Angaben des Dresdner Arbeiigeberverbandes, daß ein Maurer bis zmn 35. Lebensjahre über 26 000 M. verdient. Zu diesem Verdienst kommt freilich der Dresdner Arbeitgeberverband und der Richter nur durch das Taschenspielerkunststück, jedem Maurer jährlich 300 Arbeitstage anzurechnen. Die geistigen Qualitäten eines Richters, der nichts davon weiß, daß in den Wintermonaten die Bauarbeit infolge der Witterungsverhältniffe ruhen muß, können sicherlich nicht weit her sein. Auch die anderen Rechenexempel deuten auf eine— sagen wir große Unbefangenheit hm. Der Richter soll bis zu seinem 3l. Jahre überhaupt nichts verdienen, von da bis zum 35. Jahre 9050 M. Dabei brauche der Maurer sür seine Ausbildung nichts, der Richter aber neun Jahre Gymnasium a 750 M., 3 Jahre Universität a 1200 M., 4 Referendarjahrc je 1500 M., 2 Assessorjahre je 1500 M., zuzüglich der besonderen Kosten zusammen 29 950 M. Und diese Beträge sollen noch„so be- scheiden" in Ansatz gebracht sein, so daß sie den tatsächlichen er forderlichen Aufwand nicht erreichen. Das Schlußresultat ist, daß der Maurer bis zum 50. Lebensjahre rund 50 000 M. verdient, der Richter schließlich 88 000 M., wovon dann 22 000 M. für Ausbil- dungskosten abzuziehen seien. Wenn die Zinsen der AusbildungS - summe noch in Abzug gebracht werden, bleiben für den Richter nur 46 000 M.. qlfo 4000 M. weniger Verdienst, alS der Maurer in der gleichen Zeit verdient hat. Na also! Bei solcher Sachlage gibt es ja gar kein einfacheres Mittel, als daß sämtliche Richter schleunigst ihre Talare ausziehen und Maurer werden. Bei vielen würde man dabei noch das tröst- liche Bewußtsein haben, daß sie dann wenigstens etwas Nützliches im Leben schaffen— was man heute von so manchem kaum bc- Haupte» kann. Aber Scherz beiseite. Der Blödsinn ist so stark, daß selbst ein ultramontaner Parlamentarier, der Reichstagsavgeordnete Kuckhoff, in der„Kölnischen Volkszeitung" gegen diesen Richter wie gegen seine gleichgesinnten Kollegen Stellung nimmt. Er schreibt: „Und nun der Vergleich zwischen dem Richter und Maurer . Nach den amtlichen Berichten der Gewerbebeamten sind sie be- deutend niedriger. Nur der kleinere Teil verdient diese Sätze. Außerdem kann man beim Maurer doch keine 300 Arbeits- tage rechnen. Im Winter sind sie zum größten Teil ohne Arbeit. Und man muß doch auch die Zeiten der Arbeitslosig- keit, der Aussperrungen, Streiks, Krankheiten in Betracht ziehen. Wenn man alles das in Rechnung setzt, kommt man zu ganz anderen Zahlen. Das soll ober ein- mal dahingestellt sein. Was ich beanstande, ist vor allem die Auf- stellung der Ausbildungstosten. Dem Maurer kosten seine Kinder bis zum 14. Lebensjahre im Verhältnis genau das gleiche wie dem höheren Beamten. 750 M. kann man unter keinen Umständen ansetzen. Das Militärjahr kann unmöglich unter die Ausbil- dungskosten gerechnet werden.... Wer wäre denn imstande, für die Ausbildung von etwa 3 Jungen 66 000 M. auszugeben? Das geschieht ja auch nicht. Es fehlt« nur noch, daß noch das Minus angerechnet würde, das einer hätte verdienen können bis zum 35. Lebensjahre, iveitn er Maurer geworden wäre.... Die Ausbildungskosten sind doch die Vorbedingung dafür gewesen, nicht daß er soviel verdient— denn dann hätte er eben Maurer werden sollen—, sondern dafür, daß er als Beamter eine g e» sicherte und hochgeachtete Lebensstellung hat und bei der Ver- abschiedung Pension bezieht. Diese Pension wiegt die Zinsen der AuSbildungSkosten vier- und fünffach auf." Die Sehnsucht der unzufriedenen Richter nach dem Maurer- beruf hat kaum diese ernsthafte Besprechung verdient. Das Sncle des ßalbankneges. Eine Balkandebatte im österreichischen Abgeordneteuhause. Wien , 20. Mai. Tab AbgeordneteichauZ beschloß, sofort in die erste Lesung des heut eingebrachten BudgetHrovisoriumS einzutreten. Ministerpräsident Graf Stürgkh ergriff zur Be gründung der Vorlage das Wort und hielt eine dreiviertel� stundige Rede, in der er zunächst über Fragen der inneren Politik sprach und hierauf die auswärtigen Erl e i g n i s s e der letzten Monate erörterte. Ter Minister Präsident gab eine kurze Darstellung der Bolkankrisc und sagte über die gegenwärtige Situation: Derzeit ist Aussicht vorhanden, daß der Friede zwischen den balkanischen Staaten und der Türkei in nicht allzu langer Zeit geschlossen sein wird. ES wird hier die Aufgabe unseres Auswärtigen Amtes sein, rechtzeitig an die Regelung der zahlreichen, uns und die Balkanstaaten inter essierenden Angelegenheiten zu schreiten, unter welchen jene wirtschaftlicher Natur den breitesten Raum einnehmen werden.(Zwischenrufe.) Derzeit ist die Situation am Balkan nach mancher Richtung noch ungeklärt; die EntWickelung und Dauer einer so epochalen Umwälzung, wie jene, deren Zeugen wir eben sind. läßt sich nicht vorher übersehen, noch abschätzen. ES wird sich unser Aus wärtiges Amt angelegen sein lassen, auf die tunlichst rasche Klärung der Verhältnisse im nahen Orient hinzuwirken. Dann wird auch der Nloment gekommen sein, die bis nun notwendig gewesenen Verstärkungen der Bestände an unserer Südostgrenze rückgängig machen zu können.("Zwischenrufe.) Der Ministerpräsident versuchte dann noch das skandalöse Treiben des PresscbureauS des Auswärtigen Amtes und seines Leiters K o n i a. der den Prochastoschwmdel fabriziert und fortgesetzt Lügen- Meldungen in die Welt gesetzt hatte, zu rechtfertigen. Dieser Teil seiner Ausführungen wurde fortgesetzt von den c n t- rüsteten P r o t e st r u f e n der Abgeordneten unter- brachen. Tie Friedensverhandlungen. Paris , 20. Mai. Ter„Figaro" will wissen, daß chne Groß- macht zur Beschleunigung der Friedensprälimi- n a r i e n mit Unterstützung der übrigen Großmächte eine A y s- gleichsformel ausgearbeitet habe� welche den Balkanvcr- bürdeten und der Türkei zur Annahme vorgelegt werden soll. Tie Lage in Skutari. Sftttnri, 20. Mai. (Meldung der Agenzia Stefani.) Die Ein- richtung des Verwaltungs- und Sicherheit»- d t e n jt e L vollzieht sich weiter ohne Zwischenfall. ES ist eine Verbesserung der telegraphischen und funken telegraphischen Verbindungen in Aussicht genommen, die Abteilungen des internationalen Geschwaders sind gegenwärtig in den Kasernen untergebracht. Die Geiuntheitsverhältmsse sind weiter ausgezeichnet, frankmcb. Die«oldatenproteste gegen die Verlängerung der Dienstzeit. Belfort , 20. Mai. Seit drei bis vier Tagen hatten auf den Selben des 35. Regiments geheime Versamm- l u n g e n stattgefunden. Mit Kameraden von anderen Regimentern waren Kundgebungen in der Stadt ge- Plank worden. Die Bewegung brach früher aus, als man gedacht hatte. Dank der energischen.Haltung der Unter. offizierc des 35. Regiments und der Reservisten des 242. Regiments, die in derselben Kaserne einquartiert waren, nahmen die Zwischenfälle keine weitere Ausdehnung an. Alles läßt vermuten, daß es zu keinen weiteren Vorfällen kommen wird. Tie Presse über die Demonstrationen. Paris , 20. Mai. Jaures veröffentlicht über die Vorfälle in Toul in der„Humanite" einen längeren Artikel und sagt u. a.: Man vergewaltigt nicht ungestraft die Natur einer Sache; man zerstört nicht ungestraft die berechtigte Hoffnung der Soldaten, welche zwei Jahre ihrem Lande geopfert haben welche jetzt jedoch daran dachten, ihre bürgerlichen Arbeiten wieder aufzunehmen, sei es, um ihre alte Mutter zu ernähren, welche auf ihren Sohn rechnete, sei es, daß sie sich auf andere Weise zu be tätigen dachten. Sie wissen, daß der Minister in unverantwort licher Weise eine Heeresvermehrung anstrebt und ihnen somit schwere Opfer auferlegt. Sie wissen, daß sie nur deshalb zurück- gehalten werden, um die Löcher zu füllen, welche die m a r o k k a- nischen Unternehmungen in die Armee gerissen hat. Sie wissen, daß der Minister versuchte, die Kammer zu einer Abstim. mung zu zwingen, und daß er, als ihm dies nicht möglich war, eine Wiederholung der Abstimmung über die Zurückhaliung der dritten Jahrestlasse vornahm. Das sind die tiefsten Gründe der Uvzu friedenheit, welche die Manifestanten in Toul zu ihrem Vorgehen fortgerissen haben. Das ist der Grund der Aufregung, welche sich des Soldatengeistes bemächtigt hat. Das ist das Opfer der morali scheu Desorganisation und der Abschwächung, welche durch die Reaktion die Soldaten zu Feinden des Vaterlandes gemacht hat. Der„S Y nd i k a I i st e" sagt: Die Stunde tles Kampfes hat geschlagen. Ein Hauch der Unzufriedenheit geht durch alle Kasernen des Landes und die Vorkommnisse in Toul sind nur der Beginn eines enormen Protestes. Darum müssen wir die Handlungen des 153. Infanterieregiments besonders hervorheben. Die„Action" schreibt: Keine Regierung, welcher Richtung sie auch angehören mag, kann die Soldatcnmanifestatwnen ungestraft dahingehen lassen. Es wäre mit dem parlamentarischen Regime schlecht bestellt, wenn man zugeben wollte, daß Soldaten oder Ossi ziere Partei für oder gegen ein Gesetz ergriffen, welches von der Kammer angenommen ist. Das„Evenement" sagt: Die Wahrheit ist, daß die im Herbst zur Entlassung kommenden Soldaten eine Enttäuschung erlebten. Sie empfinden die Zurückhaltung als ein Unrecht, gegen da» sie protestieren. Es handelt sich hierbei allerdings nur um einen Augenblick der Verirrung, für welche man eine Entschuldigung finden wird. Hoffen wir, daß die Militärbehörde milde vorgehen wird. Der„F i g a r o" endlich bemerkt: Die Regierung wird, so hoffen wir, sich ohne Erbarmen zeigen gegen die Anarchisten und gegen die Konföderation du travail und deren vaterlandslosc Gesellen, welche derartige revolutionäre Ausschrcitun- gen angebahnt haben. Die Untersuchung. Paris , 20. Mai. Der Kriegsminister hat den General Pau, Mitglied des Obersten Kriegsrats, nach Toul und Belfort ent sandt, um die Untersuchung der gemeldeten Vorfälle persön- lich zu leiten. In"einer anscheinend offiziösen Mitteilung wird er klärt, man könne sicher sein, daß die Meuterer streng be- st r a f t werden würden. ES heißt, daß in der Kaserne von R e u i l l h seit dem Beschluff über die Zurückbehaltung der JahreSklaffe 1910 bereits wieder holt derartige Demonstrationen vorgekommen seien. velsien. Die kommunistische Suppe im Generalstreik. Der Sekretär der Arbeiterpartei in Gent teilt mit, daß dort während des Streiks rund 250 000 Liier Suppe und 120 000 Brote zu 1 Kilo verteilt worden sind. Die Kosten betrugen 70 000 Frank. Die Partei wird die gesamte Einrichtung aufbewahren, um sie bei großen Streiks oder Aussperrungen wieder zu verwenden. England. Rüstungskapital und Patriotismus. London , 19. Mai. (Eig. Ber.) Die linksliberale„Daily News" kündigt an, daß sie morgen eine Artikelserie über d i e Finanzen, die Tätigkeit und die Methoden der großen englischen Rüstungsfirmen be- ginnen wird. Das Blatt schreibt dazu: „ES ist erinnerlich, daß Herr Liebknecht im Deutschen Reichstag vor kurzem bemerkenswerte Enthüllungen machte über die Beziehungen zwischen den Rüstungsfirmen und den Regierungsabteilungen Deutschlands , ferner über ihre Be- Ziehungen zur französischen Presse zu dem Zwecke, Furcht in Deutschland zu erregen und so deutsche Rüstungen anzuregen. Diese Enthüllungen deckten auf, wie durch eine komplizierte Taktik ein Land gegen das andere ausgespielt und durch ge- schickt verbreitete Gerüchte das Wettrüsten genährt wird. Sie zeigten auch in schlagender Weise die Verschlingung der Rüstungsfirmen der verschiedenen Länder. Das Gewerbe der Panikcrzeugung zum Zweck der RüstungS- fordern ng offenbarte sich als ein inter- nationales Geschäft, das mit Patriotismus nichts zu tun hat und dessen einzig erZweck dke Vermehrung der Dividenden der Panzer- Plattenaktionäre ist. In unserer Artikelreihe wollen wir zeigen, wie der Ein- fluß der Rüstungsfirmen in diesem Lande operiert. Wir werden die überaus engen Beziehungen zwischen diesen Firmen aufweisen. Wir werden ihre völlige Freiheit von bloßen nationalen Por urteilen aufdecken— wie sie in fremden Ländern Arsenale errichten. um die eventuellen Rivalen Englands zu versorgen und wie sie zu Hause mit der gleichen Bereitwilligkeit für dieses oder auch für jedes andere Land bauen. Wir werden uns mit ihrer Kenntnis der intimsten Geheimnisse unserer Heeres- und Flottenausstattung beschäftigen. Wir werden zeigen, wie ihren Interessen im Parlament Lorschub geleistet wird und wie ihr Recht geschützt wird, für jeden Staat zu bauen, ohne daß eine Garantie dafür bestände, daß die so gebauten Schiffe und Kanonen nicht dritten Mächten wester gegeben werden. Wir werden zeigen, wie bezeichnend und häufig die Fälle sind, daß hohe Staatsbeamte— nachdem sie mit hübschen gus den Steuern gezahlten Pensionen in den Ruhe- stand treten— in den Dienst der Panzerplattenfirmen treten. Endlich werden wir die Geschichte der großen Panik des Jahres 1909 erzählen. Wir werden zeigen, wie diese Panik entstand und wer der wirkliche Verfasser des denk- würdigen und köftspieligen Refrains war:„Wo waut, eiglit, and wo won't wait"(Wir»vollen achte— nämlich DreadnoughtS— und wir wollen nicht warten). Wir werden Mr. Mulliner, den früheren Direktor der Coventryer Kanonenfabrik, dem Publikum»vieder vorführen und ihn erzählen lassen, tvie er sich beinüht hat. die britische Admiralität über die Tätigkeit Deutschlands mit Angst zu erMen. Wir werden zeigen, welchen Erfolg seine Bemühungen hatten, und »Verden die Panik im Lichte des Tages überblicken. Die Artikel werden vollständig auf dokumentarischem Beweismaterial gegründet sein und»verden nur die möglichst einfache und unparteiische Darlegung der Tatsachen j bezwecken." Die deutsch - englische« Beziehungen. Londiiu, 20. Mai. Die offiziöse„West min st er Gazette" schreibt anläßlich deS Besuchs des englischen Königs in Berlin : Es ist kaum möglich, die B o r t e i l e zu überbieten, die ein gutes Einverständnis zwischen Deutschland und England sür die Welt haben könnte, oder daS Unheil, das aus ihrer Ent- fremdung folgen könnte. Wir sahen in den letzten Monaten, wie große Gefahren durch ihr Zusammenwirken und den Einfluß abgewendet werden können, den sie zusammen auf die Haupt- sächlichsten Mächtegruppen auszuüben imstande sind. Gemeinsam können sie die Brücke zwischen diesen Gruppen bilden, getrennt können sie die Gruppen in gefährliche gegensätzliche Kräfte verwandew. Keine von beiden Mächten hat, wie die Dinge liegen. daS geringste Interesse daran, die andere von ihren Freunden oder Verbündeten abzuziehen. Beide haben vielmehr das größte Interesse, zwischen den entgegengesetzten Gesichtspunklen beider Gruppen einen Ausgleich zu finden. Dänemark . Bor den Reichstagswahlen. Kopenhagen , 18. Mai. (Eig. Ber.) Am 20. d. MtS. finden in Dänemark die allgemeinen Wahlen zur Zweiten Kammer statt. Der Wahlkampf ist mit größter Schärfe geführt worden und die Wähler werden nun entscheiden, wem sie folgen wollen: den Parteien der Linien mit ihrem VerfassungSprogramm oder den Konservativen, die an den bestehenden Verhältnisien in fortschrittlicher Richtung nichts ändern wollen. Der diesmalige Wahlkampf ist fast ausschließlich um die große Frage der Verfasiuiigsrevision geführt worden, alles andere trat hinter diese Frage zurück. Die jetzt geschlossene Zweite Kammer hatte der Reformvorlage der Regierung zugestimmt, die Vorlage fiel aber im Landsthing, der Ersten Kammer, deren konservative Mehrheit rücksichtslos und tolpatschig obendrein jeglichen ernsten Fortschritt ablehnte, soweit eS sich um die Zusammen- setzung dieser Kammer handelte. Die Regierung will>mn durch die Wahlen zur Zweiten Kammer die Meinung der Wähler kennen lernen; sie wird dann ihre Vorlage aufS neue dem Parlament unter- breiten und bei einer nochmaligen Weigerung der Ersten Kammer diese auslösen, womit die konservative Mehrheit endgültig gebrochen werden kann. Dieser Ernst der Lage kam auch im bisherigen Wahlkampfc zum Ausdruck. Die Konservativen haben alles daran gesetzt, um insbesondere die Bauern sür sich zu gewinnen, woran in größerein Umfang bei diesen Wahlen wohl kaum zu rechnen ist. Dagegen erscheint die Haltung deS rechten Flügels der regierenden Liberalen weit ernster, weil er an den» Ernst eines Teiles der RegierungS- Partei in der BerfaffungSfrage zweifeln läßt. Der unter der Führung des früheren liberalen StaatSministers Christensen stehende rechte Flügel der Liberalen kokettiert bisweilen offenbar mit den Konservativen auch in der Frage der Verfassungsrevision und würde sicher gern ein Kompromiß mit den Konservativen eingehen. Diese Haltung eines Teiles der Liberalen gefährdet insofern die Situation der Linken bei den Wahlen, als die Konservativen dadurch einige Sitze zur Zweiten Kammer wieder erhalten dürften, während sie sonst auf ein unbedeutendes Minimum zurückgedämmt werden könnten. Unsere Partei hat Kandidaten in allen Kreisen aufgestellt, wo eine Aussicht auf eine erfolgreiche Betätigung der Sozialdemokratie gegeben erscheint. Im übrigen gilt als Regel, daß die drei Linken- Parteien(Liberale, Radikale und Sozialdemokratie) der Rechten keine Kreise ausliefern dürfen, sondern nur für die Wahl von Anhängern der Wahlreform eintreten sollen. Die Radikalen befolgen auch diese Taktik. während die Liberalen sich oft wankelmütig zeigen. Die Wahlen am Dienstag werden zeigen, welche Zusammensetzung die Zweste Kammer bekommen wird. Optimisten erhoffen einen glänzenden Sieg der Sozialdemokratie und der Radikalen, allein es fehlt auch nicht an Stimmen, die vor zu großen Erwartungen warnen. Die Liberalen haben zweifellos durch die feste Haltung des Ministerpräsidenten Berntsen in der Wahlrechtsfrage sich neuen Krebst im Lande ge- schaffen. Eventuell wird daher die Kammer in bisheriger Zusammen- setzung wiedergewählt, und auch das bedeutet den Sieg der Ver- fassungsrevifion, sofern die Liberalen in den erneuten Parlaments- Verhandlungen über die Vorlage nicht mit den Konservativen Frieden schließen. Bus der Partei. Aus den Organisationen. Der sozialdemokratische Verein für den ReichötagSwahlkreiS Herford - Halle hielt am Sonntag in Herford seine Generalversammlung ab. Der Verein vereinnahmte in den neun Monaten deS abgelaufenen Geschäftsjahres mit einem Kasten- bestand von 508,13 M. 6346,58 M., die Ausgaben beliefen sich auf 5026,69 M., so daß am 31. März ein Kassenbestond von 329,39 M. vorhanden war. Die Mitgliederzahl beträgt 2009, das ist ein Verlust von 57 Mitgliedern gegen das Vorjahr. Die Zahl der„VoliSwacht"- Abonnenten ist ebenfalls etwas zurück- gegangen, sie beträgt 3100. Die mißliche Sage in der Tabakindustric und der übliche Abfall nach der ReichstagSwahl haben zusammen den kleinen Rückgang bewirkt. 370 Versammlungen wurden abgehalten, dar- unter 33 öffentliche. 7 Flugblätter und Broschüren in 27 000 Exemplaren wurden verbreitet. Sozialdemokratische Gemeindevertreter zahlen wir 41 in 19 Orten. Zum Punkt„Stellungnahme zum Deutschen Parteitag in Jena " referierte Genosse H o f f ni a n n. Er sprach zunächst des längeren über die Sleuerfragelr. Mit der wachsenden Zahl unserer Vertretung im Reichstage sei auch die Verantwortung der Partei größer geworden, deshalb müßten wir uns eingehender mit der Frage ur Deckung der Ausgaben "raktion habe bi» jetzt in befassen, w i e die nötwendigen Steuern des Reiches aufgebracht würden. Unsere Steuerfragen glücklich operiert, und wir dürften uns in der De'cküngS frage der Steuern für die neue Militärvorlage auch ferner unseren Einfluß nicht nehmen lassen. Er glaube, daß unsere Fraktion vom Parteitag einstimmig ausgefordert wird, unser Volk vor weiteren indirekten Steuern zu bewahren. Redner streift dann die Entwickelimg der Partei und die Mei- nungSkämpfe über fcic Fragen der Maifeier und der Beteiligung an der Landtagswahl. Auch die Streitfrage: Radikalismus oder Revisionismus? fei vom letzten Parteitage schon beiseite geschoben worden. Er bedauere es, daß die Partei der 110 keinen Gesetz- entwurf eingebracht bezw. die Regierung darauf gebracht hat, die Energie der Talsperren und des strömenden Wassers zu monopoli- sieren. Wir müßten außer im Reichstage auch in den Kommissionen unsere Fordetungen energisch zu verwirklichen streben. Genosse Hoffmanit ersucht zum Schluß, im Sinne seiner Ausführungen die Wahl der Delegierten vorzunehmen. Eine Diskussion fand nicht statt. Als Delegierter zum Parteitag wurde einstimmig Genosse P i g u s ch gewählt. Der Antrag des Vorstandes, nur noch eine Generalversammlung alljährlich abzuhalten, wurde angenommen. Sezioldemokratischc Gememdewahlerfolge. In Burgfelden im Kreise Mülhausen i. Elf. wurden am letzten Sonntag bei einer GemeinderatSersatzwahl für drei Mit- glledcr all c_ drei sozialdemokratischen Kandidaten mit 38—92 Stimmen gewählt, während die drei Kandidaten der klerikalen(zentrümlichen) Bürgerpartei mit 61 bis 65 Stimmen glatt unterlagen. Der Wahlgang bestätigt den sozialdemokratischen Sieg bei einer früheren Wahl, die infolge eines Formfehlers kassiert worden war.
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