dem Sozialistengesetz ganz harmlose Elemente als Sozia-listen gebrandmarlt und derfolgt worden sein.— Ichweise auf die Tatsachen der elsässischen Geschichte seit1S11 hin. auf die Landtagswahlen, auf die A b l e h-nung aller nationali st ischen Verhetzungsversucheim vorigen Jahre, auf die geschlossenen Friedenskund-gedungen in allenTeilen desLandes und der K a m mer.Sollten etwa die von enltäuschten Hoffnungen reden, die erwartethaben, daß das elsaß-lothringische Volk von der Verleihungder Verfaffung an seine ganze Eigenart aufgeben würde. Das wäreeine kränkende Zumutung. Der Mann ist bei uns gottlob noch eineseltene Erscheinung, der dereinst alsLeutnant der französischen MobilgardeItraßburg verteidigte und heute als Staatssekretär vonElsatz-Lothringen Ausnahmebestimmungen gegen sein eigene«Land empfiehlt. Das ist die Regel bei uns zu Lande noch nicht,und diese Politik der Unterdrückung der nationalen Eigenart darfkeine Regierung treiben.Der Reichskanzler meinte, wenn die elsaß-lothringische Regie-rung diese Mittel für notwendig halte, müsse man sie ihr geben. Dieelsaß-lothringische Regierung hat unser Vertrauen nicht,und man darf unS auch nicht einwenden, sie sei besonders geeignet,die Bedürfnisse und Empfindungen des clsaß-lothringischen Volkes zuwürdigen, weil einheimische Elsaß-Lothringer in ihr fitzen. Nachallem, was wir erfahren haben, ist das keine Beruhigungfür uns. Es ist ja auch nichts Neues, daß eine Sache immer indenjenigen ihre schlimmsten und gefährlich st en Feindefindet, die sie zuvor verlassen haben. sLebhafte Zu-stimmung.)Der Reichskanzler meinte, der Nationalismus sei keineswegseine quantits negligeable. Auf diese Weise wird er aber immer zuneuem Scheindasein erweckt. Die Regierung hat die Pflicht,die Selbständigkeit und das nationale Persönlich«keitsgefühl zu achten und zu stärken, und ich kann nur meineFreude darüber aussprechen, daß der Reichskanzler gestern dieAuffassung, die er im Jahre IllllS vertreten hat, auch dies-mal nicht preisgegeben hat. Er hat gestern wieder hervor«gehoben, daß Elsaß< Lothringen mit seiner neuen Verfassungieine Angelegenheiten in seiner Eigenart in voller Selbst-ständigkeit erledigen soll. Die nationale Eigenart Elsaß-Lothringensmußte aber mitbestimmt werden durch seine Geschichte, in der es diegrößten Ereignisse Frankreichs miterlebt hat. Es ist nicht ver-wunderlich, daß Elsah-Lothringen von der großen R e-volution in seinen ganzen Anschauungen den st ä r k st e nEindruck empfangen hat, und es ist ebenso wenig ver-wunderlich, daß es noch immer in seinen Erinnerungen daran hängt.Das darf niemand beklagen, hat doch der Kaiser selbst in Vie dasgeschmackvolle Wort gesprochen, daß ein Volk, das seineGeschichte ehrt, seinem Herzen nahe st eh t.Diese Empfindungen werden vielfach von den Eingewandertenin Elsaß-Lothringen sowie von den Altdeutschen im Reich nichtgenügend geachtet, und manche Konflikte werden dadurch hervor«gerufen, daß die Altdeutschen der elsaß-lothringischen Bevölkerungüberall ihre Auffassung aufdrücken wollen. Solchen Bestrebungensollte die Regierung entgegentreten, nicht durch Zwangsmaßnahmen,sondern durch eine vernünftige Politik.Der Nationalismus, den ich geschildert habe, wird von nie«m a n d für gefährlich erachtet. Die Frage ist, ob es noch einenanderen Nationalismus für Elsaß-Lothringen gibt. Herr v. Calkersprach von einem Nationalismus, der durch dasAusbleiben von Orden und Titel»hervorgerufen wird.(Heiterkeit.) Herr Schultz führt ihn daraufzurück, daß der Diktaturparagraph aufgehoben sei. Aber wir habendoch nie gehört, was das für ein Nationalismus ist, derso gefahrdrohend, so ungeheuer verhängnisvoll für den Bestand"BüS"Reiches ist und sogar, wie der Reichskanzler gestern an-deutete, für den Frieden Europas. Bestrebungen, die aufeine Abtrennung Elsaß-Lothringens hinzielen,gibt eS in Elsaß-Lothringen nicht.(Zuruf: WetterlS!)Wetterlö gehört dem Nationalbund und der Zentrumspartei an, undbeide haben in ihrem Programm als erste Forderung die der Um-Wandlung Elsaß-Lothringens in einen Bundesstaat innerhalbdeS Deutschen Reiche?. Sympathien mit Frankreich sind natürlichin Elsaß-Lothringen vorhanden; aber niemand betreibt die ver-brecherische Politik, um den Preis der Rückkehr zu Frank-reich, einen Krieg zwischen großen Kulturnationen zu entfesseln.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.)Ich habe mich gewundert, daß in der Ersten elsaß-lothringischenKammer der Staatssekretär Zorn von Bulach von den Re-publikanern sprach, die eine Autonomie gesondert vom Reicherstreben. Wo sind diese? Alle Parteien, die für die Autonomieeintreten,— und das tun alle ohne Ausnahme— verlangen dievolle Autonomie, d.h. die U m w a nd l un g.E ls a ß-Lo t h r ing e nsin einen vollberechtigten Bundes st aat des DeutschenReiches, die Weiterführung der Aufgaben, die zum ersten Mal 1911ernstlich in Angriff genommen worden sind. Wenn wirschließlich verlangt haben, daß diese künftige Verfassung,die wir wollen upd haben müssen, mit allen freiheitlichenEinrichtungen versehen wird, daß sie dynastisch nichtbelastet wird, soZentspricht daS unserer politischen Grundanschauung(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten) und außerdem gerade dernationalen Eigenart Elsaß-Lothringens, die erfreulicherweise auch derReichskanzler geachtet wissen will.(Zuruf.) Jawohl, wir verlangeneine rsepub Ii konische Verfassung, Verantwortlich-keit der Mini st er, ein freiheitliches Wahlrecht mitProporz, aber dieser Bundesstaat wird natürlich Bestandteildes Deutschen Reiches sein.(Sehr richtig I bei den Sozial-demokraten.) Die nationalen Ueberlieferungen legen uns b e-stimmte Verpflichtungen auf. Sie sind auf die großenEreignisse der Revolution zurückzuführen, auf den Sturm der Bastille,die Erklärung der Menschenrechte. Wenn wir die Konseguenzendaraus ziehen, so weisen sie uns die Pflicht zu, auch innerhalb desDeutschen Reiches einzutreten für die Freiheit, unddie Bastille der feudalen Borrechte zu stürme«.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Förderung derEntwickelung, die dem Lande seinen Charakter erhält, die Förderungder Versöhnung im Lande sollte die Politik der Regierung sein.Wenn heute noch die kurzsichtige Politik der Regierung die elsaß-lothringische Frage hat am Leben erhalten können, so würde siedurch Anerkennung dieser Ziele endgültig und in aller Augen ge-löst sein.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Und wenn derReichskanzler sich gestern darüber beklagen konnte, daß die f r a n-zösische Presse sich mit der Vorlage befaßt habe, als ob sieeine Erscheinung der französischen Politik wäre— die Tatsache istnun einmal vorhanden, daß derartige Absichten über dieGrenzen hinaus wirken(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten),und eine weise Regierung sollte mit dieser notwendigen Folgerechnen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Es ist nicht zubestreiten, daß sowie die Absicht der elsaß-lothringischen Regierungbekannt wurde, die französische chauvinistische Presse sie auSgenutzlhat und daß die erste Veröffentlichung erfolgte unter j der Ueber-schrift.die Antwort auf Bern'. Also nicht der Nationalismusgefährdet den Frieden, sondern wenn man in diesem Zusammenhangdavon reden kann. hatdieelsaß-lothringischeRegierungdem Friedenswerk, das in Bern erfolgreich begonnen wurde, mitdiesen Maßnahmen Schwierigkeiten in den Weg gelegt.Die Benrer Konferenz hat Elsaß-Lothringen bekanntlich in denMittelpunkt ihrer Bestrebungen gestellt. Elsaß-Lothringen. das eingroßartiges Jnstrnment des Friedens sein könnte,wird heute durch die Schuld der Regierung mißbraucht als einBorwand zu feindseligem Mißtrauen und Mißverständnis.(LebhafterBeifall bei den Sozialdemokraten.)Unterstaatssekretär Mandel(mit lebhaftem Ahal links begrüßt):Die Interpellation war an den Reichskanzler gerichtet, der Ver«kreier der elsaß-lothringischen Regierung hattealso an sich keinen Anlast zu sprechen. Nachdem aber der Porrednermich so liebenswürdig gereizt hat und in der Debatte ver-schiedene tatsächliche Unrichtigkeiten vorgekommen sind, muß ich dochzur Richtigstellung daS Wort ergreifen. Daß in der Reichsgesetz-gebung ein Vorbehalt besonderer Art gegenüber Elsaß-Lothringengemacht wird, ist gar nichts so Ungeheuerliches, wie Herr E m m e lmeinte. Es ist z. B. auch im'Einführungsgesetz zur Gewerbe«ordnung geschehe«.— Der Verein der Fremdenlegionäre ist gewißseinerzeit mit den angeführten staturarischen Bestimmungen ge-gründet worden, aber im Laufe der Zeit haben sich die Leutebeikommen lassen, ob bewußt oder unbewußt, für die Fremdenlegionzu wirken.(Hört I hört! rechts. Lebhafre Zurufe links: Beweise!>Herr Emmel, Sie haben ja selbst im Landtag gesagt: Sie wolltennicht leugnen, daß die Leute mit ihrer Zugehörigkeit zur Fremden-legion renommiert haben.(Abg. Emmel: Jägerlatein!) Dieblauweitz- und rote Fahne hat allerdings dazu dienen sollen, d i edummen Schwaben, wie man dort sagt, zu ärgern.(Lachen links.) Der Vorsitzende des Vereins hat das selbst anerkannt,indem er jetzt das blau in grün verwandelt hat.(Große Heiterkeit.) Von-Ägsnes provocateur sind wir ganzfrei. In dieser Beziehung habe ich ein gutes Gewissen. DieMitglieder der lägus Airenne mögen gewiß keine bösen Gedankenbei ihrer Mitgliedichaft zu diesem französischen Luftschifferverein ge-habt haben, aber es mußte den Leuten doch zum Bewußtsein ge-bracht werden, daß sie als Deutsche nicht in einen Verein gehören,der die Enthaltung der französischen Luftmacht gerade gegenüberden deutschen Rüstungen im Spiel hat.(Zuruf bei den Sozial-demokraten.) Auch deutsche Offiziere gehören ihm an!) DerVerein Louvsrnr francais hat im Anfang allerdings nur die Auf-gäbe, die Toten von 1879/71 zu ehren, aber in kurzer Zeit ist darausein politischer Verein geworden, der die Sympathien der Lebendenfür Frankreich wachhalten und neue Sympathien erwecken wollte.Von dem Augenblick an war es unsere Pflicht, gegen den Verein ein-zuschreiten. Er hat sich dann aufgelöst von selbst, ohne daß wiretwa« gegen ihn unternommen hätten. Wir haben aber schriftlicheDokumente, daß ein neuer Verein lediglich eine Fortsetzung diesesSouvenir frarnjais ist. Und wenn dieser neue Verein vor einigenTagen vom Schöffengericht in Metz von der Anklage, ein politischerVerein zu sein, freigesprochen worden ist— nun, meineHerren, die Regierung wird durch ein Schöffen-gerichtsurteil in dieser Beziehung nicht nervös.>Hört I hört I bei den Sozialdemokralen.) Man hat dann vomZ i ck z a ck k u Qs, der elsaß- lothringischen Regierung gesprochen.Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind gewiß verschiedene Strömungenvorhanden gewesen; aber so lange der gegenwärtige Statthalter amRuder ist, ist von einem Zickzackkurs nicht die Rede, sondern dasBestreben ist kerzengrade darauf gerichtet, das Land dem Deutsch-tum zuzuführen, allerdings nicht mit einer gewaltsamen Ger-manisationspolitik, wohl aber durch eine unparteiische undgerechte Verwaltung. Das ist der einzig richtige Weg, umim Lande Ruhe und Frieden zu erhallen.(Zuruf b. d. Soz.: Und nichtAusnahmegesetze?) Man hat eine Deklaration desNationalismus vermißt. Der Nationalbund als solcher hatsich erst vor zwei Jahren zusammengetan. Sein Ziel ist es, alleParteien zu durchdringen, so daß die Elsaß-Lothringer eine komplkteMasse gegenüber den Eingewanderten bilden. Bei den Wahlen ister in der Hauptsache auf.den Krücken anderer Parteien in den Land-tag gekommen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten! Welcher Partei?)Sie verstehen mich schon.(Heiterkeit. Zurufe bei den Sozial-demokraten: Nein! nein!> Wäre auch nur eine stark nationalistischeMinderheit vorhanden gewesen, so wäre das ganze Verfaffungswerkwahrscheinlich vereitelt gewesen. DaS Volk von Elsaß-Lothringenhat sich aber auf sich selb st besonnen.(Lebhafte Zurufe beiden Sozialdemokraten: Na alsol) Die Nationalisten sind zwarparlamentarisch überwunden, haben aber eine großePresse und massenhaft Vereine für sich. Sie hoffen auf die nächstenWahlen und sind unterdessen ungemein rührig. Gewiß ist das Volkim großen und ganzen deutsch, der Bauer istdeutsch, der Handwerker ist deutsch, der Arbeiter istdeutsch. Aber nun kommt die B o u r g e o i s i e, der paffen dieneuen Verhältnisse nicht. Diese Leute haben vor ihren Vettern undnamentlichCousinen in Parismehr Respekt und mehr Angst als vor den Deutschen.(StürmischeHeiterkeit links.) Allerdings ist diese Schicht der Bourgeoisie ver-hältniSmäßig dünn, aber schon geht daS Gift dieser natio-nalistischen Agitation über auf die Kreise der wohlhabeadm Bauern,und wenn sie sich an die Jugend wendet, ist eS höchste Zeit, daßwir eingreifen. Leichten Herzens haben wir das nicht getan. Wirhaben den Sturm in den Kammern und im Reichstagvorhergesehen. Aber es war unsere Pflicht, rechtzeitig einzu-greifen. Es handelt sich um die akademische Jugend und die Jugendder Angestellten in Handel und Industrie. Wir bekämpfen rncht diefranzösische Sprache an sich, aber den Bildungsschwindel, der denLeuten weiß macht, daß zu den vornehmen Schichten nur gehört,wer französisch spricht. Lehnen Sie die Vorlage ab, so haben wirdas unsrige getan. Der deutsche Reichstag trägt dann die Ver-antwortung. Wenn es aber nicht anders geht, werden wir in einoder zwei Fahren wieder vor Sie hintreten müssen.Herr Hauß hat ein Wort des Fürsten Hohenlohe zitiert. Dieser warleine Kampf n'a tu r. Fürst Bismarck hat damals mit demPaßzwang zur rechten Zeit eingegriffen. Für daS sehr fteiheitlichedeutsche Reichsvereins- und Pretzgesetz ist Elsaß-Lothringen be-dauerlicherweise.n o ch nicht reif. Also, lehnen Sie unsere Maß-nahmen ab, so hat der Reichstag die Verantwortung.(Bravo!rechts.)Abg. Dr. Haas(Vp.): Alles was uns der Herr UnterstaaiS-sekretär vorgetragen hat, waren Kleinlichkeiten, Baga-teilen, derentwegen man doch keine Ausnahmegesetze macht.(Sehrrichtig! links.) Und hat denn überhaupt jemals in der Welt einAusnahmegesetz etwas genützt? Man kann geistige Be-strebungen nie durch Polizei bekämpfen. Undein Ausnahmegesetz gegen einen deutschen Bundesstaat wider-spricht noch dazu vollständig dem föderativen Charakter des Reichs.Nationalistisch gesinnt ist daS elsaß-lothringische Volk nicht, aber seineEigenart will es bewahren, und das ifl s e i n gutesRecht. Man darf nicht altpreußische Eigenart, die an � sich auchberechtigt ist, nach Elsaß-Lothringen verpflanzen wollen, so wenigwie nach Baden und Bayern. Die preußische Art zeigt sich ja nichtnur in der Regierung, in der Sozialdemokratie zeigt sie sich ebenso.Würde man einen.Vorwärts�-Redakteur in ein preußi-sches Landratsamt versetzen und einen preußischenLandrat in die.VorwärtS'-Redaktion. eS würdesich gar nichts ändern, es würde derselbe schroffe Ton bleiben(Große Heiterkeit), und wer nicht pariert, der fliegt. Wir Süd-d e u l s ch e sind anders, wir sind gemüllicher. Die Elsässer fühlensich in ihrer Art als Deutsche, und sind auch wirtschaftlick, engmit Deutschland verbunden. Durch die elsässische Regierung ist jetziwieder zum Teil daS Gute verdorben worden, was in Berngeschaffen worden ist. Wir wünschen, daß es vorwärts geht aufdem Boden der Freiheit und des gleichen Rechts.(Bravo! bei derVolkspartei.)Abg. Peirotes(Soz.):Es handelt sich hier bei der Besprechung der Vorlage um einnoch ungeborenes Kind, also gewissermaßen um ein Ver-brechen gegen keimendes Leben. Herr UnterstaatssekretärMandel hat die Jämmerlichkeil der Begründung der Vorlagedurch seine Rede noch zu übertreffen gesucht, wenndas überhaupt möglich gewesen wäre. Er sagte, es existieren inElsaß-Lothringen noch andere Ausnahmegesetze, er hat nicht dasgeringste Verständnis dafür, daß wir uns dagegen wenden. Fürdie Notwendigkeit der Aenderung de« Preßgesetzes beruft er sich alsKronzeugen auf den Landesausschuß, mit dem die Regierung selbstnichr auskommen konnte. Gegenüber meinem Freunde Emmelerklärt der Unterstaatssekretär Mandel den Verein der Fremden-legionäre für außerordentlich gefährlich. Den Beweis dafür ist erschuldig geblieben. Aber wenn man Anklagen erhebt, muß manauch Beweise für die Schuld des Angeklagten beibringen.(Sehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.)Die Ausrede von der jetzt grün gewordenen Fahne mutetetwas kindlich an— wenn sich die.dummen Schwaben'darüber ärgern, geschieht ihnen recht. Diese süddeutsche Regierunghat leider gar keinen Sinn für Humor. Ein kaiserlichesGericht erklärt den„Souvenir alsacien-lorraine'' für einen keines«wegs politischen Verein— der Unterstaatss ekretär erklärt ihn trotzdieser moralischen Ohrfeige für politisch! Manhofft wohl, aus der hier angekündigten Berufung ein besseres Urteil'herauszuholen!Grundfalsch ist die Auffassung, als wäre der Nationalismusimmer schon dagewesen, bald stärker, bald schwächer. Der Ratio-naliSmus ist zurückzuführen in seiner jetzigen Form darauf, daßElsaß-Lothringen bei der Verfassungsgesetzgebung zu wenigFreiheit erhielt, nicht das bekam, was es verlangte. DieNationalisten sind Leute, diepolitisch verkrachtwaren und sich nun dieser Idee bemächtigten. Sie sind aber bei denWahlen schwer unterlegen.Ich kann es der Bourgeoisie nicht verdenken, wenn sie vor denCousinen in Paris mehr Respekt hat, als vor unsererRe-gierung— das liegt aber an dieser.(Heiterkeil.)Gibt denn das Strafgesetzbuch nicht reichlich genug Mittel gegenPreßübergriffe und wird nicht ebenso oft wie die deutschen durchelsässische Blätter das Elsäsiervolk durch altdeutsche Blätter beleidigt.Hat nicht ein solches Blatt bei der Gravenstadener Affäre alleElsässer Gesindel genannt, das auswandern soll.?(Hört! hört I)Herr Mandel fürchtet besonders die Beeinflussung der Jugend.Aber sie lernt kaum noch französisch und in vielen Werken müssenSchweizer und Luxemburger angestellt werden, weil unserejungen Leute überhaupt oft nicht mehr genügend französisch können.Die weitere Behauptung von einer allumfassenden Agitation derNationalisten ist vollkommen falsch. Das hat sich bei denLandtagswahlen und seitdem immer deutlicher gezeigt. DieArgumente des Unterstaatssekretärs sind also durchaus nicht st ich-haltig. Man beruft sich auf die Preßunterdrückung in Frankreich.Freiheitliche Gesetze aus Frankreich führt man bei uns nicht an.Ueberdies ist das ftanzösische Gesetz fast nie angewendet undrichtet sich gegen Ausländer und nicht gegen Staatsangehörige;dazu kommt, daß das französische Ministerium dem Parlament ver»anlwortlich ist, und ein Ministerium, das ein solches Ausnahme-gesetz mißbräuchlich anwenden wollte, würde von der Entrüstungdes Volkes weggeschwemmt werden wie eine Eierschalevon einer Meereswoge.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.)Ueberlassen Sie die Nationalisten ruhig den Parteien in Elsaß«Lothringen. Bei den Wahlen haben sie bewiesen, daß sie mit demNationalbund sehr gut fertig werden.— Die elsaß-lothringische Ver-fassung ist hier sehr überschätzt worden. Gewiß, wir haben jetzteine Volksvertretung und ein bessere« Wahlrecht, aber der seit49 Jahren verlangten Autonomie ist die elsaß-lothringische Be-völkerung nicht näher gekommen. Die letzte Entscheidung fällt dochimmer bei der Zentrale in Berlin. Wenn das elsaß-loth-ringische Volk dem Deutschtum zugeführt werden soll, müssen ganzandere Wege gegangen werden. Es müßten für die große Mehrheitdes Volkeserträgliche soziale Berhältniffe und größere politische Freiheitengeschaffen werden. Welche Not und welche» Elend herrscht nochin den Vogeientälern infolge der Zoll- und Steuerpolitik desDeutschen Reichs. Ueberall werden wir zugunsten anderer Bundes-staaten zu den Lasten des Reichs herangezogen. Zum Ausbauunseres K a n a l n e tz e s hat das Sierch keinen Pfennig gegeben.Wir sind wohl durch Kanäle mit Fraukreich verbunden: diese habenaber keinen Anschluß nach Deutschland. Die elsaß-lothringische Frageist nicht ein Problem des Nationalismus, sondern ein Problemder Demokratie. Es fehlt Elsaß-Lothringen eine r e p u-b l i k a n i s ch e Verfassung, die ihnen erlaubt. sich selbstfreiheitlich zu regieren. Statt dessen versucht man jetzt dieVerfassung von 1911 zurückzurevidieren. Wir begrüßen die In»diskretion, die es uns ermöglicht hat, diese Dinge hier zur Sprachezu bringen. Der betreffende Beamte hat sich erwiesen als Teil vonjener Kraft, die stets da- Böse will, und doch das Guteschafft.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Damit schließt die Besprechung. Did Tagesordnung ist er-schöpft.Nächste Sitzung: Montag, d e-n 9. Junr, nachmittags3 Uhr.(Kleine Vorlagen, Wahlprüfungen, dritte Lesung des Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetzes.)Schluß 4'/, Uhr.__Hus der partei.Der konfiszierte Engels.Der Wiener Staatsanwalt hat die wissenschaftlich? MonatS»schrift unserer Partei,„Der Kamp f", wegen eines Artikels vonFriedrich Engels konfisziert, der vor 6S Jahren geschrieben ist. DerArtikel ist betitelt:„Der Anfang vom Ende Oesterreichs' unduntersucht den Zusammenhang zwischen den politischen Verhältnissenauf dem Balkan und der Standfestigkeit der HabsburgischenMonarchie. Diese empörende Konfiskation, die um so aufreizenderwirken muß, als der„Kampf' bisher noch nie konfisziert wurde,als in der letzten Zeit immerfort im Parlament die schärfsten Klagenvon allen Parteien über das finnlose Wüten der Zensur erhobenwerden, ist rasch wieder repariert worden, indem GenosseDr. Renner den konfiszierten Arfikel als Interpellation im Ab-geordnetenhaus eingebracht bat.Das Kopfblatt für das Begcsackcr Industriegebiet.Vom Vorsitzenden des Kreiswahlvereins des 18. hannoverschenReichstagswahlkreises wird uns geschrieben:Der„Vorwärts' brachte vor einigen Tagen einen kurzen Aus-zug aus dem Jahresbericht des sozialdemokratischen VereinsBremen. Es wurde berichtet, daß zum 1. Oktober d. I. für dasVegesacker Industriegebiet, das jetzt 1546 Abonnenten stelle, dieSchaffung eines Kopfblattes der„Bremer Bürger-Zeitung' geplantsei. Die für das Kopfblatt in Betracht kommende Abonnentenzahlist natürlich höher als angegeben, sie beträgt heute schon annähernd2599 und dürfte mit der Herausgabe de« Kopfblattes auf zirka3999 Abonnenten gebracht werden. Das Kopfblatt ist nicht alleinfür da« Vegesacker Industriegebiet, sondern für den 18. Hannover-schen Reichstagswahlkreis bestimmt. In den Kreisen Blumenthalund Osterholz, die als eigentliches Verbreitungsgebiet für das neueKopfblatt in Frage kommen, sind zurzeit 7999 Gewerkschaftsmit-glieder und 2899 Parteimitglieder vorhanden. Die Zghl der Mit-glieder der Partei und der Abonnenten des Parteiorgans kann alsonoch bedeutend vermehrt werden.WafferstandS-Stachrichtender Landesanstalt für Gewässeriunde, mitgeteilt vom Berliner Wetterbureau»)-f bedeutet Wuchs,— Fall.— 0 NntevPegA.