Rekrutenbedarf decken kann, sondern noch eine erhebliche An-zahl Ueberzähliger behält.Wie ist das möglich? Die Wehrordnung ist nicht ge-ändert. Die Wehrordnung enthält ganz bestimmte Vorschriften,wonach die Stellungspflichtigen eingeteilt werden in Taugliche,künftig Taugliche, minder Taugliche, Untaugliche und Un-würdige. Wer ein bestimmtes Maß in Körperlänge, Brust-umfang, gut entwickelte Muskulatur und keine oder nur ge-ringere Fehler hat. ist tauglich und kann ausgehoben werden.Schwächere und solche mit etwas größeren Fehlern werdenals künftig tauglich der Ersatzreserve überwiesen, aus denenim Mobilmachungsfall die Ersatzmannschaften genommenwerden sollen.Solche mit größeren Fehlern werden als minder tauglichdem Landsturm überwiesen. Notorische Krüppel werden alsuntauglich bezeichnet, ferner werden mit Zuchthaus bestrafteLeute als unwürdig ausgeschloflen.Für den Grad der Tauglichkeit hat die Wehrordnung ganzbestimmte Vorschriften. An der Hand der Wehrordnung kannschon jeder Arzt feststellen, ob ein Stellungspflichtiger brauch-bar ist, oder ob er der Ersatzreserve oder dem Landsturmüberwiesen wird. Sind mehr Taugliche vorhanden als Re-kruten gebraucht werden, dann werden die Ueberzähligen derErsatzreserve oder dem Landsturm überwiesen. Taug-liche, die die einzigen Ernährer hilfsbedürftiger Eltern,oder die Verwalter von landwirtschaftlichen odergewerblichen Betrieben sind, können dem Landsturmoder der Ersatzreserve überwiesen werden. Bei Begründungder Heeresvorlage stellte es der Kriegsminister so dar, alskönne der gesamte Mehrbedarf an Rekruten aus den Ueber-zähligen entnommen werden. Er sagte in seiner Rede amt. April:„Wir verzichteten bisher auf einen großen Teil unsererwehrfähigen Bevölkerung zum aktiven Dienst. Wir überwiesenihn den Ersatzreserven oder ließen ihn ganz unausgenutzt zumLandsturm übertreten."Der Kriegsminister unterließ es aber, für diese Be-hauptung Zahlen anzugeben. Offenbar hat er nicht daran ge-dacht, da man die genauen Zahlen aus der Statistik desDeutschen Reiches ersehen kann.Das letzte Jahr, für welches genaue Zahlen vorliegen,ist das Jahr 1911. Von den Tauglichen wurden wegenbürgerlicher Verhältnisse also auf Reklamation 366 dem Landsturm und 7079 Ersatzreserve überwiesen. Von den Ueber-zähligen wurden 182 dem Landsturm und 2460 der Ersatz-reserve des Heeres oder der Marine überwiesen. Da mandie bürgerlichen Verhältnisse auch ferner berücksichtigen willund den armen hilfsbedürftigen Eltern den einzigen Ernährerlassen will, so kommen für die Heeresverstärkungen mir die2642 Ueberzähligen in Betracht, die aber nicht reichen, denRekrutenbedarf der 1912 beschlossenen Vermehrung des Heereszu decken. Ein weiterer Faktor ist das Wachstum der Be-völkerung. Sind in den Jahren 1893 und folgende so vielKnaben mehr geboren, daß man mit einer erheblichen Steige-rung der Stellungspflichtigen rechnen kann?Die Zahl der geborenen Knaben betrug:1891... 980 3181892... 956 7431893... 992 4861894... 979 0761895... 998 926Von diesen sind in Abzug zu bringen 3,4 Proz. als totgeboren. Ferner starben von 100 000 lebcndgeborenenKnaben 34951 vor Vollendung des 20. Lebensjahres. Auchsind unter den Geborenen Kinder der Ausländer und solche.die als Kinder auswandern. Wie das Verhältnis derStellungspflichtigen zu den vor 20 Jahren Geborenen ist.kann man daraus ermessen, wenn man die Zahl der beider Volkszählung gezählten männlichen Einwohner im Altervon 20 Jahren mit den Geburtenziffern von vor 20 Jahrenvergleicht. 1880 wurden in Deutschland 908 579 Knabengeboren und 1900 wurden 513 624 männliche Eimvohner imAlter von 20 bis 2l Jahren in Deutschland gezählt.Die Geburtenziffer ist in den folgenden Jahren gestiegen,aber die Freude an den gestiegenen Geburten ist eine vorüber-gehende. 1901 wurden zwar 1080180 Knaben in Deutschlandgeboren, aber jetzt ist die Zahl wieder unter die Zahl gesunken,die wir schon Anfang der siebziger Jahre hatten.Die Tauglichkeit ist aber auch nicht gestiegen. Von 100Abgefertigten waren 1903 57,1 tauglich, 14,7 künstig tauglich,also Ersatzreserve, 19,5 minder tauglich, also Landsturm,8.5 untauglich und 0,2 unwürdig. Die entsprechenden Zahlensür 1911 sind: 53,4 tauglich, 15,1 künftig tauglich. 25,1 mindertauglich, 6,3 untauglich und 0,1 unwürdig. Weder in derGeburtenziffer noch in dem Grad der Tauglichkeit sind Sprüngehervorgetreten. Nur die Militärverwaltung macht Sprünge.191 1 wurden 292 155 Mann ausgehoben oder traten frei-willig in das Heer oder in die Marine ein. 1912 tritt eineAendcrung des Militärgesctzes in Kraft, wodurch der Rekruten-bedarf um zirka 11 000 Mann gesteigert wird, 1913 tritt eineweitere Steigerung von 63000 Mann ein, auch die Marinebraucht mehr Menschen und die Aushebung von 1913 be-weist, daß allen Anforderungen entsprochen werden kann.Wie ist das zn erklären?Zweifellos kann man in einem Jahre die Aushebung er-heblich steigern. Weil die jungen Leute drei Jahre stellungs-pflichtig sind, werden wohl oft Brauchbare ein Jahr zurückgestellt, weil es wünschenswert ist, daß der junge Mann sichnoch mehr entwickelt. Wenn die Leute, die bisher zurück-gestellt wurden, ein Jahr früher genommen werden, dannhat man zwar in einem Jahre erheblich mehr Brauch-bare, aber man verbraucht die Kräfte der Zukunft und schonim folgenden Jahre tritt der Rückschlag ein. Will man daserkennen, dann muß man es einmal an konkreten Zahlenuntersuchen.1909 stellten sich»34 310 zwanzigjährige junge Leute.Von diesen wurden 98 ausgeschlossen, 17 369 waren untaug-lich, 16 048 wurden als minder tauglich dem Landsturmüberwiesen, 30 wegen bürgerlicher Verhältnisse und 6679als künftig tauglich der Ersatzreserve des Heeres und 301 derErsatzreserve der Marine, 100 721 als tauglich ausgehobenund 393 064 wurden ein �ahr zurückgesetzt. Ferner stellten sich361759 21jährige. von denen 100 ausgeschlossen. 5589 alsuntauglich befunden, 13100 in den Landsturm, 5207 in Ersatz-reserve des Heeres. 389 in Ersatzreserve der Marine. 54078ausgehoben und 283 296 zurückgestellt wurden. Von den283 674 22 jährigen wurden 170 ausgeschlossen. 10140 alsuntauglich befunden, 439 tvegen bürgerlicher Verhältnisse,87 als Ueberzählige und 100782 als minder tauglich demLandsturm, 7331 wegen bürgerlicher Verhältnisse. 4088Ueberzählige. 65680 oIS fixnstig tauglich der«Oatzreserve überwiesen und 61 /34 als tauglich aus-gehoben. Dazu wurden noch 46 987 ältere abgefertigt.Jnsgesanrt waren 230698 Brauchbare ausgehoben. Wollteman 1909 die Zahl der Brauchbaren steigern, dann müßteman die nehmen, die 1909 zurückgestellt, aber schon 1910 alstauglich befunden wurden. Das waren aus dem Jahrgangder 20jährigen 53262 und dem Jahrgang der 21jährigen70 699. Die Zahl der Brauchbaren wäre nun 1909 auf354 659 gesteigert, aber die Zahl der 1910 gestellteneinundzwanzigjährigcn und zweiundzwanzigjährigen wäreum die Zahl der 1909 mehr ausgehobenen vermindertworden. Verfährt man nun 1910 nach demselben Modus,dann bringt der Jahrgang der Zwanzigjährigen 154442 und derJahrgang der 21jährigen 72 3i9. Der Jahrgang der 22jährigenfällt ganz aus, weil alle Tauglichen dieses Jahrganges schon1909 genommen sind. Man ist also wieder auf der Zahl an-gelangt, die man vor 1909 auch hatte.Die Grundlage für die Rekrutierung bildet die Zahlder vor 20 Jahren geborenen Knaben. Von diesen werdenin den nächsten Jahren 570000 bis 580000 das 20. Lebens-jähr erreichen. Nimmt die Brauchbarkeit nicht noch mehrab, dann werden wir im Durchschnitt auf 307 050Taugliche rechnen können. Hiervon werden durchschnittlich 7500wegen bürgerlicher Verhältnisse nicht eingezogen. DerRekrutenbedarf wird aber die Zahl 355000 übersteigen. Umdiese Zahl einstellen zu können, wird man die Wehrordnungändern und die Ansprüche an die Tauglichkeit erheblich herab-setzen müssen. Fast die ganze Ersatzreserve, in welche bisherreichlich 80000 Mann überwiesen wurden, wird man alsbrauchbar erklären müssen. Da man aber die Ersatzreservefür den Mobilmachungsfall gebraucht, so wird man den größtenTeil des Landsturms in die Ersatzreserve überweisen müssen.Wird aber die Wehrordnung nicht geändert, dann werdendie Verteidiger der Heeresvorlage sich an den Kopf fassen undes nur schwer begreifen, wie es kommt, daß 1914 die älterenJahrgänge so wenig ergiebig sind. Man wird dann wohl er-klären, daß das Jahr 1913 ein Wunderjahr war.Sie tzeerezvorlage in Sei' Budget-Kommiiiion.Zu Beginn der A!ittwock)sitzung forderte Gen. Ledebour,der Staatssekretär v. Jagow solle zur Sitzung gebeten Werden, umüber die Situation auf den: Balkan Auskunft zu geben. DieAeußerungen des Staatssekretärs vom Dienstag hätten in Wiengroße Unruhe hervorgehoben. Die Kommission müsse dem Staats-sekretär Gelegenheit geben, sich aufklärend äußern zu können. DerStaatssekretär ließ der Kommission mitteilen, er könne infolgedringender Geschäfte unmöglich zur Beratung erscheinen.In einer recht eingehenden Debatte wurde sodann die ge-forderte Vermehrung der Kavallerie um sechs Re-gimenter behandelt. Die Volksparteiler beantragten, stattsechs nur drei Regimenter zu bewilligen. Sowohl die Redner desZentrums wie auch die der Volksparteiler betonten, die Notwendig-keit, daß sechs neue Kavallerieregimenter errichtet Werden, seinicht überzeugend nachgewiesen Worden.— Die Genossen No s k eund Schöpf! in bekämpften die Forderung; Noske unter be-sonderer Darlegung der Verhältnisse an der Ost- und Westgrenze.— Abg. Basser niann machte darauf aufmerksam, daß selbstnach Bewilligung der sechs Regimenter immer noch sechs weitereKavallerieregimenter fehlen. Diese indirekte, an die Regierunggerichtete Aufforderung, recht bald abermals eine Vermehrung zufordern, stieß in der Kommission auf lebhaften Widerspruch.Gen. S ü d e k u or zeigte, daß sehr wohl zum Schutze derGrenze aus dem Innern des Landes Kavallerieregimenter abge-schoben werden können. Bestimmte Kavallerieregimenter werdenlediglich zur höfischen Repräsentation disloziert. Das dürfe abernatürlich der Kriegsminister nicht eingestehen, ohne seine Stellungzu riskieren.— Abg. Basser mann beantragte, für den Fallder Ablehnung von 6 Regimentern vier zu bewilligen.— GenosseFrank beleuchtete kritisch die Argumente der Militärvorlage, dietrotz allem Eifer nicht von überzeugender Kraft sind. Man kannsich dem Eindruck nicht erwehren, daß Rücksichten auf den Grenz-schütz hinter höfischen zurücktreten müsse.Bei der Llbstimmung Wurden die geforderten sechs K a-vallcriere gimenter mit 15 gegen 13 Stimmen abge»lehnt, ebenso mit der gleichen Stimmenzahl der Antrag auf vierRegimenter, dagegen wurden drei neue Kavalier i�e-regimenter mit Mehrheit bewilligt.Die sozialdemokratischen KommissionSmit-glieder haben folgende Anträge gestellt:t. Im§ 1 wird der Absatz 4 dahin gefaßt: Die Einjährig.Freiwilligen kommen auf die Friedenspräsenzstärke in An-rcchuung.2. Im Z 1 Wird der Absatz 6 dahin gefaßt: Die sämtlichenOekonomie-Handwerker Werden durch Zivilhandwerker ersetzt.3. Im§ 1 Wird ein Absatz 7 hinzugefügt: Das Burschen-Wesen Wird aufgehoben.4. Im§ 1 wird ein Absatz 8 hinzugestigt: Die Militär-kapcllen Werden abgeschafft.S. Ein Artikel la ist einzufügen: Keinem Soldaten darf derBesuch eines Lokals untersagt Werden, Weil der Inhaber einebestimmte politische Ueberzeugung hat oder einer bestimmtenPartei oder Gesellschaft Räumlichkeiten zu Versammlungen undVeranstaltungen überläßt.Volk gegen 0ffirier;ksmsrills.In dem Augenblick, wo die Balkankrise ihren Höhepunkt erreichthat, Wo die Lunte am Pulverfaß unheimlich glimmt und Wo kaumnoch Aussicht besteht, daß die diplomatische Löschmannschaft in Londonbei ihrem arglistig einander in die Quere fahrenden Hantieren dentückisch sich immer Weiter heranfressenden Funken zu ersticken der-mag, wird in der Presse ein neues Buch des deutschen Krön«Prinzen angekündigt, das nicht nur die überschwenglichste Ver«herrlichung de? Militarismus darstellt, sondern in seinem innerstenKern sogar auf eine Verherrlichung des Krieges hinausläuft IBekanntlich hat der Kronprinz schon einmal ein Buch veröffent-licht. DaS war jedoch harmloser und handelte nur von der Jägerei,von den Nervenspannungen des Schützen, der arglosem Wild denbleiernen Todcsboten zusendet. Das neue Buch trägt dagegen hoch-politischen Charakter. ES nennt sich„Deutschland in Waffen",ist Wilhelm II. gewidmet und trägt das Motto:„Die Weltruht nicht sicherer auf den Schultern des AtlaSals Deutschland aus seiner Armee und Marine".Der politische und politisch überaus bedenkliche Charakterdes Büches wird dadurch keineswegs abgeschwächt, daß es sich auSeiner Reihe von Abhandlungen zusammensetzt, die aktive und in-aklive Offiziere der Annee und der Marine geschrieben haben undvon einer Anzahl von Künstlern illustriert worden sind, während dieliterarische Mitarbeit des Kronprinzen nur in einem Geleitwort undeinem kleinen Spezialartilel über das Regiment der GardeSdukorpSbesteht. Denn vom Kronprinzen stammt die Anregung zudemBuche, dem schon durch daS Motto sein eigenartiger Stempel auf-gedrückt worden ist. Aber auch das Kronprinzliche Geleitwort undder erwähnte Artikel geben dem ganzen Werke seine besondere Note:eine Ueberschätzung und Verherrlichung des Militarismus und eineFreude am soldatischen Draufgängertum, die dem preußisch-deutschenMilitärstaat weder drinnen noch draußen Freunde zu erwerben der-mag, im Gegenteil nur von ausländischen Chauvinisten zumBeweis dafür mißbraucht Werden kann, daß das ehemalige Volk derDichter und Denker völlig soldatischer Renommisterei und ödestemKommißgeist zum Opfer gefallen sei.Heißt eS doch in dem vom Kronprinzen verfaßten Vorwort:„Mehr wie andere Länder ist unser Vaterland darauf an-gewiesen, seiner guten Wehr zu vertrauen. Schlecht geschützt durchseine ungünstigen geographischen Grenzen, im Zentrum Europa?gelegen, nicht von allen Nationen mit Liebe beobachtet, hat dasDeutsche Reich vor allen anderen Völkern unserer alten Erde dieheilige Pflickit, Heer und Flotte stets auf der größten Höhe derSchlagfertigkeit zu erhalten. Nur so, auf das guteSchwert gestützt, können wir den Platz an derSonne erhalten, der uns zusteht, aber nicht frei-willig eingeräumt wird."„Gewiß kann und soll diplomatische Geschicklichkeit wohl eineZeitlang die Konflikte hinhalten, zuweilen lösen. Gewiß müssen undwerden sich in der ernsten Entscheidungsstunde alle Berufenen ihrerungeheuren Verantwortung voll bewußt sein. Sie werden sich klarmachen müssen, daß der Riesenbrand, einmal entfacht, nicht mehrso leicht und rasch erstickt werden kann. Aber wie der Blitz einSpannungsauSgleich zweier verschieden geladener Luftschichten ist,so wird daS Schwert bis zum Untergange der Weltimmer der letzten Endes ausschlaggebende Faktorsein und bleiben."Der Kronprinz ist dreißig Jahre alt und mag sich wohl auf derHöhe des Lebens und im Besitze aller Lebens- und GeschichtS-Philosophie wähnen. Kein Mensch würde denn auch etwas dagegenhaben, wenn der Kronprinz im Familienkreise oder unserthalben auchbeim LiebeSmahle im Kreise seiner Offizierskameraden Ansichten zumbesten giebt, die dort umsoWeniger Auffehen und Widerspruch erregenwerden, weil sie ja die landläufige Meinung jedes von des Ge-dankens Blässe nicht angekränkelten Gardeleutnants sind. Daßjedoch der mutmaßliche Thronfolger solche Anschauungen in bitter-ernster Zeit in einem Buche niederlegt, also der weitestenOeffentlichkeit preisgiebt, die daraus die Verhängnis-vollsten Schlüsse zu ziehen vermag, das verrät einen Drangzu öffentlicher Betätigung, den sich das deutsche Voll ohneschärf st en Einspruch nicht gefallen lassen kann!Was soll man vollends dazu sagen, wenn in einer Zeit, wo dieungeheuerlichen Rüstungen Deutschlands ohnehin das stärkste Mißtrauen der Auslandsmächte erregen müssen, der Kronprinz in seinemBeitrag über die GardeSdukorpS schreibt:„Wer solche Attacke mitgeritten hat, für den gibt» nichtsSchöneres auf der Welt. Und doch: noch eines erscheint demechten Reitersmann schöner: Wenn alles dies dasselbe ist, aberam Ende des schnellen Laufes uns der Feind entgegenreitet undder Kampf, für den wir geübt und erzogen sind, einsetzt; derKamps auf Leben und Tod.Wie oft bei solcher Attacke hat mein Ohr den sehnsüchtigenR u f eines daherjagenden Kameraden aufgefangen:»Donner-weiter, wenn das doch ernst wärel" Reitergeist IAlle, die rechte Soldaten sind, müssen'S fühlen undWissen:„Dulcs et deconirn est pro patria mori!"Man wird uns nicht zumuten, daß wir uns mit dem alsoverherrlichten.Reitergeist' kritisch auseinandersetzen. Bei wem dieschweißtreibende Erregung eines forcierten Rittes trotz tausendjährigerethischer und intellektueller Erziehung des deutschen Volkes zu einerKulturnation nichts anderes auszulösen vermag, als den„sehnsüchtigen" Ruf nach einem echten Schädelspalten, für den haben dieKant und Goethe eben umsonst gelebt! Die„Weltanschauung" desGardeleutnants kann eben nicht„widerlegt" werden, die kann nurpolitisch unschädlich gemacht werden!ES ist deshalb ein besonders gutes Zusammentreffen, daß zurZeit der neuesten kronprinzlichen Publikation nicht nur die LondonerBotschafterkonferenz tagt, sondern auch das internationaleParlament der modernen Arbeiterklasse: daßam Donnerstag, den 1. Mai Millionen von Proletariern ihre Kund-gebung veranstalten, die nicht der Verherrlichung von Militarismusund Krieg, sondern dem unerschütterliche» Willen zur friedlichenKultmentmickelung gilt! Und im Völkerlcben und in der Geschichteist doch der Wille der Massen noch stets das oberste Gesetz ge-Wesen!poUtflcbe debcrficbt»Berlin, den 30. April 191S.Kehraus im Abgeordnetenhause.Das Abgeordnetenhaus hat sich am Mittwoch nach Er-ledigung der dritten Lesung der Sekundärbahnvorlage aufunbestimmte Zeit vertagt. Ob es vor Auflösung des Land-tags überhaupt noch einmal zusammentritt, hängt von denBeratungen des Herrenhauses ab.?!ur wenn daS Herren-haus an diesem oder jenem Gesetzentwurf Aenderungen vor-nimmt, wird der Präsident die Mitglieder noch einmal zu-sammenberufen. Andernfalls hat die fünfjährige Tätigkeitder„Volksvertreter" ihr Ende erreicht. Viel herausgekommenist dabei nicht._Das Herrenhausberiet am Mittwoch deit Etat zu Ende. Der berflossene Kultus-minister Dr. v. S t u d t gericrte sich bei der Weiterberatung desEtats des Ministeriums des Innern wieder einmal als Sitt-lichkeitsapostel. Er Wetterte gegen das Ueberhandnehmenvon Animierkneipen in den Großstädten, beklagte die angeblich zu-nehmende Verrohung unter den jugendlichen Arbeitern. NachHerrn Studt ist das Revolvertragen bei den jungen Berliner Ar-beitern geradezu obligatorisch geworden! Natürlich gab diesesUrbild eines verknöcherten Bureaukraten auch der Sehnsucht nacheinem Arbeitswilligengesctz Ausdruck. Ein Regierungs-kommissar erwiderte ihm, daß ein Gesetz gegen unerlaubtes Waffen.tragen in Vorbereitung sei. In der Tat ist eS nur zu begrüßen,wenn den Arbeitswilligen das Waffentragen verboten wer-den würde.Beim LandwirtschaftSetat sprach der Berliner Ober-bürgermeister Mermuth über die Versorgung der ReichShcmpt-stadt mit russischem Fleisch durch die städtische Verwaltung. Erzerstörte die Legende, die geflissentlich von agrarischer Seite ver-breitet Worden ist. daß die Stadt bei der ihr von der Regierungaufgezwungenen Flcischversorgung ein gutes Geschäft gemacht habe.Eine zeitlang war allerdings ein kleiner Ucbcrschuß vorhanden, inletzter Zeit hat sich aber sogar ein Defizit ergeben. Interessantwar es, daß der Oberbürgermeister prinzipielle Bedenken gegen dieMitwirkung der Kommunen bei der Flcischversorgung erhob. Ermeinte, eine Einrichtung von derartig öffentlichem Charakter, wiesie doch die Kommune darstellt, lasse sich nicht in der Weise hin- undhcrwenden wie ein Handelsbetrieb es erfordere und Warnte davor,die Mitwirkung der Gemeinden aus solchen Gebieten zu übm>schätzen.