11U3130. Mimt- 2. Keilage des.Fomörts" Kerliller MldsdiRNirtichaMichei' Aocheoberlcht.St. Louis- und San Francisco-Bahn.Es gehört bekanntlich mit zu den Aufgaben des„nationalen"Kapitals, ausländische Unternehmungen und Körperschaften finanziellunterstützen. Bringt die Beteiligung für den deutschen Kapitalistenreichlichen Profit, so gilt das als ein Erfolg der heimischen Bolls-Wirtschaft, und je nach der Höhe der Dividenden und sonstigen Ein-künfte steigt das Lob der Bankhäuser, die den deutschen Einfluyim Auslande mehrten. Wehe aber den Banken, die ausländischeWertpapiere einführten, deren Kurse infolge irgendwelcher Gründesinken I So verfielen in der vergangenen Woche der Mißbilligungder Finanzpresse die Berliner Handelsgesellschaft und die DeutscheBank, die vor wenigen Jahren Bonds(Schuldverpflichtungen) derSt. Louis- und San Francisco-Eisenbahngesell-s ch a f t in Teutschland einführten. Die Enttäuschung der Besitzerdieser Bonds ist allerdings nicht gering. Im vergangenen Jahrewurden fünfprozentige Bonds der Gesellschaft an der BerlinerBörse zu 89 notiert. In der vergangenen Woche handelte man siezu S8zh Proz., während sie zu Anfang des Monats Mai noch auf79� standen. Die vierprozentigen BondS erlebten einen Sturz vonS2Yi im Vorjahre auf 68 am vergangenen Mittwoch, gegen 73�am Anfang Mai.Die Ursachen des starken Kursrückgangs der St. Louis-Bondsfind in Zahlungsschwierigkeiten der amerikanischen Gesellschaft zusuchen. Schon vor mehreren Jahren war die Gesellschaft in finan-zielle Verlegenheiten geraten, so daß man fürchtete, sie würde dieZinsenzahlung für die angegebenen Schuldverpflichtungen einstellen.Durch rasche Ausdehnung, Aufnahme verschiedener anderer Linienund Erweiterung des Anleihemarktes suchte sie der Klemme zu ent-geben. Zu einer Gesundung kam es trotzdem nicht. In den letztenJahren haben nur die Vorzugsaktien ersten Ranges Dividenden er-halten? die Vorzugsaktien zweiter Gattung haben in den letztenvier Jahren und die Stammaktien seit 1896 überhaupt nicht ander Dividendenzahlung teilgenommen. Am größten waren dieSchwierigkeiten im Jahre 1907/08, der Zeit teuerer Geldpreise.Auch die gegenwärtige finanzielle Bedrängnis ist auf die durch all-gemeine Geldknappheit verursachte Unmöglichkeit zurückzuführen,Kapitalien zu beschaffen. Da die Gesellschaft nicht am 1. Juni2� Millionen Dollar kurzfristiger Noten einlösen kann, ist aufAntrag einer Hauptgläubigerin die Zwangsverwaltung über dieGesellschaft verhängt worden. Die relativ kleine Schuldsummebildet dabei nur den äußeren Anlaß für den Konkurs. In dennächsten Monaten würde die Bahn vor neuen Schwierigkeiten stehen.Die Maßnahme, die die Gesellschaft aus der früheren Un-rentabilität befreien sollte, hat sie gerade von neuem verstrickt: dieangegliederten Linien weisen schlechte Ergebnisse auf. Im laufendenBetriebsjahr hat die Stammlinie noch einigermaßen günstig ab-geschnitten. Einzelne Tochterunternehmungen dagegen, für die vonder St. Louis Dividendengarantien übernommen worden sind, hattengroße Ausfälle. Die Ueberfchüsse mußten daher zur Dividenden-Zahlung für die Zweiggesellschaften verwandt werden. Als solchenennt man die Chicago Eastern and JllinoiSbahn und deren Tochter.gesellfchaften New Orleans-, Texas- und Mexikobahn. Für dieChicago Eastern and JllinoiSbahn ist denn auch der ZwangSver-Walter eingesetzt worden.Die vielfach« Jneinanderschachtelung von Bahngesellschaften zuschwer durchsichtigen Konzernen ist«ine Eigentümlichkeit des nord-amerikanischen Eisenbahnwesens, dem staatliche Bahnen fremd sind.Die vielfache Konkurrenz durch andere Privatlinien zwingtbei der ungeheuren Schädigung, die durch diese' Kon-kurrenz hervorgerufen werden kann, zu immer neuenFusionen, die nie zum Stillstand kommen. So entstehenganze Eisenbahnshsteme, die durch die Kapitalien großer Finanzie-rungSgesellschaften zusammengehalten werden. Die St. Louis, undSan Francisco-Bahn gehört dem Rock Island- Softem an.Das Haupt dieses Systems ist die Rock JSland-Gesellschaft mit 138Millionen Dollar Kapital. Sie ist eine reine Finanzgesellschaft,die sämtliche Aktien einer zweiten reinen finanziellen Kontroll-gesellschaft, der Chicago, Rock Island and Pacific R a i l r o a d(148 Millionen Dollar Kapital) besitzt. Von der Chicago Railroadsind nun zwei große Bahnkonzerne abhängig, deren Stammgesell.schaften die St. Louis und San Francisco und die Chicago, RockIsland and Pacific R a i l w a h darstellen. Von der St. Louis sindnun weitere 13 Eisenbahngesellschasten direkt oder indirekt abhängig,während der Chicago Railway 14'Gesellschaften angegliedert sind.Seit 1896 hat sich dadurch das Eisenbahnnetz der St. LouiS-Gesell-schaft versechsfacht; es umfaßt heute etwa 6000 Kilometer. Finanziellhat diese reichliche Angliederung die Gesellschaft stark„verwässert".DaS Aktienkapital von 50 Millionen Dollar teilt sich in Vorzugs-und Stammaktien. Aber nur die Vorzugsaktien erster Ordnung inHöhe von 5 Millionen Dollar haben seit 1896 regelmäßig ihreGarantiedividende von 4 Proz. erhalten. Die übrigen 45 Millionenin den letzten Jahren völlig dividendenloser Aktien repräsentierenkeinen großen Wert mehr. Zu diesen Passiven gesellt sich aber nocheine ungeheure Obligationenschuld von über 300 Millionen Dollar.Von den Bonds werden an deutschen Börsen(Berlin undFrankfurt) 68,6 Millionen Dollar vierprozentiger Anleihe und 42,6Millionen Dollar fünfprozentiger Anleihe gehandelt. Tie fünf-prozentigen Bonds wurden von der Deutschen Bank und LazarSpeyer-Elissen(Frankfurt) im Januar 1910 zu 90 Proz. und imJanuar 1911 zu 88 Proz. ausgegeben. In diesem niedrigen Kurs.der einer rellen Verzinsung von O4/,, Proz. entspricht, liegt nunschon ein gewisser Hinweis, daß der Besitz der Papiere mit großemRisiko verknüpft ist. Sichere, festverzinsliche Anlagen müssen sichmit geringeren Prozenten begnügen. Aber es entbehrt nicht einergewissen Gemütsnaivität, wenn die Emissionshäuser(Deutsche BankunbSpeyer) jetzt zur Entschuldigung für ihre frühereAnpreisung derWerte auf diese hohe Verzinsung hinweisen, in der ein Warnungs-zeichen gelegen hätte. Bei der Ankündigung mußte doch aber geradeder hohe ZinS als besonderes Lockmittel herhalten!Als Rettungsaktion für die Besitzer von BondS haben sich dieRew Dorker Emissionshäuser erboten, die am 1. November fälligenCouponS zu bevorschussen, falls die Bonds bei ihnen deponiertwerden. Auf Grund der ihnen zeitweilig überlassenen BondS wer-den die Banken natürlich die Reorganisation so regeln, daß ihreInteressen in erster Linie bedacht werden. Wahrscheinlich werdenfie in kurzem Prospekte herausgeben, die für Uebernahme neuerBondS wiederum hohe Rentabilität versprechen.Krofter Slllldestag des Arbetter-Kadfahrerbnudes„Freiheit".An den beiden Pfingstfeiertagen tagte im GewerkschastShauSj M Mannheim der fünfte Bundestag des Arbeiter-RadfahrerbundeS�Freiheit". Die öffentlich geführten Verhandlungen begannen amSonntag, den 11. Mai, vormittags 10 Uhr. Genosse H o f m a n nhieß die Versammlung im Namen der Ortsmitgliedschaften herzlichwillkommen. Der Bundesvorsitzende, Genosse L i e h r, eröffneteim Namen des Bundes die Verhandlungen und beleuchtete in län-gcren Ausführungen das bisherige günstige Fortschreiten desBundes, trotzdem oft schwierige Verhältnisse zu überwinden waren.Als Leiter der Verhandlungen wurden die Genossen HermannGroß- Berlin und Ludwig H o f m a n n- Mannheim gewählt.Hierauf trat man in die Tagesordnung ein, die folgende Punkteaufwies: 1. Bericht des Vorstandes, 2. Kassenbericht, 3. Berichtder Beschwcrdekommission, 4. Presse, 5. Anträge, 6. Neuwahl. Zumersten Punkt der Tagesordnung führte der Bundesvorsitzende Gc-nossc Liehr aus, daß der Bund seit dem Jahre 1911 von 84 auf87 Vereine angewachsen sei. In zirka 80 Sitzungen seien die An-gelcgenheitcn, welche vorlagen, erledigt worden. In den beidenvorhergehenden Geschäftsjahren seien 2600 Post-Ein- und Ausgängezu verzeichnen, eine Arbeit, die von einer Person e h r e n a m t-l i ch ausgeführt wurde.— Bei der Diskussion über den Geschäfts-bericht wird dem Genossen B a u m a n n in der Klagesache, welcheder Bundesvorsitzende Karl Fischer und der Redakteur MartinL a b b e, Lffenbach, vom Bunde„Solidarität" gegen ihnangestrengt haben, Rechtsschutz gewährt. Desgleichen wird demGenossen Adermann in seiner Klagcsache gegen P r e u ß nach-träglich Rechtsschutz zugebilligt.Am zweiten Verhandlungstage erstattete Genosse Liehr denKassenbericht für die Zeit vom 22. Mai 1911 bis 30. April 1913.Danach betrug die Einnahme 19 778,90 M., die Ausgabe 13 896,73Mark, so daß ein Bestand von 5832,17 M verbleibt. Es sind unteranderem ausgezahlt worden an Sterbegeld 1534 M., llnsalluntcr-stützung 2679 M.. für Agitation 1752 M.. für Rechtsschutz 912 M.Der Verein hat beim Gewerkschaftshaus in Breslau ein Guthabenvon 1000 M.Nach Entlastung dcS Gesamtvorstandes gab Genosse Kirchnerden Bericht der Presse, den der Expedient des Organs, GenosseSiegmund, ergänzte.Beim Punkt Statutenänderung wurde eine Verbesserungbeschlossen, indem die Unfallunterstützung nach dem viertenJahre der Mitgliedschaft auf 1,75 M pro Arbeitstag oder 10,50 M.pro Woche festgesetzt wurde. Ferner wurde dem Bunde ein S y n-d i k u s bewilligt, welcher gegen Vorzeigung einer vom Bund aus-gestellten Legitimation in allen Rechtsfragen unentgelt-lich Auskunft erteilt.Beim Punkt„Neuwahl" wird d�r Genosse Liehr einstimmigwiedergewählt, wohingegen die Wahl des Redakteurs dem Bundes-vorstand überlassen wurde.Die Bannerweike und das zehnjährige Stif-t u n g s f e st des A. R.-V.„Freiheit" in den Räumen des„Kolosseums" vereinigte die Genossen noch recht lange undgab so dem Bundestage einen würdigen Abschluß.Soziales.E>« siebenjähriger Krieg um die Sonntagsruhe.In Halle(Saale) ist in diesen Tagen ein erbitterter und langerKampf um die Erweiterung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbemit einem geringen Erfolge zu Ende geführt worden.Seit dem Jahre 1906 drängen die Handlungsgehilfen unterFührung des Zentralverbandes ständig auf eine Verbesserung derSonntagsruhe. Ihre Forderung wurde 1906 mit dem Hinweis ab-gelehnt, daß eine ortsstatutarische Rögelung überflüssig sei, da jadie reichsgesetzliche Regelung nahe bevorstehe. Als dann im Jahre1908 der Zentralverband in den Monaten Mai, September undNovember in mehreren öffentlichen Versammlungen und durchFlugblätter, die mit Hilfe der sozialdemokratischen Organisationverbreitet wurden, die Sonntagsruhe erneut propagierte und eineEingabe an die Stadtverordnetenversammlung richtete, wurde auchdiese von den liberalen Stadtvätern mit dem Hinweis auf dienahe bevorstehende reichsgesetzliche Regelung zurückgewiesen. DerBescheid stützte sich auch auf ein Gutachten der unter liberalerLeitung stehenden Handelskammer. Die Kammer hatte eine Um-frage bei den Geschäftsleuten veranstaltet, bei der sich heraus-stellte, daß 60 Proz. der Geschäftsinhaber eine Erweiterung derSonntagsruhe wünschten. Trotzdem erklärte die Handelskammer,sie könnte„eine ortsstatutarische Regelung der Sonntagsruheweder für Kontore, noch für Verkaufsstellen befürworten". Di«famose Begründung enthielt unter anderem folgende tiefsinnigeBemerkung:„Tie Arbeiter würden bei aufgehobener oder gekürzterArbeitszeit dazu gedrängt werden, an den Sonnabenden einenfrüheren Schluß der Arbeitszeit zu fordern, um ihre Einkäufe be-sorgen zu können. Das jedoch noch zu gewähren, sei für unsereIndustrie weder wohlhabend noch im Wettbewerb überlegen genug".Jahr für Jahr wiederholten die Handlungsgehilfen ihre Peti-tionen und Jahr für Jahr erfolgte stets die Abweisung mit derBemerkung: die reichsgesetzliche Regelung stände nahe bevor. Auchnational« Vereine wurden mit einer gleichen Antwort abgespeist.Endlich im Herbst 1911 wurde eine gemeinsame Eingabe desTransportarbeiterverbandes, des Zentralverbandes der HandlungS-gehilfen, des Gewerkschaftskartells und eine Eingabe des HalleschenBürgervereins auf Erweiterung der Sonntagsruhe dem Magistratzur Berücksichtigung überwiesen. Ein Gutachten der Kaufmanns-gerichtsbcisitzcr, die sich mit großer Mehrheit für völlige Sonntags-ruhe aussprachen, zwang jetzt auch den Magistrat wenigstens einenSchritt vorwärts zu tun. Nach einem Jahr, also nach 6jährigemDrängen, hatte er endlich eine Vorlage fertig, die im ollgemeineneine Verkürzung der Arbeitszeit von 5 auf 2 Stunden vorsah.Gegen diese Vorlag« liefen nun wieder die scharfmacherischeHandelskammer und 20„erste Firmen" Sturm. Der Führer derFortschrittler in Halle, der sogenannte Telegramm-Herzfcld, brachtees fertig, daß unter seiner Leitung die liberale Mehrheit der Stadt-verordnetenversammlung in einer stürmischen Sitzung die Bcr-tagnng der Angelegenheit bis zur„nahe bevorstehenden" rcichS-gesetzlichen Regelung beschloß. Da die erst« Abstimmung nicht sofortdies Resultat ergab, wurde fie angefochten. Durch plötzliches Er-scheinen einiger Rechtsanwälte, darunter der nationalliberale Land-tagsabgeordnete Dr. Keil, wurde dann bei der zweiten Abstimmungeine Mehrheit für den reaktionären Beschlutz zustande gebracht.Die nach diesen aufreizenden Vorkommnissen einsetzende heftig«Erregung in der Geschäftswelt nutzte der Zcntralverband derHandlungsgehilfen, unterstützt von der Partei und dem GeWerk-fchaftskartell, geschickt dazu aus. um nach und nach mit etwa500 Halleschen Firmen eine Vereinbarung über die freiwillige Ver-kürzung der Sonntagsarbeitszeit aus zwei Stunden durchzudrücken.Die Agitation für diese jetzt noch bestehende Abmachung und dievon den Gewerkschaften durchgeführte Kontrolle brachten den„erstenFirmen" und ihren liberalen Wortführern die Ueberzeugung bei,daß es keinen Ausweg mehr gab. Nun beantragte nach einererneuten Petition des Zentralverbandes im Januar d. I. Tele-gramm-Herzfeld und der liberale Reichstagskandidat für Halle,Pfautsch, die erneute Vorlage, eines OrtSstatuts. Bis zum Aprildauerte es dann noch, bis der Magistrat feine fertig daliegendeVorlage wieder einbrachte. Ein Versuch, die Sache wieder biszur„reichsgeseblichen Regelung" zu vertagen, gelang diesmal nicht.DaS Statut, das eine zweistündige Beschäftigungszeit an den Sonn-tagen vorsieht, fand jetzt endlich nach 7 Jähren schwerer Kämpfeeine Mehrheit. ES enthält gegenüber der vom Zentralverbandder Handlungsgehilfen mit Hilfe der Organisationen durchgesetzten„freiwilligen" Abmachung mit den 500 Geschäftsinhabern keinewesentliche Verbesserung. Was in der Tat durch die gewerkschast-lich« Macht bereits durchgeführt war, wurde imt nur kleinenAendrnmgen in Gesetzesform gekleidet. Ab«? per siebenjährigeKrieg der Fortschrittler gegen den Fortschritt war damit keiner-Wegs zu Ende. Einige von ihnen wurden bei dem Bezirksausschußin Merseburg vorstellig, damit dieser die Genehmigung versage.In der Stadtverordnetenversammlung dieser Woche lief noch-mals der Telegramm-Herzfeld Sturm für Verschlechterung deüOrtsstatuts. Ihm sekundierte Sanitätsrat Dr. Herzau, General-fckrctär des deutschen Aerztevereins. Er meinte, für die Handel?-angestellten sei der Sonntagnachmittag zur Erholung ausreichcno.Die rückschrittlichen Fortschrittler fanden diesmal keine Mehr-heit. Sie wollen darum nochmals versuchen, aus den Bezirksaus-schuß in Merseburg einzuwirken. Man darf hoffen, daß die jun-kerlich-agrarische Merseburger Regierung sich von den sonderbarenHallefchen Fortschrittlern nicht zu einer sozialen Vergewaltcgungan der Gesundheit der Handelsangestellten nötigen läßt. �Erfreulichist, daß die mit großer Energie durchgeführte„freiwillige" Regelungder Sonntagsruhe dem Zentralverbano in den Kreisen der Hand-lungsgehilfen einen wesentlichen Mitgliederzuwachs gebracht hat.Auch für die politische Aufklärung der Handlungsgehilfen konnteder siebenjährige Krieg in großen und gut besuchten Versammlungender Angestellten gebührerib ausgenutzt werden.Unfall auf dem Heimwege von der Arbeit.Gewerbliche Arbeiter erhalten in der Regel keine Unfallrenie.wenn sie auf dem Wege von und zu der Arbeitsstelle einen Unfallerleiden. Anders kann dies bei der Landwirtschaft sein, wie unsnachstehender Fall beweist:Die Frau eines Fabrikarbeiters zu Bad Orb kam abends vomFelde heim und trug eine Hacke auf der Schulter. Mit der freienHand half sie einen Kinderwagen drücken, in welchem sich Futterfiir ihre Ziegen befand. Auf dem grünen Klee hatte ihr KindPlatz genommen. Da kam ein scheu gewordene Kuh des Wegesgelaufen und fiel die Frau beim Ausweichen in einen tiefenGraben. Die Aerzte stellten eine schwere Gehirnerschütterung festund verlangte dann später die Verletzte Rente von der landwirt-schaftlichen Berufsgenossenschast. Da kam sie aber schön an. Eswurde ihr zum Bescheid, daß ja gar kein landwirtschaftlicher �Bc-triebs-unfall vorlieg-e, denn sie sei cnf dem Heimwege vom Feldgefallen und habe sich daher„nicht mehr im Banne des versichertenBetriebes befunden". Hiergegen! erhob die Verletzte Berufungund führte aus, daß doch ein Betriebsunfall vorliege, da sie eil,-Hacke auf der Schulter getragen habe, also ein landwirtschaftlichesGerät und einen Wogen mit Viehfutter transportieren half. Eswurden Augenzeugen vernommen, welche unter Eid aussagten, daßdie verletzte Frau sich wohl auf dem Heimwege vom Felde bc-funden habe, sie habe aber eine schwere Hacke, getragen, welchezum Kartoffelhacken benutzt wurde und einen von ihrer Schwestergezogenen Wogen schieben helfen,„der mit Gros zum Futternder Ziegen beladen gewesen sei und auf dem ihr Kind gesessenhabe". Die Zeugen schilderten auch den Vorfall genau so, wiedie Verletzte zu Protokoll gegeben hatte. Der behandelnde Arztsagte aus, daß eine Erwerbsbeschränkung von 15 Proz. noch vor-handen sei. da neben verschiedener Narben eine Schmerzhaftigkeitbei sehr gelindem Druck auf den linken oberen Augenhöhlenrandbestehe und das Sehvermögen herabgesetzt, zumal eine Gehirn-erschütterung festgestellt worden sei. Wohl seien die Beschwerdendurch eine vorausgegangene Schwangerschaft vermehrt worden,hätten aber ihre Ursache im Unfall gehabt.Das Schiedsgericht verurteilte hierauf die Berufsgenossenschafttrotz allen Sträubens zur Zahlung einer Rente von 15 Proz.Diese beträgt aber bei den elenden Lohnverhältnissen nur 36 M.pro Jahr. Denn im Kreise Gelnhausen beträgt der ortsüblich«Tagelohn-Jahresverdienst landwirtschaftlicher Arbeiter, wonach iabekanntlich die Unfallrentcn der Kleinbauern und deren Angehörigenfestgesetzt werden, nur 360 M. für erwachsene weibliche Personen.Personen.Im Urteile wird ausgeführt, daß nach der Beweisaufnahmeein Betriebsunfall vorliege und die Verletzte zur Zeit de» Unfallsnoch im landwirtschaftlichen Betriebe tätig war. Denn sie warbeschäftigt mit dem Transport ein«? landwirtschaflichen Gerätes,der zum Kartoffelhacken benutzten Hacke und mit dem Heimfahrenvon Gras, da? nach der Heimkehr alsbald als Viehfutter verwendetwerden sollte._ a.Zum Angestelltenelenb.Folgende Anzeige in der„Dorfzeitung" Hildburghausen illu-striert die soziale Lage der Privatangestellten, deS, neuen Mittel-standes", wie er so gern von bürgerlicher Seite genannt wird:Kaufmann, 73 Jahre alt,25 Jahre bei der Firma Richter u. Co.. Rudolstadt,als Hauptkassierer, Bureau» und MusikabteilungS-vorstand, auch Uebersee tätig gewesen(Einrichtung derFiliale New Uork), mit Prima-Zeugnissen, infolge Be-triebSeinschränkung ohne Pension entlassen, sucht neueStellung. Suchender ist der französischen und eng-lischen Sprache in Wort und Schrift, auch literarischdurchaus mächtig, auch mit den romanischen Sprachen. und den Exportverhältnissen vertraut. Gefl. Offertenan L. B. Drugulin, Rudolstadt i. Th., erbeten.Also hinausgeworfen und dem Elend preisgegeben,, nachdemder Angestellte 25 Jahre seine ganze Kraft in den Dienst einesUnternehmens gestellt und dort eine führende Stellung eingenommenhatte. Nicht als ob daS für uns besonders verwunderlich wäre.Aber gerade für jene Angestellten, die immer glauben, daß sie in-folge ihrer gehobenen Stellung die gewerkschaftliche Organisationnicht nötig hätten, mag dieses Inserat eine Mahnung sein. Hierzeigt sich die Interessengemeinschaft vor« Unternehmertum und An-gestellen einmal in schönstem Lichte. Und diese Fäll«, stehen keines-weg§ vereinzelt da, wenn man die Angestellten nicht direkt brotlosmachen will, um wenigstens den guten Ruf nach außen zu wahren— die Steinbaukästenfabrik Richter u. Co. scheint aber hieraufkeinen Wert zu legen—, dann greift man zu dem bekannten Mittelder Gehaltsreduktion. Mit Gehältern von 75— 100 M. müssen dannergraute Familienväter, wohlgemerkt in sauberer Kleidung undmit sauberem Stehkragen die StandeSehre aufrechterhalten, umzu Hause mit der Familie zu hungern.Aber auch hier wird eS nicht eher besser werden, bis die Ange-stellten sich zu dem aufgerafft haben, wozu sich die denkenden Arbeiterschon seit Jahrzehnten bekennen, zu einer machtvollen gewerkschast-liehen Organisation. fDiagnose der Epilepsie.'Ausländische. Forscher haben die Beobachtung gemacht, daß beiKrampfansällen der Epilepsie(der Fallsucht), eine starke Ver-Mehrung der weißen Blutkörperchen, eine, wie die wissenschaftlicheBezeichnung dafür lautet, Leukocytose auftritt. Der StettinerOberarzt Dr. P. Jödicke hat diese Beobachtung nachgeprüft undhält sie für durchaus zutreffend. In der„Münchener medizinischenWochenschrift" ist über diese Entdeckung berichtet. Ein Teil derbürgerlichen Presse zieht aus ihr eine etwas vorschnelle praktischeNutzanwendung hinsichtlich der„Rentenerschleichung durch Simu-lation". Die Entdeckung, meint sie, beanspruche ein weit über dieFachkreise hinausgehendes Interesse, da sie nicht nur die Diagnoseerleichtere, sondern auch„für Unsallgutachten und gerichtlich-medi-zinische Fälle von Bedeutung sei". Zur Erlangung einer kleinenUnfallrente, zur Befreiung vom Militärdienst und zur Erreichungmildernder Umstände(§ 51 St.G.B.) werden epileptische Krämpfeoft mit Virtuosität simuliert, eine Leukocytose läßt sich jedoch nichtsimulieren. Mit Hilfe der Blutuntersuchung dürfte die Entlarvung'von Himulantm viel leichter sein als früher..