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bo-n 8100 M. Die Erhöhung tritt ab 1. Juni in Kraft. Das AnfangSgehalt der Hilfsbeamten wurde von ISOO M. auf 2100 M. erhöht. Die Steigerung beträgt ebenfalls 100 M. bis zum Höchst. gehalt von 2700 M. Die Beiträge für Krankenversicherung und die Privatbeamtenversicherung trägt der Bund ganz. Eine lange Debatte entspann sich nun über die Frage der Anstellung von neuen Kräften für die Redaktion uno den Vorstand. Der Vorstand hatte vorgeschlagen, diese als Hilss- kräfte zu benennen, die kein Stimmrecht im Vorstand haben» Mehrere Redner verlangten aber, daß ein zweiter selbständiger Redakteur und für den Vorstand ein Sekretär angestellt wird. Schltesilich wurde bestimmt, daß zur Unterstützung und Vertretung der besoldeten Vorstandsmitglieder noch Bedarf Sekretäre anzu- stellen find. Diese haben jedoch kein Stimmrecht. Zum Borstano sollen nur gehören: Der Bundesvorsitzende, ein Bundesturnwarr, ein Redakteur, ein Geschäftsführer und ein Kassierer. Die übrigen Redakteure, Turnwarte, Sekretäre usw. haben im Vorstand nur beratende Stimme. Die auf dem Turntqg zu wählenden Sekretäre werden in die Gehaltsskala der Vorstandsmitglieder eingereiht. Bei der Statutenberatung entspann sich eine Kinge Debatte über die Zusammensetzung des Bundestags. Der Vorstano beantragt«, daß der gesamte Vorstand(also auch die unbesoldeten Vorstandsmitglieder), der Bundesausschuß und der Turnausschutz auf dem Bundestag vertreten ist. Tagegen wandten sich zahlreiche Redner. Für den Vorstandsantrag erhoben sich auch nur wenige Stimmen. Es bleibt bei den bisherigen Bestimmungen, nach denen die unbesoldeten Vorstandsmitglieder und die genannten Ausschüsse nur durch ein Mitglied vertreten sind. Anstattbe- soldeten Vorstandsmitglieder", die zum Bundestag zählen, wtro gesetzt.Bundesbeamte", soweit sie vom Bundesturntag gewählt werden". Mehrere Detegiertinnen traten energisch für einen An. trag ein. den Kreissrauenturnwarden dieselben Recht« wie den Kreisturntvarten für das Männerturnen als Delegierte zum Bundestag einzuräumen. Es blieb aber auch bezüglich der Kreis- turnwarte die Sitz und Stimme auf dem Bundestag haben bei den bisherigen Bestimmungen. Bei den Bestimmungen üver die Delegation zum Bundestag stimmte der Bundestag einem An- irag zu, wonach es den Kreisen überlassen bleibt, nach welchem Wahlsystem sie die Delegiertenwahlen vornehmen wollen. Doch lst dcS Telegationsrccht im Kreis und Bezirk einheitlich zu regeln. Kreisvertreterkmiferenzen finden ebenso wie der Bundestag alle zwei Jahre statt. Bei den Wahlen wurden die bisherigen Beamten wieder- gewählt. Von der sofortigen Wahl eines Sekretärs nahm man Abstand, der nächste Bundestag soll sie vornehmen. Zweiter Redaktuer wird Kreutzberg- Zkeukölln. Damit waren die Arbeiten des Bundestags erledigt. Der nächste tagt 1315 in Dessau . Em Induftne und ftandeL Abzahlungsgeschäfte. Trotz der zum Schutze der wirtschaftlich Schwächeren ge- troffenen Bestimmungen des Gesetzes von 1834 über AhzahlungS- geschäfte liegt es doch in der Hand des Verkäufers, die Absicht des Gesetzes zunichte zu machen. Paul Frank liefert dafür in der Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis" ein be- zeichnendes Beispiel: Das angeführte Gesetz bezieht sich nur auf derartige Ge- schäfte, bei welchen unter einem sogenannten Leihvertrag(besser Kaufvertrag mit Eigentumsdorbehalt) die Vereinbarung getroffen worden ist, daß die gelieferten Gegenstände Eigentum des Ver- käufers bis zur völligen Bezahlung bleiben. Ferner hat der Liefe- rant das Rücktrittsrecht und kann Herausgabe der gelieferten Gegenstände resp. Zahlung der ganzen Restsumme verlangen, wenn der Käufer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Raten im Verzuge ist und der Betrag, mit dem er im Verzug ist, mindestens dem zehnten Teile des Kaufpreises der übergebenen Sache gleich- kommt". Das Gesetz wollte durch diese Bestimmung verhindern, daß der Käufer, nachdem er den größten Teil seiner Schuld be- glichen hat, bei einer eventuellen Zahlungsstockung noch seiner gesamten Zahlungen verlustig gehen kann. Divcht nun jedoch der Verkäufer von seinem Rücktrittsrechte Gebrauch, so tritt folgendes Aufrechnungsverfahren in Kraft: Gegen die bereits geleisteten Zahlungen werden die dem Käufer entstandenen Aufwendungen verrechnet. Unter diesen Aufwendungen versteht das Gesetz alle tatsächlich entstandenen Unkosten(Fuhrlohn. Porti, Provisionen, Reparaturen) ferner eine angemessene Leihgebühr, wobei auch auf die durch die Ingebrauchnahme eingetretene Wertminderung Rücksicht zu nehmen ist. Diese Aufrechnung kann nun leider stets zum Schaden der Käufer angewandt werden. Ein Beispiel möge dies beweisen: Ein Arbeiter kauft laut Vertrag mit Eigentumsvorbehalt einige Möbel zum Preise von 300 M. mit einer Anzahlung von 50 M. und monatlichen Raten von 15 M. Nachdem er bereits 6 Monate lang seinen Verpflichtungen stets prompt nachgekommen ist, wird ex arbeitslos, kurz und gut, eines TagcS ist er mit zwei auf- cinanderfolgenden Raten im Verzuge und er erhält die Klage. Die Rechnung nach dem üblichen Muster würde lauten: Transportgebühr hin und zurück...... ö M. 12 M. Schreibgebühren............ 2 Wertminderung(früher neu, jetzt oft) 25 Proz.. 75, Leihgebühr monatlich........... 10 80, 168 M. Geleistet sind: Anzahlung.............. 50 M. 6 Raten a 15 M............ 90, 140 M. so daß der Verkäufer noch........ 29 M. außer der Herausgabe der gelieferten Waren verlangen kann, so- fern der Beklagte nicht in der Lage ist, die ganze Restsumme auf einmal zu begleichen. Dies dürfte ihm in den allermeisten Fällen unmöglich sein und so erhält der Verkäufer nun unter Zugrunde- lcgung seiner eigenen Berechnung: Anzahlung........ 50 M. 6 Raten a 15 M....... 90, Möbel im jetzigen Werte... 225, Pfändungsanspruch auf.... 29 394 M. Da? heißt mit anderen Worten(selbst wenn man den in den meisten Fällen allerdings kaum eintreibbaren Pfändungsanspruch ans 23 M. außer Betracht läßt):Der Verkäufer ver- dient zirka 22 Proz. mehr, wenn sein Kontrahent seinen Verpflichtungen nicht pünktlich nach- kommt." So tritt der theoretisch mögliche Fall, daß der Beklagte bei Herausgabe der gekauften Gegenstände einen Teil seiner Zahlun- gen zurückerhält, in der Praxis fast nie ein. Zwar kann der Be- klagte Antrag auf Erniedrigung der angewandten Sätze stellen, aber diesem Verlangen tritt dann der Kläger insofern sehr wirk- sam entgegen, indem er Kosterworschuß für den zu vernehmenden Sachverständigen verlangt. Und woher soll den der Beklagte er- schwingen, er, der noch nicht einmal in der Lage war, seine Raten pünktlich zu entrichten?!_ DieViehzentrale" in Liquidation. Die Viehzentrale G. m. b. H. ist im Herbst 1889 gegründet worden. Sie erfreute sich der besonderen Gunst des Bundes der Landwirte, weil sich in ihr die viehzüchtenden Landwirte zu- sammengetan hatten, um den Zwischenhandel auszuschalten. Noch vor kurzer Zeit wurde die Biehzentrale von agrarischer Seite als dasgroßartigste Produkt des Gedankens ge- nossenschastlicher Viehverwertung Deutschlands " zur Verbilligung des Viehes und Fleisches gepriesen. Auch der Staat hat die Zentrale durch ein Darlehen zu so billigen Bedingungen»nterstützt, daß die entrale dadurch etwa 40 000 M. allein an Zinsen usw. sparte. rotzdem ist die Zentrale jetzt in Liquidation getreten, weil ihre Rentabilität nicht gesichert erscheint. An dem gewaltigen Umsatz Berlins war die Zentrale im Jahre 1909 nur mit 1590 Rindern, 54 630 Schweinen, 9420 Kälbern, 1970 Schafen und 19 330 Ferkeln beteiligt. Zwischen Thyssen und Kirdorf hat, wie die bürgerliche Presse zu berichten weiß, vor kurzem eine Versöhnung stattgefunden. Während der Hihernia-Affäre haben Thyssen und Kirdorf Gelsen- kirchen, den Schalker-Verein und Rote Erdc-Aachen vereinigt. Thyssen trat in den Aufsichtsrat von Groß- Gelsenkirchen. Die Riesen- erweiterungspläne Kirdorfs, die einige Jahre später auftauchten, fanden ober nicht den Beifall von Thyssen, und so trennten sich die Wege der beiden Männer, Thyssen schied aus dem Aufsichtsrate von Gelsenkirchen und baute Hagendingcn als Antwort ans dte Adolf- Emil-Hütte. Jetzt haben sich die beiden Männer wiedergesunden. Die äußere Veranlassung zu der Versöhnung gab das Jubiläum Kirdorfs. Die Versöhnung wird sicher eine größere Ausbeulung der Konsumenten zur Folge haben. Dernationale" Kirdorf . Als Generaldirektor der Gelsen- kiröbener Bergwerks-A.-G. hat Emil Kirdorf sich häustg sehr unwirsch über die Konkurrenz der fremdländischen(englischen) Kohle geäußert. Der Bezug deutscher Kohle wurde von ihm sozusagen als nationale Pflicht empfohlen. Gegenwärtig beziehen aber Kirdorfs Unternehmungen in Rotterdom sie tragen den Namen Wotan selbst fortgesetzt große Mengen englischer Kohle. Ein Mitglied des deutschen Kohlensyndikats als Abnehmer englischer Kohle ist in der Tat ein schlagender Beweis für die nationalen Interessen der SyndikatZmitglieder. Ausfuhrvergütungcn in der deutschen Montanindustrie. Die un- verkennbare Abschwächung am Weltmarkt für Eisensabrikate, die die Werke zu fortgesetzten Preisherabsetzungen zwingt, veranlaßt jetzt auch die deutsche Montanindustrie, aus da? System der Ausfuhr- Vergütungen wieder zurückzugreifen. So hat der Stahlwerksverband für die Halbzeug verarbeitenden reinen Werke eine Exportbonifikation eingeführt. Wie dieBoss. Ztg." weiter berichtet, prüfl zurzeit auch der Roheisenverband die Frage der Wiedereinführung einer Aussuhr- Vergütung und wird eine solche voraussichtlich demnächst wieder ge- währen. Ferner wird auch der Walzdrahwerband die Erhöhung der bestehenden Ausfuhrvergülung in Diskussion ziehen. Soziales. Taubstumme als Zahnarztgehilfe«. Ein Fall, wie man sich die Konkurrenz durch Mißbrauch von mit körperlichen Fehlern behafteten Arbeitern vom Halse halten will, wird durch das Organ der organisierten Zahntcchnikergchilfen Die zahntechnischcn Nachrichten", mitgeteilt. Zwischen den Zahn- ärzten und den Zahntechnikern tobt ein wilder Konkurrenzkampf. Die Zahnärzte glauben, da sie auf Kosten der Allgemeinheit aus- gebildet sind und ein Examen gemacht haben, allein berechtigt zu sein, der zahnkranken Menschheit Zähne zu ziehen oder zu plom - liieren und künstlichen Zahnersatz zu liefern. Die Zahntechniker im Deutschen Reiche sind mit Einschluß der Gehilfen etwa drei- bis viermal so zahlreich und genügen den zu stellenden Anforderungen mit einzelnen Ausnahmen vollauf. Sie wehren sich natürlich gegen die Hetze der Aerzte. In der R. B. O. haben die Zahntechniker eine gewisse Anerkennung dadurch gefunden, daß sie zur Behand- lung der Krankenkassenmitglieder weiter zugelassen wurden. Die Krankenkassen, die einer Ausbeutung durch die Zahnärzte vorbeugen wollten, und die ferner Zulassung der Dentisten in ihrer großen Mehrzahl befürworteten, haben damit zu erkennen gegeben, daß ihrer Erfahrung nach für die Zahnkrankenbehandlung ein gut aus- gebildeter Zahntechniker genügt. Die Zahnärzte brauchen besonders zur Anfertigung von Zahn- ersatz Zahntechnikergehilfen, die in der Technik den Zahnärzten häufig überlegen sind; auch bilden sie Lehrlinge aus. Diese Lehr- linge und die Gehilfen der Aerzte unterstehen nicht der Gewerbe- ordnung. Sie sind deshalb nach vielen Richtungen in bezug auf Arbeiterschutz schlechter gestellt wie ihre Kollegen, die bei Zahntech- nikern beschäftigt sind. Manchen Zahnärzten ist auch das Erwachen der Gehilfen, die beginnen, menschenwürdigere Behandlung und Bezahlung zu verlangen, unerwünscht. Um nun der Konkurrenz und den Gehilfen entgegen zu wirken, hat ein Zahnarzt Volten in Husum an seine zahnärztlichen Kollegen im Deutschen Reiche ein Rundschreiben gerichtet, worin er allen Ernstes den Vorschlag macht, künftig nur noch Taubstumme als Lehrlinge der Zohutechnik einzustellen, weil dieselben durch den Mangel der Sprache nie etwas anderes als wie Laboratoriums- arbeiter werden könnten. Sie könnten also nie selbständig in ihrem Beruf werden, und müßten stets vom Arbeitgeber abhängig bleiben. Der menschenfreundliche Herr Volten hat sich, wie er in diesem Rundschreiben mitteilt, mit Verwaltungen von Taubswmmen-An- stalten bereits in Verbindung gesetzt, die sich dem Gedanken sym- p-rthisch gezeigt hätten. Wenn dem so wäre, müßte man die Kurz- sichtigkeit der Anstaltsderwaltungen bedauern. Denn der taub- stumme Zahntechniker wäre nicht nur den Zahnärzten auf Gnade oder Ungnade verfallen. Er hätte auch im Alter keine Ezistenz. Die Zahntechnikergehilfen haben alle Ursache, gegen solche Trei- bereien Front zu macken. Wenn sie das auch in ihren jetzigen Organisationen tun, können sie doch mit Erfolg solch« Machinatio- nen nur als wirkliche Gewerkschaft bekämpfen. Von dieser sind sie aber noch weit entfernt, obschon sie alle Ursache hätten, um für gesetzliche Gleichberechtigung und Besserung ihrer sozialen Stellung kämpfen zu können, sich den Kampforganisationen der Arbeiter zu näherm Hat der Dr. Balten einen Harem besucht und hat ihn die An- stellung von Eunuchen als Haremswächter auf die Idee gebracht. Taubstumme als Zahnarztgehilfen zu verwenden? Der Herr muß doch verdammt wenig Zutrauen zu seinen eigenen Fähigkeiten haben, wenn er solch riesige Furcht vor der Konkurrenz von nicht examinierten Herren hat. Hätte zu den Examensfächernsoziales Empfinden" gehört, so wäre der Herr wohl schmählich durch- gerasselt., Gerichts- Leitung» Der Ziegenbock als Attentäter. Ein origineller Rechtsstreit» dessen Tatbestand an das Attentat gegen die Automobilisten erinnert, hat jetzt das Reichsgericht be- schäftigt. Der Kläger leitete am 3. Juli 1910 einen vierspännigen Wagen auf der Straße Barweil-Mcrchinge» und ritt dabei auf dem linken Vorderpferde. In der Nähe von Merchingen fuhr er einen 3� Meter breiten Feldweg entlang. An dem Wege hatte der Beklagte einen Pflock eingeschlagen und daran mit einer 7 Meter langen Leine einen Ziegenbock befestigt, der dort weidete und die Wiesen zu beiden Seiten der Straße erreichen konnte. Als das Fuhrwerk des Klägers herankam, hatte sich der Ziegenbock auf der von seinem Befestigungspflock aus jenseits der Straße liegenden Wiese zur Ruhe niedergelegt und dabei das Seil quer über die Straße gespannt. Die Vorderpferde des Fuhrwerks kamen über das vom Kläger nicht beachtete©eil hinüber; plötzlich aber wurde der Ziegenbock scheu, sprang in die Höhe und zog dabei daS Seil straff. Die Hinterpferde verwickelten sich in das Seil, scheuten und machten dadurch auch die Vorderpferde scheu, wodurch der Kläger abgeworfen wurde und erhebliche Verletzungen erlitt. Er hat deshalb gegen den Besitzer des bösartigen Ziegenbocks Schaben- ersayansprüche erhoben und das Vorliegen eines Tierschadens be- hauptet., Das Landgericht Metz erkannte die Ansprüche de? KlägaD dem Grunde nach als berechtigt an; das Oberlandesgericht Colmar wies den Kläger ab. Das Oberlandesgericht war der Ansicht, daß eigentlich Tierschaden nicht vorliege, sondern nur der§ 823 deS Bürgerlichen Gesetzbuches verletzt sei, weil der Beklagte den Ziegen- bock in der Nähe des Weges so angebunden hatte, daß er Unheil anrichten konnte. Dadurch habe er fahrlässig gehandelt. Doch sei diese Fahrlässigkeit wegen des eigenen überwiegende» Verschuldens des Klägers belanglos. Denn dieser hätte auf der etwas ab- fallenden Straße nur mit Anspannung der Bremse fahren dürfe» und hätte auch das auf der Straße liegende Seil bemerken müssen- Das sei Grund genug für ihn gewesen, sein Fuhrwerk anzuhalten. Da er ahnungslos vor sich hingeritten sei, sei der Unfall vor, wiegend von ihm selbst verursacht. Gegen dieses Urteil hatte der Kläger Revision beim Reichs- gericht eingelegt und ausführen lassen, daß nicht nur der§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches , sondern auch§ 833 Bürgerlichen Gesetz- buchcs anzuwenden sei, da tatsächlich der Ziegenbock den Schaden verursacht habe, und zwar im Ausfluß seiner tierischen Natur durch sein plötzliches Aufspringen. Der Beklagte hielt der Revision entgegen, daß der Kläger auch das Scheuen seiner Pferde zu ver- treten habe. Das Reichsgericht hat am Donnerstag das Urteil dahin abgeändert, daß jeder von beiden die Hälfte des Schadens zu tragen hat. Wieder einmal der PolizeifLbel. In Breslau hängen die Polizeisäbel sehr locker in den Scheiden. Hierfür ein neuer Beweis: Eines Abends im Februar fuhren die beiden Kutscher des Arbeiter-Konsum-Vereins ,.Vorwärts"-Breslau , Schwarzer und Mehrländer, auf einer wenig verkehrsreichen Straße mit ihrem Fuhrwerk nach Hause. Durch irgendeinen Umstand war die Laterne ausgegangen. Schwarzer stieg unweit der Stallung vom Wagen, um eine Bedürfnisanstalt aufzusuchen, während Mehr- länder das Gefährt weiter führte. In der Zeit, wo Schwarzer ab- wesend war, wollte der Schutzmann Fehlinger den Wagen anhalte». Dadurch wurden die Pferde scheu und liefen davon. Von diesem Vorgang wußte Schwarzer nichts, als er wieder den Wagen bestieg und die Zügel übernahm. Deshalb war sein Erstaunen auch groß, alz er bei der Einfahrt in den Hof drei Schutzleute vor sich sah, die ihn aufforderten, mit zur Wache zu kommen. Da sich Schwarzer keiner Schuld bewußt war, sträubte er sich dagegen. Tarauf zog der Schutzmann Fehlinger feinen Säbel und schlug auf Schwarzer so ein, daß dieser nach einem ärztlichen Attest mehrere nicht«nbe- deutende Verletzungen erlitt. Fehlinger war nämlich der Meinung, daß der ihm bekannte Schwarzer während der Zeit, wo er angc- halten werden sollte, geführt habe. Schwarzer erstattete wegen der erlittenen Mißhandlungen Anzeige gegen den Schutzmann wegen Vergehens im Amte und Körperverletzung. Sonderbarerweise wurde das Verfahren eingestellt und ein Verfahren gegen Schwarzer und Mehrländer wegen Beamtenbeleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Uebertretung einer Polizeivorschrift eingeleitet. Obwohl Mehrländer in der Verhandlung ganz bestimmt er- klärte, daß sein Kollege Schwarzer während der fraglichen Zeit, als das Fuhrwerk angehalten werden sollte, nicht auf dem Wagen war und ein anderer Zeuge unter Eid bekundete, daß Schwarzer keinen Widerstand geleistet, sondern nur die Hände zur Abwehr gegen die Säbelhiebe erhoben habe, daß ferner die beleidigenden Ausdrücke gegen die Schutzleute von Hausbewohnern, die durch die Hilferufe Schwarzers an die Fenster gelockt wurden, herrührten, wurden beide zu je vier Wochen Gefängnis wegen Widerstand gegen die Staats- gewalt und Beamtenbeleidigung verurteilt. Sechs Mark Straf« soll Schwarzer auch noch wegen Uebertretung der Polizeivorschrifte» bezahlen._ Eine Schlägerei zwischen Gefangene« der Strafanstalt Plötzen- see beschäftigte gestern die 5. Strafkammer des Landgerichts III- Wegen gefährlicher Körperverletzung hatte sich der Friseur Anasia- sius Zabinskj zu Veranttvorten. Der Angeklagte, der zurzeit noch in dem Strafgefängnis Plötzensee eine längere Freiheitsstrafe ver- büßt, geriet am 20. Januar d. I. in dein gemeinschaftlichen Ar- beitssaal mit einem Mitgefangenen, dem Arbeiter Klatt, in Streit, welcher im Nu in ein« wüste Schlägerei ausartete. Ehe es die Aufseher verhindern konnten, hatte sich der Angeklagte auf Klatt gestürzt und ihm das linke Ohr fast vollständig abgebissen, so daß es nur noch an einem kleinen Haurfetzen hing und später von dem Gefängnisarzt Dr. Keller wieder angenäht werden mutzte. Außer- dem versuchte der Angeklagte seinen Widersacher die ausgestreckten Finger in die Augen zu stoßen. Die beiden Kämpfenden konnten nur mit vieler Mühe von den Aufsehern getrennt werden. Da die Verhandlung ergab, daß der Angeklagte durch Schimpfworte von seinem Gegner gereizt worden war, lautete das Urteil nur auf 3 Monate Gefängnis. __ Knallkorke. Eine Explosionskatastrophe auf dem Bahnhof zu Krakau , bei welcher ein österreichischer Postbeamter getötet und mehrere andere Postbeamte schwer verletzt worden waren, hatte gestern vor der 7. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz des Landgerichts- direktors Schnitzker ein gerichtliches Nachspiel. Unter der Anklage der fahrlässigen Tötung und der fahr- lässigen Körperverletzung standen der Kaufmann Richard Ladewig und der Kaufmann Max Herrmann. Am 13. April 1911 wurde der Bahnhof in Krakau zum Schau- platz einer Explosionskatastrophe, welche die schwersten Folgen hatte. Als die Postdiener Grabiec und Rekliuski auf dem Bahnhof meh- rere Pakete aus de--i eben eingetroffenen Berliner Schnellzug in den nach Lemberg fahrenden Zug umluden, erfolgte plötzlich eine kilometerweit hörbare Detonation. Als sich der Rauch verzogen hatte, bot der Packwagen nur noch das Bild eines wüsten Trümmer- Haufens. Durch den Explosionsdruck waren die beiden Beamten aus dem Wagen herausgeschleudert und erlitten schwere Ver- letzungen. Kurze Zeit darauf erfolgte auch in dem Packwagen des Lemberger Zuges eine zweite Explosion, durch welche der hier tätige Postoberkontrolleur Strelbicka zu Boden geschleudert wurde; er erlitt eine so schwere Gehirnerschütterung, daß er am nächsten Tage verstarb. Die von den österreichischen Behörden angestellten Ermittelungen ergaben, daß die explodierten Pakete sogenannte Knallkorkrn enthielten und von den beiden jetzigen Angeklagten, die in der Alten Jakobstratze ein Geschäft betreiben, an einen ge- wissen Hacker in Lemberg gesandt worden war. Diese Knallkorren enthalten eine höchst explosible Mischung von Phosphor und chlor- saurem Kali und werden zu den bekannten Schreckpistolen ver- wandt. Im September 1911, als das vorliegende Strafverfahren schon schwebte, ereignete sich eine ähnliche Katastrophe in der Postver- zollungsstelle in der Alcxandrincnstratzc. Auch hier explodierte ein von den Angeklagten abgesandtes Paket mit Knallkorken und hatt» die Verletzung mehrerer Postbeamten zur Folge. Zu der gestrigen Verhandlung waren von den R.-A. Lenk und Erich Seligsoh» mehrere Sachverständige geladen, die bekunden sollten, daß die Explosion nicht durch eine fahrlässige Verpackung der Korken von feiten der Angeklagten, sondern durch eine innere Zersetzung der Korkenfüllung herbeigeführt worden sei. Für die verletzten Postbeamten traten die R.-A. Dr. Münk und Theod. Liebknecht auf, die u. a. darauf hinwiesen, daß die Firma, nachdem die Verletzten mit Schadenscrsatzansprüchen an sie herantraten, sofort Konkurs angemeldet habe. Staatsanwalt Dr. Kiesel hielt auf Grund der mehrstündigen Beweisaufilahme eine grobe Fahrlässigkeit der Angeklagten für erwiesen und beantragte mit. Rücksicht auf die überaus schweren Folgen gegen Ladewig 8 Monate und gegen Herr- mann 6 Monate Gefängnis. Bezüglich des letzteren hielt Seligsohn die Freisprechung für geboten, da in keiner Weise«ine Mitbeteiligung erwiesen sei. Das Gericht kam auch bezüglich des Angeklagten Hrrrmann zu einer Freisprechung, dagegen wurde der Angeklagte Ladewiz zu 9 Monate» Gefängnis verurteilt.