Einzelbild herunterladen
 

Den sozialistischen Gemeinderath von St. Denis will die französische Regierung widerrechtlich auflösen. In Italien das geht übereinstimmend aus allen an uns gelangenden Berichten hervor-- ist die Lage sehr ernst. Von einer M i n i st e r k r i s e kann gar nicht mehr die Rede sein. Herr Giolitti war, nachdem alle anderen sogenannten Staatsmänner des Königreichs Italien, voll- ständig abgewirthschaftet hatten, der einzige, an den die Hoffnungen auf eine parlamentarische Lösung der Krise sich noch knüpfen konnten. Er war der einzige, der einen Ruf zu verlieren hatte und zugleich in dem Geruch staatsmännischer Befähigung stand. Der Ruf ist flöten gegangen, und für einen Staatsmann wird Herr Giolitti von Niemand mehr gehalten. Und er war der letzte der Kabinetmacher. Zanardelli erkannte das bald er mußte die Flinte ins Korn werfen; und Crispi, der jetzt ausgetaucht ist, geht schon über den parlamentarischen Rahmen hinaus. Erpfeift" auf Majoritäten, erpfeift" auf Verfassiing und Gesetz und er würde sich, falls es ihm nützlich erschiene, im Hand- umdrehen für einen frischen, fröhlichen Krieg, einen Staats- streich und, wenn die Sache schief ginge, auch für eine Straßen-Revolution entscheiden. Er war ja bis zu seinem Eintritt ins Ministerium Republikaner und alte Liebe rostet nicht. Der König weiß das und wandte sich deshalb mit großem Widerstreben an Crispi. Er ahnt, daß er selber und daß seine Dynastie am Spiele ist und auf dem Spiele steht. Anders wäre es gar nicht zu erklären, daß der 5iöttig, der sich vorher sorgsam im Hintergrunde gehalten, seit Giolitti's Fall, ungenirt mit seiner Person hervor- und in den Parteikampf eintritt. Thun Monarchen dies unter dem zwingenden Druck der Verhältnisse, so erkennen sie an, daß der Anfang vom Ende da ist; und thun sie es ans freien Stücken nun, so treiben sie es mit oder ohne Erkenntniß der Sachlage zu einer Katastrophe. Vom Panannno. Zum italienischen Bankskändal werden immer noch weitere Details gemeldet, so wird z. B. aus Rom telegraphirt: Der Präsident des Schwurgerichlshofes beauftragte den Untersuchungsrichter, ein Packet zu öffnen, welches Tanlongo beim Notar Bertarelli deponiren lieh. Man fand in demselben ein kleines Buch, in welchem nach Monaten geordnete Ans- Zeichnungen über Reutenankäufe aus den Jahren I8Sl bis 1838 enthalten sind. Der Gesammtverlust bei diesen Ankäufen soll die Höhe von l8Vs Millionen erreichen. Und dieser Mann war einer der bei der Bourgeoisie geachtetsten und in den Ministerhotels einflußreichsten Par- lamentarier des Königreichs Italien. Internationale Arbeiter-Ausstellung zu Mailand . Im Jahre 1894 soll in Verbindung mit anderen Aus- stellungcn auch eine internationale Arbeiter- Ausstellung stattfinden. Die erste der drei Grustpen, in welche die Ansstellnug eingetheilt wird, beschäftigt sich mit der individuellen Arbeit, d. h. mit den Erzeugnissen einzelner Arbeiter und solchen, die nicht mehr als zwei ihnen untergeordnete Hilfsarbeiter besitzen. Dieselbe Gruppe umfaßt die Kategorie des Kleingewerbes, des Hausgewerbes, der kollektiven Arbeit(einerseits organisirte Prodnktions- nnd Arbeitsgenossenschasten, andererseits zeitivcilige Genossen- schaftcn für bestimmte Unternehmungen) Erzeugnisse der Werkstätten- und Feldarbeiter. Trotz der Sympathien, die wir für einzelne an dieser Ansstelluiig betheiligten Personen haben, können wir es ans prinzipiellen Gründen nicht unterlassen, unseren Standpunkt rückhaltlos zum Ausdruck zu bringen. Wir haben nie begriffen, welchen Werth den sogenannten Arbeiterindustrie-Auestellungen" beizumessen sei. Was soll durch sie bewiesen werden? Daß die Arbeiter die Dinge machen tonnen? Wer macht denn die Sachen, die aus anderen Ausstellungen zu sehen sind? Oder, daß man auch ohne Kapital, d.h. ohne ausreichende, auf der Höhe der Zeit stehende Arbeitswerkzeuge produziren kann? Der Erfolg dieser Ausstellungen zeigt, wie wenig das gelingt. Der einzige Sinn liegt vielleicht darin, daß die persönliche Ge- schicklichkeit des einzelnen Arbeiters auch unter einem Namen zur Geltung gebracht wird, während der Name des Unter- nehmers sonst das Verdienst des Arbeiters deckt und ver- schwinden macht. Wie wenige Arbeiter finden aber heute Zeit und Gelegenheit, für Ausstellungen derartige Arbeiten zu leisten. Sicherlich nicht die Arbeiter der Großindustrie, denn sie können nicht ohne Maschinen produziren. An der Erhaltung des Handwerks und der Hausindustrie sind aber wir am allerwenigsten interessirt. Endlich darf nicht ver- gcssen werden, daß auch hier dann der Unternehmer den Hauptprofil hat und nicht der Arbeiter. Aber im Uebrigen: es giebt keine anderen Ausstellungen alsArbeiterindustrie-Ausstellnngen". Alles was da zu sehen ist, sind ebenErzeugnisse der Arbeiter". Wenn aber bei Ausstellungen zwischenErzeugnissen der Arbeiter" und denErzeugnissen der Arbeitgeber" unterschieden werden soll, so läßt sich von organisirten Arbeitern wohl diese Idee ausgreifen, freilich in etwas anderer Form, wie seitens des Mailänder Komitees. Es würde sich in der That aber empfehlen, wenn man einmal eine Spezial- Ausstellung derErzeugnisse der Arbeitgeber", also statt einerArbeiterindustrie-" eineKapitalindustrie-Ausftellung" veranstaltete. Viel Raum würde sie. ja nicht beanspruchen! Wir fürchten nur, daß sie auch nicht sehr reichhaltig und anregend wäre, sintemal dieArbeits" weflkzeuge der Uuter- uehmerklasse sich fortwährend vereinfachen, und schon heute beinahe aus die Kouponscheere reduzirt sind. Partei-Literatur. Die uuler dem Titel: Gegen den Militarismus und gegen die neuen Steuer« in Druck er- scheinenden Etatsreden unserer Abgeordneten Bebel und Liebknecht werden am nächsteif Freitag erscheinen. Der Umfang beträgt nicht 84, sondern nur S6 Seiten, und ist der Preis daher für Einzelbezüge von!S auf 10 Pf., für Partien- Kezug auf. 8 Pf. pro Exemplar herabgesetzt worden. Be- stellungen sind zu richten an die Buchhandlung desVorwärts", Berlin SW, Beulhftr. 2. Varlennenksvifitzes. Die VI. Kommission(für die Handelsverträge) hat gestern, Sonnabend, Nachmittag 3 Uhr, glücklich ihren schriftlichen Bericht fertig bekommen. Am Montag über die Resolution Lieber zu diskutiren, hatte Niemand Verlangen. Sie soll aber doch noch an einem folgenden Tage die Kommission beschästigen. Vielleicht macht die Majorität kurzen Prozeß und beschließt Uebergang zur Tagesordnung. Lokales. Fernsprechanschluß der N edaktion, Expedition und Buchhandlung desVorwärts" Amt l Nr. lZV8. Ist die Stadt Berlin pleite geworden? Diese Frage richteten wir in Nr. 269 desVorwärts"(vom 15. v. M.) mit Rücksicht darauf an den Magistrat, daß ein städtischer Chaussee- arbeiter ohne Gruttd entlassen, daß ihm der bis zum II. Noveniber verdiente Lohn vorenthalte», er mit seiner Bitte, ihn den fälligen Lohn auszuzahlen, nnter dem Hinweis, daß kein Geld da sei, aus denZahlungstag" vertröstet und endlich selbst das Krankenkasseubuch ihm bei seinem Fortgang nicht ausgehändigt wurde, so daß der Arbeiter andere Arbeit nicht finden konnte. Der betreffende Arbeiter, der 1'/, Jahre im städtischen Dienst sich abge- rackert hatte, hat sich daraufhin direkt an den Oberbürgermeister mit dem Gesuch gewendet, ihm doch schleunigst zu seinem Recht zu verHelsen. Daraufhin wurde am 13. also eine Woche nach der Fälligkeit dem Arbeiter der Lohn ausgezahlt und ihm an demselben Tage auch endlich das Krankenkasseubuch eingehändigt. Im Dezeniber erhielt der Arbeiter ferner folgendes vom 29. No- vember datirendes Schreiben der Baudeputation: Auf das an den Herrn Ober-Bürgcrineister Zelle gerichtete, hierher zur Erledigung abgegebene Schreiben vom 15. d. Mts. lheilen wir Ihnen mit. daß Sie nach den angestellten Er- Mittelungen Ihre Versicherungskarte am 12. d. Mts., Ihr Krankenkassenbuch am 18. d. Mts.. den bis zum 11. d. Mts. verdienten Lohn am 18. d. Mts. aus- gehändigt erhalten haben. Ihr hierauf gerichteter Antrag ist somit erledigt. Was sodann den Ansp"uch auf Zahlung des Lohnes für 2 Wochen anbetrifft, weil Sie ohne Kündigung entlassen sind, so ist derselbe linbegründet. Die Bc- ftimmung des Z 122 der Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1369 findet nur auf das Verhältniß von Gewerbetreibenden zu den Gesellen und Gehilfen Anwendung, nicht aber auf das Verhältniß der Stadtgemeinde zu ihren Chaussee-Arbeitern, da die Unterhaltung der Chausseen und Straßen durch die Stadtgemeinde keinen Ge- werbebetrieb darstellt. Die Stadtgemeinde macht aus der Unter- Haltung von Straßen und Chauffeen kein Gewerbe, sondern übt die diesbezügliche Thätigkeil nur aus, weil sie Eigenthümerin der Straßen und Wege ist oder weil sie kraft öffentlichen Rechtes zu der Instandhaltung verpflichtet ist. Für das Verhältniß der Stadtgemeinde zu den Wegearbeitern ist die Bestimmung des § 905 I. A. L- R. maßgebend, nach welcher mangels be- sonderer Vereinbarung der Arbeitsvertrag nur als auf einen Tag geschlossen anzusehen ist. Eine vierzehntägige Kündigung war des- halb nicht erforderlich, und lehnen wir demgemäß die Zahlung des zweiivöchentlichen Lohnes ab. Schließlich bemerken wir noch, daß am II. d. M. wegen des eingetretenen Frostes ein Theil der Arbeiter entlassen werden mußte, weil der Winter eine natürliche Einschränkung der Arbeiten zur Folge hat. Städtische Baudeputatiou, A b t h e i l u n g II. Böig t." Ob und inwieweit das Geschäft der Baudeputation oder des Magistrats als gewerbliche- Unternehmen zu erachten ist, wird am 19. Dezember vor dem Gewerbcgerichl zur Entscheidung gelangen. Daß ein Arbeitgeber, der durch Einbehaltung eines Kraukenkassenbuches einen Arbeiter hindert, anderen Erwerb zu siudeii, haben bislang Gewerbegericht, Jnnungsschiedsgenchl und Amtsgericht fast ständig übereinstimmend, anerkannt. Für die städtische Baudeputation enthält das Gesetz keine Ausnahmebe- stimmung. Bezeichnend für den Geist, von dem die städtische Verwaltung durchdrungen ist, ist der Schlußpassus der oben mit- gelheilten Verfügung. Zahlreiche arme Arbeiteritiueu sind in Rixdorf durch einen Slicker, Namens Göhring, Bergstr. 22, geschädigt worden. Dieser Mann übernahm aus größeren Konfektionsgeschäften Stickereiarbeiten und gab diese dann Mädchen und Frauen ins Haus, ohne ihnen in den meisten Fällen Lohn für ihre Arbeiten zu zahlen. Wie uns mitgetheilt worden ist, haben die Ge- schädigten, deren Zahl überraschend groß ist, den Göhring wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft augezeigt. Da bekannt ge- worden, daß der Zigarrenhändler Herr Leopold Magerl, Rix- dorf, Hobrechtstr. 10, sich der Arbeiterinnen angenommen hat, so lause» bei dieser Adresse fortwährend noch neue Meldungen von früheren Arbeiterinnen des Göhring ein. WeShalb wird militärische Vorbildung für Schutz- leute, GenSdarmen, Nachtwächter u. f. w. gefordert? Vor einigen Tagen lag eine mit de» ärmlichsten Lappen bekleidete, etwa 40jährige Frau um 1 Uhr Nachts an der Ecke der Schar»- Horst- und Jnvnlidenstraße. Ein Kreis Neugieriger bildete sich um das arme arbeitslose Wesen, die wer weiß durch welche Sckicksalsschläge so weit heruntergekommen der Schnapsflasche so viel zugesprochen, daß ihr seitens der armen nothleidenven Großbrenner ein Ehrenzeichen als guter Kundin gebührte. Vor der Unglücklichen stand ein Nachtwächter, der auf die wehrlose nrsreiwillige Patronin der Schnapsbrenner etwa löMal mir blanker Klinge einHieb, forderte die Gemißhandelte auf, ihre» Platz zu ver- lassen, legte schließlich der Wehrlosen Polizeiknebel an und zerrte sie nach der Polizeiivache in der Wöhlertstraße. Ein Herr ver- langte hieraus gleichfalls Einlaß in die Wache, damit er zu Protokoll gebe, wie die Frau behandelt wäre. Es zog die Glocke, ein Schutzmann öffnet daraus ein Fenster und fragte nach seinem Begehr. Als er das Begehr gehört, schloß er wiederum das Feuster zu solchen Angaben, meinte er, ist das Polizeibureau nicht da. Der Herr mußte unverrichleter Sache abziehen. Wozu sind denn die Polimbureaus da? Mit welchem Recht webrt man selbst die Aufnahme über Anderen widerfahrenen Mißhandlungen? Ist der Bürger nur dazu da,das Maul zu halten und Steuern zu zahlen"? Aushilfskräfte für die Post. Zu diesem Kapitel wird uns aus unserem Leserkreise noch folgendes mitgetheilt: Es heißt ganz richtig in dem unter obiger Spitzmarke in Nr. 289 erschienenen Artikel desVorwärts", daß lausende Arbeitsloser sich melden, um eine solche vorübergehende Beschäftigung während der Weihnachtswoche bei der Post zu erhallen. Aber viele sind berufen und nur wenige auserwählt. Wie schon früher so haben wir auch im Vorjahre gesehen, wie ein großer Theil der erforderlichen Arbeitskräfte durch Einstellung von Solaten gedeckt wurde, trotzdem tausende und abertausende Arbeiter auf dem Pflaster lagen und trotzdem die Presse gegen diese eigenartige Auffassung und Behandlung des herrschenden NotystandeS entschieden prolestirt hat. Nachdem die amllichen Berichte die Ansichten des fjerrn v. Äötticher über den Nothsland korrigirl haben, kann der aiserliche Ober-Postdireklor Griesbach, der die Direktiven über die Einstellung von Hilfskräften für Berlin geben muß. sich in feinen sozialpolitischen Maßnahmen nur noch auf Herrn v. Forken- deck berufen. Wir bezweifeln deshalb auch nicht, daß für Herrn Griesbach die Arbeitslosen auch in diesem Jahre nicht da sein werden und er wiederum zu den Soldaten seine Zuflucht nehmen wird. Was kümmern auch die Herren am grünen Tisch die Sorgen lausender Familienväter, die nicht wissen, wie sie ihre Familien durch den Winter bringen sollen. So wuchert der Militarismus in doppelter und dreifacher Gestalt am Marke des werkthäligen Volkes! Druckfehlerberichtignng. In der gestrigen NotitzNoch- mals die Antisemitenkneipen" lese man Zeile 4 statt in diesen Anltsemitenknetpen: in d, versen Antisemilenkneipen. Nur", ohnmächtig geWord«» vor Huuger ist indem Asyl für männliche Obdachlose in der Büschingstraße em junger Lehrer. Man fragt dort bei der Ausnahme nicht nach Namen und Stand, sondern nur nach dem Alter, und so fragte auch diesen Unglücklichen niemand nach seinen näheren Verhältinffen; er bekam die Abends verabreichtekräftigende Suppe und nachdem er sich soweit erholt hatte, daß für sein Leben nicht zu fürchten war, überließ man ihn sich selbst und des Morgens konnte er weiter wandern. Er war gerade noch zurecht ge- kommen, ehe die Tafel mit der Inschrift:Das Asyl ist besetzt, es kann daher niemand mehr Aufnahme finden", herausgehängt war; er war dankbar für das Glück, daß er des Nachts nicht draußen zu bleiben brauchte. Wenn er keinen Einlaß gefunden hätte und erfroren wäre wäre es viel schlimmer für ihn gewesen t Flickmaterial wird verabfolgt", heißt es auf einer Tafel im Innern des Hauses. Ach, die Aermsten haben meist gar nichts zu flicken, oder sollen sie einen Lumpenlappen auf den andern setzen? Oftmals« haftet auch der Baden nicht einmal mehr an dem mürben Zeug. a. warum arbeiten denn die Leute nicht? Ach. sie wollten es gern thun! Wie sie sich drängen, die Morgens herauskommen, wenn über Nacht Schnee gefallen ist! Sie lassen den Kaffee und die Suppe im Stich, nur um zuerst draußen zu sein, und ein paar Groschen mit Schneefegen zu verdienen. Können sie dann auch kein Diner& quatre zu 157 M. ein­nehmen, so reichts doch für die Volksküche und sie können wenigstens von dem so verdienten Gelde sagen: von olot! es riecht nicht pardon! es richt allerdings nachStraßen- schmutz" aber er klebt ehrlicherweise daran! In wenigen Wochen wird von den Kanzeln die Advents- botschaft verkündet werden: Eure Lindigkeit lasset kund werden allen M e n s ch e n!" Wo ist die l i n d e Hand, die sich auf die Schulter der Hungernden und Frierenden legt? Beim heutigen Gesellschaslssystem mit dem herrschenden Kapitalismus ist sie n i ch t zu finden dieser kennt nur den Egoismus. Erst die Weltanschauung des Sozialismus kann hier helfend und heilend den Schaden unserer Zeit vertilgen. Ju der Poliklinik von Professor Dr. Litte», Dorotheen- straße 8, werden unbemittelte innerlich Kranke wochentags von 12 L'/z Uhr unentgeltlich behandelt. Au die falsche Adresse hat sich die Rixdorfer Polizei- behörde in einer Sache gewandt, die uns von der Arbeiter- Sanitätskommission in Rixdorf unterbreitet wird. Die Kommission hat eine im Hause Hermannstr. 14 belegene Wohnung der Polizei als gesundheitsschädlich bezeichnet und die Behörde hat darauf die gemachten Angaben vollinhaltlich bestätigt gesunden. Der Hauseigeulhümer ließ nun schnell die betreffende Wohnung im Wege der Exmission räumen, vermiethete sie aber gleich darauf ander- weitig. Die neue Mietherin erhielt nun bald eine polizeiliche Aufforderung, die Wohnung binnen drei Tagen zu räumen und als sie derselben nicht nachkam, einige Wochen später eine weitere Zustellung, wonach die Wohnung bei Vermeidung des Zwangsverfahrens binnen 2t Stunden geleert sein müffe. Es ift recht, daß die Rixdorfer Polizei das Bewohnen gesundheits- schädlicher Räume zu verhindern sucht, aber wären die betr. Slufforderungen statt an die Mietherin nicht besser an die Adresse de» Hauseigenthümers gerichtet gewesen? Vom Tode plötzlich ereilt wurde am Freitag Vormittag um 11 Uhr in einem Omnibus der Linie Kursürstenstraße- Stettiner-Bahnhof der 37 Jahre frühere Bankdirektor Otto Marienseld, Golzstraße 49. Ihm wurde unwohl, sodaß er mittels Drosche in das Krankenhaus gebracht wurde, wo aber keine Hilfe mehr geleistet werden konnte. Nahrungssorge» haben den 32 Jahre alten Tischler Rudolph Klaus, der Alte Schönhauserstraße 4 im Keller bei seiner Mutter wohnte, in den Tod getrieben. Er war arbeits- los und mußte von seiner verwittweten Mutter unterhallen werden; hierüber fühlte er sich derartig gedrückt, daß er wieder- holt der Absicht, sich das Leben zu nehmen, Ausdruck verlieh. Als am Freitag Mittag die Mutter sich entfernt hatte, um Wäsche fortzutragen, benutzte er das Alleinsein, um sich in der Wohnung zu erhängen. Um 5 Uhr Nachmittags wurde er als Leiche aufgesunden. Der ans Wien flüchtige Bankier Lejeuve, dem zur Last gelegt wird, große Beträge veruntreut zu haben, ist in einem hiesigen Gasthofe festgenommen. Er bestreitet, sich Unterschlagungen zu schulden konime» gelassen zu haben und behauptet, er habe nur Differenzen nicht ausgleichen können und Wien nur deshalb verlassen, um seine Angelegenheit mit fremder Hilse zu ordnen. Inwieweit dies richtig ist: läßt sich hier nicht berurtheilen. Lejeune, der übrigens belgischer Unterthan sein will, wird voraus- sichtlich bald nach Wien ausgeliefert werden. Polizeibericht. Am 8. d. M. Morgens versuchte ein Dienstmädchen, in der Wohnung seiner Herrschast. in der Regenten- straße, sich mittels Salzsäure zu vergiften. Es wurde noch lebend nach der Charitee gebracht. In seiner Wohnung in der Koppen- straße erschoß sich ein Arbeiter. Bor dem Hause Chausseestr. 1 wurde Vormittags eine Frau durch einen Arbettswagen über- fahren und am Bein so bedeutend verletzt, daß ihre Uedersührung in die Universitäts-Klinik erforderlich wurde. Als Nach- mittags ein Schlosser im Hause Blumenstr. 70 einen Fahrstuhl in Ordnung bringen wollte und unter denselben getreten war, fiel der Fadrstuhl plötzlich herab und tödtete ihn. Abends wurde ein Tischler in der Wohnung seiner Muller, in der Alten Schönhauserstraße, erhängt vorgefunden. In einem Echank- geschäft in der Demmtnerstraße fiel ein Handelsmann beim Ringen mit einem anderen Gaste zu Boden und brach den Ober- schenke!. Im Laufe des Tages fanden drei Brände statt. TTzenker. Lessing-Theater. Frau Elenore Duse trat vorgestern zum ersten Male in Berlin inFrou-Frou", einem älteren Stücke von M e i l h a c und H a l e v y auf. Das Stück hat lediglich den Werth, daß es einer Schauspielerin Gelegenheit giebt, alle Gesühlsphasen darzustellen, deren ein reiches, nur zu Tändeleien erzogenes, leichtlebiges, aber im Grunde gut angelegtes weib- liches Wesen sähig ist. Und das that Frau Duse in meister- hasler Weise. Die Liebeswürdigkeiten, die Naivetät, die Anmuth und die Uebersülle sprudelnden Leichtsinns und herziger Gut- müthigkeit eines reichen Backfisches im ersten Akte, d,e leicht- fertige Lebeuslustigkeit der jungen Frau im zweiten Akt, das zu späte Erwachen zur Selbstachtung, die Liebe, Eifersucht und das Rache gefühl der aus den Träumereien aufwachenden Gattin und Mutter in den späteren Akten, die Liebe, die Seelen- angst, die Reue und den Gram im letzten Akt verstand der italienische Gast in meisterhafter Weise wiederzugeben, wie sie auch nur annähernd gleich naturwahr, erhebend, hinreißend und erschütternd bislang auf Berliner Theatern nicht vorgeführt sind. Der Ton, die Sprache, der Mund, das Auge, der Körper, jede Muskel bis zur Fingerspitze hinab, wirken bei Frau Duse mit: auch wer kein Wort italienisch versteht, muß den Gang de» Gefühlslebens der Schauspielerin Duse, die alle Theatermätzchen verschmäht, erkennen, fühlen, mitempfinden. Schade, daß die hohen Preise dem Proletariat die Vorstellungen zu den Duse-Abenden verschließen. Die Mitspieler blieben mit Ausnahme des Fräu- lein Magazzari, die die sich ausopfernde, liebevolle Schwester darstellte, leider auf dem mehr als nnttclmäßigen Nweau des Stückes selbst. Zu wünschen wäre, daß trotz des hohen Genusses, den selbst die Darstellung einer Frou-Frou durch Frau Duse zu be- reiten vermag, aus ihrem Reperto» derartig unterwerthige Stücke verschwinden.