Aacht unL iroch den nächsten Tag bis abends 7 Uhr mit Schleifenvon Marmorplatten beschäftigt worden„-. Eine Arbeiterinl)atte am Mittag des zweiten Tages die Arbeit einstellen müssenweil die Kräfte versagten". Wegen dieses groben Vergehens gegenSchutzgesetze und Arbeitcri.nnengcsundheit erkannte das Gericht aufdie fürchterlich hohe Strafe von 10» M. gegen den Fabrikantenund von 200 M. gegen den Werkmeister. Eine freche Umgehungdes KinderschutzgesetzeS wird aus dem Bezirk Münster gemeldet.In fast rührend anmutender Naivität schildert der Beamte sie also:„Einige Webereibesitzer in einem kleinen entlegenen Orte g e st a Iteten(!) 40 schulpflichtigen Kindern an den schulfreien Nach-Mittagen und des Abends nach der Schulzeit den Zutritt zu denWcbsälen, damit(!) sie bei ihren Eltern das Weben erlernten.Wenn die Kinder auch keinen Lohn erhielten, so unterlag esdoch keinem Zweifel, daß sie gesetzwidrig beschäftigt wurden.Weiter bemerkt der Beamte in seiner Harmlosigkeit: es sei keineBestrafung erfolgt, weil der Unternehmer„offenbar" nicht diejugendlichen Kräfte ausnutzen, sondern nur für einen Nachwuchssorgen wollte. Wie leicht man doch in dem Geruch der Arbeitersrcundlichkcit kommen kann; man muß nur, ohne Bezahlung zuleisten, verbotswidrig— ausbeuten. In den frommen Gegendenbekundet man in der Technik der Ausbeutung doch immer nochda» größte Geschick und das skrupelloseste Raffinement. DerBeamte auS dem Herrschaftsbereich der Klerikalen und frommenUnternehmer, aus Oppeln, konstatiert, daß dort die Löhne aller-dings sehr niedrig seien; dafür erfreuten großartige— aber vielfach doch mit Mißtrauen betrachtete—„Wohlfahrtseinrichtungen dieArbeiter. Sie werden mit Verheißungen gefüttert! Dafür scheintman gegen Paschagelüste sehr große Milde walten zu lassen. ESbandelt sich ja nur um arme Arbeiterinnen. Der Beamte vonMünster teilt folgendes mit:.Jn einem größeren Betriebe mußt«ein Meister, der dort schon 2S Jahre beschäftigt Hwr. wegen sittlicherVcrgehungen gegen Arbeiterinnen entlassen werden; während ineiner anderen größeren Anlage ein Beleidigungsprozeß, der ausgleicher Veranlassung gegen den Meister angestrengt worden war,mit einem Vergleich endete. Der Meister blieb in seinerStellung."Daß die Mitarbeit verheirateter Frauen immer größeren Um-fang annimmt, läßt die Mitteilung eines Beamten erkennen. Erermittelte unter den Heimarbeiterinnen Frauen von Beamten.Er hörte dann, daß auch in diesen Kreisen das Mitverdienen derFrau ziemlich allgemein geworden sei. Sicher nicht zum Vergnügendualen sich die Frauen in der gewerblichen Arbeit ab; sie ist derAusfluß wirtschaftlicher Not als Errungenschaft unserer herrlichenWirtschaftspolitik.Verlegungoder lelbitäodige Versammlung.Tie vercinsrechtlich bedeutsamen Anklagen gegen die GenossenNussow und Persch beschäftigten am Freitag das Kammergericht.Als am 10. Mai 1L12 die Berliner Sozialdemokratie in über-füllten Versammlungen gegen die Maßregelung deS AbgeordnetenJulian Borchardt im Landtage protestierte, fanden solche Versamm-lungen auch im Stadttheater Alt-Moabit und in den Pharus-sälen statt.l � In den Phorussälrn füllten sich alsbald die beiden vorhandenes«äle und der dazu gehörige Garten, der völlig umfriedet ist undmit dem unteren Saal auch durch Fenster, Türen und eine Frei-treppe verbunden ist. giuffow, der hier im Auftrage des Ein-berufcrs Fischer die Leitung hatte, hatte diejenigen, welche in demim ersten Stockwerk befindlichen Saale keinen Platz erhielten, erstin den unteren Saal und die weiter Uebrigbleibenden in den Gartenverwiesen. Der Verlauf gestaltete sich nun so, daß Russow mit derPolizei und dem Referenten Liebknecht in den unteren Saal zog,nachdem oben das Referat gehalten und die Resolution angenommenworden war, und nachdem Rckssow erklärt hatte, die Versammlunggehe unten weiter. Liebknecht sprach, die Resolution wurde an-genommen und Russow erklärt«, die Versammlung gehe nun imGarten weiter, wohin sich dann Leiter, Referent und Polizei-beiden Hauptrollen wurden von den Herren von Ledebur undM ü l d h o f e n markig-kraftvoll gesprochen; die schwierige Figur derInga überzeugte in der Verkörperung durch Fräulein T h i m i gtoenig. Viel persönlicher und wärmer wirkte, durch ausgezeichneteDarstellung unterstützt, die kleine altfränkisch-IiebenSwürdige Ko-mödienplauderei der„Neuvermählten". Köstlich brachte V o l l m a rdie Mischung von närrischer Schrullenhaftigkeit, steifer Würde undGefühl in dem Familienoberhaupt heraus; anschaulich nuanciertspielte Frau Nuscha Butze die wehleidige Mama, FräuleinHeiSler da« aus Pietät verstockte Töchterchen und Clewingden romanhaft idealen, unentwegt geduldigen Gemahl. ckr.Rotizen.— Der Arbeitergesangderein Stockholm Wirt»auf seiner Reise nach Deutschland am Donnerstag Berlin besuchenund abends in der„Neuen Welt" singen. Es werden von bekanntenskandinavischen Komponisten Peterson-Berger, Söderman, OttoLIson, Grieg u. a. mit Liedervertonungen vertreten sein. Ter zweiteTeil des Programms bringt Lieder der leichten und lustigen MuseBellmans, zuletzt werden schwedische Volks- und Tauzlieder gc-boten. Der Chor, der von Axel Nhlander dirigiert wirb, hofft inDeutschland zu beweisen, daß ein Arbeitergesangverein den schwedi-scheu Männergesang eben so würdig unb wirksam zu vertretenWeiß» wie etwa die hier bekannten Studentensänacr von Upsala.— Bühne nchronik. Die Kurfürsten-Oper wird, wienunmehr endgültig feststeht, kein Sommerspiel mehr veranstalten.Herr Dahl, der die Spielerlaubnis wegen finanzieller Unzulänglichkeitnicht erhalten konnte, hat auf die Aufführung feines Schwankes ver«zichtet, obgleich die Bühnengenossenschaft sich für sein Unternehmeneinsetzte. DaS Theater wird also bis zum Herbst geschlossenund alsbald für die Zwecke des Theaters der Sozietäre umgebautwerden.— Die Ausstellung der Refüsierten. Die von derAuSstellungSjury der Sezession refüsierten Mitglieder der Sezession(freilich nicht alle) und eimg« Gäste dazu haben Kurfürstendamm 21«eine Protestausstellung veranstaltet,«ertreten sind u. a. Pottner,Herstein, Neumann, Schocken, Meseck, Finetti, Bischof-Kulm, Oppen-heimer und Oppler.— Ein deutsches Musikfest findet vom 21.— 29. Junii. IS. in Berlin statt. Der Allgein. Deutsche Musiker-Verbandveranstaltet zu dem Fest sieben große Konzerte, von denen sich fünfnach den Darbietungen und den Eintrittspreisen im Rahmen derBerliner Philharmonischen Konzerte bewegen werden. Der Magi-strat Berlin hat beschlossen, das Musikfest gegen Hergabe von 2000Freikarten zu den Volkskonzerten mit 5000 MI. zu unterstützen.— DiePapierausstellung. in der die gesamte Papier-und Druckindustrie gezeigt wird, wurde heute in den Räumen derPhilharmonie eröffnet. Sie soll bis zum 14. Mai dauern.— F l o r i a n Z a j i c. der als Virtuose und als Lehrer her-t>orrageiü>e Geiger, feiert heute seinen 60, Geburtstag. In ganzjungen Jahren kam er aus seiner böhmischen Heimat als Konzert-meister nach Deutschland; in Berlin machten lxie Singakademiekonzerte ihn bekannt. Als künstlerischer Leiter der Sonntagskon-zerte des Schillertheaters hat er sich ein besonderes Verdienst umdie Pflege der Kammermusik in Berlin erworben.— Das Gedicht„Dissonanz" in der Unterhaltung!.Heilage vom j. Mai ist von Hanz Kyser verfaßt.beamter begaben. Liebknecht sprach im Garten wieder, die Resolu-tion wurde wieder angenommen und dann die Versammlung mitdem üblichen Hoch geschlossen.Russow wurde nun angeklagt erstens wegen Uebertretung des§ 5 des Vereinsgesetzes, weil durch die Anmeldung bei der Polizeinur eine der in den Sälen des Etablissements abgehaltenen öffentlichen politischen Versammlung gedeckt sei. Die in dem zweitenSaal abgehaltene Versammlung sei als selbständige, nichtangcmeldetc zu betrachten. Zweitens warf d«e Anklage Russow vor, daß erim Garten eine selbständige öffentliche Versammlung unter freiemHimmel ohne Genehmigung abgehalten habe.(Uebertretung des§?.)Persch, der vom Einberufcr Fischer bestimmte Leiter der Versammlung in Alt-Moabit, wurde wegen Uebertretung des Z 7 angeklagt, weil er im Garten des Etablissements eine selbständigeöffentliche Versammlung unter freiem Himmel abgehalten habe,ohne die Genehmigung dazu zu besitzen. Hier waren wegen Ueber-füllung des Saales die weiter Erschienenen in den ebenfalls völligumfriedeten Garten des Lokals, der durch Fenster und Türen mitdem Versammlungssaal verbunden ist, von Persch verwiesen worden. Auch der Garten war bereits vor der für den Beginn derVersammlung festgesetzten Zeit völlig besetzt. Genosse Hirsch hieltsein Referat erst im Saal und dann im Garten. Im Saal, sowieim Garten wurde die Resolution angenommen. Ein Schluß derVersammlung war im Saal nicht ausgesprochen worden, sonderner wurde erst nach der Abstimmung der Resolution im Garten aus-gesprochen.Das Landgericht sprach bekanntlich als Berufungsinstanz beideAngeklagte völlig frei.Die Staatsanwaltschaft legte beim Kammergericht Revisionein. Der Oberstaatsanwalt am Kammergericht trat der Revisionbei und rügte sowohl Verletzung des Z 5, als auch des§ 7 desVereinsgesetzes. Ihr trat Rechtsanwalt Wolfgang Heine entgegen.Das Kammcrgcricht verwarf in beiden Fällen die Revision derStaatsanwaltschaft, so daß es bei der Freisprechung im vostcn Um-fange verbleibt.Gründe: Was im Falle Russow(Pharussäle) die besondereFrage angehe, ob die Anmeldung Fischers für die Verhandlungin zwei Sälen dieses Lokals genügte, so stehe allerdings dasKaimnergericht auf dem Standpunkt, daß derartige Versammlungs-anzeigen genau und bestimmt sein müßten und daß, wenn mehrereVersammlungen in einem Lokale stattfinden sollen, dies aus derAnzeige hervorgehen müsse. Dagegen habe aber das Landgerichtauch gar nicht verstoßen. Das Landgericht habe geprüft, ob dieAnzeige des Parteisekretärs Fischer genügend bestimmt gewesen sei.Und es sei auf Grund tatsächlicher Erwägungen zu der Annahmegelangt, daß sie jedenfalls so bestimmt gewesen sei, daß der An-geklagte Russow sich für gedeckt halten konnte für die Abhaltung inzwei Sälen des Lokals. Deshalb sei Russow in diesem Punkte mitRecht von der Anklage der Uebertretung des Z 5 des Vereinsgesetzesfreigesprochen worden.Beide Angeklagte gehe nun die weitere Frage an, ob die Ver-anstaltungen in den Gärten der beiden Lokale selbständige Ver-sammlungen unter freiem Himmel(§ 7) gewesen seien oder obes sich um eine zulässige„Verlegung" der richtig angezeigten Saal-Versammlungen gemäß Z 8 handele. In dieser Frage sei davonauszugehen, daß es sich beim§ 8 um eine Befreiungsvorschrifthandele, die erst im Laufe der parlamentarischen Verhandlungen indas Gesetz hineingebracht worden sei. Ter damalige AbgeordneteKohl habe in der ersten Lesung in der Kommission den Antrag ge-stellt, daß öffentliche Versammlungen in einem mit dem Versamm-lungslokal zusammenhängenden Hof oder Garten nicht als öffent-liche Versammlungen unter freiem Himmel gelten sollten. Gegenden so zum Ausdruck gebrachten Gedanken habe sich damals niemanddirekt ausgesprochen und auch die Regierung habe keine Bedenkendagegen zum Ausdruck gebracht. In der zweiten Kommisstons-lesung tauchte dann für jenen Gedanken die jetzige Fassung desZ 8 auf, wo zum ersten Mal die Befreiung abhängig gemacht wurdedavon, daß die Versammlung in den Garten„verlegt" werde. Kohlund andere hätten sofort dagegen Front gemacht, weil das zuWeiterungen führen könnt«, die die Absicht des ursprünglichen Ge-dankens vereiteln könnte. Darauf habe der damalige Staatssekretärdie Erklärung abgegeben, daß der Gedanke liberal behandelt werdensollte. DaS Wort„verlegen" solle nur zum Ausdruck bringen, daßdie Versammlung von vornherein ernsthaft im geschlossenen Raumbeabsichtigt und nicht nur zum Schein dahin einberufen gewesensei. Das sei nach der Auffassung der Staatsbehörden, denen nichtwidersprochen sei, der Hauptgrund für die jetzige Fassung des 8 8gewesen. Ganz dieselben Erklärungen habe der Staatssekretär imPlenum auf Bedenken KohlS abgegeben. Daraus fei zu entnehmen,daß die Regierung mit dem Worte„verlegen" den gesetzgeberischenGedanken, der mit dem ganzen Antrag zum Ausdruck gebrachtwerden sollte, nicht scheitern lassen wollte. Dieser Gedanke sei aberder, daß eine Versammlung, die ernstlich für einen geschlossenenRaum geplant war, in einem mit diesem Versammlungsraum zu-sammenhängenden umfriedeten Hof oder Garten abgehalten werdenkönne, ohne zu einer Versammlung unter freiem Himmel zu wer-den. So habe auch daS Landgericht den§ 8 ausgelegt, indem eshier auf Grund der tatsächlichen Feststellungen eine Verlegung indie Gärten gemäß 8 8 annahm. Also falle auch in dieser Hinsichtdem Landgericht kein Rechtsirrtum zur Last. Die Freisprechungsei gerechtfertigt._Cclcp!)onscl)mcrzen.Gegen den Rechtsanwalt Dr. Paechter, der durch seine viel-fachen Prozesse gegen die Postbchörde bekannt geworden ist. richtetesich eine umfangreiche Anklage wegen Beleidigung mehrerer Tele-phonbcamtinnen, welche gestern vor dem Schöffengericht Berlin.SchSneberg zur Verhandlung kam. Es handelte sich um zwei ver-schi ebene Anklagen, die seinerzeit durch Gerichtsbeschluß miteinanderverbunden worden waren und schon einmal dasselbe Gericht be-schaftigt hatten. DaS Schöffengericht kam damals zu einer Ver-tagung, da beschlossen wurde, den Angeklagten Dr. Paechter. durchden Gericktsarzt Dr. Strauch auf seinen Geisteszustand nach derRichtung hin untersuchen zu lassen, ob er nach voraufgeaangenerschwerer Reizung in einen Zustand verfalle, bei dem die freieWillenSbestimmung ausgeschlossen ist.Bekantlich hatte sich Dr. Paechter schon einmal vormehreren Jahren wegen Beleidigung mehrerer Telephon.beamtinnen zu verantworten. Er wurde damals zu einerGeldstrafe verurteilt. Die Postbehörde entzog ihm daraufhin denTelephonanschluß, der ihm erst jetzt im Dezember v. IS. aufseine vielfachen Beschwerden und Klagen wieder gewährt wurde.Den Grund zu der Entziehung des Anschlusses bildeten die jetztzur Anklage stehenden Beleidigungen der Beamtinnen, die Dr. P.nach jener ersten Verurteilung ausgestoßen hatte. Es handelte sichauch jetzt wieder um eine Blütenlese verschiedener Schimpfworte:Am 19. Oktober soll D. Paechter zu der Telephonistin Schultze u. a.geäußert haben:„Reden Sie nicht so unverschämtes Blech, SirL-mel Sie! Am 11. November, soll Dr. P. die TelephonistinAhlers„Sie Kamel!" tituliert und an demselben Tage zu derTelephonistin Groth:„Das ist nicht wahr, Sie schwindeln!" ge-sagt haben. Am 15. April äußerte Dr. P. zu der TelephonistinKallieS:„Machen Sie. daß Sie von der Leitung kommen, SieKamel!"— In dem zweiten Anklagefall soll der Angeklagte zu zweiPostbeamten, als ihm der Anschluß abgeschnitten wurde, geäußert'haben:„Was denkt sich denn die Postdirektion, die hak ja ein!Rechtsempfinden wie die Hottentotten!"In der gestrigen Verhandlung gab der Angeklagte die Hotten�tottenäutzerung zu, bestritt aber mit aller Entschiedenheit sich derBeleidigung schuldig gemacht zu haben. Nur in einem Fall habeer tatsächlich gesagt:„Sie schwindeln." Hierzu habe er auch alleVeranlassung gehabt, denn an jenem Tage sei ihm in einerViertelstunde neunmal erklärt worden, die von ihm verlangteLeitung sei besetz!, trotzdem er gleich darauf festgestellt habe, daßvon den, betreffenden Apparat aus in der vorangegangenen stundeüberhaupt nicht gesprochen worden war. Tie weiteren Schimpf-warte müsse er ganz entschieden bestreiten. Zu jener Zeit hättenauf dem hier in Frage kommenden Amt Lützow(früher Ami Ki, dieunglaublichsten Zustände geherrscht. Auf dem Amt wurden währendder Dienststunden allerhand Allotria getrieben. Schließlich habesich herausgestellt, daß der dort amtierende TelegrapheninspekwrKessel mit 25 Beamtinnen jenes Amtes intime Liebesverhältnisseangeknüpft habe. Kessel flüchtete schließlich und wurde entlassen,während der betreffende Telegraphendirektor strafweise nach Straß-bürg versetzt wurde.Die zu den Anklagesällen vernommenen Telephonistinnen be-stätigten die in der Anklage behaupteten Beleidigungen und er-klärten ziemlich übereinstimmend, daß sie die Stimme des Rechts-anwalts Paechter genau erkannt haben und gerade ihm gegen-über sehr aufmerksam gewesen seien, da sie ihn schon als sehr auf-geregten Teilnehmer kannten, der sehr leicht ungezogene Be-merkungen machte. Der Angeklagte bestritt das Wiedererkennenseiner Stimme, insbesondere in dem Fall, wd die Beleidigung gelegentlich eines Verlangens zum Anschluß am die Nummer desJustizrats Schönlank gefallen sein soll; letzterer werde bekunden,daß an jenem Tage absolut keine Veranlassung zu einem tele-phonischen Gespräch mit ihm vorgelegen habe. Ter Angeklagtestatte noch eine Anzahl Zeugen gestellt, welche nach seiner Be-hauptung bekunden sollen, daß die Damen aus dem Amt Lützowallerlei Hokuspokus trieben und sich diebisch darüber amüsierten,wenn ein Telephonteilnehmer sich recht ärgere. So sei es vor-gekommen, daß. wenn ein Mann namens Cohn verlangt wurde,sämtliche im Gebiet des Amtes wohnenden Cohns � verbundenworden seien und dann von allen Seiten der Ruf„Hier Cohn"erschallte, was den Damen eine unbändige Freude gemacht habensoll. Das Gericht sah von weiterer Beweiserhebung ab.Der medizinische Sachverständige Gerichtsarzt Tr. Strauchgab sein Gutachten dahin ab: Es bestehen keinerlei Zweifels ander vollkommen geistigen Gesundheit des Angeklagten, doch sei erinfolge seines ungewöhnlichen Entwicklungsganges und der Ab-Hetzerei, die ein Rechtsanwalt in Berlin talsächlich zu überwindenhabe, etwas nervös. Das Telephon sei nach seinen ärztlichenErfahrungen ein schweres Moment zur Erzeugung von Reizen,die die Nervosität auslösen. Die gesundheitlichen Schädigungendes Telephons seien gar nicht zu unterschätzen, denn schon einphlegmatisch veranlagter Mensch könne am Telephon leicht dasseelische Gleichgewicht verlieren, wenn er jetzt, wo er nicht mehr,wie früher, die Kurbel drehen kann, ganz hilflos vor dem Apparatsteht und keinen Anschluß findet. Der Sachverständige erwähnteeinen Fall auS seiner Praxis, in welchem ein Arzt direkt infolgedes Telephonärgers in geistige Krankheit verfallen ist. Die durchdas Telephon auf die Menschen einwirkenden Reize seien oft ganzbesonders �schrecklich.— Der Staatsanwalt Assessor Döring hieltsämtliche zur Anklage stehenden Fälle der Beleidigung für er-wiesen und beantragte eine Gesamtgeldstrafe von 225 M. DaSGericht erkannte au; 260 M. Geldstrafe eventuell 26 Tage Haft.Smdns- Deining.Schutz gegen Schutzleute.Ein nächtlicher Vorfall auf der Polizei-wache hatte gestern vor der 10. Strafkammer deS Land-gerichts I unter Vorsitz deS Landgerichtsdirektors Güntherein gerichtliches Nachspiel.Wegen Körperverletzung im Amte �»var derSchutzmann Karl Reimer angeklagt.— Der Angeklagte hat an dem Chinafeldzug zur Unterdrückung des Boxer-aufstandes und später an den Kämpfen in Südwestafrika teil-genommen und galt allgemein als ein sehr tüchtiger und besonnener Soldat. Durch verschiedene Krankheiten, wie Typhusund Ruhr, wurden seine Nerven stark mitgenommen, so daßer aus der Truppe ausscheiden mußte. Er wurde dann imJahre 1910 hier alS Schutzmann angestellt und dem 7. Polizei-revier zugeteilt.— In der Nacht zum 13. Oktober v. I.gegen 2 Uhr entstand vor dem Hause Chausseestraße 2 amOranienburger Tor ein Auflauf, den der Schutzmann Fiedlerzu zerstreuen suchte. Er wurde hierbei von dem hinzu-kommenden Angeklagten Reimer unterstützt, der die an-gesammelten Leute wiederholt vergeblich aufforderte, weiter zugehen. Als der unter der Menschenmenge befindliche KochErnst Noack nicht sofort der Aufforderung Folge leistete, erhielter von Reimer einen Stoß vor die Brust, daß er zurück-taumelte. Noack verbat sich diese Behandlung; als Antworthierauf erklärte ihn der Angeklagte für s i sl i e r t. MehrerePersonen, darunter der Buchdrucker Krüger, ein älterer ruhigerMann, boten sich dem Noack als Zeugen an und folgtendem Schutzmann, der seinerseits den Noack, als er sich ein-mal kurz umdrehte, mit der Faust vorwärts stieß.Auf der Polizeiwache erklärte Reimer dem Noack und seinenBegleitern:„Ihr bekommt alle, wie ihrgebacken seid, ein Strafmandat, dafür werdeich schon sorgen!" Als Noack erwiderte, daß der An-geklagte zum Glück nicht darüber zu entscheiden habe, sondernder Richter, sprang Reimer auf ihn los und versetzte ihmeinen Stoß vor die Brust, so daß Noack zwischen demBett des Telegraphisten und der Tür zu Boden stürzte DaN. ein Bruchleiden hat, verspürte er noch tagelang nach demVorfall heftige Schmerzen im Leib.— Die Schutzleute Kleinund Pohle, die Zeugen dieses Vorganges waren bliebenvöllig ruhig und besonnen, einer äußerte sogar dabei zu demAngeklagten!:„Aber Kollege, was machen Siedenn!"'— Die beteiligten Zeugen wurden auch promptmit einem Strafmandat bedacht. Das Schöffen-gericht kam jedoch zu einer Freisprechung,da' das Zeugnis des jetzigen Angeklagten nichtals ausreichend angesehen wurde.In der gestrigen Verhandlung machte der Verteidigerdes Angeklagten geltend, daß der infolge der Strapazen derFeldzüge nervös und leicht erregbar gewordene Angeklagtedurch die Vorgänge auf der Straße in einen gewissen Er-regungszustand geraten sei, welcher ihm dann, als jeneAeußerung fiel, bedauerlicherweise auf einen MomentBesonnenheit geraubt habe.— Das Gericht nahmdiesen Gründen auch von'~Abstand, zumal sich der' �habe. Das Urteil lautete deshalb nur aufGeldstrafe.Wie hätten� Strafart und Strafmaß gelautet, wenn emArbeiter einen Schutzmann oder aar einen Arbeitswilligen sobehandelt hätte, wie hier völlio arundlos ein Schutzmam»einen Arbeiter? a sdieauSHinter verschlossene« Türe«wurde gestern wieder vor dem Landgericht Berlin l(Straf,fiim m er 12) ein®rnai»fc___ SM» UnßC�rtt»