Da spielte Musik; an kleinen Tischen saßen dicke Damen mit dünnen Kavalieren, und einige Paare tanzten einen Tanz, dessen Bewegungen eine der späteren Stunde vorbehaltene Handlung an- deuten zu wollen schienen. ZizewitzenS Kameraden wurden mit herzigen Willkommensrufen empfangen, etwa:„Na, Bubi, willst Du's auch mal wieder probieren!", kurz Zizewitz mußte den Ein- druck gewinnen, daß er hier gleich in den vertrautesten Zirkel der besten Gesellschaft eingeführt worden sei. Er äußerte diese Ansicht auch gegen Bredow, der sie sofort unter großem Jubel den An- wesenden mitteilte und eine ältere Dame, die sicherlich schon 1866 Ehrenjungsrau am Brandenburger Tor gewesen war(jetzt hatte sie sich bis in die Friedrichstraße zurückgezogen), nahm den kleinen Ostpreußen untern Arm, der, seiner guten Erziehung bewußt, auch sofort eine Unterhaltung begann:„Baronin haben sicher mit Jubiläum von Majestät viel Arbeit."„Das jlaubste," antwortete die Hof-(und Straßen-) Dame,„bei die vielen Fremden!" Zi�ewitz war etwas erstaunt, die Unterhaltung über das Kaiserjubiläum ging aber weiter, man sprach von Hofansage und Theütre pare, bis die Hofdame sagte:„Weißte, was mir das liebste Andenken ans Jubiläum wäre?"—„Nein, Baronin, wenn es aber in meinen Kräften steht..."—„Das wirste noch leisten können, Klcener! Gib mir ein Pfund, dann gehn wir gleich! Ich Hab' später noch wo anders zu tun." Zizewitz erhob sich langsam. Er wußte alles! Dahin also hatten ihn die ehrvergessenen Kameraden geschleppt! Zu— Dirnen II Es war kein Zweifel! Anfangs hatte er das Du der Dame für alt- preußische Einfachheit gehalten, aber ein— Pfund wollte sie! Wofür anders, als für die Betätigung verbotener Lust! Gemessenen Schrittes begab sich Zizewitz zu Bredow und sprach:„Herr Baron, Seine Exzellenz, der Herr Kriegsminister hat erst vor wenigen Tagen gesagt, für den Soldaten seien die Lokale verboten, in denen Zuhälter, Sozialdemokraten und Dirnen verkehren. Was für den gemeinen Mann gilt, muß doppelt für den Offizier gelten. Ich verlasse dies Lokal und werde morgen dem Kommandeur von meiner Verirrung Meldung machen!" Bredow starrte Zizewitzen erst sprachlos an, dann sprach er ihm wie einem gemeingefährlich Ver- rückten zu. Er bewies ihm, daß der Kriegsminister bei dem Worte „Dirnen" natürlich höchstens an einen Taler und nicht an ein Zwanzig-Markstück gedacht habe und daß die Moral der Gemeinen natürlich geschützt werden müsse, daß es aber an der der Offiziere doch bei Gott nichts mehr zu schützen gebe. Außerdem wolle die Dame das Pfund gar nicht für— das, sondern zur Deckung ge- scllschaftlicher Spesen und überdies fei er doch ein Kavalier und Edelmann! Zizewitz sah das alles ein, aber er war noch nicht be- ruhigt. An den Nebentischen saßen Herren, die zwar sehr elegant waren, aber am Handgelenk seltsame blaue Zeichnungen zeigten und immer aufstanden und hinausgingen, wenn ihre Dame mit einem Herrn das Lokal verließ. Sollten das am Ende— Zizewitz wagte es gar nicht auszusprechen— Zuhälter sein? Aber Bredow wußte ihn auch da vollständig zu beruhigen. Er stellte ihm zwei der Herren bor und stehe da, der eine war der Conte Larifari und der andere der Prinz Lukschakow. Jetzt blieb Zizewitz nur noch eine Sorge: aber da kam gerade der Besitzer des Lokals, Zizewitz eilte auf ihn zu, zog ihn in eine Ecke und fragte schüchtern:„Erlauben Sie..., verzeihen Sie..., aber Sie sind doch nicht am Ende... Sozialdemokrat?" Da schlug der Wirt ein beleidigtes Gelächter auf und rief:„Erlauben Sie mal! Mit'nem Lokal, wo die Mäd- chen die besten Kavaliere finden! Ich bin der einzige Wähler erster Klasse hier und natürlich wie meine Kundschaft konservativ!" Jetzt war Zizewitz beruhigt. Jubelnd kehrte er zu seiner Hof- dame zurück, der Saal verschwamm bald vor seinen Augen, man ging noch irgendwohin, wo Spieltische waren, und dann kam ein fremdes Bett, und als er am andern Mittag in seinem Kasernen- zimmer aufwacbte, hatte er das dumpfe Gefühl, ein paar tausend Mark Spielschulden und kein Geld mehr zu haben. Außerdem hatte er ein paar Tage später eines körperlichen Uebelbefindens wegen Gelegenheit, sich recht eindringlich der„Hofdame" zu er- tnnern. II. Der Grenadier Schulze ging mit seiner Braut spazieren. Da fing es an zu regnen. Da er seinen eigenen guten Nock anhatte uns ein ordentlicher, sparsamer Mensch war, sahen sie sich nach einem Unterschlupf um und entdeckten gerade vor ihnen eine „Brief übergeben. Allgemeine dankbare Verbeugung vor der Gutsherrschaft. — Drolliger Kratzfuß, Willy.— Schneller, schneller, zum Schlafen ist nachher Zeit! Na also! Gott sei Dank, das erste Bilo hätten wir!" Ter hübscye Mensch sank in einen Stuhl. KrauSkopf stürzte hinter oem Mondscheinapparat auf ihn los wie ein Tiger. „Mein Herr," keuchte er atemlos,„wo haben Sie mein« Frau, die Geliebte des schuftigen Marquis, das verstoßene Bauern- mädchen mit dem Säugling?" Das Personal glotzte lachend. Der Regisseur erhob sich und fragte mit vornehmer Verbeugung:„Was beliebt, mein Herr?" Ter Freund drängte Krauskopf beiseite. Zu Fabian sagte er bedeutungsvoll:„Sie haben Nebenräume, wie ich sehe— bitte, mein Herr, ein Wort!" Sie gingen in die Tischlerei rechter Hand. Hinter ihnen kicherte die Rotte Korah . Der Freund ließ Krauskopf nicht zu Worte kommen und erzählte kurz. Fabian begriff, lächelte n elan- cholisch uno warf sein schwarzes Lockenhaar in den Nacken. „Ich verstehe, mein Herr, und weiß Ihren Schmerz zu wür- digen. Aber meinen Star werden Sie mir nicht fortholcn wollen! Ich gebe ihn nicht heraus— um keine Welt!" Und mit geläufigem Zungenschlag fing der junge Mensch an, die eminente Begabung Mieze Krauskopfs für ihren..höheren Beruf" auseinanderzusetzen. „Ich habe sie entdeckt," schloß er,„entdeckt im Dunkel des Zu- schaucrraumes. Sie sehen und mir sagen: Mit dieser Frau wird endlich gelingen, was die deutsche Kinematographie feit langem erstrebt— mit dieser Frau werden wir Frankreich schlagen— war einS! UebrigenS, da ist sie selbst!" Wirklich stand Mieze Krauskopf in der Tür eines kleinen Nebenraumes, ihres GardcrobcnzimmerS, reizend anzusehen im hellen Seidenkostüm, einen Erntekranz mit flatternden bunten Bändern auf dem blonden Zockenhaar. Hinter ihr die gleichfalls verschwunoene Freundin in schlichtem Zivil, als Dame d'honneur. Den verlassenen Gatten sehen, einen durchdringenden Schrei ausstoßen, über Latten und Leimtische fort, das die Späne flogen, an ihm weiter die Treppe hinunterjagen, war eins. Krauskopf nahm seine ansehnliche Leiblichkeit zusammen und stürzte ihr nach, zwei Stufen auf einmal nehmend. Die Frau oder das Leven, das galt ihm gleich. Sie lief wie ein Wiesel vor ihm her, neben ihnen die johlende Straßenjugend. hinter ihnen die kostümierte Rotte LtoraH, Fabian, der Geniale, Kellermann, der Phowgrafh mit seinem Apparat. „Los, los', Kellermann," schrie der Höchstkommandierende,„eine t fmnose Jagd nach der Frau kriegen wir so bald n«ht wieder auf l Film." ordentlich aussehende Wirtschaft. Sie gingen hinein und setzten sich an einen Tisch, wo ehrsame Bürgersleute ihr Bier tranken. Aber der Regen dauerte fort und trieb noch mehr Leute von der Straße herein. Darunter auch zwei Herren mit zwei sehr auf- fallenden Damen, die augenscheinlich über irgend etwaS nicht einig werden konnten. ES handelte sich, wie man hörte, um Gelosachen. Grenadier Schulze und Braut tranken ihr Bier und warteten, bis der Regen aufhöre. Die zwei Herren und zwei Damen wurden im Verlauf ihrer Auseinandersetzung sehr laut und erzählten sich irgend etwas vom Palace of Dancing, und ein Herr sagte:„Drei hast Du gehabt", während die Dame behauptete, nur zwei gehabt zu haben. Und da sie sich mit Vernunftgründen nicht einigen konnten, beschlossen sie, zu Tätlichkeiten überzugehen, und der eine Kavalier eröffnete daS Gefecht, indem er der Dame die Tasche wegriß, was diese mit einem Wurf ihres BierglaseS quittierte. Der zweite hielt schon den Zopf seiner Begleiterin in der Hand. Eine guigezielte Ohrfeige hatte ihr das Gebiß so verschoben, daß sie am Aussprechen der geläufigsten Schimpfworte gehindert war. Jetzt aber trat der hemdsärmelige Wirt in Aktion. Er schritt in Begleitung eines wuchtigen Hausknechtes hinter dem Ausschank hervor, ein kurzes Durcheinander folgte, dann befinden sich die zwei Paare vor der Tür, und am Kampfplatz lagen nur noch zwei Zähne und ein Zopf, die den Hinausgeflogenen durch die Türe ge- reicht wurden. Dann schritt der Wirt siegesbewußt hinter seinen Ausschank zurück und sagte zu den Männern am Stammtisch: „Son Lumpengesindel fehlt mir gerad noch. Da könnt' ich warten, bis anständige Leute zu mir rein kommen. Und die Polizei würd' mir was pfeifen! Was meinen Sie, wenn es hieß, bei dem Sozialdemokratenwirt verkehren sone Huren und Luden!" Die Gäste stimmten dem Manne zu, Grenadier Schulze und Braut tranken aus und, da der Regen aufgehört hatte, setzten sie ihren Spaziergang fort. Am andern Nachmittag aber sagte der Feldwebel zu Schulze: „Sie scheinen ja ein ganz Gefährlicher zu sein! Verkehren in Lokalen mit Zuhältern und Dirnen, und der Wirt ist noch sozial- demokratischer Stadtverordneter! Die Untersuchung ist schon im Gang! Na. in Ihrer Haut möchte ich nicht stecken!" Karl Pauli. Vom Jahrmarkt des Gebens. �ur keine JMUiz. In den Reichstagsdebatten über die HeereSvorlage spielte der militärische Wert oder Unwert deS Milizsystems eine erhebliche Rolle. Die trefflichen Hiebe des Genossen Noske gegen den Gama- schendienst glaubte der Kriegsminister von Heeringen dadurch parieren zu können, daß er von der Miliz als von einem„losen G e f ü g e" sprach, dem der deutsche Arbeiter nicht die Sicherung seines Arbeitsplatzes anvertrauen werde. Hätte Herr von Heeringen sich mit der Chronik seiner Familie vertraut gemacht, so müßte ihm die Erkenntnis dämmern, daß bereits früher das lose Gesüge der Miliz die Gamaschenknöpfe ganz jämmerlich in die Pfanne gehauen hat. Kriegsminister von Heeringen stammt aus einer kurhessischen Offiziersfamilie. Vorfahren von ihm befehligten bei jenen kur- hessischen Truppen, die an England verkauft und im nord- amerikanischen Unabhängigkeitskriege gegen die Aufständischen der- wendet wurden. In diesen Freiheitskämpfen, die doch in erster Linie für die Sicherheit des Arbeitsplatzes geführt wurden, sind die für sehr kriegStüchtig geltenden turhefsifchen Truppen von den nord. amerikanischen Milizen mehrfach geschlagen und zum großen Teil gefangen genommen worden. Sollte Herrn von Heeringen die Familienchronik seines Hauses doch bekannt sein, und sollten diese unangenehmen Erinnerungen ihren Teil dazu beitragen, daß der Kriegsminister jetzt so grimmig gegen daS Milizsystem- zu Felde zieht? Ver UnzucKtstruft. Zu allen Zeiten trösteten sich die Kapitalisten, die ihr Geld in schmutzigen Gewerben machten, mit den Worten„Geld stinkt nicht". Ebensowenig wie im Altertum der römische Kaiser Vespasian Weit hinten am Ende der Straße holte KrauSkopf seine Mieze ein. Er scherte sich nicht um das gaffende Friedenau , nicht um den Photographen, der jede Bewegung, Kampf und Sieg, Trotz und Versöhnung, Tränen und Msse auf die Platte brachte, nicht um Fabian, der händereibend unter den Zuschauern stand und laut rief:„Es lebe die Entdeckung durch den Kinematographenl ES lebe die Jagd nach der Frau! Hurra! Hurra! Hurra!" Ganz Friedenau heulte mit. und Fabian wußte, er hatte die Franzosen geschlagen._ Vie lußc vulcligung. Mein ältester Junge trat zu mir an den Schreibtisch. „Papa, ich bringe Dir Material für eine kritische Glosse." Damit legte er einige Stückchen Bonbons vor mich hin.— „Nanu!" Ich sah ihn erstaunt an. „Du mutzt die Dinger etwas genauer betrachten. Es ist eine ganz neue Sache." „Bester Junge, ich bin kein Bonbonschriftsteller und mache keine Bonbonverse." „Das sind auch keine gewöhnlichen Bonbons. Das sind p a- triotische Bonbons zum Jubiläum des Kaisers." Ich sah mir die Dinger an— und bei allen Göttern: ich hatte es mit einem Erzeugnis der patriotischen Jubiläumsindustrie zu tun.— Das eine Stückchen Bonbon trug die Inschrift 1888; ein anderes die Jahreszahl 1ö13. Wenn man diese beiden Stücke in den Mund steckte, hatte man die ganze Regierungszeit des Kaisers intus. Wieder ein anderes Stückchen zeigte in bunten Zügen die Kaiserkrone. Und nun flogen meine Gedanken plötzlich zum Burenkrieg zurück.— Als in Deutschland die Burenbegeisterung an allen Stammtischen gedieh, wurde in der Berliner Friedrichstraße ein Spucknapf ver- kauft, der den Kopf Chamberlains zeigte. Das war eine politische Flegelei ersten Ranges. In einem Punkt aber hatte der Mann recht: er verstand sich auf Symbolik. Er wollte Verach- tung und Abscheu zum Ausdruck bringen und drückte diese beiden Dinge durch den Spucknapf zwar roh, aber doch zutreffend aus. Unser patriotischer Bonbonfabrikant aber will verebrungsvoll schwärmen und an einer dynastischen Huldigung teilnehmen. Wie man aber dem Kaisertum huldigt, indem man die Kaiser - kröne in den Mund steckt und dann auflutscht, will meinem schlichten Verstand njcht einleuchten,— Wenn ich ein überzeugter Monarchist wäre: diese patriotische Huldigung würde bei mir trotz ihrer Süßigkeit einen sehr bitteren Nachgeschmack hinterlassen.— Anstoß daran nahm, Steuern aus die Bedürfnisanstalten heraus- zuziehen, scheut sich der moderne Unternehmer, seinen Mehrwert aus den ekelhaftesten Dingen zu ziehen. Vor allem der smarte Uankce ist bahnbrechend auf diesem Gebiete. In New-Aork besteht seit längerer Zeit ein Trust, der das horizontale Gewerbe monopolisiert hat. Der Trust besitzt allein in New-Iort 46 Bordelle, in denen mehr als 1666 junge Mädchen ihr weißes Sklavenleben führen. Der Jahresgewinn des letzten Jahres betrug mehr als 6 Millionen Mark. Nach den Feststellungen des Staatsanwaltes W h i t m a n hat der Trust zur Förderung der Un- sittlichkeit vier Präsidenten; Generaldirektor ist ein gewisser G o l d b e r g. Eine große Anzahl Politiker und Polizei. b e a m t e waren von Goldberg und seinen Freunden mit derartig großen Summen bestochen worden, daß ein Einschreiten gegen die Oberzuhälter unmöglich war. Whitman hat bei seinen Unter- suchungen Privatdetektive benutzen msissen, da die städti- schen Geheimpolizisten fast ausschließlich jm Dien sie der weißen Sklavenhändler standen. In Deutschland kann so etwas natürlich nicht passieren. Da hat man es bisher erst zu einem gewissen Kartellverhältnis gebracht, das dahin geht, daß die Bordellbesitzer ihre Sklavinnen gegenseitig austauschen, damit die Fleischlüsternen immer frische Ware be- kommen. Ver gekränkte verr Justizrat. Die Jubiläumsfeiern schießen diese» Jahr aus der Erde wie die Pilze nach einem warmen Sommerregen. Von allerhöchster Stelle angefangen bis zum letzten Kegel- und Rauchklub, der Heuer sein övjähriges oder mindestens doch LlljährigeS Jubiläum feiert. Und mit den Jubiläen stellen sich auch pünktlich die vielen Gratu- lanten und Lieferanten ein. die die Jubilar« beglückwünschen wollen. Darum hagelt es eben nur so Glückwunsch, und Ergeben- heitsadressen von allen Seiten. Es darf also nicht wundernehmen, daß die Stadt Gießen sich beeilte, dem dort befindlichen Leib- regiment Seiner Majestät zu seiner Hundertjahrfeier seine unter. tänigsten Glück, und Segenswünsche darzubringen, Die Sache hat aber einen recht bedenklichen Haken. Man hat eS nämlich bei der Absendung der Glückwunschadresse geflissentlkl, übersehen, einen Beigeordneten mitunterzeichnen zu lassen, der seines Zeichens Justizrat u�d gleichzeitig eine Fortschritts größe ist. Das ist sehr bitter für einen guten Demokraten, und wir können ihm den Schmerz nachfühlen. In der letzten Stadwer- ordnetenversammlung hat er nun seinem Kummer Ausdruck ge- geben und sich darüber beschwert, daß man ihn bei diesem Bück- ling vor dem Militarismus nicht mitmachen ließ. Vielleicht tröstet sich der Brave damit, daß er zu den Feierlich- leiten nach Berlin kommt. Ein Gang durch die künstlerisch mit SchweinSköpfen, Baumkuchen und ähnlichen Wahrzeichen de? Berliner Gewerbefleißes ausgeschmückte Leidiger Straße biet« vollen Ersatz. Eine jVlabnung. V Diese Tage bringen für unser« braven Patrioten mancherlei Anstrengung. Nicht nur, daß sie ungezählte Hurras steigen lassen müssen, auch bei den diversen Festmählern sollen sie tapfer ihren Mann stehen. Da möchten wir ihnen eindringlich eine Epistel vor Augen führen, die wir einem Kalenderabriß des„Christlichen HauS» freundes" entnehmen. Dort heißt es:„Weh denen, so Helden sind, Wein zu saufen und Krieger in Völlerei. Jes. 5, 22. Wenn wir dieses Wort lesen, können wir wohl kaum anders, als der vielen armen Menschenkinder gedenken, die ihr Heldentum in Fressen und Saufen beweisen. Bleibt fern von Gelagen, wo man bis tief in die Nacht, ja bis zum frühen Morgen beim Spielen und Trinken zusammensitzt. DaS sind Werk« der Finsternis, die sich für einen Christen nicht ziemen I" ES ist nur gut, daß den alten JesaiaS seit langer Zeit schon daS Zeitliche gesegnet hat. Eine so deutliche Anspielung auf manche feudale Liebesmahl« könnte ihm leicht ein schneidiger Staatsanwalt übel nehmen und als ein« Beleidigung des Osfizierkorps auslegen« Aber vielleicht versteht unsereins sich nicht auf die Aesthetik der loyalen Untertänigkeit. Vie geschmackvolle Vame. Das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel hat an Krethi und Plethi die Frage gerichtet, ob die„Verfilmung" eines Romans dem Absatz deS Werkes schaden oder nützen würde. Unter den Herr- schaften, die bei dieser Gelegenheit ihren Geist strapaziert haben, befindet sich auch eine gewisse Nannh Lambrecht, die wir zu kennen nicht die Ehre Hadem Ihre Ausdrucksweise ist aber derart« daß sie an dieser Stelle eine bescheidene Erwähnung verdient.—, Die Dame Nannh Lambrecht hebt also an:„Ich habe keine gut« Meinung von dem Kino. Darum interviewte ich mein Dienst- mädchen, genannt Dien st spritze. Die Dien st spritz« sagt», usw." Es folgt nun ein Passus, der die Gedanken des Dienstmädchens wiedergeben soll, dabei aber so vollendet läppisch ist, daß man in jeder Zeile die süße Talentlosigkeit der Familienblattschmterantin merkt. Der Ausdruck„Dienstspritze" kehrt als ein Triumph des menschlichen Witzes dann noch mehrfach wieder. Es liegt uns völlig fern, mit der geschätzten Nannh Lambrecht eine Diskussion über literarische Manieren führen zu wollem In aller Bescheidenheit aber muß die Anmerkung gestattet sein, daß uns nach dem Genuß des blöden Pensionatsgewäsches eine Sehnsucht nach dem natürlichen Mutterwitz eines wirklichen Berliner Dienst- mädchens überkam. Der andere Kai Ter I Der Berliner Bildhauer Friedrich Pfannschmidt hat eins neue Kaiserbüste vollendet. Wie die„Magdeb. Ztg." dazu schreibt, zeigt das Werk nicht den Kaiser, wie ihn sonst die Künstler darzu- stellen pflegen, als den temperamentvollen jungen Herrscher, dessen BildtypuS etwa Max Koncr und Reinhold Begas festgestellt haben. Pfannschmidt schuf vielmehr ein außerordentlich ähnliches Bildnis des Kaisers in seiner jetzigen Erscheinung. Der helmlose Kopf blickt ruhig ein wenig zur Seite und die Züge tragen nicht den Charakter, den sie anzunehmen pflegen, wenn der Kaiser repräsentativ auftritt, sondern geben vielmehr die Erscheinung des im intimen Kreise sich bewegenden Mannes. Die Büste ist also auch so ein Produkt demokratischer Bckritte- lung. Wo bleibt denn der Respekt des„gemeinen Mannes" vor der Majestät, wenn ihm S.M. nicht mehr„repräsentativ" und ohne jede Heldenpose dargestellt wird! Psannschmidt hätte<?n. das Word denken sollen, das Wilhelm II. im Juni 1VV4 den Künstlern zuriefp „Machen Sie mir, bitte, ordentlich Front gegen die moderne Richtung"!
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