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und moralischen Tlend preisgegeben seien. Als er 1898 seine .Arbeiterfrage  " herausgab, da fand sich darin kein Wort mehr von der.Erneuerung der Gesellschaft auf ständischer Grundlage"; der christliche Zukunftsstaat, den der junge Kaplan in glück« verheitzenden Farben geschildert hatte, war abgetan, die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung war wieder in ihre alten Rechte eingesetzt. Und jetzt hat Franz Hitze  , dessen Haar unterdes weiß geworden ist, wiederum ein Buch herausgegeben:.Zur Würdigung der deutschenArbeiter-Sozialpolitik", eine Kritik der Bernhardschen Schrift.  Unerwünschte Folgen der deutschen   Sozial- Politik". Das Buch enthält recht treffende Bemerkungen, soweit es sich gegen den Berliner   Professor wendet. WaS uns hier besonders interessiert, die Bestätigung der Tatsache, datz Herr Hitze, der Stürmer und Stürzer von damals, gegen die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung nicht das mindeste mehr einzuwenden hat, ist weiter sein Bemühe», die Arbeiter mit dem GegenwartSstaat, den er jetzt im rosigsten Lichte erstrahlen lägt, auszusöhnen. Man höre den einen Satz, wo er von der.inneren Versöhnung und Wiedergewinnung der Massen" spricht: Was in Jahrzehnten versäumt war, konnte nicht in Jahr- fünften wieder gut gemacht werden. Umgekehrt erfordert eS die Arbeit von Generationen, die Einbußen in unseren sittlichen Volkskräften wieder auszugleichen, unser Volk wieder mit dem freudigen Glauben und Vertrauen in den Be- stand unserer Gesellschaftsordnung und den ge- rechtenSinn der dirigierenden Klassen zu er« füllen, das Gefühl der christlichen Solidarität, die Liebe zum Vaterlande und zur Kirche neu zu beleben und zum Gemeingut der ganzen Nation zu machen. Vor SO Jahren verdammte Hitze den kapitalistischen   Staat in Grund und Boden. Cr entwarf kühne Pläne zur Reorganisation, zum Umsturz der Gesellschaft. Sein christlicher Zukunftsstaat war eine Utopie. Herr Hitze hat sich unterdes geändert, aber der Utopist ist er geblieben, wenn er meint, es genüge ein bißchen Sozialreform, um die Massen zum Glauben an die Fürtrefflichkeit der kapitalistischen  Gesellschaftsordnung und an den.gerechten Sinn der dirigierenden Klassen" zu erziehen. Diese Erwartung ist sehr töricht. Lustig aber ist eS, wenn Herr Hitze sich in seinem jüngsten Buch um den Nachweis bemüht, wie oft und wie stark die Sozialdemokratie ihre Anschauungen gewechselt habe. Herr Hitze, der Unwandelbare l politische Qeberlicbt. Feierliches und Anderes. Die bürgerliche Presse hat recht viel Papier an ihre Sonntagsausgaben verwandt, um das Regierungsjubiläum würdig zu begehen. Di« repräsentative Rolle, die der Monarch nach den Lehren des bürgerltchen Staatsrechts inne hat, wird auch in diesen Feierartikeln respektiert. Es wird eine Ueber- ficht gegeben der Geschichte der letzten 25 Jahre, um dann, was die Nation als Ganzes in harter Arbeit geleistet oder das, was die herrschenden Klassen in ihrem Interesse durch- gesetzt haben, mehr oder minder geschmackvoll, mehr oder minder vollständig dem Einfluß Wilhelms II. zuzuschreiben. Auch einige Vorbehalte werden gemacht, so, wenn die All- deutschen und Scharfmacher die Entlassung Bismarcks oder die Verabsäumung eines Weltkrieges schmerzvoll vermissen, oder die liberale Presse an jene Eigenschaften erinnert, die zur Novemberabrechnung geführt haben, nicht ohne nach 25 Jahren nochmals die Illusion zu erneuern, wie herrlich liberal es in Deutschland   geworden wäre, wenn Friedrich III.   länger ge- lebt hätte. Ter flüchtige Blick, der über diese Zeilenreihen gleitet und mehr wäre überflüssige Zeitverschwendung, erhält so ettva denselben Eindruck, den der andere Kitsch her- vorruft, der den Berliner   Straßenreihen als Festfchmuck an- gelegt worden ist. Aber eines soll doch noch hervorgehoben werden: die Kr euz z ei t u n g" hält das Regierungsjubiläum für den gegebenen Anlaß, erneut ihren Schmerz über den sfi a l l d e s Soziali st engesetzes kum Ausdruck zu bringen und sie fordert nun schleunigst dieendliche Ueberwältigung der revolutionären Bewegung". Was nützt, meint das Junker- organ, die schönste Weltpolitik, wenn nicht vorher der Sozial- demokratie der Garaus gemacht worden ist. Und als passende Einleitung zum Jubiläum erinnert die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" an das u n e i n g e l ö st e Königswort. Das Blatt der Negierung spricht genau so, Alockenfilm. ,. t Tirweil beS Menschen Fürrecht Lachen ist. Rabelais. foilte �ubiläumglck Usseln. Der biedere Provinzonkel, der in diesen weihevollen . Jubiläumstagen in die deutsche Haupt- und Residenzstadt ge- kommen ist, sperrt Maul und Nase auf ob der Pracht und des feinen 5tunstgeschmacks, die aus dem Festschmuck der Straßen zu ihm sprechen. Sprechen? DaS ist viel zu gelinde ausgedrückt. Treffender ist brüllen, kreischen. Denn ein solcher Aufwand an Holz, Pappe, Papiermache, grellbuntem Köper- und Nesselstoff, Kiefernnadeln und Papierblumen ist wohl noch nicht dagewesen. ES ist, als ob die Ausstattung Skiinste des seligen Schmie... pardon EchauspieldirektorS Strtese sich verhundertfacht, nein der- tausendfacht hätten. Doch reden wir nicht weiter davon. Wem beim Anblick dieser neudeutschcn StraßenschmückungSkunstorgie nicht der Geist vor Ehrfurcht still steht, der ist eben ein banausische? Riesenrindvieh 1. Klasse oder, um es kadinisch auszudrücken, ein bos inöicus niaximus. Der versteht natürlich auch die lieferen symbolischen Zusammenhänge nicht, die zwischen den mit Goldfarbe beklecksten Pappschildern, den bunten, flatternden Leinenlappen und den herrlichen Zeiten bestehen, denen wir im Laufe der letzten SS Jahre entgegengeführt worden sind. Interessant wäre höchstens die Untersuchung, wieviel Quadratmefer überpinselte Pappe und wie- viel Kilometer schwarz-wciß-rotcs usw. Leinenzeug auf einen Hof- lieferantentitel oder einen Orden kommen. Das unumschränkte Selbstverwaltungsrecht der Welt- und Jntelligenzstäot Berlin bringt es mit sich, daß- alle Kunst- und Ver- schönerungspläne der Stadt erst dem Oberhofmarschallamt ein» gereicht werden müssen. Und das ist gut so. Welch greulichen Kitsch würden diese kommunalen Pachulken sonst auf Straßen und Plätze setzenl Natürlich haben auch die Jubiläumsstraßen- ausschmückrrrigspläne>em Oberhofmarschallamt und der aller- höchsten Stelle vorgelegen und haben dort noch manche Korrek- turen erfahren. So wissen wir, dank unserer guten Beziehungen zu Hofkreisen, daß der belorbeertc Schweinskopf mit Wurst- ornamcnten und das Schaukelpferd, die man auf einer Anzahl Banner an den Flaggenmasten der Leipziger Straße   bewundern kann, der kunstsinnigen Inspiration des OberhofmarschallanrteS zu danken sind. Die besagten guten Beziehungen ermöglichten uns aber auch xinen Einblick in eine Anzahl von Straßenausschmückungsplänen, wie es die konservative Presse tut, von derkünstlichen Mache" der Wahlrechtsbewegung. Es macht sich über den Massenstreik lustig und meint: Die bisherige Interesselosigkeit der Massen an der sozialdemokratischen Wühlarbeit beweist jedenfalls, daß sie unter derHerrschaft der Herrschenden" in Preußen sich ganz wohl befinden und keine Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen empfunden hat." Wenn dieNorddeutsche Allg. Zeitung" damit sagen will, daß die Regierung die wichtigste und dringendste Aufgabe der Gegenlvart für erledigt hält und sie deshalb dem neuen Land- tag keine Wahlreform vorlegen wird, so mag sie damit die Jubiläumsfreude der Junker gestärkt haben. Aber auf die Interesselosigkeit der Massen sollte das Regierungsblatt nicht allzusehr vertrauen. Da könnte es doch noch manche Eni- t ä u s ch u n g erleben._ Es wird weiter gehandelt. Dem kategorischen Imperativ des Reichskanzlers leisten die bürgerlichen Parteien Gehorsam: es wird weiter gekuh- handelt. Nachdem die Besprechungen der bürgerlichen Parter- führer am Sonnabend ziemlich unvermittelt abgebrochen waren, wurden sie Sonntag in Gegenwart des Reichsschatz- sekretärs wieder aufgenommen und die eifrigen Kompro- mißler hoffen bis Dienstag noch zu einer Einigung zu kommen, wo dann das Werk sofort der Budgetkommission vor- gelegt werden könnte. Auch die Konservativen nehmen jetzt an den Verhandlungen teil und ein bürgerliches Blatt will so- gar wissen, daß zu weiteren Verhandlungen auch Genosse Dr. Südckum hinzugezogen werden soll. Von dieser Absicht ist dem Genossen Südekum nichts bekannt ebenso wenig wie dem Fraktionsvorstand, mit dem zunächst die Verhandlungen über die Teilnahme von sozialdemokratischen Vertretern zu führen wären. Die Reichsregierung selbst scheint dem Kom- promiß trotz des heftigen Widerspruchs der sächsischen Re° gierung günstig gegenüberzustehen. Wenigstens läßt darauf eine offiziöse Meldung derKöln  . Ztg." schließen, durch die dem Kompromiß feindliche Artikel energisch abgeschüttelt werden und die Annahme als völlig unzutreffend zurück- gewiesen wird, als könnte es sich dabei um Ansichten von Re- gierungsftellen handeln. Dagegen leistet ein Teil des Zentrums unter Führung Gröbers   jedem Kompromiß, in das irgendwie die Erbanfallsteuer hineingearbeitet wird, entschiedenen Widerstand, und noch heftiger widerspricht die konservative Presse. So verbittet sich dieK r e u z z e i t u ng" recht unwirsch die Mahnung derGermania  ", den Bogen nicht zu überspannen: die konservative Partei werde an der Forderung festhalten, daß die Erbschaften der Kinder völlig steuerfrei bleiben. Die Möglichkeit, daß die Konservativen ihre grundsätzlichen Bedenken in dieser Frage zurückstellen, sieht dieKreuzzeitung  " nicht gegeben. Dagegen tritt die Nationalliberale Korrespondenz" mit großem Eifer für das Kompromißwerk ein. Wir Sozialdemokraten stehen dem ganzen Handel sehr kühl gegenüber. Unsere Stellung ist stark genug, um die Schädigung der Besitzlosen zu verhindern. Wenn die National- liberalen. statt klare und konsequente Politik zu machen, statt die Erbschaftssteuer durchzuführen, für die sich das deutsch  « Volk bei den letzten Wahlen in überwältigender Majorität ausgesprochen hat, dem Zentrum Liebesdienste erweisen will, um von den Schwarzblauen wieder in Gnaden aufgenommen zu werden, mögen sie es nur tun. Nutzen wird ihnen der neueste Umfall nicht bringen. Offiziere als Weinhändler. Daß pensionierte Offiziere neben Kognak und Zigarren auch Weine verkaufen, ist bekannt; weniger bekannt dürfte aber sein, daß sich dem letzteren Geschäfte auch aktive Offiziere widmen. Dem Reichstage ist eine Petition des Vereins der Weingroßhändler zu- gegangen, in der darauf hingewiesen wird, daß das Offizierskasino der Jnfanterieregimenter Nr. 29 und 69 in Trier   ein sehr umfangreiches Weingeschäft betreibt. Eine ganze Anzahl Offizierskasinos werden von dort aus mit Wein versorgt, u. a. die Kasinos der Infanterie- Schießschule und der Technischen Institute in Spandau  , und die Petition behauptet, daß die abkommandierten Offiziere der Regimenter 29 und 69 es sich überall angelegen sein lassen, die betreffenden Kasinos dafür zu interessieren, daß sie ihre Weine aus Trier   be» die leider aus verschiedenen Gründen nicht zur Ausführung ge- kommen sind. So sollen denn wenigstens unseren Lesern die Ent« würfe hier serviert werden. Ein Plan ging dahin, an geeigneten Stellen im arbeiterreichcn Osten und Norden Berlins   eine Anzahl symbolischer Denkmäler aufzustellen, die den Triumph des allerhöchsten Jubilars über die vaterlandslosen Gesellen ausdrücken sollten: große, rot ange- strichene Blöcke auS Papiermache, auf die eine eisengepanzerte Faust niederschlägt, sollten durch«ine Anzahl von Rissen, Sprüngen und abgesplitterten Stellen andeuten, daß..., na, das Symbol wird wohl ohne weiteres jeden: Leser einleuchten. In der Sitzung des Hofmarschallamtes, in der über diese Pläne beraten wurde, äußerte aber ein kleiner Sekretär schüchtern, daß bei der Respektlosigkeit der in Betracht kommenden Bevölkerung mit allerlei Inschriften aussen breiten Flächen der Blöcke zu rechnen sei. Wenn dann so ein Strolch in Zahlen die Stärke der Sozialdemokratie vor 2S Jahren und die von heute in recht großer schwarzer Schrift an die Blöcke schmiere... der Redner kam nicht weiter. Die maßgebenden Herren des Kollegiums ließen einige verlegenehm, hm" vernehmen und erklärten, daß man lieber auf die Ausführung dieses Planes verzichten wolle. Ein weiterer Plan ging dahin, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß während der 2SjShrigen RcgierungSzeit des aller- höchsten Jubilars Deutschland   zu einer kultur- und segenspendendcn Kolonialmacht geworden sei. DaS sollte auch bei der Straßen- schnnickung berücksichtigt werden. Es leuchtete ohne weiteres ein, daß hierfür das sogenannte Kameruner Viertel im Norden, die Kamerun  -, Togo  -, Windhuk  -, Otavi- usw. Straßen in Betracht kämen. So sollte hier an einer freiliegenden und besonders ins Auge fallenden Stelle ein echt exotischer Obelisk Ausstellung finden. Wie man noch heute bei einigen Stämmen Zentralafrikas  , bei den erschlagener Feinde sehen kann, so sollte der Obelisk aus Schädeln und Knochen gebildet werden, die mit unserer Kolonialgeschichte im Zusammenhang stehen. Aus dem Sand- feldc,.der Omaheke Deutsch-Südwestafrikas, sollten Knochen und Schtroel hergeschafft werden. Dort waren sie«n großer Menge zu finden. Hatte doch im September 1994 die geniale, humane und weitblickende Strategie des General« von Trotha viele Hunderte von Männern, Frauen und Kindern der Hereros dem Tode des Verschmachtens ausgesetzt. Ein ähnliches Kolonialmonument war von einer renommierten Eiscnbahnbaufirma speziell für die Kameruner Straße vorgesehen worden. Das Material zu diesem Obelisk hatten die vielen Hundert schwarzen Arbeiter geliefert, die bei einem von dieser Firma durchgeführten Eisenbahnbau in Ka- merun draufgegangen find. Leider konnte infolge zu später Be- ziehen. In ähnlicher Weise liefert das OffizierSkafino des 1. und 2. Bataillons des Regiments Nr. 161, daS sich ebenfalls in Trier  befindet, an andere OffizierSkasinoS. Für Rechnung des Kasinos in Trier   werden ganz enorme Mengen Wein gekaust» und die Käufe werden auf den Namen einzelner Offiziere abgeschlossen. Mit Recht weisen die Weinhäudler darauf hm, daß in dem Augenblick, da die neue Wehrvorlage von neuem un« geheure Opfer von der gewerblich tätigen Bevölkerung verlangt, mit besonderem Nachdruck dafür gesorgt werden muß, daß der ge- werblich tätigen Bevölkerung nicht durch Handelsunternehmungen aktiver Offiziere und Beamter Konkurrenz gemacht wird. Die Petenten wünschen außerdem, daß die OffizierskafinoS genau wie jede Weinhandlung, den Bestimmungen des neuen Weingesetzes ent- sprechend, zur Führung von Lager«»nd Expeditionitfrüchern ver­pflichtet werden. Aus der Petition ergibt fich auch die ganz interessante Tatsache, daß der Weinbetrieb einiger preußischen Jnfanterieregimenter seit Jahren zur Gewerbesteuer veranlagt wird._ Das ist alles? Der König von Sachsen   hat aus Anlaß des 2Sjährigen RegierungsjubilaumS des Kaisers alle über Angehörige des fach» fischen Hecreskontingents verhängten Disziplinarftraseu, soweit sie am 16. Juni 1913 noch nicht oder nur teilweise vollstreckt sind, in Gnaden erlassen, sowie befohlen, daß auch noch eine Anzahl der von sächsischen Militärgerichten verurteilten Militärpersonen zu Gnadenakten vorgeschlagen wer- den sollen._ DU Lage auf ciem ßalhan. Von einerhoffentlich entscheidenden Wendung zum Besseren" spricht dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung". Die Gefahr eines bewaffneten Zusammenstoßes zwischen Bulgarien  und Serbien   erscheine wesentlich verringert. Die einmütig abmahnende Haltung der Großmächte sei in Belgrad   wie in Sofia   nicht ohne Wirkung geblieben. Gewisse Zeichen sprächen dafür, daß die freundschaftliche Mahnung der Großmächte zur Demobilisierung ihren Zweck nicht verfehlen werde. Ver- ständigen sich Bulgarien   und Serbien   über Abrüstungsmah- regeln, so werde man von einem endgültigen Ein» lenken in die Bahn friedlicher Erledigung der noch schwebenden Streitfragen sprechen können. Konferenz in Petersburg  . Paris  , 15. Juni. Wie dieAgence Havas" aus PeterS- bürg erfährt, sieht die russische   Regierung die Ant- Worten der Könige von Bulgarien   und Ter- b i« n als befriedigend an. Infolgedessen hat der Minister des Aeußern Ssasonow die Ministerpräsidenten der vier verbündeten Staaten eingeladen, baldmöglichst zu einer Konferenz in Petersburg   zusammenzukommen. Die Demobilisierung. Konstantinopel  , 16. Juni. Alle Botschafter befitzen jetzt In- struktionen für den Schritt bei der Pforte, durch den dieser empfohlen werden soll, teilweise zu demobilisieren. Ueber die Form der Demarche, die in einigen Tagen erfolgen soll, ist noch kein Beschluß gefaßt worden. Tie Ermordung des Großwesirs. Konstantinopcl, IL. Juni. DaS von der Polizei entdeckte HauS, in dem sich der Mörder Mahmud SchewketS, Zia, ver- borgen hielt, liegt in dem Stadwiertel Beschikasch. Z i a benach- richtigte die Behörden, daß er fich ergeben wolle. Es wurden Polizeimannschaften entsandt, die ihn verhafteten und nach dem Konstantinopeler MilitärgouverncmentSgebäude brachten. Gestern nacht hat die Polizei im Stadtviertel Dinanyolu in Stambul   ein Haus umstellt, in welchem sich ein oder zwei M i t s ch u l d i g e an der Ermordung des GroßwesierS aufhielten. Das HauS wurde gegen elf Uhr abends durch Einbrechen einer Tür eingenommen. Die Bewohner waren indes durch eine geheime Pforte entflohen. Amerikanische   Schiedsverträge. Washington  , 15. Juni. Bei der gestrigen Feier des Flaggentages hielt Staatssekretär Brpan eine Rede, in welcher er erklärte, er erwarte, daß bis Weihnachten 25 N a- tionen den Schiedsgerichtsvertraa mit den Ver- einigten Staaten abgeschlossen haben würden. stellung und wegen zu befürchtender Transport- und Zollschwierig- leiten da? erforderliche Knochenmaterial nicht herbeigeschafft werden. Man verzichtete daher auf den Plan. Damit fiel auch die Absicht, den Kolonialhelden Peters, Wehlan, Arenberg usw. durch ent- sprechende Statuen, ähnlich der Fliegerpappsäule auf dem Dönhoffs- platze, zu gedenken. Die Ornamente sollten hier aus stilisierten Nilpferdpeitschen, Schambocks, Ladestöcken, Galgen und anderen afri- konischen Requisiten bestehen. Es ist bedauerlich, daß diese Seite von des Reiches Größe, Macht und Herrlichkeit bei der StraßcnauS- schmückung nicht berücksichtigt werden konnte. Wir wollen daher wenigstens den Plan als kalte Schüssel vom Jubiläumsfeste der Nachwelt für einige Zeit aufbewahren. Das sich durch würdige Einfachheit und Bescheidenheit auszeich- nendc Jubiläumsprogramm mußte ebenfalls um eine Nummer ge- kürzt werden, die dem Ganzen einen besonderen Glanz verliehen hätte. Zwei durch Bande persönlicher Freundschaft mit dem aller- höchsten Jubilar verbundene Monarchen hatten um Zulassung zur Jubiläumsfeier gebeten. Es waren dies der Exsultan der Türkei  Abdul Hamid   und der Exsultan von Marokko Abdul AsiS.(Siehe Reden Wilhelms II. vom 8. November 1898 und vom 2. April 1995.) Abdul Hamid   verfügt zwar nur noch über ein halbes Dutzend Odalisken; das ist alles, was ihm von den 299 Millionen Mohamme- danern geblieben ist. Immerhin hätte aber ein öffentlicher, vielleicht auf der Schloßfreiheit aufgeführter Bauchtanz dieser sechs Harems- damen eine sehr hübsche Allegorie der deutschen   Orientpolitik ge- liefert. Abdul Asis hätte mit zwei Dienern, über die er jetzt noch unabhängiger Herrscher" ist, auf dem breiten Promenadenweg Unter den Linden   eine schneidige Fantasia mit all ihrem wilden Geschrei, Flintengeknalle usw. geritten und damit ein schönes Sinn- bild der deutschen   Marokkopolitik geliefert. Leider scheiterten all diese schönen Programmplänc an der Geldfrage. Da beide Herrscher seit längerer Zeit dauernd arbeitslos stich, verlangten sie beide für sich und ihr Gefolge Reise- und Zehrgeld. Darauf konnte aber das Hofschatullenamt angesichts der großen Jubiläumsausgaben nicht eingeben. Nun, wenn daS begeisterte und schaulustige Straßenpublikum auch keine echt arabische Fantasia zu sehen kriegt, so wird eS doch in puncto Reitkunst auf seine Rechnung kommen. Die überfütter- ten Berliner   Polizeigäule sind zwar keine sehnigen arabischen Wüstenrenner und die behäbigen blauen Reiter keine tollkühnen Beduinen, aber daS Kurbettieren auf der Stelle, das Herumtänzeln auf den Hühneraugen des süßen Hurrapöbels, das Auswischen der Patriotengesichter mit Pserdeschwänzen verstehen sie ausgezeichnet. Und das sind schließlich Jubiläumseindrücke von nachhaltiger Wirkung. Oraet.