ja sehr gut: wenn man ihn umstülpt, fällt nichts heraus. Wenn man dieser Sache nähergehen würde, würde es dem Unter- staatssekrelär genau so gehen wie dem Reichskanzler: Aus seinen Dutzenden von Zitaten würde nur eine erweislich unrichtige Behauptung übrig bleiben.(Sehr gut I bei den Sozialdemo- kraten.) Abg. Heine(Soz.): Wenn einer Bescheid weiß darüber, ob in der sozialdemokratischen Presse strafbare Beschimpfungen der christlichen Religion vorkommen oder nicht, so bin ich das. Wenn solche einigermaßen häufig vor- kämen, würde ich es aus meiner Praxis wissen. Ich kann erklären, daß ich in denr fast einen Bierteljahrhundert, Ivo ich Verteidiger sozialdemokratischer Zeitungen bin, ich glaube im ganzen ein oder zioei Fälle von Air klagen wegen Re« ligionsb.e schimpfung erlebt habe(Hört! hört! bei den So- zialdcmokraten), trotzdem doch die Zahl der Leser der sozialdemokra- tischen Presse in dieser Zeit von etwa 10l1<1<)l1 bis auf viele Millionen gestiegen ist. Wenn das wahr wäre, was der Unterstaatssekretär behauptet hat, müßte sich das in den Ziffern der Kri m in a l st a t i st i k ausprägen. Und dann würden sich die Gegner der Sozialdemokratie nicht mit so vagen gemeinen Redensarten begnügen, wie wir sie vom Reichskanzler ge- hört haben.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Weil Sie eben gar-nichts zu sagen wissen, hält sich der Reichskanzler nicht für zu gering, in einem Moment der Verlegenheit den Reichsverbandsschimmel zu reiten, aber er verliert dabei Zaum und Zügel.  (Heiterkeit und Sehr gut! bei den Soz.) Die vielen Worte des Herrn Unterstaatssekretärs helfen darüber nicht hinweg, daß die Angabe des Reichskanzlers, er habe dem Staatssekretär Lisco einen Fall zur Begutachtung unter- breitet, eine positiv unrichtige war.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) All die Behauptungen der Reichsverbandspresse und Redner über angebliche Verbrechen der Sozialdemokratie sind ja in 909 von 1000 Fällen nicht um einen Funken wahrer als diese Behaupturgen des Reichskanzlers.(Sehr gut! bei den Sozial- demokraten.) Der ganze Vorgang spricht in keiner Weise gegen das Reichsjustizamt, sondern beweißt nur, wie die Reichsregierung immer das Reichsjustizami als bequemes Mittel benutzt, um unangenehme Dingo abzuschieben. Selbst wenn es garnicht einmal wahr ist, wird der Anschein erweckt, als ob das Reichsjustizaml den Reichs- kanzler unterstütze. Also man zeige uns den Artikel. Der Unter- staatssekrelär hat ja Zeil, er möge bis zum nach st en Jahre Mater tal sammeln. Wenn er eS uns dann vorher mitteilt, werden ivir ihn: die Antwort auch nicht schuldig bleiben.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokralen.) Staatssekretär Wahnschaffe: Mir ist eben eingefallen, warum es sich handelte. Der preußische Justizminister wurde über die Strasbarkeit einer Zeitungsnotiz befragt, worin mitgeteilt wurde, daß im Rheinland   bei einem sozialdemokratischen Masken- fest eine Frauensperson als Ehrt st us verkleidet erschienen sei,(Hört! hört! rechts, Gelächter bei den Sozialdemokraten.) Ob da§ keine Verhöhnung des Gottesglaubens ist, und ob es dabei die geringste Rolle spielt, ob die Frage an den preußischen Justiz- minister oder an den Staatssekrelär des Reichsjustizamts gerichtet ist, überlasse ich dem Urteil des Hauses.(Bravo I rechts.) Abg. Mnmm(Wirtsch. Vg.): Der Fall ist allerdings überaus kraß. Man hat behauptet, daß jene Frau im Zusammenhange mit kirchlichen Vereinen stehe. Festgestellt ist nur, daß sie einmal Unterstützung erhalten hat. Im übrigen ist der Fall so empörend, daß ich nicht erwartet hätte, daß er von der Linken mit Lachen aufgenommen würde.(Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Die Frau ist mit der Ueberschrift»Der erste Sozialdemokrat* niit einem Kreuze durch eine Versammlung sozialdemo- Irati scher Natur hindurchgegangen. Abg. Heine(Soz.): Glauben Sie denn, daß, wenn diese Frau wirklich Sozialdemo- kratin gewesen wäre, dadurch, daß sie jemand als ersten Vertreter der von uns heilig gehaltenen Ueberzeugung darstellt, ihn damit hat beschimpfen oder herabsetzen wollen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich bin ja persönlich der Meinung, daß ernste Dinge nicht auf ein Maskenfest gehören, aber von einer Beschinzpfung der christlichen Religion kann hier keine Rede sein. (Lachen rechts. Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Glauben Sie, wir durchschauen die Sache nicht? Der Reichskanzler bat sich eben verhauen, und da wird nun irgend etwas vor- geschoben. Hätte der Reichskanzler damals von dieser Sache ge- wüßt, hätte er nicht von Beschimpfungen durch die Presse gesprochen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In der sozialdemokratischen Presse wird die Erörterung religiöser Probleme mit einer Aengstlichkeit vermieden(Lachen rechts), die die Presse anderer Parteien sich nicht auferlegt.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf Westarp(k.): Das ist nicht möglich, jeden Tag alles Material bei sich zu haben. Deshalb kann ich auch nicht den Sozialdemokraten mit einer Unzahl don Beispielen. die ganz leicht zu sammeln wären, ins Geficht springen.(Lacken bei den Sozialdemokraten). Nur ein Beispiel, wie solche Fälle sich häufen: Vor kurzem ist der Redakteur Rauch in Zittau   wegen Be- schimpfung der evangelischen Landeskirche zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden(Hört! hört! rechts), weil er die Kirche eine staatliche Verdummungsanstalt genannt hat.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die ganze Art, wie die Frage hier von der Sozialdemokratie behandelt wird, das Gelächter, mit der sie die Erzählung von der Person begleitete, die sich erfrecht hat, als Christus zu erscheinen, beweist, daß zwischen Ihnen und uns, die in Sachen der christlichen Religion auf einem ernfthasten Standpunkt stehen, eine Kluft besteht, die sich durch keine Reden überbrücken läßt.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Abg. Lensch(Soz.): In dem Fall des Redakteurs Rauch handelte es sich um eine Kollekte der christlichenKirche. nicht um den christlichen Glauben. Doch Sie reden vergebens viel, mn zu vertuschen, daß die Behauptung des Reichskanzlers einfach aus derLuft gegriffen war.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Heine(Soz.): Wir betrachten Fragen der Religion ernster als diejenigen, die schlankweg eine Kollekte als Einrichtung der Religion bezeichnen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten, Zuruf rechts.) Gewiß steht im Gesetz beides nebeneinander: Angriffe auf die Religion und An- griffe auf die Kirche. Angriffe auf Einrichtungen derKirche, die vielfach Träger reaktionärer, politischer Unterdrückung ist, werden mir uns niemals nehmen lassen.(Sehr wahr. bei den Sozialdemokraten.) Aber Kirche und Religion sind zweierler. Diese Unterschiebung, dieses Taschenspielerkunststück.(Präsident Kaempf rügt diesen Ausdruck) lasten wir uns nicht gefallen. Graf Westarp hat einen Unterschied gemacht zwischen ernsten Leuten und uns: wir haben ihn noch nie ernst genommen.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf Westarp  : Ich stelle nur nochmals fest, daß es sich in dem Artikel darum handelte, daß die Kirche eine Verdummungs- anstalt genannt wurde. Abg. Haase: Graf Westarp   hat vorher gesagt, er wolle nachiveiscn, wie sich solche./älle häufen und hat dann einen Artikel aus einer Zeitung vorgetragen, wonach ein sozialdemokratischer Redakteur wegen Verletzung des§ 166 bestraft worden ist. Wenn ein solcher Fall vorgekommen ist, so beweist das durchaus nicht, daß eine Häufung solcher Fälle im sozialdemokratischen Lager sich zu- getragen habe.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokrckten.) Außer- dem hat sich dieser Fall ereignet nach der Erklärung des Reichs- kanzlers. Er kann ihn also nicht im Auge gehabt haben. Außer- dem ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Tann   behauptete Graf W e st a r p, als der Fall der Frau hier vorgetragen wurde, sei auf unserer Seite gelacht worden. Aber das Lachen bezog sich keineswegs an diesen Fall, auf das Verhalten der Frau, sondern darauf, daß man versuchte, einen Vorgang, der mit der Erklärung des Reichs­kanzlers gar nichts zu tun hat, hier zur Vertuschung des Tatbestandes vorzubringen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich kann mitteilen, daß diese Frau weder der sozialdemokratischen Partei, noch einer Ge- werkschaft angehört, daß sie aber viel mehr Beziehungen zu den Kreisen des Herrn Mu m m hat, als er selbst vielleicht weiß.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Stellung der Sozialdemokratie zu der Frage der Religion ist durchaus klar. Wenn innerhalb der Sozialdemokratie, im Kampf der Parteien gegeneinander, namentlich wenn kirchliche Einrichtungen zum Deckmantel für politische Pläne benutzt werden, Aeutzerungen fallen, die wir selbst nicht billigen können, so kann daraus nie der Schluß gezogen werden, daß die Partei als solche irgendwie reltgionsfeindlich ist. Wenn das von irgendeiner Seite geschieht, so kann es nur geschehen unter Verdrehung der Wahr- h e i t und aus Heuchelei.  (Zustimmung bei den Sozialdemokraten, Unruhe rechts.) Abg. Zürn(Rp.): Was Herr Haase über die Stellung der Sozialdemokratie zur Religion gesagt hat, kann man in g e- wisser Weise unterschreiben. Aber wie verträgt sich mit dieser Duldung, die Sie hier in Ihrem Programm prokla- mieren, daß Sie öffentlich überall zum Austritt aus der evangelischen Landeskirche auffordern?(Schallendes Gelächter bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Junck inatl.) begründet einen Antrag auf Wieder- einstellung des in der zweiten Lesung gestrichenen 6. Reichs- anwalts. Abg. Heine(Soz.): Wir lehnen die Stelle keineswegs aus Sparsamkeitsgründen ab, und wir erkennen auch an, was Kollege Junck über das Wachsen der Arbeitslast am Reichsgericht sagt. An unseren Gründen, die ich in der zweiten Lesung auseinandergesetzt habe, hat sich seitdem nichts geändert. Die Rcichsanwaltschaft ist eine Behörde, der gewiß mehr Unabhängigkeit zu wünschen ist. Aber sie hat auch das Maß von Ilnübhängigkeit, das ihr bei der gegenwärtigen Gesetzgebung zusteht, in dem kritischen Fall, den ich angeführt habe, vermissen lassen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: In anderen auch.) Gewiß, in anderen a u ch. Aber dreser eine ist so scharf, daß er genügt. Zu einer Institution, die einen hervorragenden Juristen mo- ralisch so herabdrückt, wie es in dem Prozesse gegen Liebknecht geschehen ist, haben wir kein Vertrauen. Mag sie einmal mehrere Jahre zeigen, daß sie auch anders kann, und dann wiederkommen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Junck(natl.) und Abg. Dr. Müller-Meiningen  (Vp.) bitten das Zentrum, doch gerade im Hinblick auf diese, unsach- liche Begründung den 6. Reichsanwalt zu bewilligen. Abg. Dr. Haase(Soz.): Wir treiben keineswegs Verärgerungspol. itik, sondern lassen uns von durchaus sachlichen Gesichtspunkten leiten. Je mehr Staatsanwälte amtieren, desto mehr häufen sich die Prozesse. Schon jetzt ist jeder fünfte Mensch in Deutschland   bestraft. Wir sollten dafür sorgen, das Institut der Staatsanwaltschaft zu beseitigen, und haben gar keinen Anlaß, es noch zu vermehren. Abg. Dr. Junck jnatl.) und Staatssekretär Dr. LiSco bitten nochmals dringend um Bewilligung der Stelle. Die auf Antrag Junck namentlicke Abstimmung ergibt die Aufrechterhalt nng der Streichung des 6. Reichsanwalts mit gegen 118 Stimmen bei 3 Stimm­enthaltungen. Persönlich bemerkt Abg. Thiele(Soz.): Ich bin nicht wegen Gotteslästerung, sondern wegen Pfarrerbeleidigung verurteilt worden, und vorläufig ist der Pfarrer noch nicht der liebe Herrgott. Der Etat wird bewilligt. Beim Etat des Reichsschatzamtes wird die Streichung der Ost markenzulage für den Stationskontrolleur in Posen in namentlicher Abstimmung mit 182 gegen 114 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen aufrechterhalten. Beim Etat des Rcichscisenbahnamtcs klagt Abg. Baudcrt(Soz.), daß das Eisenacher Oberland durch Eisenbahnen nicht aufgeschlossen wird. Die preußische Eisenbahn- Verwaltung verschließt sich leider durchaus der Notwendigkeit, den Verkehrsbedürfnissen der Industrie und Landwirtschaft entgegen- zukomincn. Das Reichseisenbahnamt hat die Pflicht, die Preu- ßische Eisenbahnverwaltung auf diese Notwendigkeit hinzuweisen. Es ist nicht von ohngefähr, daß gerade auf den überlasteten und schlecht eingerichteten Bahnhöfen und Haltestellen in den Thüringer  Kleinstaaten sich mehrfach Betriebsunfälle ereignet haben. Es müssen unbedingt Vorkehrungen dagegen getroffen werden. Wenn die maßgebenden Stellen selbst einmal die Verkehrs- misere in den Thüringischen Klein st aaten am eigenen Leibe verspürten, unter der die Geschäftsleute täglich zu leiden haben, würde wohl bald für Abhilfe gesorgt werden. Wären die thüringischen Kleinstaaten preußisch, so würde man sich ihren Wünschen gegenüber nicht so ablehnend verhalten. Aber wir Thü- ringer, die so wie so schon unter einem starken Parasiten- tum zu leiden haben, müssen mit aller Entschiedenheit allen fts- kalischen Ungerechtigkeiten entgegentreten»(Bravo  ! bei den So- zialdemokraten.), Abg. Dr. Wendorff(Bp).: Auch aus Norddeutschland könnte ich Eisenbahnschmerzen vortragen. Sie haben alle ihren Grund in dem Fehlen einer Reichseisenbahngemein- schaft, der der Präsident des Reichseisenbahnamts nicht länger ablehnend gegenüberstehen sollte. Ebenso wäre eine reichsgesetz- liche Regelung der Dienst- und Ruhezeit der Eisenbahnangestellten dringend erwünscht.(Sehr richtig! links.) Gegenwärtig kommen in Mecklenburg   z. B. Dienstzeiten von' 15 Stunden und mehr vor(Hört! hört! links), und man muß sich nur wundern, daß nicht noch mehr Unglücksfälle sich ereignen. Abg. Ulrich(Soz.): Früher glaubte man. das Verkehrswesen des Deutschen Reiches befinde sick in verhältnismäßig guten Händen. Aber ollmählich haben sich die Verhältnisse sehr geändert und die Kleinstaaten haben sehr über den größten Eisenbahnbesitzer in Deutschland   zu klagen. Die Ausgaben des Reichseisenbahnamts sind alle nötig, ja/ wir würden diesen Etat gerne noch verstärkt sehen, denn wir wünschen, daß das Reichseisenbahnamt eine regere Tätigkeit entfaltet.~ Zu den früheren Klagen, die ich aus Hessen   borgebrachi habe, haben sich jetzt wieder neue gesellt. Der preußisch-hessische Eisen- bahnvertrag bedarf dringend der Revision; leider fehlt in ihm eine Kündigungsklausel, so daß er für die Ewigkeit ge- schlössen erscheint. Tie Revision des Vertrages ist aber unbedingt notwendig, denn Hessen   ist danach absolut nicht in der Lage, für eine Verbesserung seiner Eisenbahnverhältnisse selbst zu sorgen. Preußen erfüllt nicht einmal die Bestimmungen des Vertrages. Abg. Werner-Hersfeld(Antis.) bringt Wünsche der Lokomotiv  » beamten vor. Präsident des Reichseisenbahnamts Wackerzapp: Eine Regelung der Dienst- und Ruhezeit der Eisenbahnangestellten kann nur von den Einzelstaaten, nicht vom Reich vorgenommen werden. Gegen­über dem Abg. Baudert mutz ich doch darauf hinweisen, daß die Zahl der Betriebsunfälle beständig zerückgegangen ist. Abg. Baudert(Soz.) weist nochmals auf die elenden und ge- fährlichen Verhältnisse auf Thüringer   Bahnhöfen hin. Ein mecklenburgischer Bundesratsbevollmächtigter gibt zu, daß die Gehälter der mecklenburgischen Eisenbahner geringer sind als in Preußen; sie seien eben auf die einfachen ländlichen Verhältnisse in Mecklenburg   zugeschnitten.(Lachen links.) Abg. Ulrich(Soz.): Herr Wackerzapp hat sich gewundert,, daß die hessische Regie- rung noch keine Beschwerde geführt habe über die von mir als ge- fährlich bezeichnete Zuganlegung. Es gibt eben Leute, die immer erst die Gefahr erkennen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wir aber wollen dem Unglück vorbeugen.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Der Etat wird bewilligt. Beim Etat des Allgemeinen Pensionsfonds bemerkt der sächsische Generalmajor v. Weißdorf  : Abg. Erzber�er hat bei der zweiten Lesung mir Kasernenhofton vorgeworfen, wo- gegen ich entschieden Verwahrung einlegen mutz. Vizepräsident Dove: Die Aeußerung des Abg. Erzberger habe ich so verstanden, daß man aus dem Kasernenhof Beschwerden ohne weiteres abtun kann, weil den Soldaten dort nicht das Recht der Gegenrede zusteht. Das war vollständig parlamentarisch? Kasernenhofton hat er dem Bundesratsbevollmächtigten nicht vor- geworfen. Abg. Erzberger(Z.): Der Herr Präsident hat mich ganz rtch- tig verstanden; auf dem Kasernenhof kann man Beschwerden ohne weiteres abtun, ein Abgeordneter kann verlangen, daß sie untersucht werden. Materiell gehe ich wohl am besten auf die Häu- fung von Verlegenheitsausreden des Herrn Militärbevoll- »nächtigten nicht ein. Der Etat wird bewilligt. Postetat. Abg. Schultz(Rp.): Ich bitte Sie dringend, die Ostmarken- zulage für die Postbeamten zu bewilligen.(Lebhaftes Bravo! rechts.) Staatssekretär Kractke: Ich kann mich diesem Appell nur warm anschließen.(Bravo  ! rechts.) Abg. Giesberts(Z.) tritt dafür ein, daß die Stellung der Ober- Postschaffner eine Beförderungsstelle für die Unterbeamten bleibt. Abg. Zubeil(Soz.f: Die Landbrieftröger haben oft soviel Pakete zu tragen, daß sie aussehen wie die Packesel. Entweder müssen mehr Kräfte ein- gestellt werden oder es mutz ihnen irgendeine Art Fuhrwerk ge- stellt»Verden.   Aus Hamburg   schreibt mir ein Postbeamter:Noch nie ist im Reichstag ein so»vahres Wort gesprochen wie in den letzten Tagen, als die unteren Po st beamten als Heloten bezeichnet wurden." Weiter sind mir erneut Klagen zugegangen über Verwendung von Postbeamten zu Zwecken, die»nit ihrem Dienst nichts zu tun haben und über schlechte Behandlung von Beamten. Nicht Dienstfreudigkeit erzielt man auf diese Weise, sondern Knechtsinn, Unzufriedenheit, Verdrossen- heit.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der Hamburger Postafsistent schreibt, man könnte mit Hoffmann von Fallersleben  ausrufen:Ist denn gar kein Weg, ist denn gar kein Steg, der uns führt aus dieser Sklaverei." Man behandelt die Leute nicht als Beamte, sondern wie auf dem Kasernenhof. In Hamburg   ist ein Erlaß herausgekoinmen, wonach Beamte, die infolge Ueberarbeitung krank werden, noch besonders b e st r a f t werden. Ein Beamter, der Vorschläge zur Verbesserung des Dienstes in einem Fachblatt machte, wurde mit 30 M. bestraft; ein anderer»nit 20 M., weil er schrieb:Die Geheimakten seien das Unglück vieler Beamten." (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Im Bezirk des Post- amts 39 in Berlin   klagt das Publikum über viel zu späte Ausführung der 6 Uhr-Bestellung. Die Reviere sind dort viel zu groß. Daher ist der Prozentsatz der Erkrankten dort besonders groß.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich er- warte, daß die Postverwaltung diesen Beschwerden nachgeht.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Beck(Heidelberg  , natl.) empfiehlt den von allen Parteien gestellten Antrag, der den Po st Hilfsbeamten und den nicht etatsmätzigen Beamten eine Aufbesserung ihrer Bezüge bringt. Abg. Hubrich(Vp.) schließt sich dem Vorredner an. Abg. Dr. v. Chlapowski(Pole) verlangt Ablehnung der Ost. markenzulage. Abg. Baudert(Soz.) tritt für die Posthilfsboten ein und wendet sich gegen die Ostmarkenzulage. Der Etat wird mit den durch obigen Antrag bedingten Aende- rungen bewilligt, die Streichung der O st markenzulage wird in namentlicher Abstimmung mit 176 gegen 104 Stimmen bei 2 Stimmenenthaltungen aufrecht erhalten.' Die Etats der Reichsdruckerei und der Reichseisenbahnen werden debattelos bewilligt. Ebenso nach unwesentlicher Debatte die übrigen Etats und das Etatgesetz. Präsident Kaempf ruft nachträglich den Abg. Ulrich wegen seiner Aeußerungen gegenüber dem hessischen BundeSratsbevoll- mächtigten zur Ordnung. Schließlich wird der Etat in der Gesamtabstimmung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Polen   angenommen. Hierauf vertagt sich das Haus auf Dienstag, den 27. Mai, nachmittags 2 Uhr.(Kleine Anfragen. Petitionen.) Schluß 9 Uhr. )Zus   Inckuftm und Dandel. Vom internationalen Rnstnngskapital. Die Jnternationalität der Rüstungsindustrie läßt sich sehr gut an den finanziellen Beziehungen der in der letzten Zeit viel« genannten Deutschen   Waffen« und Munitionsfabriken A.-G. verfolgen. Die Gesellschaft ist neben mehreren deutschen  Rüstungsunternehmen an der lTadrigus nationale d'armes de guerre (N a t i o n a l f a b r i l für Kriegswaffen) in Herstal   in Belgien  , an der Eoinpagnie anonyme kran�aise pour la kabrication dos roule- ments ä billes(Kugelfabrik) in Paris   und der Looietk Metallurgioa Bresciana in Brescia   beteiligt. Alle diese ausländischen Unter- nehmen waren recht rentabel; die belgische Fabrik z. B. zahlte in den letzten sechs Jahren 18, 20 und 24 Proz. Dividende. Der Ge- winn aus den Dividenden aller Fabriken, an denen die Deutschen  Waffen beteiligt sind, macht daher etwa der gesamten Ein- nahmen aus. Neben diesen direkten Beziehungen unterhalten die Deutschen  Waffen noch indirekte zu ausländischen Rüstungsunternehmen. Gleich der Waffenfabrik Mauser und den Dürener   Metallwerken, deren Aktien die Deutschen   Waffen zum Teil befitzen, gehört die Gesell» ichaftdem Loew e-Konzern an. Ludwig Loewe-A.-G., die in eigener Regie nur noch Maschinen herstellt, besaß früher Waffen» fabriken in Martinikenfelde und in Karlsruhe  , aus deren Ber  »