Verdächtigung seiner Gegner zugute Der.Temps' hat sofort die Gelegenheit ausgenutzt, um mit gemeinen Verdrehungen über die Sozialisten herzufallen, denen er sogar die Schuld an dem geplanten RechtZraub zuschieben will, mit der Begründung, daß sie die elsässische Frage indiskret aufgeworfen hätten. Die deutsche Politik nutzt den Reaktionären Frankreichs in ihrer äußeren wie in ihrer inneren Politik. Die unaufgeklärten Volksmassen werden leicht das deutsche Volk mit den deutschen Rüstungsinteressentcn und den von ihnen be- einflußten Machthabern verwechseln und die Hetzer des eigenen tlandeS über den Gewaltpolitikern des anderen übersehen. Sie werden der Beeinflussung der Antirepublikaner. die ihnen die Demo- rnokratie als Schwächung der Nation hinstellen, leichter nachgeben. Das„Echo de Paris" glaubt heute die Berner Konferenz vollends zu kompromittieren, indem es mit deutlicher Skepsis das von ihr ernannte französisch-deutsche Komitee zum sofortigen Zusammen« tritt auffordert. In der Tat, wenn es eines Beweises für die Not- wendigkeit der Konferenz bedurft hätte, die deutschen Vorlagen würden ihn liefern. Es ist nun die Sache der deutschen bürger? lithen Parlamentarier, die Gewaltpläne»er deutschen Re- aktion und die Spekulationen der französischen zu nichte zu machen und beiden Völkern in der clsässischen Freiheit den Frieden, die Wohlfahrt und den Fortschritt der Kultur zu sichern. . Die llülitäroorlage In der fludgetkommillion. Am Dienstag nahm die Budgctkommission des Reichstags die Beratung der Militärvorlage wieder auf. Die Kommission wird, da der Reichstag erst am 26. Mai wieder zusammentritt, bis da- hin täglich von vormittags 10 Uhr bis nachmittags 5 Uhr tagen. Bei Beratung der Vermehrung der Verkehrs- tc Uppen von 18 auf 31 Bataillone besprach Abg. Müller- Meiningen eine Reihe von technischen Mängeln bei diesen Trup- Pen; speziell hob der Redner die angeblichen Vorzüge der Schütte- Lanz-Luftschiffe gegen die Zcppelin-Luftschiffe hervor.— Genosse N o S k e forderte von der Militärverwaltung genaue Auskunft über die Notwendigkeit der neuen Verkchrstruppen. Die Kom- misfion müsse doch wenigstens eine Darstellung über die Art der Verwendung erhalten.— General Wandel gab hierauf einige Erläuterungen rein technischer Natur, wobei Umfang und Art der französischen militärischen Luftschisfahrt erörtert wurden.— Abg. Müller wünschte weit bessere sanitäre Vorrichtungen auf den Fliegerstationen, um bei Unglücksfällen schnelle und aus- reichende Hilfe gewährleisten zu können.— Genosse N o s k e wandte sich dagegen, den Bau von Luftschiffen und Luftfahrzeugen davon abhängig zu machen, daß die beteiligte Industrie auch ge- nügend Aufträge bekommt.> Wenn die Neuformation der Luft- schiffertruppe zur Folge hat, daß etwa 20 neue Lenkballons an- geschafft werden sollen, so müsse zuerst ein Nachweis für die Not- wendigkeit dieser Zahl von Ballons geliefert werden. Bei der Be- ratung der Kavallcrievermehrung habe übrigens der Kricgsminister die sekundäre Bedeutung der Luftschiffahrt gegenüber der Kavallerie bei dem militärischen Aufklärungsdienst hervorgehoben. Bisher habe das Militär alle Luftschiffe einfach kaput gefahren.— Der Kriegs mini st er betonte, daß die Luftschiff- fahrt immer vom Wetter äbh 2 n g ig sein werde und nie- mals die Kavallerie ganz ersetzen könne. Umgekehrt können aber - Luftschiffe bei günstigem Wetter Dienste leisten, die weit über die Kavallerie in der Aufklärung hinausgehen. Bei der geforderten Vermehrung des Trains wies Abg. Bassarmann darauf hin, oaß der Train eine Art mili- tärisches Stieflind sei. Man solle ihn in Zukunft ebenfalls als VerkehrStruppe bezeichnen. Ob die jetzt vorhandenen Train- formationen genügen, sei doch recht fraglich.— Abg. Müller- Meiningen zweifelte daran, ob die Massenheere in einem zu- künftigen Kriege auch verpflegt werden können. Eine gründliche Reform des Jntendanturwesens müsse kommen, vielleicht auch sei die Frage zu erwägen, ob man die gesamte Derpflegungslieferung nicht an große und leistungsfähige Firmen übergeben wolle.— Tic Militärverwaltung betonte, die unstreitig vorhan- denen Schwierigkeiten in der Truppenverpflegung seien zu über- ivinden. Eine Aenderung des Trains sei nicht angängig. Das Ansehen des Trains zu heben sei deshalb schwierig, weil der Train keine fechtende Truppe ist.— Die Genossen N o S k c und Schöpf- l t n besprachen dann die Mängel im Jntendanturwesen und beim Train. Der südwestafrikanischc Feldzug habe daö vollständige Vcr- sagen des Jntendanturwesens gezeitigt; wie solle das erst in einem zukünftigen Kriege mit den Heercsinassen werden? Ein Antrag Bassermanü, der eine Hebung des Trains fordert, wurde gegen die sozialdemokratischen Stimmen angenommen. Die Kommission schritt nunmehr zur Beratung der ungemein großen Zahl vorliegender Anträge. Zunächst wurde über die V e r- k ü r z u n g der D i e n st z e i t debattiert. Die Sozialdemo- traten beantragten die Einführung der einjährigen Dienstzeit, die Volksparteiler eine solche von acht- zehn Monaten; das Zentrum wünschte Erhöhung der Ur- laubszeit und Erleichterung des Einjährig-Frciwilligen-Dienstcs. — Genosse Gradnauer begründete die sozialdemokratische Forderung. Er wies auf die Ueberflüssigkeit des Parade- und Ga- nraschendienftes hin. Fällt dieser fort, so kann die Dienstzeit auf ein Jahr herabgesetzt werden, ohne daß die t r i e g s g e m ä ß e Ausbildung leidet. Ferner betonte Gradnauer den enormen volks- wirtschaftlichen Schaden der heutigen laugen Dienstzeit und vertrat die sozialdemokratischen Auffassungen hinsichtlich der Frage der Landesverteidigung. Tie Genossen Schöpflin und Noskc er- -gänzten die Darlegungen Gradnaucrs in ausführlicher Weise.— Ter Kriegs min ist er wandte sich lebhaft gegen die Anträge auf Herabsetzung der Dienstzeit, weil angeblich ohne die heutige Dauer der Dienstzeit die Armee nicht schlagfertig gehalten werden kann. Bemerkenswert war die Aeußcrung, den Söhnen der sogenannten gebildeten und der besitzenden Klasse könne man die zwei- und dreijährige T i c n st z e i t nicht zumuten, weil diese Klasse dadurch zu sehr belastet werde. Schließlich betonte der Minister noch, die Armee müsse nicht nur kriegstüchtige Leute, sondern auch patriotisch und vaterländisch denkende Menschen er- ziehen.— Von den bürgerlichen Parteien sprach nur Abg. ü l l e r- Meiuingen; Zentrum, Nationallibcrale und Kon- scrvative schwiegen sich aus. Sie stimmten auch die Anträge auf Verkürzung der Dienstzeit nieder. Die Volksparteller lehnten auch die Einführung der einjährigen Dienstzeit ab. Angenommen wurde nur eine volksparteilichc Resolution, die die Hebung der Wehrfähigkeit der Jugend und die Unterstützung aller Verbände fordert, die die körperliche Ausbildung erstreben. Gegen die vom Zentrum geforderte Reform des Einjährig-Fbeiwilligen-DiensteS im Sinne einer Erweiterung kämpften unsere Genossen an. wahrend Zentrum und Nationaliiberale sie verteidigten. Schlichlich sprachen sich die VoUsparteiler auch noch gegen den Zentrums- (intrag aus, der gegen die sozialdemokratischen und Volkspartei - pchen Stimmen angenommen wurde. Sodann wurde der sozialdemokratische Antrag dis- kutiert, für jede Waffengattung nur eine einheitliche Feld- uniform zuzulassen. Der sozialdemokratische Antrag wurde gegen die Stimmen unserer Genossen abgelehnt, dagegen eine volksparteiliche Resolution angenommen.— Ein weiterer sozialdemokratischer Antrag fordert die Ab- schaffung der Gardc- und sonstigen Eliw-Regimenter; Gc- nasse Frank begründete den Antrag. Schon aus Gründen der Mobilmachung müßte das Gardekorps beseitigt werden, das in- folge der Rekrutierung L— 7 Tage später mobilisiert werden kann als die anderen Korps. Wenn das Interesse der Landesverteidigung matzgebend sein soll, müssen die Elitetruppen verschwinden.— Abg. Müller- Meiningen unterstützte diesen Antrag.— Abg. Erzberger betonte, der sozialdemokratische Antrag widerspreche der Reichsverfassung, die den Kontingentsherren die Entscheidung über die Uniformierung überlasse.— Abg. Bassermann betonte, daß bei der Garde 81 Proz. der Offiziere es zum Major bringen, in der Armee sonst aber nur 37 Proz.— Der Kricgsminister gab zu, daß bei manchen Regimentern der Adel do- miniere. Das habe sich historisch entwickelt, sonst aber werde der Adel nicht bevorzugt beim Avancement. Daß die Mobilmachung des Gardekorps erschwert wird, ist Tatsache. Tic Beratung wird am Mittwoch fortgesetzt. politifcbe dcbcrHcbt. Krupps Monopol. Ta»„Verl . Tagebl." gräbt aus einem älteren Buche des französischen Publizisten Huret eine Reihe interessanter Aeußerungcn aus, die Herr Thyssen, der große Montan- industrielle, Zentrumsmann und Konkurrent Krupps, über dessen monopolistische Stellung getan hat. Huret erzählt da. wie Thyssen» Kanonen und Panzerplatten fabrizieren wollte und sich, an die Staatsverwaltung wandte, um zu er- fahren, von welcher Art ihr Bedarf sei? Die Staatsverwal- tung habe ihm geantwortete:„Wenden Sie sich an Krupp ." Huret fährt nun fort: „Man begreift, daß Krupp sich nicht beeilte, einem Kon- kurrenten vom Ausmaße Thyssens die Auskunft zu geben, deren er bedurfte. Und so machte sich Krupp ein Vermögen von 500 Milli�one n." Huret erzählt dann weiter, wie Krupp auch alle anderen Staatsaufträge monopolisiert habe. Schließlich habe Thyssen, der bekanntlich katholisch sei, von der Z e n t r u m s p a r t e i die Zusicherung erhalten, sie würde gegebenenfalls die Monopolwirtschaft im Reichstag enthüllen. Da die Regierung das Zentrum nötig habe, sei das skandalöse Monopolwesen ein wenig einge- schränkt worden.„Dennoch fahren die Kruppschen Werke fort, sich den Löwenanteil herauszuschneiden." Huret hat dann in der Unterhaltung mit Herrn Thyssen auch die Rede auf das S ä b e l g e r a s s e l und die kriegerischen Zeitungsartikel bei Gelegen- heit der Tangerfahrt des Kaisers gebracht. Darauf hat Thyssen gelassen erwidert:' „Das hat allein de» Zweck, den Reichstag zur Bewilligung der Kredite für die Kruppsche» Werke zu veraulassen, deren Kanonen trotzdem hinter drn Erhardtschen Kanonen zurückstehe»." Ueber die Behandlung ErHardts hat Thyssen dann noch weiter gesagt: „Dieser arme ErHardt, der seit fünfzehn Jahren mit einer beispiellosen Energie darum kämpft, seine Fabrikate anzubringen! Man hat versucht, ihn zu ruinieren, man hat alles getan, um ihn zu entmutigen und abzuschrecken. Er hat mit be- wundernswerter Energie gekämpft, die nicht klein zu machen war. Beispielsweise hatte ErHardt auf der Düsseldorfer Aus- stellung sehr schöne Sachen ausgestellt, geeignet, auch das stärkste Mißtrauen zu überzeugen. Der Kaiser kam, blieb eine halbe Stunde im Pavillon von Krupp und setzte keinen Fuß in den von ErHardt. Ergebnis: die Kanone» müsse» teurer bezahlt werde», und man wird sie bald durch neue ersetze» müssen... Ueber die Gründe der Zurücksetzung ErHardts meinte Thyssen: „Ja, endlich, nach einem zehnjährigen Kampf, nach einem großen Spektakel im Reichstag, hat man sich wohl dazu ent- schließen müssen.... WaS wollen sie auch groß kämpfen? I« Diensten von Krupp stehe» zwei Brüder von Ministern und der Bruder des Chefs der deutschen Flotte." Man sieht, es wäre höchste Zeit, daß die Untersuchungs- kommission über die Umtriebe des Rüstungskapitals endlich ernannt würde und ibre Arbeiten begönne. Wie groß der Einfluß Krupps ist und wie weit die Macht der Finna reicht, beweist die Tatsache, daß all die schweren Anschuldigungen Thyssens in der deutschen Uebersetzung, wie das„Bert. Tagebl. nachweist, entweder bis zur Unkennt- lichkeit„gemildert" oder fortgelassen sind. Eine Berständigungsaktion unter klerikaler Leitung. Bereits vorige Woche wußten einige Blätter zu melden, daß die Regierung mit den bürgerlichen Parteien de-Z Reichstages Verhandlungen eingeleitet hätte, um eine Verständigung über die Behandlung der HeereSvorlage herbeizuführen; doch scheint bei diesen Techtel- mechteleien hinter den Kulissen bisher nur wenig herausgekommen zu sein, denn am Dienstag lief in der Budgetkommission der„junge Mann" des Kanzlers, Unterstaatsselretär Wahnschaffe, geschäftig von einem Abgeordneten zum anderen. Da er zu keinem Resultat kam, nahm schließlich Herr Spahn die Leitung der VerständigungSaftion in die Hand. Für Dienstag hat er alle bürgerlichen KommissionS» Mitglieder zu einer Besprechung eingeladen, der auch Folge geleistet worden ist. Mit den Pflichten der Unparteilichkeit eines KommissionS- Vorsitzenden ist Herrn Spahns Verhalten schlecht in Einklang zu bringen. Die Fortschrittler und Nationalliberalen wollten angeblich bei der Zusammenkunst nur Erklärungen abgeben, daß sie fest bleiben. Sozialdemokratische Interpellation über die neue reichsländische Diktatur. Die sozialdemokratische Reickistags'raktion hat folgende Jnter- pellation eingebracht:„Ist der Herr Reichskanzler bereit. Auskunst darüber zu erteilen, ob im Bundesrat neue Diktalurgeietze für Elsaß- Lothringen vorgeschlagen sind? Billigt der Herr Reichskanzler die zuerst in Pariser Blattern veröffentlichte Vorlage und ihre Be- grihidung?"_ Rom und das Zentrum. DaS Zentrum geberdet sich zur Zeit höchst„national". Seine Führer bestreiten deshalb nicht nur, daß das Zentrum eine konfessionelle Partei ist, sondern auch, daß es Weisungen auS Rom empfängt oder jemals empfangen hat. So hat denn auch der Vorfitzende der ZentrumSftaltion des preußi« schen Abgeordnetenhauses, der Geheimrat Dr. Porfch, am 13. Mai in einer Glatzer ZentrumSwähleversammlung mit der ihm eigenen Ungenieriheit bestritten, daß da» Zentrum jemals seine politische Tätigkeit nach römischen Weisungen eingerichtet. Diese kindliche Ableugnung allbekannter Tatsachen beantwortet die streng- katholische, um die pävstliche Autorität besorgte„Köln . Korresp." mit folgender kurzen Abfertigung: „Herr Dr. Porfch behauptete aus der Glatzer Zeutrumswahl- Versammlung am 13. Mai, das Zentrum habe niemals Weisungen aus Rom erhalten. Diese Behauptung ist falsch. Die Zcntrumsfraklion des Deutschen Reichstages erhielt Weisungen aus Rom anläßlich des Septennats st reite S, Weisungen sehr politischer Natur, die die Fraktion sehr gegen ihren Willen dadurch befolgte, daß sie sich der Abstim- mung enthielt und so die Regierungsvorlage dem Wunsche des Papstes gemäß zum Siege verhalf. Damals bat die Fraltion den Papst sogar um Weisungen darüber, ob er die Weiter- existenz des Zentrums im Reichstage wünsche; sie macht also sogar ihre Existenz von päpstlichen Weisungen abhängig! Auch in den Verhandlungen über die Beilegung des Kulturkampfes erhielt das Zentrum Weisungen aus Rom , ja noch mehr: es bat darum, wie die in den„Laachcr Stimmen" verö'fentlichten Windt- horitbriefc mit Evidenz dartun. Auch sonst haben Beziehungen zwischen Zentrumsführern und kirchlichen Auloritätcn bestanden, und zwar bis in die jüngste Zeit. Man möge diese Tat- fachen doch nicht ableugnen, dann ist es auch nicht nötig, sie im Interesse der geschichtlichen Wahrheit zu betonen. Daß der Einklang der Zentrumspolitik mit den katholischen Grundsätzen keine beständige Fühlungnahme mit Rom erheischt, ver- steht sich am Rande. Es gibt in Deutschland eine Menge Vereine, die nicht nur auf katholischem Boden stehen, wie es das Zentrum tut, sondern sich auch offen katholisch nennen, ohne jedoch jemals Weisungen aus Rom zu erhalten. Dasselbe gilt von den einzelneu Katholiken, den katholischen Zeitungen, Institutionen usw. Stellt sich aber einmal eine Schwierigkeit ein, dann wenden sich katholische Vereinigungen wie einzelne Katholiken an die krchlichen Autoritäten um Weisungen. Das hat denn auch das Zentrum red- lich getan. Windthorst besuchte jedes Jahr eine Reihe Bischöse und besprach mit ihnen die religrös-politischen Fragen, wobei natür- lich rein politische Dinge nicht vermieden wurden, lind über Be- Ziehungen, die auch heute noch zwischen dem Zentrum und autorita- »wen kirchlichen Kreisen bestehen, dürften Herrn Geheim- rat Porsch ebenso viele Einzelheiten bekannt sein w i e u n i." Geeignete Wahllokale. Bei den Landtagswablen feierte der Zechenterror wieder seine Triumphe. Im Wahlkreise Recklinghauien waren in manchen Orten keine geeigneteren Wahllokale aufzutreiben als die Privat- bureaus der Betriebsführer. Schullokale und Schanl« stuben üben nicht den nötigen Respekt auf die Bergleute aus. Der Tisch des Betriebsführers, der zu beiden Seiten mit Beamten besetzt ist und in dessen Mitte der Pascha selbst thront, das gibt dem Wahlakt erst die rechte Weihe. Kein Beruf ist so von der Gnade— von der Feder nennt man eS— abhängig, wie der Bergmann . Die früb aufgerackerten Arbeiter, die wider den Stachel zu lökeu wagen, werden aufs Korn genommen und abgeschoben. Deshalb die glänzenden Wahlresultate der Nationalliberaleu im Kohlenrevier. Aus dem elsah-lothringische» Landtage. In der Dienstagssitzung verlas der Präsident den Eingang von vier Interpellationen über die geplanten Ausnahmebestimmungen für Elsaß-Lothringen . Der Staatssekretär von Bulach erklärte sich im Namen der Regierung sofort zur Beantwortung bereit, so daß am Donnerstag die Jnterpellatione» auf die Tagesordnung kommen. In derselben Sitzung erledigte das Parlament die zweite Lesung der Teuerungszulagen für Beamte, Lehrer und Lehrerinnen. Es nahm folgenden neuen Passus an: „Die am 1. April 1918 fest angestellten Lehrer an den öffent- lichen Elementarschulen erhalten von den Gemeinden eine außer» ordentliche, nicht pensionsfähige Zulage zu ibrern Diensteinkommen von je 60 M., sosern sie mindestens 8 Dienstjahre, von je 7S M.. sofern sie 21 Dienstjahre, und von je 100 M. sosern sie 24 Dienst- jähre zurückgelegt haben. Die am 1. April 1913 fest angestellten Lehrerinnen erhalten von den Gemeinden eine außerordentliche. nicht pensionsfähige Zulage zu chrem Diensteinkommen von je 40 M., sofern sie mindestens vier Dienstjahre zurückgelegt haben." Die Frage der Regelung der Geistlichen-Gehälter wurde in fol- gender Form angenommen: „Bis zur anderweitigen Regelung ihrer Gehaltsbezüge erhalte» die Pfarrer, Hilfspfarrer und Rabbiner, soweit ihr Siaatsgehalt 4000 M. nicht übersteigt, ab 1. Oktober 1912 eine jährliche Zulage von 200 M., die Vikare eine solche von 100 M." Das Zentrum legte Wert darauf, daß diese Teuerungszulagen sofort in dritter Leimig angenommen werden. Die Sozialdemo- traten widersprachen jedoch, so daß zunächst das Besoldungsgesetz, das die größten Schwierigkeiten bereiret, verabschiedet werden soll, und dann erst die Teuerungszulagen geregelt werden. Verschleppung der Nachwahl im Kreise Luckenwalde . Das Mandat des Reichstagsabgeordneten von Oertzen sDahl- kreis Jüterbog-Luckenwalde) ist am 3. April vom Reichstag für un- gültig erklärt. Dennoch ist eine Nachwahl noch nicht anberaumt. Das ist sehr auffällig. DaS Mandat de» Abgeordneten von Kröcher ist 14 Tage später, am 17. April für ungültig erklärt und Nachwahl auf den 11. Juni anberaumt. Vor einigen Jahren hat der Reichs- kanzler dem Reichstag erklärt, er werde darauf hinwirken, daß spätestens der Nachwahltermin aus 60 Tage nach Kassation an- beraumt werden wird. WcShalb wird bei der Wahl in Luckenwalde das nicht beachtet? Sind etwa gar die Streitigkeiten, die über von LertzenS Nachfolger zwischen Konservativen und Freikonservativen entbrannt find, die Veranlassung zu dieser Verzögerung, durch die der Kreis ohne Vertretung bleibt? Oder fürchten die in den Ketten der Schwarzblauen liegenden Herren, die Nachwahl könne in dem Kreise endlich dem Willen der Wähler entsprechend aus- fallen? Vielleicht gibt der Reichskanzler auch ohne kurze Anfrage im Reichstag Aufklärung. __ Gefährliche Konkurrenz für den Maurerberuf. Tie Maurer werden bald eine gefährliche Konkurrenz erhalten: Die Schichten der akademisch Gebildeten drohen, sich ihrer Stellung und Würde zu entkleiden und Maurer zu werden, weil die Bezah- lung im Maurerberuf eine bessere sei als im Richlerstande. Das ist nicht eine Tollhausidee oder ein blöder Witz, die„Richter-Zeitung" vom 15. Mai hat allen Ernstes in einem Artikel das Einkommen eines Maurers mit dem eines sächsischen Richters verglichen und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Maurer finanziell viel besser gestellt ist als der Richter. Und die arbeiterfeindliche bürgen liche Presse hat sich durch die Verrücktheit dieser Darlegungen nicht abschrecken lassen; jie gibt jenem Artikel weitere Verbreitung, um zu zeigen, wie gut unsere Arbeiter doch eigentlich gestellt sind. In der„Kölnischen Voltszeitung" nimmt ein Richter— natürlich ein ultramontaner— den Vergleich auf und stellt sich auf die Seit« der„Richter-Zeitung". Auch er ist der Ausfassung, daß die Richter schlechter als die Maurer gestellt seien; das Elend in Richterlreisen habe schon zu einem bcdenllichcn Gc» burtenrückgang geführt. In vielen Fällen holt« man die Ehe kinderlos; in änderen fei man zum Zweikindersystem über- gegangen. Für mehr Kinder reiche das knappe Gehalt nicht auS. Dieser ultramontane Richter berechnet unter Zugrundelegung der
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