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Ar. M. 30. Iahrgtmz. 1. Mm ilks Jorniirts" IcrliKt lolMiitt Sonnabend, 31. Mai 1913. Reichstag 1913, 155. Sitzung. Freitag, den 39. Mai nachmittags 2 Uhr. Äm BundeZratZtisch: v. Jagow, Dr. Delbrück. Kurze Anfrage. Abg. Dr. Müller-Meiningen (Vp.) fragt an, ob der Reichskanzler Auskunft erteilen will über eine zwischen der Türkei , England und Deutschland abgeschlossene Vereinbarung, nach der Deutschland die Bagdadbahn bis nach Basra unter Zuziehung zweier englischen Mitglieder in den Aufsichtsrat bauen soll, England der Bau des Hafens von Basra und die Strecke Basra Koweit unter englischem Protektorat über Koweit zufallen würde. Staatssekretär des Auswärtigen v. Jagow: Der englische Staatsselretär des Auswärtigen hat gestern erklärt, daß England und die Türkei sich über den Entwurf eines Abkommens geeinigt haben, wonach die Bagdadbahn ohne die Zustimmung Englands nicht über Basra hinausgeben solle und England wegen feiner Interessen an dieser Bahn in dem Verwaltungsrat mit zwei Stimmen vertreten ist. Wir sind über die Verhandlungen auf dem laufenden erhalten worden. Soweit unsere Interessen und Rechte aus dem Bagdadbahnvertrag durch das englisch -türkische Abkommen berührt werden, ist von beiden Teilen nicht verkannt worden, daß unsere Zustimmung erforderlich ist. Hierüber ist ein Meinung saus tausch eingeleitet worden, vor dessen Abschluß ich weitere Mit teilungen über Einzelheiten nicht machen kann. Hierauf wird die zweite Beratung des Reichs- und Staatsaugehörigkeits gesetzes sortgesetzt. Nach§ 10 gilt für einen Deutschen als Aufnahme, für einen Ausländer als Einbürgerung die von der Regierung oder der Zentral- oder höheren Verwaltungsbehörde vollzogene oder be- slätigte Anstellung im Staatsdienst, Gemeindedienst, im öffentlichen Schul- oder im Kirchendienst. Abg. Dr. Blunck(Bp.) befürwortet, einzusügen hinter.be- ftätiglc":.oder genehmigte" und statt.Kirchendienst" zu setzen »Dienst einer öffentlich anerkannten Religionsgemeinschaft". Der Antrag wird abgelehnt. Als§ 12» beantragen die Abgg. A l b r e ch t(Soz.) und Genoffen einzufügen: .Eine Person, die in einem Bundesstaate geboren ist und bis zu ihrer Großjährigkeit ohne wesentliche Unterbrechung sich in einem Buudesstaate aufgehalten hat, gilt, wenn der Bater, bezw. für unehelich Geborene die Mutter, seit der Geburt ohne wesentliche Unterbrechung den Wohnfitz in einem Bundesstaat gehabt hat, bis zum Beweise des Gegenteils als staatsangehörig in demjenigen Bundesstaate, in dem sie den Wohnfitz hat. Abg. Dr. Landsberg(Soz.): Die wenigsten Deutschen sind in der Lage, einen Ausweis über ihre Staatsangehörigkeit zu besitzen, auch wenn ihre Familie seit Jahrhunderten in ein und demselben Bundesstaat ihren Wohnfitz hat, falls niemals jemand von dieser Familie Staats- oder Gemeinde- beamter gewesen ist. In Hamburg ist folgender Fall vor- gekommen. Ein Mann mit französisch klingendem Namen wohnte in Hamburg , wo nachweislich seine Familie seit hundert Jahren ansässig ist. Eines TageS fällt es der zuständigen Behörde ein, dem Manne zu eröffnen, daß fie ihn für einen Ausländer hält, und fie verlangt von ihm den Nachweis, daß er Hamburger SwatSbürger ist. Diesen Beweis konnte der Mann nicht führen und mußte sich gefallen laffen, daß er als Aus- länder behandelt wurde. Das find doch einfach unmögliche Zustände. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Giese(kons.); Wir werden den Antrag ablehnen, da er indirekt das jus soll einführt. Der Antrag Albrecht wird abgelehnt. Nach Z 13, 6, geht die Staatsangehörigkeit verloren für eine Deutsche durch Eheschließung mit dem Angehörigen eines anderen Bundesstaates oder einem Ausländer und nach Nr. 3 durch Nicht erfüllung der Wehrpflicht. Abg. Bernstein(Soz.): Mr beantragen, diese Bestimmungen zu streichen. Gerade vom nattonalen Standpunkt aus sollte man sagen, wer einmal Deutscher ist. bleibt sein Leben lang ein Deutscher, wenn er nicht ausdrücklich den Willen kundgibt, nicht mehr Deutscher zu bleiben. Zum mindesten wäre bei PaffuS 6 die Hinzufügung nötig: Falls sie dadurch eine andere Staatsangehörigkeit erwirkt. Wir wissen nicht, wie die Gesetzgebung im Ausland sich gestaltet. Es ist doch schließlich kein Verbrechen für eine deutsche Frau einen Ausländer zu heiraten, so daß man sie deswegen unter allen Umständen ihre deutsche Staatsangehörigkeit nehmen muß. Wenn Sie fich nicht den heiligen Eidschwur gegeben haben, alle Anträge zu diesem Gesetz ohne weiteres ab zulehnen, erwarte ich die Annahme dieses unseres Antrages. Abg. Haussen(Däne): Herr Geheimrar Lewald hat gestern zu einem von mir angeführten Falle der Ausweisung eines staatenlosen Dänen gesagt, derselbe sei wegen Widerstandes und Diebstahls be reit? bestraft. Bei dem Widerstand handelte eS sich um einen gering' fügigen Konflikt mit einem Nachtwächter, bei dem Diebstahl darum, daß er fich als Schulknabe etwas Obst angeeignet hat.(Lebhaftes Hört! hört! links.) Geheimrat Lewald: Ich habe nach den vorliegenden Berichten de» Fall vorgetragen. Ich werde ihm nachgehen, und wenn eS sich anders verhält, in der dritten Lesung eine entsprechende Erklärung abgeben. 8 13 wird unter Ablehnung deS Antrages Albrccht an- genommen. Abg. Landsberg(Soz.) begründet«inen Antrag, den 8 22 zu streichen, der für Auslands- deutsche, die bis zum 81. Jahre eine Entscheidung über ihre Dienst- Verpflichtung nicht herbeigeführt haben, den Verlust der Staats- angehörigkeit bestimmt und nur im Fall eines Verschuldens der Be- Hörden ein SBiedereinbürgerungsrecht gewährt. Es gibt preußische Behörden, die die Zentralinftanz wissentlich falsch unter- richten.(Vizepräsident Paasch«: Sie haben damit die Regie- rungSvertreter in dem vom Abg. Hanffen vorgetragenen Fall be- leidrgt, ich rufe Sie z u r O r d n u n g.) Ich habe von den Be- Hörden gesprochen, die den Regierungsvertreter informiert haben. (Vizepräsident P a a s ch e: Sie haben k e i n e n B e w e i s für ein wissentliches Borgehen, ich bitte solche Bemerkungen zu unterlassen.) Der Antrag wird abgelehnt. 8 22 bleibt aufrecht, ebenso die weiteren Paragraphen bis 8 26, der die Wiedereinbürgeruug von Deutschen behandelt, die ihr �eiinatSrecht infolge des alten Gesetze» nach zehn Jahren verloren und keine neue Staatsbürger- schaft zurzeit besitzen. Abg. Dr. Landsberg(Soz.): begründet einen Antrag, daß dies auch für jene ehemaligen Deutschen gelten soll, die die auswärtige Staatsangehörigkeit durch die Einbürgerung verlieren. Diese Bestimmung wird durch die Logik gefordert. Für Briten gibt eS z. B. keine Entlassung aus dem GtaatSverband, Wohl aber für Schweizer , also auch für einen ehe- «aligen Deutschen, der zuerst Brite, dann Schweizer wurde, infolge «ehr als zehnjähriger Abwesenheit nicht mehr Deutscher ist, sich aus da» Schweizer Staatsverband entlassen läßt und nun bei Stellung da« WiederembürgerungSantrages nach Deutschland staatenlos ist. Für solche Fälle muß vorgesorgt werden. Abg. Dr. Blunck(Vp.) tritt für einen fast identischen Antrag .seiner Partei ein und schließt fich der Begründung des Abg. Lands berg vollkommen an. Geheimrat Dr. Kriege wendet fich gegen den sozialdemokra tischen Antrag; es sei nicht angebracht, weiter zu gehen als der Eni Wurf der Kommission. Der Antrag Albrecht wird abgelehnt. Abg. Bernstein(Soz.) bittet, den 8 28, der militärpflichtigen Deutschen , die nicht rechtzeitig eine endgültige Entscheidung über ihre Dienstverpflichtung Herbei führen, die Staatsangehörigkeit nehmen will, zu streichen. Der Antrag wird abgelehnt. Geheimrat Dr. Lewald: An den Grundsätzen, die bisher für die Verleihung der unmittelbaren Reichsangehörigkeit matzgebend waren, wird durch den§ 30 nichts geändert. Die Kolonialverwaltung ver steht unter.Eingeborene" Angehörige eines eingesessenen Stammes oder Mischlinge, die im Schutzgebiete wohnen. Die unmittelbare Reichsangehörigkeit wird an Eingeborene nur verliehen, wenn sie eine selbständige Wirtschaft führen und eine gesittete Lebensführung haben. Bisher ist nur einigen Mischlingen die Reichsangehörigkeit verliehen und in Zukunft wird es bei derselben Erscheinung bleiben, Abg. Dr. Liebknecht(Soz.) begründet einen Antrag Albrecht, gegen ablehnende Bescheide der Behörde das Verwaltungsstreitverfahren zuzulassen. Wo ein solches nicht besteht, soll der Bescheid im Wege des Rekurs«? nach Maßgabe der 88 20, 21 der Reichsgewerbeordnung angefochten werden können, Das Gesetz verleiht an verschiedenen Stellen ein Recht auf Ein, bürgerung. Ein Gesetz darf aber nicht unvollständig sein, und des halb muß dieses Recht auch geschützt werden. Das ist um so not- wendiger, als dieses Gesetz ein Gesetz sein soll zum Schutz gegen die Mißbräuche der eigenen Verwaltung. Das bisherige Staatsangehörigkeitsgesetz ist an sich gar nicht so schlecht, aber die Mitzbräuche der Verwaltung konnte eS nicht hindern, Es sind hier ja nicht nur Herren aus Preußen anwesend. sondern auch aus dem verlängerten Preußen. Diese Herren möchte ich warnen, sich ein Urteil über Preußen zu bilden das man eben nur bekommen kann, wenn man durch die Praxis geschult ist. In Preußen heißt.ein Recht haben" durchaus noch nicht.ein Recht ausüben können". In Preußen ist besonders für jedes politische Recht ein dreifacher Panzer notwendig, sonst wird es von der Verwaltung eskamotiert. Wäre die Aufmerksamkeit gegen, wärtig nicht auf größere Dinge gerichtet, so wäre bei diesem Eni, Wurf ein Sündenregister der preußischen Regierung aufgerollt worden. Ein Beispiel, wie vorsichtig man der preußischen Regierung gegenüber sein muß, ist in der gestrigen und heutigen Sitzung erbracht worden. Wir haben gesehen, wie die preußisch! Regierung die Gewissenhaftigkeit, die sie von jedem Staatsbürger verlangt, der über die Ehre anderer spricht, wie soll ich mich parlamentarisch ausdrücken, am besten ist eS, ich verschlucke das weitere, Sie wissen ja alle, was ich meine.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Stimmen Sie also unserem Antrage zu.(Bravo bei den Sozialdemokraten.) Abg. Beck-Heidelberg(natl.) befürwortet einen nationalliberalen Antrag, der gegen ablehnende Bescheide bei Anträgen auf Ein- bürgerung in bestimmten, im Gesetz vorgesehenen Fällen nicht das VerwalhingsstreitverfaHren, sondern nur den Rekurs zulassen will. Ministerialdirektor Lewald wendet sich gegen die vorliegenden Anträge; höchstens könnte man dem nationalliberalen Antrag zu stimmen, dir einen Mittelweg darstelle...... Abg. Siehr(Vp.) betont ebenfalls die Notwendigkeit der Schaffung eines RechtSzuges. Nachdem wir einmal ein Recht auf Einbürgerung eingeführt haben, müssen wir auch reichsgesetzlich Garantien für die Durchführung dieses Rechts schaffen. Da nicht überall ein Verwaltungsstreitverfahren besteht, beantragen wir, den Reichskanzler um baldige Vorlegung eines Gesetzes zu ersuchen, wodurch ein Reichsverwaltungsgericht geschaffen wird. Der letzte Juristentag hat sich einhellig für die Schaffung eines solchen Gerichts ausgesprochen, das der Buntscheckigkeit der heutigen Verwalwngs- 'treitverfahren in den verschiedenen Bundesstaaten ein Ende machen würde.(Bravo I links.) Damit schließt die Debatte. Der Antrag Bassermann(natl.) wird angenommen, der Antrag A l b r e ch t(Soz.) abgelehnt. Angenommen wird die Resolution der Volkspartei auf Schaffung eines Reichsverwaltungsgericht S. Die Resolution Alb recht(Soz.) auf demnächstige Vorlegung eines Gesetzentwurfs, durch welchen ein einheitliches ReichSindigenat(un mittelbare ReichSangehörigkeit) für alle Deutschen eingeführt wird, wird abgelehnt. Der Rest des Gesetzes wird debattelos angenommen. In Verbindung hiermit steht das Gesetz zur Abänderung deS Reichsmilitärgesetzes. Danach soll der 8 H des Gesetzes in Zukunft lauten:Personen, die keinem Staate angehören, können, wenn sie sich im Reichsgebiete oder in einem Schutzgebiete dauernd auf- halten, zur Erfüllung der Wehrpflicht wie Deutsche heran- gezogen werden." Abg. Bernstein(Soz.): Nachdem Sie eS abgelehnt haben, denjenigen, die im deutschen Heere gedient haben, ein unbedingtes Recht zur Aufnahme in daS Reich und die Bundesstaaten zuzuerkennen, können wir diesem Para- graphen nicht zustimmen, weil darin ein innerer Wider- pruch liegt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) § 11 wird angenommen, ebenso debattelos der Rest des Gesetzes. ES folgt die Interpellation Albrecht(Soz.) und Genossen betreffend Elsass- Lothringen . Sie lautet: Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft darüber zu erteilen, ob im Bundesrat neue Diktaturgesetze(Einschränkungen de« Reichsvereinsgesetzes und des Preßgesetzes) für Elsaß Lothringen vorgeschlagen sind? Billigt der Herr Reichskanzler die zuerst in Pariser Blättern veröffentlichte Borlage und ihre Begründung? Zur Begründung der Interpellation erhält daS Wort Abg. Emmel(Soz.): Nachdem die elsaß -lothringische Regierung in der dortigen Kammer zugegeben hat, daß sie solche Vorschläge an den Bundesrat habe gelangen lassen, ist der erste Teil unserer Interpellation er- ledigt. Es bleibt die zweite Frage übrig, ob der Reichskanzler die Einbringung dieser Vorschläge und ihre Begründung billigt.(Der Reichskanzler betritt den Saal.) Die elsaß -lothringische Regierung cheint das Bedürfnis zu haben, von Zeit zu Zeit etwas Besonderes zu veranlassen, damit die Aufmerksamkeit von den elsaß-lothringi- che» Verhältnissen nicht abgelenkt wird. Wäre das nicht der Fall, so wäre es unverständlich, daß nach dem Gravenstadener Fall wir uns jetzt wieder mit ähnlichen Dingen beschäftigen müssen. Biel - leicht erklärt sich das daraus, daß der elsaß -lothringische Polizei- minister im Verlauf jener Affäre den TitelExzellenz" er- halten hat. Das war für ihn vielleicht Motiv, auf diesem Wege örtzuschrciten. Zu der Exzellenz wollte Herr Mandel vielleicht noch etwas Weiteres haben. Sonst wäre es unverständlich, weshalb die elsaß -lothringische Regierung immer erneut die esamte elsaß -lothringische Bevölkerung pro- o z i e r t. Sehr eigentümlich ist ja die Tatsache, daß man in Deutschland erst durch die Pariser Tagespresse Kenntnis von diesen Vorgängen erhielt. Man macht sich ja allerlei Gedanken, wenn man dies Erscheinen der Vorschläge und ihre Begründung im Wort- laut in deir Pariser Blättern betrachtet und dabei bedenkt, daß in derselben Zeit die Nachricht auftauchte, daß der jetzige Statt- Halter Graf Wedel bald mntsniüde sein werde und an seiner Stelle der jetzige Regent von Braunschweig in Aussicht genommen sei. Man schließt aus diesem Zusammentreffen, daß in den oberen Kreisen manches doch nicht so ist, wie man es immer darzustellen beliebt. Jedenfalls kann das Material wohl nur aus engsten Regierungskreisen an die französische Presse geleitet worden sein, es müssen also Unstimmigkeiten auf diesem Gebiete vorhanden gewesen sein. Es wird nun vorgeschlagen, daß das Reichspreßgesetz für Elsaß- Lothringen eingeführt werden soll. Das wäre ja an und für sich kein Schaden, die Kautionspflicht würde dadurch beseitigt werde», die jetzt allen Zeitungen oblag. Die Regierung will aber für die Aufhebung der Kautionspflicht die Möglichkeit des V e r b o t S v oft Zeitungen einhandeln, wenn auch zunächst nur solche in ftan - zösischer Schrift. Bezüglich des Vereinsgesetzes will die Regierung auch Befugnisse haben, die weit über das hinausgehen, was sonst im Deutschen Reiche Gesetz ist. Die von der eisatz- lothringischen Regierung vorgeschlagenen Bedingungen würden Ausnahmebedingungen für Elsaß-Lothringen darstellen. Schon von diesem Gesichtspunkte aus müssen staats- rechtliche Bedenken gegen sie erhoben werden. Es widerspricht dem Geiste der Reichsverfassung, daß für einzelne Bundesstaaten be? sondere reichsgesetzliche Bestiminuugeir erlassen werden sollem Aehnlich ist es bisher nur insofern geschehen, daß man für einzelne Bundesstaaten das Inkrafttreten einzelner Gesetze hinaus? geschoben hat. Mit demselben Recht, mit dem man jetzt Ausnahme- estimmungen für den Bundesstaat Elsaß-Lothringen erlassen will, könnte die Reichsgesetzgebung immer und überall eingreifen in die Landesgesetzgebung, mit demselben Recht könnte vom Reiche das preußische önteignungsgesetz aufgehoben werden mit der Begründung, es widerspricht dem Geist deS B.G.B, mit demselben Recht könnte in Mecklenburg auch die Wahlrechts- frage vom Reich gelöst werden. Wenn man sich auf den Stand- Punkt stellt, es sei Sache des Reichs, für die einzelnen Bundes- floaten je nach Bedarf besondere Gesetze zu erlassen, so ist ein Ende gar nicht abzusehen. Sollte der Bundesrat und die Reichsregierung sich aus den Standpunkt stellen, solche Ausnahmebestimmungen sind innerhalb der Reichs Verfassung zulässig, so wird das selbstverständlich nicht auf dieses eine Land und nicht auf die jetzt vor- geschlagene Materie beschränkt bleiben dürfen. Man sagt vielleicht, es handelt sich um Reichsgesetze und es sollen dafür in einem einzelnen Bundesstaate Spezial- gesetze gemacht werden, so kami man das auf alle anderen gesetz- geberischen Gebiete anwenden, die viel einschneidender sind als die jetzigen Vorschläge. Die Scharsmacherpresse hat fich denn auch sofort bei dieser Kritik zurückgezogen und ist damit einverstanden, daß man nicht Ausnahmegesetze für Elsaß-Lothringen erläßt, sondern daß diese Bestimmungen als allgemeine Reichsgesetze erlassen und überall da angewendet werden, wo es der Regierung ge- fallen wird. Die.Kreuzzeitung" sagt ausdrücklich, das würde für die dänische und polnische Bewegung sehr heUsame Folgen haben.(Hört! hört! links.) Ihr und ähnlichen Blättern wäre es am liebsten, solche Ausnahmebestimmungen würden auch gleich auf die Sozialdemokratie ausgedehnt werden. Zunächst zu dem Entwurf de? Preßgesetzes. Bei ihm soll ein§2 in Kraft treten, der der elsatz-lothringischett Regierung daS Verbieten einer im Ausland herausgegebenen Druck- schrist oder eines Teil« einer solchen gestattet, und ebenso das Ver» bieten von Druckschriften, die zwar innerhalb des Landes heraus« gegeben, aber nicht in deutscher Sprache abgefaßt werden. Dir erste Teil dieses Entwurfs ist jetzt schon geltendes Recht in Elsaß-Lothringen gewesen, in weitestem Maße hat die Regierung ausländische Zeitungen verboten. Sie will diese Bestimmungen aber auch aus Romane. Geschichtsbücher, Zeit- sähriften der verschiedensten Art ausgedehnt wissen, und darüber hinaus will sie auch die in Elsaß-Lothringen in französischer Schrist erscheinenden Zeitungen verbieten können. In der Be- gründung wird ausdrücklich auf dasJournal d'Alsace-Lorraine" und denNouvellist" des Herrn Wetterlö hingewiesen. Dieses Verbot würde aber nicht nur ein Schlag ins Wasser sein, sondern daS Gegenteil dessen erreichen, was die Regierung will. Denn Herr Wetterls hat bereits erklärt, sein Blatt würde dann in deutscher Schrift erscheinen. Ueber die Wirkung eines solchen Schrittes sollte man sich nicht täuschen, sie würde für die Deutschen in Elsaß- Lothringen sicherlich nicht erftculich sein. In der Reichsländischen Kammer hat Herr Mandel selbst erklärt, den Nation nalismus vertrete nur eine kleine, aber vorlaute Gruppe. Nur eine dünne Oberschicht der Bourgeoisie liest die französischen Blätter. ein großer Teil davon wird in Frankreich abgesetzt. Von dem Augenblick an, wo diese beiden Blätter in deutscher Schrift er- cheinen, werden sie leicht einen viel größeren Leser- kreis in Elsaß-Lothringen finden und den Nationalismus in weite Kreise hineintragen, von denen er bisher vollständig ab- geprallt ist. Der lorhringischen Notablen-Gmppe hat man überdies ausdrücklich eine Ausnahmestellung von den Ausnahme- bestimmungen versprochen, die Regierung hat im Landtage gesagt, in Lothringen sollten die Bestimmungen nicht angewandt werden, weil man in Lothringen ohne französische Blätter nicht auskommen könne.(Hört! hört l links.) Die Be- timmungen sind also nur auf das Blatt Wetterlss und daSJournal d'Alsace-Lorraine" zugeschnitten, stellen also d i r c k t e A u S n a hiiie- bestimmungen dar. Mit diesem fast rem persönlichen Vorgehen hat man für Herrn Wetterls eine ungeheure Reklame gemacht.(Zuruf: Unverdiente Ehre für ihn!) Und der kleine Abbs Wetterls, der ohnehin recht eitel ist, wurde diese Geschichte auch nicht billig hergeben. Niemand hat ich über diese Gesetzvorlage mehr gefreut, als gerade er, gegen den sie sich richtet.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dabei kann die Zahl seiner Anhänger gar nicht in Betracht kommen. Bei den Landtagswahlen von 1911 hat die nationalistische Gruppe, der Nationalbund, ganze 3246 oder 1,1 Pro z. der abgegebenen Stinimen auf sich vereinigt und zählt man das elsaß-lothringische Zentrum, das dem Nationalbund geholfen hat, noch hinzu, so kommen noch ganze 6236 oder 2,1 Proz. der ab? gegebenen Stimmen hinzu.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Die nationalistische Bewegung schlug damals ihre höchsten Wellen, wir wurden damals als die kafterlichen Sozialdemokraten­bekämpft.(Große Heiterkeit.) Wenn diese Leute trotz aller vo« ihnen angewendeten Mittel keine größere Bedeutung im elsaß - lothringischen Volke erlangen konnten, so beweist das allein schon zur Genüge, daß diese nationalistische Bewegung im elsaß -lothringische« Polle keinen Boden hat. Bei den Reichstagswahlen von 1912 haben wir von den Nationalisten überhaupt nichts gehört, da sind ie nicht einmal in die Oeffentlichkeit mit eigenen Kandidaten «treten.(Abg. Schultz, Rp.: Wetterlö!) Herr Wetterls ?at sich bei den Reichstagswahlen unter die Fittiche des elsaß -lothringischen Zentrums begeben, sonst hätte er nicht gewählt werden können. Als Kandidat des Rationalbunde». wäre er nicht vom elsaß -lothringischen Zentrum unterstützt worden und wäre durchgefallen, er hat sich auch ausdrücklich auf das Pro« >ramm des elsaß -lothringischen Zentrums verpflichtet.(Hört! hörtl inks.) Es heißt doch wirklich, mit Kanonen nach Spatzen schießen, wenn man versucht, in dieser Weise die Bedeutung dieser Leute so ungeheuer zu übertreiben, wenn man der Oeffentlichkeit im ganzen Deuffchen Reiche vorspiegeln will, daß hinter diesen paar Leuten eine ernsthafte Bewegung steht. Da» behauptet ja auch die elsaß «