Die„Times" über die Bagdadbahnfrage. Loudon, 17. Mai. Die.TimeS"' schreibt über die englisch - türkischen Verhandlungen: Was die vagdadbahn betrifft, so lagen die Hauptinteressen GroffbritannienS.darin, dafür zu sorgen. daß sein Handel keiner differenziellen Behandlung unterworfen würde. wenn die Linie gebaut wäre. Dies Ziel wird durch die Ernennung von zwei britischen AufsichtSräten wahrscheinlich gesichert sein, die an der Kontrolle der Bahn teilnehmen. Wenn dieser Vorschlag angenommen wird, wird Großbritannien weiter leine Ursache haben, einen Plan, der für die Entwickeluug der asiatischen Türkei viel bedeuten würde, scheel anzusehen. Unsere Interessen werden reichlich gesichert sein. Wir haben stets betont, daß der Endpunkt der Bahn in Basrah keine Bedrohung der speziellen britischen Interessen im Persischen Golf bedeutet, und die deutschen Unternehmer werden ihren großen Plan mit wohlwollender Zustimmung Großbritanniens vollenden können. Eine ofsizielle britische Beteiligung an dem Bau der Linie wird nicht stattfinden, aber britisches Kapital wird nicht ge hindert sein, sich an dem Plan zu beteiligen. Wir glauben, daß in einer solchen Lösung eine ergiebige Quelle von internationalen Mißverständnissen verschwinden wird. DaS wird eine weitere Bekundung des Geistes deS Zusammenarbeiten» unter den Großmächten sein, der letzthin so viel getan hat, um den europäischen Frieden zu erhalten. Er wird Deutschland überzeugen, daß England sich den wesentlichen Elementen des Projektes nicht widersetzt, sofern seine eigenen speziellen Interessen geschützt sind und vor allen Dingen wird er die finanziellen Schwierigkeiten der Türkei erleichtern und sie in den Stand setzen, das Unternehmen zu fördern, das mit einem Band von Stahl die großen asiatischen Gebiete, wo ihre Zukunft liegt, zusammenfaßt., Reguläre türkische Truppen i« Tripolitauie»? Rom , IV. Mai.(Eig. Ber.) Wie der„Tdbuna" aus Neapel gemeldet wird, sollen sich in der Nähe von Tobruk etwa 4000 Beduinen befinden, die gemeinsam mit 200 regulären türkischen Soldaten und 2 Kanonen vor der Stadt lagern. Italien bereitet gerade in der Gegend von Tobruk eine militärische Aktion vor, die von dem Kreuzer»Bausan' von der See aus unterstützt wird. Die Notiz von dem Verweilen türkischer Truppen in Tripolitanien ist nicht leicht zu nehmen. Ist sie wahr, so kamt man aus ihr folgern, daß Italien noch weitere Opfer bringen muß, um das Land zu unterwerfen. Ist sie falsch und tendenziös. waS unS wahr« scheinlich erscheint, so verfolgt sie den Zweck, die Räumung der ägaeischen Inseln durch italienische Truppen zu verzögern. Ueberhaupt macht sich in letzter Zeit eine zientlich energische Stimmungsmache zugunsten des BeHaltens der ägäischen Inseln geltend. Wer weiß, was.im Höllenkessel der Diplomatie noch über diese Frage zusammengebraut wird l Einst» weilen ist der italienische» Kammer ein neuer Gesetzentwurf vor- gelegt, in dem die Emission von Schatzschuldscheinen bis zu hundert Millionen über die normale Zahl autorisiert wird. Die so gc« wonnene Summe soll zur Deckung der notwendigen Ausgaben dienen, die sich auZ der Annektion Libyens ergeben. Der Frieden». schluß bedeutet also für Italien Fortdauer des Krieges und Fort« dauer der Ausgaben._ fratihreich. Millionenforderung für Kaserneubaute«. Baris , 17. Mai. Nach einer Blättermeldung wird der KriegSminjster im Hinblick auf die von der Kammer genehmigte Zuruckbehaltung der �ahresklasse von 191» demnächst oem Parlament eine Kreditfordernng von etwa 359 Millionen unterbreiten, um die Kosten für die erforderlichen Kasernenbauten und die Bekleibungs» und Ausrüstungsstücke sowie für Pferdekäufe zu decken. Paris , 17. Mai. Der Kostenvoranschlag für die Einbehaltung der im Oktober frei werdenden JahreSklasse unter den Fahnen erreicht die Summe von ungefähr vier« hundert Millionen Franks, lleber die Deckung der Kosten ist in der Gesetzvorlage nichts enthalten, e? werden also für diese Vorlage und für diejenige betreffend die für die Bewaffnung geforderten-129 Millionen Franks neue Einnahmequellen tn Höhe von mehr als 809 Millionen erschlossen werden müssen._ Ein Konflikt zwischen einem sozialistischen Gemcinderat und einem Streikkomitee. P.rie, lti. Mai. lEig. Ber.) Ein sozialistischer Bürgermeister, der Soldaten zum Ersatz von ausständigen Arbeitern requiriert. Welch schöneres Thema läßt sich für Leitarniel von Kapitalisten» blättern aller Färbungen finden k In der Tat tönt schon tm viel» stimmigen Konzert, vom.TetttpS� und �Journal des DebatS pathetisch trompetet, vom..Hamme libre" des FüsiladenministerS Elcmenceau vergnügt gequietscht, die Ballade von den„Streik- blechern des sozialistischen Bürgermeisters von Puteaux" und das Echo wird sie zweifellos nach allen Winden überallhin tragen, wo Lüge und Entstellung im Kamps gegen die organisierte Arbeiter» schaft und die Sozialdemokratie gierige Aufnahme finden. Es mag darum angezeigt scheinen, den wahren Tatbestand rasch mitzu- teilen, um der Verleumdung das Einnisten vorweg unmöglich zu machen. ES ist richtig, daß der jetzige Pariser Bäckerstretk unerfreuliche Reibungen zwischen den verschiedenen Organismen der Arbeiter- bewegung hervorgerufen hat. DaS Streittomitee. daS offenbar nichl den.Rut hat, den Schlagworten der iyndikalisttschen Demagogie zu entsagen, hat da» Ersuchen der Konsumvereine, in ihre Bäckereien nach dem von den Ausständigen geforderten Tarif weiterarbeiten lassen zu dürfen, unter einem haltlosen Vorwand n b g e IE i e, en. ovoleich doch zweifellos die Situation der Bäcker- meistcr durch d,e erfolgreiche Konkurrenz der Konsumvereine nicht verbessert werden würde. Daß eine Streikversammlung diese? Per- halten gebilligt hat, kann nicht wunder nehmen. Aber diese Weiac- rung, die sicher neue leidenschaftliche Diskussionen hervorrufen und neue Elemente der Zersetzung und Anarchie in die Arbeiter- schaft tragen wird, mußte einen weiteren Konflikt unmittelbar her- vorbringen. In Puteaux , einer großen industriellen Vorstadt, deren Bürgermeister und Deputierter Genosse Boilin ist. gibt-S 30 Bäckermeister, die täglich etwa dOOO Kilogramm erzeugen, und einen Konsumverem„La Revendieation". deren Produktion durch- stfmittlich 3500 Kilogramm beträgt. Beim Konsumverein deckt ein arost-r Teil der Arbeiter, mast leinen Bedarf, von dort werden auch die Kranken, Greise und Schulkinder der Gememde mit Brot ver- soro> Ter Gcmeinderat mußte ,n dieser Situation eine Lösung suche'. Er hat den st rat! enden Bäckern gegenüber s r i c s o z i a l t st t s ch e P f l t ch t vollkommen erfüllt. Genösse Voilin hat da? Verlangen deö Seine-Präfekten, bei der Unterbringung der„zum Schutz der Freiheit der Arbeit' entsandten Soldaten"s�öuwtrk abgeschlagen mit der Begründung, daß niemand diese Freiheit bedrohe. Der sozialistische Gemeindmat erwirkte vom Präfeiten auch daS Zugeständnis, daß die Militärverwaltung ihre Bäcker den Unter- nehmern nur im Falle der �equ,stt,on durch die Bürgermeister zur Berfüguna stellen werde,-r-er Gemernderat bemühte sich demge- Niäß, um«ine--iwangslage zu vermeiden, int Verein mit der Kon- sumvercinsleituiig. das«treittomttce zur Aufhebung de» Arbeits- verbot» zu bewegen. Der Äer,uch blieb erfolglos. Tarauf beschloß der V c r w a l t u it g S r a t d e s Ä o n s um v crci«?, seinen Betrieb einzustellen und die Backerei der Muni- »lbalität zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig ersuchten die Bäckermeister den Bürgermeister um Requisition von s Militärbäckern. Der Gemein berät wies dieses Gesuch energisch ab, aber beriet über Maßnahmen, um die Ernäh- rung der Bevölkerung zu sichern, ohne den Streikenden zu schaden. Er beschloß, in der Werkstatt der Genossenschast eine kommunale Bäckerei zu errichten und von der Bäcker- gewerkschaft die Zuweisung von Arbeitern zu erwirk er n. Die Gewerkschaft lehnte ab, und so sah sich der Gcmeindevorftand veranlaßt, an den Präfekten um Zu- Weisung von Militärbäckern für diese Gemeinde- back er ei heranzutreten. ES ist also nicht wahr, daß der sozialistische Gemeinderat den Streitbruch organisiert hat. Vielmehr hat er alle Mittel ange- wandt, um die Zuweisung von Militärbäckern an die Bäckermeister zu verhüten. Die Gemeindebäckerei sollte allen Bürgern, auch den Bäckermeistern und dem Konsumverein, das Brot zum gleichen Preise abgeben. ES liegt auf der Hand, daß diese Organisation, die gletchzeitig die Bevölkerung vor Brotmangel behütet und die Bäckermeister um den Profit gebracht hätte, diese weit eher zum Nachgeben als zu weiterem Trotzen bewogen hätte. Indes griff nun die Präfektur ein, die der Gemeinde erklärte, daß sie den kommunalen Betrieb nur mit Zivilbäckern zugeben könne, da- gegen den Bäckermeistern die Zuweisung von Militärbäckern nicht verweigern werde, sobald die Gemeinde diese für sich requiriere. Die Lage war dringlich, denn die Präfektur hatte die Gemeinde verständigt, daß sie auS eigener Machtvollkommenheit um 6 Ilhr abends allen ansuchenden Unternehmungen Militärbäcker anweisen werde, wofern die Brotversorgung nicht auf andere Weise gesichert sei. Der Gemeutdevorstand entschloß sich angesichts dieses drohen- den wirklichen Streikbruchs, noch einmal an die Gewerkschaft um Delegierung von Arbeitern heranzutreten. Diese lehnte wiederum ab mit der Begründung, daß sie„ihre Bewegung nicht kastrieren"' wolle. Darauf verfügte der Präfckt mit Ugber- gehung des Bürgermeisters die Zuweisung von Militärbäckern an die ansuchenden Nieister. � Es ist also nicht die sozialistische Gemeinde, die im Streik interveniert hat, sondern der Seinepräfekt. Die Gemeinde hat im Gegenteil geradezu verziveifelte Bemühungen gemacht, um die den Streikenden schädliche Intervention zu verhindern. Die von ihr im Interesse der Bevölkerung geplante kommunale Brotver- sorgung sollte nicht den Ilnternehmerprofit sichern, sondern im Gegenteil aufheben. Und die Bäckermeister dürfen sich bei den syndikalistischen Inspiratoren de? Streikkomitees bedanken, denn ohne deren Eigensinn und Temagogenfurcht hätte» sie keine Militärbäcker bekommen. Ter Konflikt beweist nicht das geringste für da» Recht der Unternehmer auf die Intervention des«taates, sondern weist nur auf die Notwendigkeit für die Arbeiterschaft hin, ihre Gewerkschaftsaktion aus zünftlerifcher Enge herauszuheben. Italien . Gegen den Einjährigendieust. Rom , den 13. Mai. iSig. Ber.) In Italien ist die Befreiung vom vollen zweijährigen Militärdienst und die Herabsetzung der Dienstzeit auf«in Jahr an die Leistung einer Abgabe gebunden. Gegen Entrichtung einer Summe von 1300 Lire kann der junge Mann Einjähriger werden, lebt aber im übrigen in der Kaserne wie die anderen Soldaten und wird wie diese beköstigt und verpflegt. Der liberale Abgeordnete D i B a g n o hat nun den Kriegsminister interpelliert, ob er nicht den Zeitpunkt für gekommen hielte, um in Gemäßheit der Grundsätze der Gleichheit und Demokratie das Privilegium des Einjährigendienstes abzuschaffen oder wenigstens die dafür zu entrichtende Abgabe wesentlich zu erhöhen und deren Betrag für die Unterstützung der bedürftigen Familien der Reservisten zu verwenden. Portugal . --.' Der letzte Putsch.„ Der Wiener„Arbetterzeitung" wird aus Lissabsn ge. schrieben: Der letzte Putsch war schier schon ein mißlungener Staats- streich. Eine bewaffnete Erhebung des portugiesischen Volkes gab «S nicht und die Aktion war nur auf Lissabon beschränkt. Aber die politische Atmosphäre in Portugal ist so überladen, daß ernste Ereignisse zu erwarten find. Persönliche Zänkereien sowie eine große Unzufriedenheit gegenüber den regierenden Republikanern die eine Politik der Verschwendung und der Mißachtung ihrer Bei sprechungen gemacht haben, veranlaßten Republikaner, die am 3. Oktober 1S10 für die Republik gekämpft hatten, sich gegen sie zu empören. Obgleich die Mehrzahl der Verschwörer Republikaner waren, konnte man auch Syndikalisten, Anarchisten und sogar Monarchisten unter ihnen finden. Der Zweck dieser Verschwörung war die Verkündigung einer radikalen Republik, mit Absetzung deS Senats, des Präsidenten usw. unter Führung einer revolutionären, militärischen Diktatur Hätte diese Bewegung Erfolg gehabt, so wäre Portugal in eine sehr tritische Lage gekommen. Aber wenn auch diese Bewegung im Keime erstickt worden ist, die Gefahr einer Wiederholung ist nicht beseitigt, insbesondere weil die Regierung Affonso Costa durch die Gewaltsamkeit ihrer Unterdrückungsmaßnahmen zum Wider stand aufreizt. Ter ganzen Opposttionspresse wurde verboten, zu erscheinen, und deren Redaltcure wurden verhaftet. DaS syndika listische HauS, der Sitz der anarchistischen Gewerkschaften, wurde geschlossen. Alle politischen Gefangenen wurden auf ein Kriegs schiff geladen und nach den Azoreninseln gebracht. Diese Gewalt tätigkeit hat große Aufregung unter dem Volke verursacht. Die sozialistische Partei ist der Bewegung ferngeblieben und hat ein Manifest veröffentlicht, worin sie ihre Ausfassung folgender- maßen ausspricht:„Tie Aufgabe der sozialtstffchen Partei ist die Verdreitmig unserer Theorien und daS Feld unserer Tätigkeit die Propaganda, um den zukünftigen Sieg unseres Ideals vorzubereiten. Unser Zweck ist die Abschaffung der Ausbeutung durch die bürger Iiche Gesellschaft und aller sozialen Ungerechtigkeiten. Von allen bürgerlichen Zänkereien unter politischen Parteien bleiben wir ent fernt. Gemäß den Resolutionen der letzten internatwnalen Kongresse wiederholen wir, daß unsere Partei unabhängig ist von allen bürgerlichen Parteien, wenn sie auch noch so radikal sind. Die Partei stellt fest, daß jene proletarischen Elemente, welch« an der letzten Erhebung teilgenommen haben, der Partei nicht an- gehören. t Die sozialistische Partei erklärt durch ihren Porstand/ daß sie dieser revolutionären Bewegung fremd gevlieben ist, und hofft, daß über allen Leidenschaften der Politik die Freiheit der Presse und der Versammlung, Grundsätze aller Freiheiten, gewahrt bleiben. Die Partei fordert endlich auf, den 1. Mai durch eine große Kund gcbung zu feiern." Infolge dieses Manifestes wurde die Kundgebung am 1. Mai verboten und die sozialistische Zeitung„O Socialista" konfisziert. . Snglanck. Die Arbeiterpartei nud das Budget. London , 18. Mai. (Eig. Ber.) Ein bemerkenswerter Um- schwung hat sich in der Politik der Arbeiterpartei vollzogen. Die Partei hat beschlossen, gegen das Budget zu stimmen. Sie wird bei der bevorstehenden zweiten Lesung des Budgets ein Amendement einbringen, in dem es heißt, daß sie der Bill nicht zustimmen kann! das Budget setze die Besteuerung der Volkolebensmittel fort, anstatt diese schäd- liche und nicht zu verteidigende Form der Besteuerung abzuschaffen und sie durch direkte Steuern auf die nicht der Arbeit entspringenden Einkommen und große Vermögen zu ersetzen. Im letzten Finanzjahr brachten diese Lebens-� mittelsteuern(Finanzzölle auf Zucker. Tee, Kaffee. Rosinen und ähnliche Lebensmittel) mehr als 19 Millionen Pfund ein. Mit mehr als 6 Millionen Pfund wurde allein der Tee belastet, der der englischen Arbeiterklasse und zwar gerade den allerärmsten Schichten das wichtigste Ersrischungs- mittel ist. Unzählige Male ist der englischen Arbeiterklasse von den Liberalen der„freie Frühstäcksttsch", das heißt die Abschaffung aller Zölle, die von den Lebensmitteln des Volkes erhoben werden, versprochen worden: doch bei dem Versprechen ist es geblieben. Nun werden die Liberalen Gelegenheit haben, ihre Volksfrenndlichkeit auf praktffche Art zu beweisen. Soziales. Aus dem Reichsverficheruugsamt. „Der Senat stellt bewußt einen neuen Rechtsgrundsatz auf", erklärte der Vorsitzende des 10. Senats für die Unfallabteilung im ReichSversicherungsamt vor einigen Tagen. Dieser Erklärung lag folgender Tatbestand zugrunde. Der Arbeiter X. in T. hatte von dem Betriebsleiter eines Werkes den Auftrag erhalten, für ihn— den Betriebsleiter— eine Verrichtung auszuführen. X. erhielt hierfür indessen keinen Lohn, sondern der Betriebsleiter sagte zu X., er könne sich dafür aus seinem— des Betriebsleiters— Garten einen Kohlkopf abschneiden. Einige Tage darauf ging der Arbeiter nun in den Garten des Betriebsleiters, um sich den ihm alS Lohn versprochenen Kohlkopf abzuschneiden. Bei dieser Gelegenheit verletzte sich£. mit dem Messer am Bein recht erheblich. Die Folge davon war, daß nach Ab- schluß der Heilbehandlung eine starke Behinderung der Gebraüchsfähigkeit des verletzten Beines zurückblieb. Zk. sah die Verletzung deS Beines als Folge eines Betriebs- Unfalles an und stellte bei der KuaPpschaftS-Berufsgeuosseu- schaft den Antrag auf Gewährung der Unfallrente. Er wurde indessen damit abgewiesen, weil es sich nicht um einen Betriebsunfall handele: die Verletzung des Beines sei nicht im Be- triebsinteresse erfolgt. Das Abschneiden des Kohlkopfes stehe mit der Betriebstätigkeit des X.auch nicht im leisesten Zusammenhang. Der Verletzte legte gegen den Ablehnungsbescheid B e- rufung beim O b e rv e rsi ch erun g s a m t ein. Die Berufung hatte Erfolg. Das Oberversicherungsamt nahm das Borliegen eines Betriebsunfalles an und der- urteilte die Knappschafts -Berufsgenossenschast, dem X. eine Unfallrente vom Tage des Wegsalls des Krankengeldes zu zahlen. Die Berufsgenossenschast legte gegen das Urteil des Oberversicherungsamtes Rekurs beim Reichsversicherungs- amt ein. Bor einigen Tagen wurde die Sache im Reichs- vcrsicherungsamt verhandelt. In dem mündlichen VerHand- lungSternnn waren beide Parteien vertreten und- begründeten ihre entgegengesetzten Anschauungen. Der Rekurs der Berufsgenossenschaft wurde zurückgewiesen. Der erkennende(19.) Settat nahnt das Vorliegen eines Be« triebsunfalles an. Der Vorsitzende verkündete etwa folgendes: Die Tätigkeit des Kohlkopfabschneidens stelle die Empfang« nähme eines Teiles des Lohnes dar, demnach be« steht der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Un« fall und der Betriebstätigkeit des Z. Der Grundsatz, daß der Lohnempfang der Beschäftigung im Betrieb als deren Folge und Abschluß zugerechnet wird(zu vergleichen Handbüch der'Unfallversicherung, Bd. I, S. 198, Anm. 59 zu § 1 des Gew.-Unf.-Vers.-Gesetzes), gilt entsprechend auch für Dienste, zu denen versicherte Per- sonen neben der Beschäftigung im Betriebe von ihren Arbeitgebern oder deren Beauf» tragten herangezogen werden(§ 3 des Gew.» Unf.-Vers.-Ges.). DaS ist ein gerechtes und vernünftiges, dem sozialen Empfinden entsprechendes Urteil. Wie oft erhält der Arbeiter von dem Betriebsleiter für diesen einen Auftrag auszuführen. Er kann sich dem Auf- trage nicht entziehen, denn sonst würde er— der Arbeiter— ohne weiteres auf die Straße geworfen werden. Verunglückte bei solchen Verrichtungen der Arbeiter, dann bekam er keine Unfallrenie, weil„die Verrichtung nichts mit dem Betriebs- intereffc zu tun habe, und cS sich auch nicht um Betriebsunfall im Betriebe des Unternehmers gehandelt habe". Der Verletzte, der vielleicht sein Lebenlang an den Folgen der Verletzung zu leiden hatte, mußte sehen wie er zurecht kam. Dieser Zustand ist durch das oben erwähnte Urteil bezw. durch den vom zehnten Senat des ReichSversicherungSamtS aufgestellten neuen RechtSgrundsatz beseitigt. Zugabcunwesen. Um die Kunden von den Konsumveremen fortzulocken, warfen sich Krämer auf das Zugabewesen, daS in vielgestaltiger Form im Kleinhandel gang und gäbe geworden ist. Die Händler speku- lieren damit aus die Gedankenlosigkeit. Und zwar nicht ohne Erfolg. ES ist geradezu erstaunlich, mit welchem Fanatismus die Käufe- rinnen nach Zugaben, wie einem Stückchen Seife, Schokolade usw. gehen. Sie stehen zweifellos unter dem suggestiven Gedanken, damit etwa? geschenkt zu bekommen. In Wirklichkeit aber handelt es sich nur um eingebildete Geschenke. Ihr Wert steckt natürlich mit im Preise der gekauften Waren, die entweder entsprechend teurer oder schlechter sind als in reellen, Täuschungsversuche miß- achtenden Geschäften. Nicht nur den einfachen Wert der Geschenk- artikcl, sondern auch die besondere Mühe, die das ganze Zugabe- Unwesen verursacht, die größere KapitalSanlage. kurzum, eine groß« Summe von Unkosten muß der Beschenkte natürlich bezahlen. Wer beim Einkauf von Waren im Werte o» etwa einer Mark einen Artikcl für 10 Pf. zugibt, kann natürlich die Ware für 90 Pf. verkaufen. Das entspräche auch der Reellität. Aber die Kenntnis von der schwachen Seite gedankenloser Käuferinnen läßt auf reellen Betrieb verzichten und das Zugadeuntoefen kultivieren. Im Laufe der Zeit hat es nun aber einen solchen Umfang angenommen, daß auch die Händler es immer unangenehmer emp- finden, um so mehr, al» es vielfach ein gegen sie selbst gerichtete« unlauteres Konkurrenzimttel geworben ist. Man möchte davon nun durch die Gesetzgebung befreit werden. Im Verfolg dem» ciitsprechcndcr Anträge im Abgeordnetenhaus hat der Handels» minister die Handelskammer« um ein Gutachten in dieser Frage ersucht. Die meisten derselben befürworten ein gesetzliche» Ver. bot de» Zugabcwesens, manche davon mit der Begründung, der früher eingenommene Standpunkt, das bezeichnete Unwesen müsse durch Selbsthilfe überwunden werden, habe sich als verfehlt er- wiesen. Was würde ein solches Verbot für die Konsumenten be- deuten? Jedenfalls keinen Vorteil. Die'Preise find nun einmal meistens unter Berücksichtigung der„Geschenke" festgelegt. Kommen diese in Fortfall, dann sinken noch längst nicht überall auch in angemessener Weise die Presse. Die Verkäufer müssen die Ge- chenke weiter mubezahlen, sie erhalten sie nur nicht mehr. Vor allen solchen Schädigungen sind nur die Mitglieder von Konsum- vereinen geschützt. Hier wird nach reellen Grundsätzen verkauft. Also freiwillig los vom Zugabeunwesen: Hinein in die Konsum« vereine!
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten