gleichen stattfinden werde, wozu alle Kinder erscheinen sollten. In der vergangenen Woche ging man nun einen Schritt weiter und forderte von den Kindern, daß sie für das„Kinderfest" 10 Pf. als Eintrittsgeld mitbringen sollten, für die Eltern und sonstige er- wachsen« Personen wurde der Preis auf 20 Pf. festgesetzt. Auch jetzt konnten die Kinder auf die Frage, um was für ein Fest es sich handele, keine Auskunft geben, da immer nur von einem„Kinderfest",.Schulfest" usw. gesprochen worden war. Viele Eltern ließen sich nun durch die Bitten der Kinder bewegen, einen Obolus zu opfern, andere gaben auch noch Geld mit, um selbst an diesem Kinderfest teilzunehmen. Wie groß war jedoch das Erstaunen, als die Kinder folgende Eintrittskarte mitbrachten: Kindlbrauerei-Ausfchank, Hermannstrahe 214— 21S. Eintrittskarte für Kinder zur Feier des 23 jährigen Regierungsjubiläums S r. Majestät. Veranstaltet von den kirchlichen Vereinen im Genezarethbezirk am Mittwoch, den 4. Juni 1S13. Anfang 4 Uhr. Eintritt 10 Pf. Die Empörung der Eltern war natürlich nicht gering, daß ihnen auf diese Weise das Geld aus der Tasche geholt wurde, um so mehr, da nun bekannt wurde, daß die Kinder sich auf diesem Fest zumeist ganz allein überlassen sind und die Lehrer keine Aufficht übernehmen. Von einem Vater wird uns mitgeteilt, daß er das Geld nunmehr zurückverlangte, daß aber seinem Jungen mitgeteilt wurde, er solle nur hingehen, daS Fest werde sehr schön; wenn er aber nicht hiw gehen wolle, so möge er daS Billett einem anderen Kinde verkaufen. Da nun aber in der beireffenden Klaffe fast alle Kinder ungewollt in den Besitz dieser BillettS gekommen waren, so mußte der Vater wohl oder übel das Billett behalten. Hier kann wohl die Frage aufgeworfen werden: Mit welchem Rechte kann man die Eltern nötigen, den Vertrieb von BillettS zu übernehmen, die ihnen auf diese Weise wider Willen aufgedrängt worden sind? Von einem anderen Vater wird uns zum gleichen„Kinderfest' mitgeteilt, daß der betr. Lehrer den Kindern genau erläutert habe, daß seitens der Kirchengemeinde eine KaiserjubiläumSfeier veranstaltet werde, und daß darauf kein einziges Kind ein Billett ent nommen habe. Auch von dieser Seite wird dagegen Einspruch er- hoben, daß die Schule die Kinder zu derartigen dynastischen Kirchen- feiern verleiten wolle. Unseres Erachtens kann eS nur zum Nachteil der Schule aus- fallen, wenn die guten Beziehungen zwischen Lehrerschaft und Eltern- hauS in dieser Weise gestört werden. Charlottenburg . Die Sitzung der Gcwerkschaftskommission.in welcher auchdieübrigen Gewerkschaftsfunktionäre recht zahlreich versammelt waren, nahm ein instruktives Referat des Reichstagsabgeordneten Genoffen Bauer über die gewerkschaftlich-genoffenschaftliche VersicherungSaktiengesell- schaft„Volkssürsorge" entgegen. Der Redner wies besonders auf die Schäden der verschiedenen Versicherungsgesellschaften hin; dem- gegenüber zeigte er, welche Vorteile der Arbeilerschaft durch Gründung der„Volksfürsorge", die am 1. Juli er. in Tätigkeit tritt, erwacksen. Die Mahnung des Redners, alle in den Gewerk« und Genossenschaften tätigen Kräfte für die Agitation der dem privaten Kapital entgegengesetzten„Volkssürsorge" zu verwenden, fand in der regen Diskussion, in der die Genossen Lindenblatt, Doose, ÄhrenS, Bollentin, Richter, Klawohn und Nordmann daS Wort nahmen, einmütige Zustimmung. Unter Gewerkschaftlichem wurde der Wunsch laut, in einer der nächsten Sitzungen einen Vortrag über„Tarif- Verträge im Spiegel der stattgefundenen Gewerkschaftskongresse" halten zu lassen. Diesem soll nachgekommen werden. Bei der kurzen Besprechung der BolkshauSmarken machte der Obmann Gen. Richter darauf aufmerksam, daß mehr für den Besuch des Volks- Hauses in den einzelnen Gewerkschaften getan werden müffe, zumal jetzt, wo der große Saal neu dekoriert sei und elektrisches Licht er- halten habe; in dem Saal seien auch die jetzt modern gewordenen Lichtbilder vorzüglich herzustellen. Auf der Präsenzliste fehlten die Maschinisten und Heizer und die Musiker. Friedrichsfelde . Aus der Gemeindevertretung. Wir wir kürzlich bereits mitteilten, sollte sich die Gemeindevertretung mit der nachträglichen Bewilligung einer Beihilfe zu den Kosten der Jahrhundertseier be- fassen. Wenngleich es sich nur um den geringfügigen Betrag von ISO M. handelt, ist der ganze Vorgang doch in hohem Maße charakteristisch. Beteiligt an der Feier waren nicht weniger als zwölf Vereine. Wie klein müssen diese aber sein, daß sie nicht einmal einen so lächerlich kleinen Betrag aufzubringen vermögen? Und welches Maß von Unverfrorenheit steckt dahinter, nun zu fordern, die nicht im geringsten an der Sache interessierte Allgemeinheit soll für die byzantinischen Bedürfnisse eines verschwüidenden Häufleins die Kosten tragen! All die treffenden Argumente nützten aber nichts, deim— die Macher jener Vereinchen sitzen zum größten Teil in der Gemeindevertretung! Die Einrichtung eines Stottererkursus konnte die volle Zustimmung unserer Vertreter finden. Dieser Kursus wird 16 Schul- lindern im Ortsteil Friedrichsfelde zugute kommen und 265 M. Kosten verursachen. Dagegen wendeten sich unsere Vertreter mit schärfe gegen deu Antrag, 189 M., die der Ortsausschub für Jugendpflege von den bewilligten 500 M. im vorigen Jahre nicht ausgegeben hatte, auf das neue Rechnungsjahr zu übernehmen, denn einmal find dem Ortsausschuß bekanntlich leider schon wieder 1000 M. aus Gemeindemitteln zur Verfügung gestellt und dann hat sich erwiesen, daß die proletarische Jugend- bewegung nicht nur keine Unterstützung erhält, sondern jede nur denkbare Beeinträchtigung erfährt. Und beweist nicht die Tatsache, daß die beträchtlichen Summen— eS steht auch noch die staatliche Beihilfe zur Verfügung— gar nicht gebraucht werden? Bemerkens- wert war hier ein Vorgang, der sich früher schon einige Male ab- gespielt hat, dessen mehrfache Wiederholung in einer Sitzung aber den Schluß zuläßt, daß er zu einer ständigen Einrichtung werden soll. Wenn es nämlich dem Bürgermeister beliebt, keine Debatte entstehen zu lassen, hält er mit den Worten:„Meine Herren! Ich darf wohl zur Abstimmung kommen?" den Maulkorb hoch und— die gesamte bürgerliche Mehrheil schlüpft schweifwedelnd hinein! Unsere Vertreter find nun freilich nicht so gefügig. Deshalb mußte man einen besonderen Maulkorb in Form einer Geschäfts- ordnung konstruieren. Auf Einzelheiten einzugehen, erübrigt sich heute wohl, da es zu gegebener Zeit nötig sein wird. Friedenau . Dir Mitgliederversammlung deS Wahlvereins nahm zuerst den Bericht des Genossen Hagen über den Ausfall der LandtagSwahl entgegen. Danach übten in Friedenau von 9573 eingetragenen Wählern 4178<43,64 Prozent) ihr Wahlrecht auS. E» wurden Stimmen abgegeben für die Liberalen 1993<111 Wahlmänner ge- wählt). Konservativen 1020<14 Wahlmänner), Sozialdemokraten 1105 <11 Wahlmänner). Daß es der Sozialdemolratie in einem Beamten- ort wie Friedenau möglich sei, über 1000 Stimmen bei einer öffent- lichen Wahl aufzubringen, sei ein Erfolg, der unsere Genoffen zu immer größerem Eifer anspornen, sollte.. Die nächsten Wahlen zur Gemeindevertretung müßten zeigen, daß es uns möglich sei, auch unter den schwierigsten Umständen Erfolge zu erringen. Der Berich: von der Generalversammlung von Groß-Berlin, der von dem Ge- nassen Paulus erstattet wurde, rief eine längere Diskussion hervor, die sich hauptsächlich um den Fall Borchardt drehte. Genosse Kussel suchte in längeren Ausführungen den Nachweis zu erbringen, daß dem Gen. Borchhardt Unrecht geschehen sei. Aehnlich äußerten sich mehrere andere Redner. Dem trat Genosse Hagen entgegen; Borchardt hätte nach dem ersten Beschluß der Verbandsversammlung, der ihm«ine scharfe Rüge aussprach, im Jntereffe der Partei_ auf seine Wieder- ausstellung verzichten muffen. Dies habe er nicht getan, sondern trotz der in dem Beschluß niedergelegten Feststellung daS(Interesse seiner Person dem der Partei vorangestellt. Wenn er auch die An zettelung der Königsberger Geschichten durch den Genossen des dritten KreiseS resp. seiner Hintermänner durchaus mißbillige, so müffe er doch erklären, daß im weiteren Verlauf der Sache dem Genossen Borchardt von den Parteiinstanzen, die mit der Angelegen heit zu tun hatten, kein Unrecht gestehen sei. Zur Verband! generalversammlung wurden die Genossen Kamrowski und Kuffel gewählt. Weihensee. Bon einer selten anzutreffenden Denkmalswut find die hiesigen Spießbürger ergriffen worden. Zu verwundern ist allerdings, daß die geplanten Denkmäler nicht fertig werden wollen. Allem Anschein nach liegt das daran, daß es den rechten Patrioten as dem nötigen Geld mangelt. Das Lnisendenkmal sollte schon längst enthüllt sein, es harrt jedoch noch immer seiner Vollendung und vielleicht ergeht es dem Kaiserstein, der aus Anlaß des Regierungsjubiläums den Ort zieren soll, ebenso. Man behilft sich einstweilen mit Grundstein legungen, um so wenigstens den Patriotismus zu bezeugen. Je nach dem die führenden Geister bei dem einzelnen in Ansehen stehen, so fließen die Mittel ein. Die Nase der Komiteemitglieder spielt eine große Rolle; deshalb setzen sich diese Komitees nicht immer aus denselben Personen zusammen. Ist es doch eine be- kannte. Tatsache, baß die Leiter solcher Komitees für ihre gebrachten Opfer und Bemühungen später die bekannten Auszeichnungen in Gestalt eines Ordens oder dergleichen entgegen- nehmen dürfen. Solche Geschichten erregen gewöhnlich den Neid des anderen und man hat hier schon den Fall erlebt/ daß, wenn solch ein Führer den Orden erst weg hat und derselbe sieht, daß wieder andere sich vordrängen, um auch mal an die Reihe zu kommen, er seine Ortspolilik mit einem Schlage ändert. AuS solchen Fällen zieht man die Lehre, daß der ganze DenkmalSrummel nur Mittel zum Zweck ist und daher läßt jeder denkende und vernünftige Mensch seine Hände davon und hält vor allem die Taschen zu. Die Sache hat indessen auch eine ernste Seite; unter den obwaltenden Um- ständen besteht die Gefahr, daß zum Schluß die am allerwenigsten für solche Dinge Interesse zeigende Allgemeinheit zu den Kosten dieser Denkmäler beitragen muß. Die bürgerlichen Gemeindevertreter sind bekanntlich in solchen Dingen nicht kleinlich; wenn ihnen ihr Patriotismus zu teuer wird, dann bewilligen sie einfach die nötigen Gelder aus allgemeinen Mitteln. Eine? größeren Dachstuhlbrandes wegen wurde neben der Weißenseer auch die Zugwache 19 der Berliner Feuerwehr nach der Albertinenstr. 19 alarmiert. Die Flammen hatten an dem trockenen Gebälk deS Daches reichliche Nahrung gefunden, so daß daS Vor- gehen durch die furchtbar« Hitze sehr erschwert wurde. Erst nach mehrstündiger, angestrengter Arbeit wurde man des Feuers Herr. Der Dachstuhl war vollständig ausgebrannt, die Bodenverschläge der Mieter waren ein Raub der Flammen geworden. Die Entstehungs- Ursache konnte nicht mehr ermittelt werden. Lichterfelde . Vom Schriftführer des WahlvereinS wird uns mit Bezug auf die Veröffentlichung des BildungSausschnsseS mitgeteilt, daß die Auflösung des BildungsauSschusseS von der letzten Wahlvereins- Versammlung nahezu einstimmig und daher zu Recht erfolgt sei. Fest stehe, daß die Veranstaltungen im Orte infolge schwachen Besuchs tets mit einem erheblichen Defizit abgeschlossen hätten. Der anfangs April neugewählte Ausschutz habe, trotzdem derselbe mehrere Male zu den Vorstandssitzungen geladen worden wäre, nichts von sich hören lasten. Pankow . Das hiesige KaufmannSgericht halte sich im Berichtsjahre 1912 mit 43 Streitsachen zu befassen, die sämtlich endgültige Erledigung anden. Davon endeten 8 durch Zurücknahme der Klage, 20 durch Vergleich, 1 durch Anerkenntnis, 3 durch Versäumnisurteil, 3 durch Verurteilung nach dem Klageantrag, 3 durch teilweise Verurteilung und 5 durch Abweisung der Klage. Die Anstrengung der Klagen er- olgte in einem Falle vom Unternehmer und in 42 Fällen seitens der Handlungsgehilfen und-Lehrlinge. Bon den Streitigkeiten entfielen 7 auf Betonfabriken, 5 auf Brauereien, 1 ans eine chemische Fabrik, 2 auf Schokoladenfabriken, 5 auf Zigarettenfabriken, 2 auf Drogenhandlungen, 6 auf Eisenkonstruktionsfabriken, 1 aus eine Goldwarenhandlung, 6 auf gewerbliche Verlaufsgeschäfte, 3 aus Materialwarenhandlungen, 2 auf Verlagsanstalten und 3 auf andere zuständige Betriebe. Von den ans dem Vorjahre in das Berichts- ahr übernommenen 6 Sachen wurden 2 durch Vergleich, 2 durch Zurücknahme der Klage, 1 durch Verurteilung nach dem Klageantrag und 1 durch teilweise Verurteilung erledigt. AIS Einigungs- omt gemäß ß 35 deS OrtSstatutS ist daS KaufmannSgericht im Berichtsjahre nicht tätig gewesen. Auch sind- Gutachten und Anträge nicht abgegeben worden. Potsdam . AuS einer argen Klemme haben sich jetzt in Potsdam die Konservativen befreit. Bekanntlich spalteten sie sich bei den Wahl- männerwählen zum Abgeordnetenhause in zwei Lager, von denen das eine für eine Kandidatur v. Stößel<k.) und das andere für eine Kandidatur Pauli<k.) eintrat. Stößel erhielt 73 Wahlmänner, Pauli 50, und auf die Nationalliberalen fielen 93. Man versuchte nun, die beiden konservativen Wahlinänner zu vereinigen. Das schei- terte jedoch daran, daß die Wahlmänncr Paulis erklärten, lieber den Nationalliberalen, als den Lotterieeinnehmer v. Stößel zu unter- tützen. Man trat nun an Herrn v. Stößel heran, um ihn zu be- wegen, zugunsten Paulis auf seine Kandidatur zu vetzichten, was jedoch abgelehnt wurde. Um nun aber zu verhindern, daß ein National- liberaler den Sieg in Potsdam davonträgt, ist man an den früheren Landtagsabgeordneten Herrn Eckert, der infolge hohen Alters und aus Gesundheitsrücksichten eine Wiederwahl abgelehnt hatte, heran- getreten, damit er die Kandidatur wieder annehme. Herr Ecke« hat nun auch um„der guten Sache willen" die Kandidatur an- genommen und die beiden zurückgetretenen Kandidaten, der schlichte Mann auS der Werkstatt. Pauli, und der Lotterieeinnehmer v. Stößel bitten jetzt in einem Ausrufe ihre Wahlmänner, für Herrn Eckert zu timmen. Damit ist die Wahl der Konservativen in Potsdam ge- ichert. Allerdings gedenkt Herr Ecker« nur vorläufig die Kandidatur anzunehmen, um später, wenn die Konservative» den„richtigen Mann" gefunden haben, wieder sein Mandat zurückzugeben. Wenn die Wahl vorüber ist. dürste«s wohl im Neuen Wahlvercin recht interessante Debatten geben. Spiel und Sport. Fußballwettkämpsr. Sonntag fanden auf dem Spielplatz des Fußballklubs in Reinickendorf , Panlowcr Allee, drei interessante Wert- Am „Liverta sp'.clc Vormittags standen sich die ersten Jugendmannschaftcn von .Liberia " und„Komet" und die zweiten Jugendmannschaften von „Liberia " und„Fichte III" gegenüber. Das Spiel„Liberia - Komet" zeigte die absolute Ueberlegenheit von„Liberia " und endet« mit 14: 1. Ebenbürtige Gegner standen sich in dem anderen Spiel gegenüber, das schließlich mit 3-. 3 umntschicden blieb. Nachmittags trat dann eine kombinierte Mannschaft„Liberia " l und II, Männeräbteiluivg und erste JugelUwbteilung gegen„Habs- bürg I" an. Auch dieses Spiel blieb unentschieden mit 2:2. Halb- zeit 1': 1. Das Spiel war von Anfang an sehr flott und wurde nach Halbzeit noch schneller. Sericbts- Zeitung. Falsches Rechtsempfinden. Der Gerichtsbericht, den wir in Nr. 131 des„Vorwärts" unter der Ueberschrist„Die Polizei und das Mädchen im Morgenrock" veröffentlichten, hat uns eine Zuschrift aus dem Kreise unserer Leser eingetragen. Wir gehen aus diese Zuschrift ein, weil sie insofern nicht ohne allgemeines Jnievesse ist, als sie eine irrige Rechtsauffassung verrät, der man öfter begegnet. Der Einsender meint, unser Berichterstatter sei im Irrtum, wenn er annehme, die Angeklagte in jenem Prozeß sowie die übrigen Personen, welche bei dem von uns besprochenen Borgang mit der Polizei zu tun hatten, seien sittenreine Personen, für welche man sich einlegen müsse. Das ist ein Irrtum deS Einsenders. Bon einer solchen Auf» faffung, wie er sie aus unserem Bericht herausliest, steht nichts darin. Unser Bericht gibt nur die Tatsachen wieder, welche vor drei gerichtlichen Instanzen festgestellt worden sind. Gegenstand der gerichtlichen Beweisausnahm« war lediglich das Vorgehen der Polizeibeamten, aber nicht die sittliche Qualität der Personen, gegen die sich daS Vorgehen der Beamten richtete. Ob der Verdacht, den die Polizei gegen die betreffenden Personen hegte, begründet war oder nicht, ist in dem fraglichen Prozeß nicht festgestellt worden. Nun kommen wir zu dem Teil der Zuschrift, der von allge- meinem Interesse ist. Der Einsender sagt, er und die Nachbarschaft der betreffenden Personen halte den Verdacht der Polizei für be- gründet, und er läßt durchblicken, wenn solchen Leuten Unrecht geschehe, habe man keine Vennilassarng, dagegen aufzutreten. Tie letztere Auffassung des Einsenders ist es, die wir als falsches Rechtsempfinden, ja als eine völlige Verkennung der Rechtsbegrisse bezeichnen. Wenn es wirklich— was wir nicht wissen— im vorliegenden Falle sich um Kuppler und Dirnen gehandelt haben sollte, so gibt das doch der Polizei kein Recht zu Gesetzwidrigkeiten. Auch Kuppler und Dirnen sind nicht vogelfrci. Wenn die Polizei gegen sie vorgeht, so hat sie sich in den Grenzen ihrer gesetzlichen Be- fusniffe zu halten, die doch gewiß nicht zu eng gezogen sind. Daß die Polizeibeamten im vorliegenden Falle ihre Befugnisse über- schritten haben, indem sie eine Person, die sich ausreichend legitimieren konnte, mit Gewalt nach der Wache brachten, um dort deren Personalien festzustellen, hat ja das Landgericht in Uebereinstim- mung mit dem Kammergericht ausgesprochen. Wir halten es für die Pflicht jedes rechtlich denkenden Menschen, einen derartigen Vorgang mit aller Schärfe zu kennzeichnen. Dadurch billigen wir natürlich nicht das sonstige Verhalten derjenigen, denen im vorliegen- den Falle Unrecht geschehen ist. Wollte man, wie eS der Einsender für richtig zu halten schemt, polizeiliche Uebergriffe ungcrügt lassen, wenn anrüchige Personen das Opfer solcher Uebergriffe sind, dann wäre das gleichbedeutend mit der Ausstellung eines Freibriefes für alle Uebergriffe von Polizeibeamten. Was heute dem Kuppler, dem Zuhälter, der Dirne gegenüber ungerügt geschehen dürfte, das könnte morgen auch dem anständigsten Menschen widerfahren. Jeder Zeiwngsleser müßte doch wissen, daß schon völlig unbescholtene und höchst anständige Menschen unter Ucbcrgriffcn von Polizeibeamten zu leiden hatten. Wir erinnern nur an die bekannte Behandlung von Streikposten. Wir erinnern an Moabit , wo harmlose Straßen- Passanten mit Polizeifäusten, Polizeiknüppeln und Polizeisäbcln bearbeitet wurden. Der beste Schutz des Publikums gegen Polizei- lichc Ausschreitungen ist die rücksichtslose Verurteilung jedes Ueber- griffs von Polizeibeamten, ganz gleich, gegen wen sich solche Ueber- griffe richten. Anklage gegen einen Ziechtsanwalt. Ein Strafprozeß gegen den Rechtsanwalt Dr. Eyrhardt und Genossen begann gestern vor der 1. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz des LandgerichtSdirekwrS Delleskamp. Durch die Anklage werden beschuldigt: 1. Rechtsanwalt Dr. jur. Fritz Ehrhardt: in drei Fällen des Betruges, tvobei eS sich um Summen von 140, 150 und 200 M. handelt, ferner in einem Falle der Nötigung einer Person zur Unterzeichnung eines Honorarscheines, in einem weiteren Falle des versuchten Betruges gegenüber dem Dr. jur. Karl König, wobei eine Summe von 8000 M. in Frage steht, endlich in drei Fällen der falschen eidesstattlichen Versicherung; 2. der Kaufmann Emil Jacobi in Charloftenburg, der in der Angelegenheit König Herrn Dr. E. Beihilfe geleistet haben soll; 3. der Ingenieur Fritz Matthiae; 4. der frühere Landwirt Freiherr G. von Schleinitz und 5. der Zahnarzt Richard Zander, di« sich toegen der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen zu verantworten haben. Ein sechster Angeklagter, Kaufmann Carl Werner , der der Ab- gäbe einer falschen eidesstattlichen Versicherung beschuldigt ist, hat ein Krantheitsattest eingereicht; das Verfahren gegen ihn muß deshalb abgetrennt werden. Die Anklage vertritt StaatSanwaltschastSrat Weismann; Ehr- Hardt wird vom Rechtsanwalt Dr. Löwenstein, Jacobi vom Rechts- anwalt Dr. Werthauer verteidigt, die übrigen Angeklagten find ohne Verteidiger. Da die Verhandlung mehrere Tage in Anspruch nehmen wird, ist ein Ersatzrichter bestellt. Wir werden über den Ausgang be- richten. Ein Nachspiel zu der Tabendorfer M-rdaffäre beschäftigte gestern die 2. Strafkammer des Landgerichts II. AuS der Haft wurde der Landwirt Wilhelm Höhne aus Dabendorf vor- geführt, um sich wegen schweren Diebstahls zu verantworten.— Der inzwischen zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilte Brunnenbauer Gustav Kolbe hatte sich schon emmal vor zwei Jahren vor dcn Ge- schworenen unier der Beschuldigung, den Assistenten im Statistischen Amt Franz Behm ermordet zu haben, zu verantworten. Tie Ge- schworenen kamen damals zu einer Freisprechung und Kolbe mußte dementsprechend aus freien Fuß gesetzt werden. Einige Zeit nach seiner Entlassung wurden in der Umgegend von Taben- darf zahlreiche Einbrüche verübt, bei denen nur festgestellt werden konnte, daß die Täter die Diebesbeute mittels Pferd und Wagen fortgeschafft hatten. Der Berliner 5ft:iminalkommissar Lehnert, der die Ermittelungen in der Mordaffäre weiterführte, ermittelte. daß Kolbe mit dem jetzigen Angeklagten Höhn«, der, trotzdem er"i ärmlichen Verhaltnissen lebt, ein Fuhrwerk besitzt, sehr eng be- freundet war. Nachdem Kolbe von neuem verbaftet worden war, wurde er eines Tages von dem Kommissar im Untersuchungsgefängnis aufgesucht. Der Beamte wandte einen sogenannten Bluffer an und erklärte, Sohne habe ihm mitgeteilt, er. Kolbe, habe jene Einbrüche verübt. Kolbe ging auch auf den Leim und gab an, oaß Hohne der Dieb sei und die Beute in seiner Scheune vergraben habe. Tie daraufhin vorgenommenen Nachgrabungen in der Scheune forderten auch tatsächlich eine alte Bauerntrube zutage, in der sich alle mog. lichen aus den Diebstählen herrührenden Sacken befanden.— Hohne bestritt jede Schuld und behäuptclc. daß Kolbe dort d,««acben ver. graben habe. Das Gericht schenkte ihm jedoch keinen Glauben und verurteilte ,hn mit Rücksicht auf seine Vorstrafen zu 1 Jahr und 3 Monaten Zuchthaus und den üblichen Ncbcnstrofcn. Tod durch Berühren der elektrischen Hochspannleitung. Daß Landgericht Ulm hat am 10. Januar d. I. den Elektro» techniker Heinrich Strippe wegen sahrläffiger Tötung zu 1 Monat Gefängnis verurteilt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu. gründe: Eine Baumwollspinnerei in Ehingen desitzt an der Donau eine elektrische Kraftstation. Von hier auS fuhrt eine Hoch spann. Kitimg,' die isoliert aus Traversen angebracht ist, nach feet
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