ffetneteit Gsm«nhen geändert werden. Der jetzige Zustand sei fürdie kleinen Gemeinden sehr nachteilig und beschwerlich. Unterallen Umständen für die Unteroffiziere zu sorgen, könne doch nichtAufgabe der Kommission sein.— Genosse N o s k e machte daraufaufmerksam, daß die enorme Unteroffiziersvermehrung in kurzerZeit zu einer großen Kalamität führen muß. Vielen Militär-anwartern fehlt naturgemäß die Qualifikation für den Dienst inder Gemeinde, und das hat für die Gemeinde große Unzuträglich-s-iien zur Folge. Der Reichstag hat auch die Interessen der M.gemmnhmt wahrzunehmen.— Der Kriegs mini st er meinte.die UnteroffizierSversorgung sei von eminentem Interesse für daSReick und müsse deshalb durchgeführt werden.— Der AntragSüdekum wurde abgelehnt, der Zentrumsantrag dagegenangenommen.Die Kommission schritt nunmehr zur Beratung des Er-gänzungsetats für das Reichsheer.Im Bericht über die Mittwochsitzung ist ein Irrtum enthalten.Dm volksparteiliche Resolution, die sich gegen den Militär»bohkott wendet, ist von der Kommission angenommen,nicht, wie irrtümlich berichtet worden ist, abgelehnt worden.Sie Solckstenckemoniti'stiovenin Frankreicl).Paris, 21. Mai.(Mg Ber.)Die Kundgebungen der Mannschaften gegen die Zurück-beHaltung im Herbst und die dreijährige Dienstzeit sind keines-Wegs aus die Trenzgarnisonen Toul und Beifort und auf dieKaserne von Neuilly in Paris beschränkt geblieben. In Parishat gestern abend die 1. Kompagnie des 76. In-fanterieregiments im Hos der Kaserne Clignancourtdemonstriert. Schon am Sonntagnachmittag hatten die in derKaserne zurückgebliebenen Mannschaften, etwa 1<X> Mann, inder Kantine die Internationale und die„Hymne ans17. Regiment"(das Nebellenregiment der Winzerunruhen) ge-jungen und gegen die dreijährige Dienstzeit protestiert. Eine.andere Demonstration von Soldaten des 28. Regiments auder Place de la Nepublique wurde gestern von den zahhreichen, bei der nahen Arbeitsbörse postierten Polizisten ver-eitelt. Wie die„Bataille Syndicaliste" mitteilt, haben fernerdie Soldaten des 8. Artillerieregiments inNancy im Kasernenhof. die„Internationale" gesungen.Aus C o m m e r e y teilt ein Soldat des 155. Linienregimentsdem Blatt mit, daß die 10. Kompagnie, durch ein höhnischesWort eines Unteroffiziers über die Verlängerung der Dienstzeitgereizt, den Speisesaal demoliert und 160 Sandsäcke auf-gerissen hat. Der Hauptmann wollte die Kompagnie bestrafenlassen, aber der Oberst lehnte dies ab, um eine allgemeineRebellion zu vermeiden.Bedeutender noch war die Kundgebung in M a c o n. wogestern abend zahlreiche(nach dem„Atatin" 100) Soldatendas 131. Regiments in geschlossenem Zuge vom Waffenplatz,wo sie sich gesammelt hatten, abmarschierten. Unterwegsschlössen sich ihnen andere an. Sie riefen:„Nieder mit derdreijährigen Dienstzeit!" und„Hoch die soziale Re»publik!"- und sangen die„Internationale". Der Zugwurde nicht aufgehalten und zerstreute sich ohne irgendwelcheIntervention. Es kam nur zu einer Prügelei mit Militaristenin Zivil. Am Abend durchstreiften Patrouillen die Stadt undhinderten weitere Ansammlungen.'K- lieber die Kundgebungen von Toul, die größten vonallen, berichtet der Spezialberichterstatter der„Humanits"fibch: Außer dem 153. Infanterieregiment, wo die Bs-wegung ihren Ursprung hatte, haben auch andereTruppentelle. wie das 146. Infanterieregiment, das1. Genieregiment und die Professionisten des 6. Regimentsön der Sonnabendkundgebung teilgenommen. Auf dem Schieß-platz von Donmartin, beim Meeting am Sonntag, waren auchMannschaften des 156. und 160. Infanterieregiments anwesend.Als dem Platzkommandanten, Oberstleutnant B r e u ch o n,die Ansammlung gemeldet wurde, ritt er schleunigst nachDonmartin und redete auf die Soldaten ein. Auf seine Frage,worüber sie sich zu beschweren hätten, antworteten sie:„Manhat uns versprochen, daß wir nur zwei Jahre dienen würden.Man will uns nun zurückhalten, wo unsere Familien uns dochnötig haben und erwarten." Und sie fügten hinzu:„Wirsind keine AntiPatrioten und wollen keine Geschichtenmachen. Aber wir wollen, daß man die Verpflichtungen halte,die man bei unseren! Eintritt in die Kaserne uns gegenübereingegangen ist." Und diese Erklärungen wurden von denZuhörern mit dem Rufe:„Nieder mit den 3 Jahren" begleitet.— Daß die Soldaten, wie es die offiziösen Depeschenagenturender ausländischen Presse gemeldet haben, gerufen hätten:„Wir wollen lieber in den Krieg, als das dritte Jahr," istnatürlich eine tendenziöse Entstellung.Aus eineni Soldatenbrief der„Bataille Syndicaliste" ent-nehmen wir folgende Schilderung des sonntagabends:„Dragonerabteilungen durchstreifen die Stadt und verhindernAnsammlungen. Der Mannschaft des 6. Artillerieregimontsist befohlen, sofort ins Quartier zurückzukehren, da sie sichdurch ihren Eiser hervorgetan haben. Im 160., 156. und146. Regiment sind je 2 Kompagnien mobilisiert und haltensich bereit, in die Stadt zu marschieren. Die Patrouillenhaben Patronen gefaßt. Die Situation isttragisch. Wenn Offiziere befehlen sollten, auf die Moni-festanten zu schießen, iveiß man nicht, was geschehen kann.Denn mit Ausnahme der Dragoner sind wiralle solidarisch. Ich gebe Ihnen dieses ironische Bei-spiel: meine Kompagnie, die heute nachmittagmanifestiert hat, hat heute abend die Wache undsoll die Ordnung herstellen. Soldaten, die zu Patrouillen-diensten kommandiert wurden, haben sich geweigert,zu marschieren. Man erzählt sich das Verhalten einesKorporals, der trotz des Befehls des Feldwebels seinePatrouille Halt machen ließ.Auch noch am Montag dauerte die Bewegung fort.Eine Batterie des 6. Ärtillerieregiments weigerte sich,vor 8 Uhr früh zum Exerzieren anzutreten, wofern derOberst die am Abend für 2 Monate verfügte Urlaubs-Verweigerung nicht zurücknehme.Heute abend kehrt der nach Toul entsandte ArmeeinspettorGeneral Pau zurück und auf Grund seines Berichts werdenRepressivmaßregeln getroffen werden, die zweifellos sehr strengausfallen werden. Man muß sich aber darauf gefaßt machen,daß die Regierung versuchen wird, die Verfolgungen über denRahmen der Armee hinaus auszudehnen. Die vom Ministeriumdes Innern angeordnete Untersuchung hat offenbar daraufhingearbeitet, irgendeinen Zusammenhang zwischen den Demon-strationen und der im Proletariat gegen die dreijährigeDienstzeit geführten Kampagne zu konstruieren. Schon stellensich die unausbleiblichen Aufforderungen der Scharfmacher-presse ein, die Arbeitskonföderation aufzulösen.Das möchte' eben den Machern der Rüstungsindustrie passen,in demselben Augenblick, wo sie sich neue Rissenaufträgesichern, das proytbeschränkende Henimorgan der Gewerkschaftenzu lähmen. Bei dieser Gelegenheit muß die jämmerlicheHaltung eines Telles der radikalen Presse festgestellt»oerden, der sich von den reaktionären Drohungenterrorisieren läßt und in Ueberpatriotismus»nacht,um nur ja»ncht der Kameradschaft mit den Sozialistenverdächtigt zu werden. Der gelegentlich auch in Annäherungs-Politik»nachende Herr Vereng er sieht von der Redaktions-stube der„Action" hinter den„Meuterern" des 153. Regimentsdie„preußischen Pickelhauben"..C l e m e n c e a u nn„Hommelibre" äußert sich persönlich sehr maßvoll, dafür treibt es seinRedaktionssekretär Frangois Albert, den er nach Toul ent-sandt hat, wie der übelste Polizeikerl, indem er von„klar er-»viesener Vorsätzlichkeit", von langer Vorbereitung, von heim-lichen Vorversammlungen, Verbreitung antimilitaristischerBroschüren usw. erzählt, von„Chefs", die sorgfältig den Ort,den Tag und die Stunde der Kundgebung vorherbestimint undim besonderen eine Garnison des Ostens ausgewählt hätten,um einen starken Effekt in Frankreich und anderswo zuerzieleir. Also das fertige„Komplott",»vomil sich der alteClemenceau als Minister aus schlimmen Situationen zu ziehengeliebt hat. Nur daß der_ Lehrling komischerweise dieSchablone an der unrichtigen Stelle angelegt hat. Clemenceauhat mit seinen Vertrauten wirklich Pech: einmal legt ihn derMetivicr hinein, das andere Mal der Fran?ois Albert.Aber sogar der„Rappel" hält den Sozialisten mit strengerMiene ihr„kaum verhohlenes Interesse" an den Kund-gedungen vor und erklärt, es gebe kein besseres Argument fürdie Lerufsarmee, als wenn jedesmal, sobald eine Jahresklassezurückbehalten werde, die Kaminer diskutiere und die Mann-schaft protestiere. Viel kaltblütiger äußert sich die„Lanterne",die sich in der Frage der dreijährigen Dienstzeit selbst zurück-hält. Sie sagt:„Nicht im 153. Regiment sind die„Führer"zu suchen. Die„Führer" sind diejenigen, die ohne offenbareNotwendigkeit, ohne Vorbereitung, brutal den Beschluß derRegierung inspirierten." Aus dem Artikel der„Petite Ne-publique" ist die unstreitig richtige Antwort an jenen Teil derdeutschen Presse hervorzuheben, der einmal über chauvinistischenWahnwitz bei der ganzen französischen Nation schreit, um dannauf einmal wieder triumphierend zu verkünden, daß Frank-reich durch den Antimilitarisnrus total desorganisiert sei. Ambesten»vidersteht der Panik von allen bürgerlichen Blätterndie„Aurore", deren Chefredakteur, der frühere Offizier Brosse,schreibt:.Haben nicht der„Temps" und alle nationalistischenBlatte»,' mit allen Mitteln, vor allem unter den Soldaten,Kundgebungen zugunsten der dreijährigen Dienstzeit hervor-rufen wollen? Sie waren unlängst entzückt, als sich die Sol-daten in ihrem Sinne äußerten und berichteten voll Lobesdarüber. Wer die Zustimmung duldet, muß sich auch derKritik beugen. Gestern hat man euch applaudiert, heutePfeift man euch aus".Die reaktionäre Presse ist natürlich ganz aus demHäuschei». Die klerikalen Blätter, die ehedem die Gehorsams-Verweigerung der Offiziere bei der Ausführung des Ordens-gesetzes rechtferttgten, rufen nach Gewaltmaßregeln— Blut-gerichten gegen die demonstrierenden Soldaten und Verfolgungder Arbeiterorganisa ttonen. Die Arbeiterschaft ist aber ent-'chloffen, ihren Kampf gegen den Militarismus undNationalismus weiterzuführen, unbekümmert darum, ob dieradikale Opposition in ihrem philistermäßigen Auf und Abvon Furcht und Hoffnung standhält. Für den 1. Juni bereitetder Gewerkschaftsverband des Seine-Departementseine neue Kundgebung im Prs-Saint-Gervais vor, dieie früheren an Größe noch übertreffen soll. Den Charattereines Manifestes gegen die dreijährige Dienstzeit wirddiesmal auch die Erinnerungsdemonstration derozialifti scheu Partei für die Kommune, dieam kommenden Sonntag stattfindet, tragen. Die Kampagneder Partei und der Gewerkschaften gewinnt im ganzen Landan Intensität. Maueranschläge. Flugblätter. Versammlungenklären das Volk auf. Die Petition der Partei trägt schon.545 000 Unterschriften.**♦Neue Demonstrationen.Orleans, 22. Mai. Soldaten der hiesigen Garnison haben sichheute den Ktmdgebungen gegen die dreijährige Dienstzeit angeschlossen.Sie riefen:„Nieder mit den drei Jahren!" Vier Artilleristenwurden in Arrest abgeführt. Man fand in ihren Taschen anti-militaristische Flugschriften.(?)Rodez, 22. Mai. Gestern abend versammelten sich nach einemHorn- und Trommelfignal ungefähr 200 Soldaten des 122. Infanterieregiments mit Wehr und Waffen auf ihrem Kasernenhofe: sie be-absichtigten eine Kundgebung gegen die Zurückbehaltung des drittenJahrganges unter den Fahnen und wollten unter Führung ihrerSpielleute die Stadt durchziehen.Die Hetze gegeu die Arbeiterbewegung.Paris, 23. Mai. Aus Toul wird weiter berichtet, daß die ausParis entsandten Geheimpolizisten in den Wohnungen mehrererMitglieder des Allgemeinen A r b ei t e r v er b a n d e sDurchsuchungen vorgenommen, jedoch nichts Verdächtiges gefundenhätten. Die SicherheitSbehörde hält gleichwohl an ihrer Heber-zeugung fest, daß die militärischen Kundgebungen auf einen vonden Pariser Gewerkschaftsgruppen ausgegangenen Befehl zurück-zuführen seien.Paris, 23. Mai. In Nancy nahm die Polizei einen neunzehn-jährigen Tagelöhner fest, der Hunderte von kleinen Anschlagzettelngegen die dreijährige Dienstzeil angeklebt hatte. Der Verhaftete, derder Nancyer ArbeitSbörie. angehört, erklärte, daß er diese Zettel be-reits vor mehreren Wochen(?) erhalten habe.poUtifebe deberNckt.Agrarischer Terror.Kaum sind die Wahlmännerwählen zun, preußischen Landtagvorüber und schon setzt in den agrarischen GefildenOstelbiens der Terror gegen diejenigen Wähler ein, die sicherlaubten, bei der Wahl ihrer Meinung'Ausdruck zu geben. Daserste Opfer ist ein liberaler Wähler. In P e t c r»o i tz bei Jauerwurden zwei liberale Wahlmänue:, nebenbei die einzigen imganzen Landkreise Jauer, gewählt,»vas natürlich die Herren Kon-ervativen ganz auS dem Häuschen brachte. Gegen beide, einenLehrer und einen Beamten, ist die Wut der Agrarier vorläufignoch machtlos. Mit um so größerer Wut werden aber diejenigenverfolgt, die von den Agrariern in dieser oder jenerWeise abhängig sind. Zu diesen gehört auch ein Bar-b i e r auS Peterwitz, zu dessen Äundschafi einige größereGutsbesitzer bisher gehörten. Diesem Barbier schickten" ä m t l i ch e G u t S v e s i tz e r t un d en gleich noch der Wahl„auf Grund der Vorloinmnis-se bei der Wahl" ihreAbo nnementst arten mit dem Vermerk zurück, daß sie aufweitere Geschäftsverbindung mit ihm verzichten.AlS sich der in seiner Existenz bedrohte Barbier an die betreffen-den Gutsbesitzer um nähere Angabe von Gründen wandte, wurdeihm von einigen erwidert, daß sie gegen ihn persönlich nichts ein.zuwenden hätten, aber als Vertrauensleute der kon»servativen Partei der allgemeinen Parolefolgen müßten.Was es mit der„allgemeinen Parole" für eine Bedeutunghat. beweist das hier angegebene Beispiel. Aus diesem kann manauch ersehen, wie es mit dem Wahl,.recht" der Landarbeiterbestellt ist. Wer da nicht nach der Pfeife der Agrarier tanzt, derfliegt unbarmherzig aus das Straßenpflaster.Warum der Jude nicht Offizier werden kann.Bisher hat es noch immer an wirklich durchschlagenden Grün-den für die Fernhaltung der Juden vom Offizierkorps gefehlt. Tieverschiedenen Kriegsminister haben verschiedenes dahergeredet,Herr v. Lievert hat von den Fremdkörpern gesprochen, die einenhaben dies und die anderen haben das vorgebracht, aber es wardoch alles nickt recht stichhaltig, und die Verlegenheit der Juden-feinde wurde durch die schönen Phrasen nur mangelhaft verdeckt.Da ist es denn erfreulich, daß endlich einmal jemand mit einerernsthaften Begründung kommt, die sich schlechterdings nicht wider-legen läßt. Es ist die Zeitschrift„Auf Vorposten". Sic unter-scheidet zwischen gesetzestreuen Juden und liberalen Juden, undargumentiert so: Dem gesetzestreuen Juden ist es durch dietalmudische Verfassung unmöglich gemacht, in den Offiziersstandeinzutreten. Schon die Heilighaltung der Festtage und die rituellenSpeise- und Reinigungsvorschriften lassen sich in dem Berufe eine?Offiziers nicht durchführen. Deutlicher gesagt: Im Offiziers-kasino kann nicht koscher gekocht werden, folglich kann ein Judeda nicht mitessen, folglich kann er auch nicht Offizier werden. Tasleuchtet ohne weiteres ein.Wie ist es nun aber mit dem liberalen Juden, der die Vor->schriften des Talmud nicht mehr achtet, Schweinefleisch ißt und sichin seinen Reinlichkeitsbedürfnissen von dem Durchschnittschristendurch nichts mehr unterscheidet? Der— so sagt das genannteBlatt— der hat überhaupt keine Religion, der ist ein Heide, einMockist oder so etwas Aehnliches, und für solche Elemente istnatürlich in dem durch Glauben und Gottesfurcht ausgezeichnetenOffizierkorps kein Platz.Damit ist einwandfrei die Unmöglichkeit ertviesen, Juden inder Arme« etwas werden zu lassen, mögen sie koscher oder unkoschersein. Wir zweifeln keinen llllvment daran, daß der Freiherrv. Heeringen sich die Begründung der Zeitschrist„Auf Vorposten"zu eigen machen wird, ja man könnte beinahe annahmen, er habesie selbst in das Blatt lanciert, so geschickt und so geistreich ist sie.Herr Cassel aber und der Zentralverein der deutschen Staatsbürgerjüdischen Glaubens dürfen einpacken. Höchstens können sie nochfragen, wieso es denn den Juden erlaubt ist, gemeine Soldaten zuwerden.Erziehung zur Wehrhaftigkeit.Die letzten Vorgänge in der Budgetkommission des Reichs-tages beweisen, daß es.den Militärs mit der neuen HeereS-Vorlage weniger um einen vernünftigen Ausbau unserer Wehr-kraft als vielmehr um Dinge zu tun ist, die rein äußerlichenmilitaristischen Sonderinteressen entsprechen. Die Aeußerungcndes Kriegsministers über die Garde usw. find charakteristisch.Daß bei solchen Anschauungen die Frage einer Ver«kürzung der Dien st zeit für unsere Militärmandarineganz undiskutabel ist, leuchtet ohne weiteres ein. Und dochlassen sich zu Hunderten die Beispiele anführen, daß dieSoldaten zu Dingen ver»vendet werden, die mit der Aus-bildung für den Ernstfall nicht das mindeste zu tun haben.Bekannt ist aus der letzten Zeit die Verwendung vonPionieren zu altrömischen Schanzarbeiten auf der Saalburg.Als Seitenstück hierzu können wir Vorgänge mitteilen, diesich im Osten des Reiches nicht einmal, sondern alljährlichabspielen.Das Pionierbataillon Nr. 1 in Königsberghat alljährlich eine kriegsstarke Kompagnie aufvier und mehr Wochen nach der Romintener Heide zustellen. In diesem Privatjagdrevier des Kaisers wird alsdanneine sogenannte„Waldübung" in der Weise abgehalten, daßdort Wohn- und Wirtschaftsgebäude des gekrönten Land- undWaldbesitzers gebaut und repariert werden. An allen Wald-und Wiesenecken werden Wildkanzeln aufgestellt, überjeden Graben Stege gebaut.Was man außerdem kaum für möglich halten sollte: eSwerden an den Stellen, wo der Kaiser das Glück hattegrößere Tiere zu erlegen, Denkmäler errichtet. Es werdenvon den Pionieren schwere Granitblöcke aufgestellt mit dergoldenen Inschrift:„Hier erlegte.. usw.Es erübrigt sich wohl zu sagen, daß diese„Waldübung"dem Zweck kriegsmäßiger Ausbildung nicht im geringsten ent-spricht. Die Brücken, die hie und da über die Rominte ge-baut werden, unterscheiden sich wesentlich von brauchbarenKriegSbrücken; diese Arbeit dürfte der Ausbildung der Pioniereeher schaden als nützen.__Ehauvinistenfrechheit.In einer Polemil über die französischen Soldatenkundgebungenleistet sich das ostelbische Junkerblatt, die„Schleiische Zeitung", sol-gende unglaubliche Anrempelung eines Nachbarvolkes:„In Frankreich stellen jene Vorgänge nur Dummejungenstreichsdar, sintemalen und alldieweilen die französische Soldateska überhaupt zum größten Teil aus dummenJungen besteht— wie das ganze Volk."Welches Geschrei würde das deutsche Patriotengesindcl erheben, weim französische Blätter sick etwas ähnliches leisten würden!Das militärische Interesse.In dem freisinnigen„Hamburger Fremdenblatt' findenwir folgende Korrespondenz aus Brunsbüttel in Holstein:Das Marine- Attillcriedepot Cuxhaven hatte Mitte Märzden Schuydeich bei Brunsbüttel mit einem von vier Pierden ge-zogenen Wagen befahren, um einen Scheinwerfer zu»ranSporlieren.i£a der ouigeweichte Deich stark beschädigt war. verbängteder Deichgraf einen Sirafbesehl über 13 M. Das Marinedcpotmachte gellend, daß der Scheinwerfer zu einer milNärischen Uebunggebrauch: werden mußte. Da auch der Schaden ersetzt wurde, be-anirogte man gerichtliche Entscheidung. Das Schöffengericht inEddelak erkannte auf Freisprechung, da d a S militärische Interesse höher liege als daS Deich-interess«.Der Deich hat bekanntlich den Ziveck, die Landschaft vor Ueber«schwemmungen und Menschen vor dem Tod des Ertrinkens zuschützen. In den Augen der VollSgcnosien. die Himer Deichenwohnen, gibt es daher lein größeres Verbrechen olS Deich-beschädigung, und kein höheres Jnleresse als Deicheihalwng, wasvom Standpunkt eine? simplen Untertanen auS ja auch ganz logischgedacht ist. Vom Standpunkt unseres nachgerade abnormen M>li«taristen aber sieht sich die Sache ganz anders an.. DaS Militär sollte— wie der Deich— zum Schutz de»Volkes vorhanden fein und sollte darum niemals den Schutz de»Volkes vernichten dürfen. Das wäre vernünftig gedacht, eben darum