SpieKgeletten.C: SBon Ars«« DarjalSki.Der Vorsteher deS S. Bezirks Iwan KuZmitsch Topthgo istschlecht gelaunt. Von Zeit zu Zeit ergreift er die Feder, denn dorihm auf dem Tische türmt sich ein Stoß von Papieren, von denendie einen unterzeichnet, die anderen an einen anderen Bezirksvor-steher weitergegeben werden müssen. Die Feder entfällt aber seinenFingern. Er vermag nicht zu arbeiten.Bis zwei Uhr nachts hat er im Klub Karten gespielt und 20VRubel verloren. Dieser Lump, der Bezirksarztl Welch ein Glücker gehabt hat! Mindestens 700 Rubel hat er nach Hause gebracht.Als er, Iwan Kusmitsch, ihn um 10 Rubel bat, um das Spielfortzusetzen, lachte er, dieser gemeine Kerl.„Setz doch Dein Pferd!Du hast es für 300 Rubel gekauft, setz es für 400!" Leichter gesagtals getan. Iwan Kusmitsch hätte alles auf die Karte gesetzt: seinetscherkasfische Kuh, seinen lieber zieher, sein letztes Hemd, aber seinPferd— niemals! Als er den Vorschlag seines Partners vernahm,stieg ihm das Blut zu Kopfe, und beinahe hätte er sich mit demDegen in der Hand auf den Arzt gestürzt. Er hielt sich aber nochrechtzeitig zurück, steckte seinem Partner eine„Kombination ausdrei Fingern" unter die Nase und sprach wütend:.'n Dreck werd ich Dir setzen!"Diese Worte kühlten ein wenig seinen Zorn. Aber noch jetztfühlte er einen bitteren Geschmack im Munde, wenn er sich an dieWorte des Bezirksarztes erinnerte.Ein herrliches Roß hatte er, Iwan Kusmitsch. In der ganzenStadt W. war kein zweites ähnliches vorhanden. Wegen diesesRosses kannten ihn die Leute in der ganzen Stadt und allen zehnDörfern seines Bezirkes von klein bis groß. Wenn er hocherhobenenHauptes, die Hand in die Seite gestemmt, durch die Straßen ritt,richteten sich alle Blicke neugierig und neidisch auf ihn. EinesTageS sogar war ein Jngrier, der eine Fuhre Holz zur Stadt ge-bracht hatte, so sehr von dem herrlichen Roß des Bezirksvorstehersbezaubert worden, daß er die Zügel sentes eigenen Gauls aus denHänden ließ, und Pferd, Wagen und Holz für immer verlor....Ja. was bedeutete so ein simpler Jngrier? Iwan Kusmitsch hatteselbst bemerkt, daß sogar der Gebietschef ihn wegen des Rosses be-neidete.... Und nach alledem sollte er seinen Renner auf dieKarte setzen? Nein, eher stürzte er sich in den Terek, als daß ersich von seinem Rosse trennte!.Datyr-bek!" meldete der Bursche eintretend.Iwan KuSmitsch zuckte bei diesen Lauten zusammen. SeineGedanken flogen wie eine Schar aufgescheuchter Vögel davon.„Bathr-bek ist dal" ertönte es zum zweiten Male von der halb.geöffneten Tür..Laß ihn eintreten!" rief der Bezirksvorsteher erregt. Un-geduldig eilte er dem Gast entgegen und zog ihn an beiden Händenin das Zimmer hinein.Der Neueingetretene war ein hagerer, breitschultriger Kau-kasier. Der kurze graue Tscherkessenrock aus einheimischem Tuchließ seine schlanke Gestalt vorteilhaft hervortreten. Ein breiterDolch in schwarzer Einfassung baumelte am Gürtel. An der Seiteein Revolver, auf dem Rücken ein kurzes Magazingewehr. EinePatronentasche am Gürtel, die andere auf dem Stücken.In das Zimmer tretend, nahm Bathr-bek das Gewehr ab. Erstellte eS in eine Ecke. So war er immer: den Filzmantel nahmer im Vorzimmer ab, aber von seinem Gewehr trennte er sich nie,und erlaubte niemandem, es auch nur zu berühren.„Setz Dich, setz Dich, mein Teurer! Wir haben miteinanderzu sprechen. Lange ist eS her, seitdem Du bei mir warst."„Hab wenig Zeit; viel zu tun... t Sechs Stück haben wirjetzt. Hier die Merkmale."„Ach. Bathr-bek, ich wollte Dir das schon langst sagen....Wie dem auch sei— ich bin immerhin eine Amtsperson. MeinRisiko ist bei diesem Handel sehr groß... größer als das Deinige,,. und dabei bekomme ich nur zehn Rubel von jedem Stück. Istdas nicht«in wenig ungerecht?"Batyr-bek verfiel in Sinnen. Der Bezirksvorsteher erwies ihmgute Dienste: dank seinen amtlichen.Besitzbestätigungen' konnteer die gestohlenen Pferde, natürlich in einer größeren Entfernungvom Tatort, auf legalem Wege verkaufen, und statt der früherenniedrigen Preise ihren vollen Wert herausschlagen. Außerdemlenkte der Bezirksvorsteher die Verfolgung oft auf eine falscheFährte und erleichterte ihm auf diese Weise seine Tätigkeit. In derletzten Zeit begann er aber seiner fortwährenden Forderungen undAnsprüche überdrüssig zu werden.„Worin besteht desin sein Risiko?"überlegte er.„Wenn ich verschütt gehe, zeige ich ihn nicht an.Seine ganze Arbeit ist nicht der Rede wert: ein Papierchen auf-Sm CKelpiegel.Daß sich die europäische Menschheit in einer KrisiS befindet,Laß allenthalben und in allen Dingen Neues werden will undwerden muß, wird in allen Klassen der heutigen Gesellschaft mehrund mehr empfunden. Es ist selbstverständlich kein Zufall, son-der» innerliche Notwendigkeit, daß die soziale Umwälzung Handin Hand geht mit einer ethischen und psychologischen. Da nun diebesitzenden Schichten, dank ihrer wirtschaftlichen lleberlegenheit,vorläufig noch immer ein Monopol auf unbeschränkte geistige Bil-dung und Verfeinerung innehaben, so beschäftigen sich natur-gemäß die Intelligenteren ihrer Vertreter mit der geistig-seelischen Seite der Krisis unserer Zeit. Denn die weitaus wich-tigere, die wirtschaftlich-materielle kommt ja kaum oder nurmittelbar an sie heran. Im Grunde genommen ist es ein Unsinnund eine Unmöglichkeit, die großen Veränderungen, auf die daSJahrhundert hindrängt, in dieser Weise zu zerlegen. In dersozialen Frage sind alle übrigen— Frauenbewegung, Kunst usw.— wie in einer höheren Einheit verschränkt und enthalten. Aberes ist bezeichnend, daß der Durchschnitt der geistigen Oberschicht.soweit sie nachdenkt, ängstlich um die Hauptsache herumgeht undvom äußersten Kreise aus in die Problem« hineinftochert und anihnen herumfingert. Daß es eine ganze Anzahl von Ausnahmengibt, soll natürlich nicht geleugnet werden.Für eine dieser Sekundärftagen, für das Eheproblem, gibtein kürzlich i» Verlage von Ernst Reinhardt in München er-schienenes Schriftchen einen ganz interessanten Querschnitt durchdie Meinung der Zeit. Das Buch heißt:„Das Eheproblemim Spiegel unserer Zeit" und fit von einem FreiherrnFerdinand von Paungarten,'der sich auch lyrisch-dichterisch be-tätigt hat, herausgegeben. Es enthält in längerer oder kürzererForm Ansicht und Urteil von etwa 70 Zeitgenossen, darunter auchmehrerer Ausländer, über die Ehe. Vorgelegt � war sämtlichenMitarbeitern die Frage, ob sie die gegenwartige Formder Ehe für die einzig mögliche halten, ohnewelche auf die Dauer ein Rückgang der Mensch-heit in gesamtkultureller Beziehung zu be-fürchten wäre. Eine oberflächliche Schätzung ergibt, daßüber SO Proz. der sich Aeußernden Schriftsteller und Künstler sind.Von den übrigen gehören kaum 20 wissenschaftlichen Berufen an.schreiben! Er selbst hat anfangs sieben Skubel als Preis angesetztund ihn dann auf zehn erhöht. Jetzt führt er wieder etwas imSchilde."„Nein, Vorsteher", erklärte er entschlossen,„mehr als zehnRubel gebe ich nicht. Ich trage selbst meine Haut zu Markte."„Batvr-bek, Du hast ein kurzes Gedächtnis! Du warst verhaftet— ich habe Dir zur Flucht verholfen. Wäre ich nicht gewesen, Duwärest längst in einem Gefängnis verfault! Du zogst mit DeinenPferden nach Westen— ich lenkte die Miliztruppen nach dem Osten.Denkst Du an dies alles nicht?"„Nein, ich denke wohl daran.... Obgleich ich, beiläufig be-merkt, keineswegs im Gefängnis verfault wäre.... Aber erlaube,da wir einmal davon sprechen, daß auch ich Dich an manches er-innere.... Für Deine Papierchen erhälfit Du gutes, vollwertigesGeld. Stellst Du mir jetzt sechs Bescheinigungen aus, so erhältstDu 60 Rubel— das ist nicht wenig. Dann noch was. Der Kabar-diner Chakiasch erhob Klage gegen Dich. Du sprachst:„Zahl esihm heim!" und ich führte alle seine Pferde fort, ließ ihn alsBettler zurück. Du verzanktest Dich mit dem Vorsteher des 7. Be-zirks. Ich wollte seine rechte Hand ein wenig beschädigen, zielteschlecht und schoß ihm eine Kugel in die Brust. Er starb; Deinet-wegen trage ich diese Sünde. Du wolltest, ich soll beim Staats-anwalt die ficherkassische Kuh forttreiben, auf die er so stolz war.Ich stehle sonst nur Pferde, keine Kühe, aber diesmal tat ich Dirdiesen Gefallen und wäre beinahe ertappt worden.... Du haifitmir bei der Flucht aus dem Gefängnis, aber dafür brachte ich Diraus den Steppen ein Roß, das in der ganzen Provinz seinesgleichennicht hat. Ich bin Dir nützlich. Willst Du, können wir wie bisherweiterarbeiten. Willst Du nicht— leb wohl!"Iwan Kusmitsch überlegte. Batyr-beks Argumente erschienenihm stichhaltig. Er brauchte aber Geld, viel Geld.... Darumbeschloß er nicht zurückzuweichen, sondern seine Forderungen auf-recht zu erhalten.„Du hast ja recht," begann er,„aber überleg doch mal: Dubekommst für ein Pferd SO bis 60 Rubel, weshalb soll ich nicht,wenn auch nicht die Hälfte, so doch 20 Rubel beanspruchen dürfen?Setz 20 fest, und dann spreche ich nie mehr ein Sterbenswörtchendavon."„Zehn Rubel, Vorsteher, keine Kopeke mehr!"„Nein, zwanzig.... Ohne meine Hilfe kannst Du doch nichtsmehr beginnen.... Zahlst Du mir das Geld nicht, so überliefereich Dich dem Gericht!"Bei diesen Worten schlug Iwan KuSmitsch krachend auf denTisch.Batyr-beks Augen flammten einen Augenblick zornig auf, dannsprach er ruhig:„Willst Du nicht weiter mit mir zusammenarbeiten, so gehenwir schiedlich-friedlich auseinander.... Sonst weiß ich nicht...."„Du glaubst, wir gehen so auseinander?" erhob Iwan Kus-mitsch seine Stimme, indem er zur Tür hinschielte.Bathr-bek fing diesen Blick auf. Er tastete mit der Rechtennach dem Revolver und ftagte leise:„Was denn sonst?".Lsias sonst? Wenn Du nicht nachgibst, wirst Du das weiteregleich sehen!"Iwan KuSmitsch sprang auf, machte einen Schritt zur Türhin, blieb aber dann wie angewurzelt stehen. In den Händendes Kaukasiers blitzte ein Revolver auf, dessen Lauf auf ihn ge-richtet war.„Setz Dich auf Deinen Platz und rühr Dich nicht von derStelle," sprach Batyr-bek.„Du weißt, ich scherze nicht!"„Ich wollte mir ja bloß eitlen Schluck Wasser holen."„Schön, Du wirst, nachher trinken. Ich will Dich nur nocheinen Augenblick aufhalten."Seinen Mißerfolg einsehend, fügte sich der Bezirksvorsteherdem Willen seines GasteS.„Ich bin," sprach dieser,„ein Dieb, ein unverbesserlicher Dieb.Aber Du bist schlimmer als zwei Diebe. Obgleich Du ein Diebbist, gibst Du Dir den Anschein eines ehrlichen Menschen und be-ziehst aus der Staatskasse ein Gehalt. Außerdem bestiehlst Dunoch den Staat, Du bestiehlst auch die zehn Dörfer, die Dir unter-stellt sind. Dann bist Du bestechlich wie niemand vor Dir. Miteinem Wort, als Dieb kann ich Dir das Wasser nicht reichen.Außerdem bist Du ein schlechter Kamerad. Auch die Diebe habenetwas, das ihnen heilig ist. Das Wort, das Du einem Kameradengabst, mußt Du einhalten! Hast Du Dich verzankt, so mußt Dudennoch Dein Wort halten und den Kameraden nicht verraten!Ich verrate Dich nie. Aber hast Du Dich schon erhoben, ummich zu verraten, so hie, was Dir beliebt. Wollen sehen, wasdabei herauskommt."Auffallend gering, fast verschwindend ist die Zahl der Politikerund eigentlichen Soziologen. Wenn man nicht die bürgerlichenFrauenrechtlerinnen wie Ellen Key, Adele Schreiber u. a. mit»rechnen will, so befindet sich August Bebel in glänzender Ein-samkeit.Schon durch diese Zusammensetzung der Aufgeforderten be-kommt das Buch einen durchaus feuilletonistisch-ästhetisierendenCharakter. Die Höhe einer für die wissenschaftliche Klärung derFrage bedeutsamen Materialsammlung ist dem Buch nicht zuzu-sprechen. Schon daß der Herausgeber neben die durchdachtenArtikel eines Fidus, eines Bebel oder Mühsam ungemein läppischeVerSchen(so Stettenheim) stellt, entwertet die Sammlung erheb-lich. Die Mehrheit der Beiträger macht sich die Sache recht leicht.Da werden Feuilletönchen verzapft, über„Liebe" und„Treue"orakelt und, bestenfalls, das Problem der Ehe lediglich von derseelischen«Site aus angefaßt. Nicht selten beginnen die Urteilemit der erfteulichen Mitteilung, daß der Urteilende selber inseiner Ehe glücklich sei. Vor allen Dingen die Frauen, nichtwenige aber auch der männlichen Beiträger kommen überhauptnicht vom Allerpersönlichsten los. WaS es nun für das Einzel-wesen mit der Liebe, der Treue, der polygomen Veranlagung, derBefriedigung durch Mutterschaft usw. auf sich hat, das sind soolle Kamellen, ist so oft in Romanen und wissenschaftlichen Werkendurchgeknetet worden, daß es nicht zum tausendstenmal wiederholtwerden braucht. In der Beantlvortung der vom Herausgeber ge-stellten Frage war das eigene Erleben am Allgemeinproblem zumessen, war der Blick auf die Gesamtheit, auf die Masse und nichtauf das irgendwie glücklich oder unglücklich geartete Individuumzu richten. So betrachtet aber ist das Problem der Ehe keinGefühlsproblem, in zweiter Linie erst selbst ein geschlechtlichesProblem, sondern nichts als ein Glied der sozialen Umlvertunzund Neuordnung der menschlichen und staatlichen Gemeinschaft.Aber gerade in dieser selbstverständlichsten Erkenntnis hat dieMehrheit der Beiträger von vornherein versagt oder wenigstensdarauf verzichtet, sich hineinzudenken. Man höre nur, in welchembombastischen Gemeinplatz der große Berliner Universitäts-Professor Joseph Kohler seine Weisheit zusammenfaßt:„...Dar-aus ergibt sich von selbst, daß jeder Ehegatte im anderen seineAnschauung und seine Lebensprinzipien respektieren muß. und inder gegenseitigen Erkenntnis der Eigenpersönlichkcit muß eingemeinsames höheres.' nämlich eine Einheit der Arbeit zur Er-reichung der Lebenszwecke erstrebt werden." Taterata!Mit diesen Worten verließ Batyr-bek gemächlich das Zimmer,hängte sich die Flinte um, zog seinen Filzmantel an, stieg aufsein Roß und ritt davon.*Iwan Kusmifich hatte in Wirklichkeit nicht daran gedacht, sei-nen Spießgesellen zu verraten, da ihm für sein eigenes Fell bangte.Er wollte ihn lediglich einschüchtern. Nun aber hatte die Sacheeine solche Wendung genommen, daß er auch die bisherigen zehnRubel einbüßte. Aber nicht nur das. Iwan Kusmitsch bedurfteder Dienste des Pferdediebes auch in anderen Dingen. Er warz. B. jetzt auf den Bezirksarzt wütend und hätte ihm gerne einenTort angetan. Bathr-bek hätte schon etwas ersonnen.... Nunwar er aber verschwunden, und soweit er ihn kannte, wußte er,daß er nie mehr zurückkehren würde.'Stundenlang saß Iwan Kusmitsch und träumte über dieseunglückliche Wendung. In der Nacht wälzte er sich ruhelos aufseinem Lager ohne Schlaf zu finden.... Als er sich in der Früheerhob, war sein erster Gedanke, daß sein Verlust unersetzlich sei.„Was habe ich nur angerichtet, was habe ich nur angerichtet?"wiederholte er in einem fort. Um die trüben Gedanken zu ver-scheuchen, wollte er gleich nach dem Frühstück einen kleinen Spazier-ritt durch die Stadt unternehmen. Wie gewöhnlich, wollte erzweimal über den Alexander-Prospekt reiten, dann zum Bahnhofhin, und von dort langsamen Schrittes bei der Wohnung desBezirksarztes vorbei. Mochte dieser ihn sehen und vor Neid platzen.Iwan Kusmitsch wollte bereits seinen Leinwandkittel an-ziehen, als sein Bursche in der Tür austauchte, leichenblaß, stierenBlickes. Er wollte sprechen, aber die Zunge versagte ihm den Dienst.Auch der Vorsteher erblaßte, der Kittel entfiel seinen Händen.Wie besessen stürmte er nach dem Pferdestall. Sein Pferd warverschwunden!„Mein Pferd, mein Pferd hat er mir gestohlen!" schrie er ver-zweifelt und sank schluchzend auf den schmutzigen Boden desPferdestalles nieder.„Euer Hochwohlgeboren!"Iwan Kusmitsch hob den Kopf in die Höhe.Neben ihm stand sein Bursche, der ihn auf einen an einemSchnürchen hängenden versiegelten Brief aufmerksam machte. Aufdem Umschlag stand:„An Iwan Kusmitsch Topthgo, eigen.händig."Er zerriß den Umschlag und laS:„Ich nehme Dein Pferd mit mir, es ist zu gut für Dich....Allah würde mir zürnen, wenn ein solches Schwein wie Tu aufihm reiten würde. Gelegentlich bringe ich Dir einen Droschken-gaul, der für Dich paßt. Leb wohl, sei mir nicht böse!— B."„O, dieser Schelm!" stöhnte Iwan Kusmitsch.„Man müßte,ihn hängen!" Dann erinnerte er sich wieder an seinen Verluit,griff sich an den Kopf und schrie:„Mein Pferd, mein Pferd hat er mir gestohlen!"Die tote Rand.Junker und Pfaffe wetteifern, sich als wahre Freunde derBauern anzupreisen. Schon oft konnten wir festnageln, wie dieBauernfteundschaft der Junker sie anreizt, ihren Grundbesitz durchBauernlegen abzurunden. Aber was dem Junker recht ist.ist dem Pfaffen billig! Daß auch die Kuttenträger die ihnen nebenFasten und Kasteien verbleibende Zeit zu recht spekulativen Ge-schästen benutzen, lehrt eine Petition der Gemeinde Ober-schlierbach, Bezirk Kirchdorf in Oberösterreich an das Abgeordneten-Haus. Die Gemeinde bittet in ihrer Petition um Hilfe gegend i e K l ö st e r, die in diesem Gebiet die Bauerngüter auf-kaufen und das Ackerland in Jagd- und Weide-gebiet verwandeln. Wie arg das Bauernlegen von denKlosterbrüdern betrieben wird, zeigt die Begründung der Petition.Danach hat das Kloster Schlierbach in der letzten Zeit vierBauerngüter mit 140 Joch Land aufgekauft. Tie dem Kloster unter»stehende Weidegenossenschaft hat ebenfalls zwei Bauerngüter mit90 Joch an sich gebracht, so daß die frommen Patres von Schlier-bach ihren Grundbesitz u m 230 Joch Bauernland ver»g r ö tz e r t haben. Aehnlich treibt es das Stift Krems-Münster. Ihm sind in letzter Zeit fünf Bauerngüter mit204 Joch Land erlegen.Recht fromme Klosterbrüder! In einer Zeit, wo daS Volk—auch in Oesterreich— unter der Lebensmittelteuerung seufzt,kaufen die Pfaffen daS Bauernland auf und verwandeln Ackerlandin Jagdreviere.Die Kirche hat einen guten Magen,Hat ganze Länder aufgeftessenUnd doch noch nie sich übergessen!Auch ein paar..rassenhygienische" Narren predigen Erheb-liches von„kalligädischer"(schöne Kinder zeugender) und von„hedonischer"(Freuden-) Ehe, von der heiligen Sendung der„Ario-Germanen" oder gar der„armenischen Ario-Germanen".Die Maus, die aus der ganzen, der plauschenden Damenund der— glitzernden Aphorismussammlung der Schöngeistersolid begüterten glücklichen Ehemänner herausspringt, ist seyrklein und mager. Man ist im allgemeinen mit der heutigen Ein-ehe einverstanden, fordert aber kleine Korrekturen, wie gesetzlicheGleichstellung der Frau, Erleichterung der Scheidung und so. Amtiefsten und rücksichtslosesten schürfen in ihrer Antwort der MalerFidus, Frank Wedelind, August Bebel und Erich Mühsam, diebeiden ersten vom psychologisch-erotischen. oie beiden anderen vomsoziologischen Standpunkt aus.Gerade durch seine relative Oberflächlichkeit fit dieser Eh«'spiegel der gebildeten Schicht nicht uninteressant. Er ist«'»negativer Beweis dafür, daß Bebel recht hat, wenn er seineneigenen Artikel mit der Ueberzeugung schließt, die er ausführ.licher schon vor langen Jahren in seiner„Frau" aussprach undbegründete:„Wer das Eheproblem lösen will, ohne die gesamtengesellschaftlichen Grundlagen im Sinne vollkommener gesellschaft-licher Solidarität und persönlicher Freiheit umzugestalten, fährtmit der Stange im Nebel herum."Das Festspiel.Zorn und Entrüstung hat sich in allen„wahrhaft patriotischen"Kreisen eingestellt über das gänzliche Versagen des Hauptmann.schen Festspiels im Interesse des deutschnationalen Gedankens undder hohenzollernschen Familieninteressen. Statt der preußischenHeldentaten steht ein„nebelhafter Weltgeist" vereint mit fian.zösischer ReoolutionSromaniik im Mittelpunkt der Handlung. Unddaß in dem Breslauer Festspiel während dieser erregten, gefähr.lichen Zeit die menschliche Idee des Friedens über die mordendePestilenz des Krieges siegte, daß in der Dekoration gar die preußi.schen Jahnen und das Eiserne Kreuz fehlten diese Wahrzeichenpreußischen Denkens und Handelns— steigert den Schmerz in derpatriotischen Brust noch besonders..... Eine fieberhafte Tätigkeithat sofort in den Reihen der„Enttäuschten" eingesetzt; gegenüberdiesem individualistisch-liberalen Festspiel muß em wahrhaftpatriotisches Gegenstück geschaffen werden. Zur Verwirklichung