mehr als einhundertfünfzig Mark oder beide Strafen vereinigt von einem preußischen Zivilgericht rechtskräftig verhängt worden sind. diese Strafen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, und die noctj rückständigen Kosten in Gnaden erlassen. Auf vorsätzliche Körperverletzung und auf Beleidigungen findet dies nur dann Anwendung, wenn der Verurteilte die Verzicht- lcistung des Verletzten auf die Bestrafung beibringt. Haftstrafen bleiben von dieser Gnadenevweisung ausgeschlossen, sofern zugleich auf Ueberweisung an die Landespolizeibehörde er- kannt ist. Ist in einer Entscheidung die Verurteilung wegen mehrerer schwerer strafbarer Handlungen ausgesprochen, so greift diese Gnadencrweisung nur Platz, sofern die Strafe insgesamt das oben bezeichnet« Maß nicht übersteigt. III. Soweit dritten Personen aus einer Entscheidung gesetzlich ein Anspruch erwachsen ist, wie bei Forstdiebstächlcn an Gemeinde- oder Privateigentum 34 des, Gesetzes'vom 13. April 1878, Gesetz- Sammlung Seite LW), behält es dabei sein Bewenden. IV. Auf die von einem der gemeinschaftlichen Landgerichte zu Mciningen und Rudolstadt oder von einem der gemeinschaftlichen Schwurgerichte zu Meiningen und Gera erkannten Strafen findet dieser Erlaß Anwendung, sofern nach den mit den beteiligten Rc- gierungen getroffenen Vereinbarungen die Ausübung des Bc- gnadigungsrechts in dem betreffenden Falle Uns zusteht. Unser Staatsministerium hat für die schleunigste Bekannt- machung und Ausführung dieses Erlasses Sorge zu tragen. Gegeben. Charlottenburg , den 31. März 1888. Friedrich. von Bismarck. von Mahbach. Lucius. von Friedberg . von Boetticher. von Goßler. von Scholz. Bronsart von Schellendorff . Die Amnestie des Jahres 1lU3 stellt die Entscheidung über eine Begnadigung völlig in das Wohl- oder Uebelwollen der Staatsanwälte oder Gefängnisdirektoren. Was dabei herauskommen wird, kann man sich bei der preußischen Justiz- und Gcfängnispraxis schon vorstellen. Daß heute p o l i- tische„Vergehen" inklusive der Majestätsbeleidigungen von vornherein von einer Amnestie ausgeschlossen sind, ist ganz besonders charakteristisch für den Lauf der Dinge in den letzten 22 Jahren._ Staatsminifker und Kapitalisten. London , 14. Juni. (Eig.©ct.) Das von der englischen Regierung im vorigen Jahre eingesetzte Komitee, das die M a r c o n i a f f ä r e untersuchen sollte, hat endlich einen vorläufigen Bericht erstattet. Der politisch denkende Teil der Arbeiterschaft hat an der Geschichte längst alles Interesse verloren. Nur ein kleines Häuflein AntiParlamentarier, die nur Gefiihlöpolitik treiben und dabei in die sonderbarste Gesellschaft gelangen, hat sich über die Angelegenheit aufgeregt. Aus einem unterirdischen Ringen zwischen zwei Finanzgruppen ist die Marconiaffäre zu einem Kampf zwischen den Liberalen und den Kon- servativen geworden. Das bestätigt der Komitee- bericht mit aller Klarheit. Er besteht auS dem Bericht der liberalen Mehrheit und dem Bericht der kons«- vativen Minderheit. Der Mehrheitsbericht schildert die an- gegriffenen Minister als unschuldige Engel, die sich auch nicht das geringste haben zuschulden kommen lassen. Der Minderheitsbericht hingegen vertritt den Standpunkt, der dem Parteiintercsse der kon- servativen Opposition entspricht. Der Minderheitsbericht spricht zwar die verdächtigten Minister von der Korruption frei, oberer zeiht sie des Mangels an Diskretion bei dem bekannten Ankauf von amerikani- scheu Marconiaktien, kurz nachdem der Postminister mit der englischen Marconigesellschaft einen wertvollen Kontrakt ab- geschlossen hatte. In einigen Tagen wird im englischen Unterhaus« die Debatte über den Bericht eröffnet werden. Man kann schon heute mit ziemlich großer Genauigkeit den Verlauf der Diskussion voraussagen. Die Konservativen werden sich bemühen, die Marconiatmosphäre, die Atmosphäre des Verdachts und der Gerüchte zu erhalten. Nach den langen Jahren der Wanderung in der Wüste der Opposition sehnen sie sich wieder nach den Fleisch- topfen Aegyptens . Jedes Mittel ist ihnen recht, um dem inneren Zwist zu entgehen und wieder zur Macht zu gelangen. Und die Liberalen werden ihren Gegnern ihr eigenes Sündenregister vor» halten. Sie werden ihnen vorhalten, wie ein konservativer Schatz- kanzler der letzten konservativen Regierung dem Staate ein Stück Land für IlX) 000 Pfund verkaufte, das diese Summe nicht wert war; wie dieses Geschäft erst lange nachher in die Oeffentlichkeit kam? wie sich in der letzten konservativen Administration 33 Rcgierungs- Mitglieder nicht weniger als 38 Direktorenstellen in öffentlichen Ge- sellschaften teilten: wie 18 der hochbezahlten Kabinettsminister 14 Direktorenstellen besetzten usw. Mit dieser neuen Wendung, die die Marconiaffäre nimmt, hört sie aber auf, nur ein Streit zwischen den beiden kapitalistischen Parteien zu sein, die sich gegenseitig auf die Seite zu schieben versuchen, um sich den besten Platz an der Staatskrippe zu sichern. Hier stoßen wir auf ein bisher wenig besprochenes politisches Problem, das die EntWickelung des Kapitalismus und des kapitalistischen Staates er- zeugt hat. In England galt eS bisher als unzulässig, daß ein Mann eine Ministerstelle bekleidete, der Direktor einer Gesellschaft war, die mit dem Staate in geschäftlicher Verbindung stand, so daß sein privates Interesse mit seiner Pflicht als Staatsdiener in Konflikt geraten konnte. Dieses ungeschriebene Sittengesetz ist nie genau beobachtet worden. ES kam meist nur in klaren Fällen zurAnwendung— zum Beispiel wenn ein Waffenfabrikant danach strebte, Kriegs- oder Marineminister zu werden. In der Vergangenheit war auch die Anwendung minder schwer als heutzutage, wo fast alle bedeutenden Geschäfte zu Aktiengesellschaften umgewandelt worden sind und die Betriebe einen unpersönlichen Charakter angenommen haben. Ein Kapitalist verwahrt seine Eier gewöhnlich nicht alle in einem Korb. Um fein Kapital zu sichern, legt er eS in den verschiedensten Unter- nehmen an, die ihrerseits wieder auf die mannigfaltigste Weise mit anderen Gesellschaften verbunden sind. Die Untersuchung die der Genosse Walton Newbold vor kurzem im.Labour Leader" veröffentlicht hat, hat deutlich gezeigt, wie allein in der RüstungS- industrie die Fäden, die die verschiedensten Untenrehmen verbinden, kreuz und quer laufen. Die moderne wirtschaftliche Ent- Wickelung hat die Kapitalistenfamilien zu einer Kapitalistengesellschast in der Gesellschaft gemacht. Einer der besten Kunden dieser Kapitalistengesellschaft ist yun der Staat, der namentlich für Heer und Flotte ganz gewaltige Aufträge zu vergeben hat. Wo bleibt aber bei diesen Verhältnissen der Grundsatz, daß das persönliche Interesse eines Ministers im kapitalistischen Staat mit seinen Pflichten als Staatsdiener nicht in Konflikt geraten darf? Die Minister aller kapitalistischen Staaten sind reiche Männer, die ihr Vermögen in den verschiedensten Unternehmen stecken haben Wenn einmal ein Minister arm genannt wird, so ist dies doch nur im Sinne der Pickwickier zu verstehen. In England gilt zum Beispiel in der Klasse, aus der sich die Minister meist rekrutieren, ein Mensch als arm, der in« Jahre nur(I) 2000 Pfund(40 000 M.) zu verzehren hat, also so viel, wie 20 Familien der sogenannten Arbeiteraristokratie jährlich für ihren Lebensunterhalt ausgeben können. Man nehme nur ein Beispiel: In der laufenden Nummer des»Labour Leader" wird nachgewiesen, daß nicht weniger als 6 Mitglieder der bestehenden liberalen Re- gierung Anteilscheine von Rüstungsfabriken besitzen, die vom Staate große Aufträge erhalten. Wie groß mag die Zahl der Minister sein, die ein persönliches Interesse an dem Gedeihen von Betrieben haben, die nicht direkt, aber indirekt an Staatsaufträgen interessiert sind oder andere Aufträge als Rüstungsaufträge erhalten? Die rauhe Wirklichkeit kollidiert hier mit der Idee, daß der Staat etwas sei, was über den Klassen und Parteien steht, dessen Diener Götter oder Halbgötter sind, die von den heftigen Fehden, die die Gesellschaft bewegen, nicht berührt werden. In parlamen « tarisch regierten kapitalistischen Staaten kommt die kapitalistische Natur des Staates in seinen Dienern deutlich zum Ausdruck. In bureaukratisch regierten Ländern ist dies« Charakter des Staates mehr verschleiert; man sieht wie in einem Marionettentheater nur die Gliederpuppen, nicht aber die Leute, die die Drähte bewegen- Nur dann und wann gelingt es einem, die Hand eines Kanonen- fabrikanten zu sehen, der den Arm etwas zu weit ausgestreckt hat. Der Konflikt zwischen dem persönlichen Jntereffe und der Pflicht des Ministers ist dem kapitalistischen Staate angeboren; und die daraus entspringende Korruption wird böchstens verhüllt, aber nicht ver- ändert, indem man ein Privatunternehmen in eine Aktiengesellschaft umwandelt. Im Interesse der Volksaufklärung ist der heftige Streit der englischen Liberalen und Konservativen über die Marconiaffäre, in dem sich beide kapitalistische; Parteien,. die berechtigtsten Vorwürfe machen, lebhaft zu begrüßen. pol'tifcbe(leberltcbt. Der«chluh der Laudtagssesfion. Der preußische Landtag ist am Dienstag vormittag mit dem üblichen Zeremoniell geschlossen worden. Die beiden Häuser des Landtages, jedes vertreten durch 1 bis 2 Dutzend Mitglieder, versammelten sich im- SitznngSsaale des Drei- klassenhauses. Den Vorsitz in der fünf Minuten währenden Sitzung führte der Präsident des Herrenhauses v. Wedel- Piesdorf. Auf diese Weise wurde die Parität gewahrt... Am Ministertisch erschien Ministerpräsident Generalleutnant v. Bethmann Hollweg , übrigens im zivilen Minister- kostüm, nicht in neuverliehener Generalsunisorm. Neben ihm nahmen ziemlich vollzählig seine Ministerkollegen Platz. Die Verordnung, durch die der Landtag geschlossen wird, wurde vom Ministerpräsidenten verlesen, dem Herrenhauspräsidenten überreicht und von ihm für richtig befunden, worauf das gewohnte Hoch ausgebracht wurde und die Korona sich zer- streute. Und so schloß nach fünftägiger Dauer des Landtags Sommersession von 1913. Im Herbst denkt man sich wieder- zusehen. Der stürmische Ruf des Volkes nach einer wirk- lichen Wahlreform wird die erlauchten, edlen und bloß geehrten Herren bei ihrem Wiederzusammentritt empfangen. Das Steucrkompromift. Die bürgerlichen Parteien des Reichstags sind sich über die neuen D eck ungsvorlagen noch nicht einig gc- worden. Zwischen den Parteiführern und dem Reichsschatz- sekretär fanden am Dienstag- im Reichstage wieder Be- sprechungen über das Steuerkompromiß statt, bei denen der Reichsschatzsckretär die Stellungnahme der Regierung zum Konipromiß bekanntgab. Aus den vertraulichen Besprechungen wird bekannt, daß die Regierung die bisherigen Vorschläge der Fraktionen als brauchbare Grundlage bezeichnete, aber noch Abänderungen wünscht, über die die Fraktionen noch gehört werden sollen._ Provokationen. Was sich die konservative Presse jetzt herauszunehmen er- laubt, dafür liefert der„Reichsbote" wieder ein krasses Bei- spiel. Er veröffentlicht an der Spitze des Blattes einen Artikel eines Süddeutschen über die p r e n ß i s ch e n Land- tags Wahlen, in dem es heißt: „Das wichtigste Ergebnis der preußischen Landtagswahlen ist die unumstößliche Tatsache, daß das preußische Volk sich für die Einführung des ReichStagSwahl - rechts in Preußen deutlich bedankt hat. Es mag sich sonst zur Frage der Wahlreform zustimmend oder ablehnend ver- halten: das Reichstagswahlrecht will das preußische Volk in seiner überwältigenden Mehrheit nicht. Dos beweisen diese Wahlen. Von den radikalen Parteien, die die Einführung des Reichstags- Wahlrechts in Preußen fordern, hat nur die sozialdemokratische Partei einen kleinen Erfolg zu verzeichnen. Die Fortschrittliche Volkspartei dagegen geht aus der Wahlschlacht mit ge- täuschten Hoffnungen hervor. Die Konservativen und das Zentrum haben den Ansturm der liberalen Wahl- rechtsreformer abgeschlagen und die Nationalliberalen, die offene Gegner des Reichstagswahlrechts für Preußen sind, haben einige Mandate gewonnen. Das preußische Volk will Herr bleiben in seinem eigenen Hause. Es hat die Angriffe satt, die in letzter Zeit be- sonders stark auS anderen deiitschen Staaten und aus dem mit Sozialdemokraten durchsetzten Reichstage gegen Preußen und sein Parlament gerichtet worden sind. Es will lieber sein altes Wahl- system beibelzalten, als das Reichstagswahlrecht einführen. Das ist die Signatur dieser Wahl." Höher geht's nimmer. Zuerst entrechtet man das Volk und dann gibt man das Ergebnis dieser Entrechtung als de.n Willen des Volkes ans! Diese Provokation ist das würdige Gegenstück zu der unverschämten Verhöhnung der Wahlrechtsbewegung, die sich kürzlich, wie wir mitteilten, das Regierungsorgan geleistet hat, als es den Wahlrechtskampf eine künstliche Mache nannte. Darüber schreibt die„Franks. Zeitung": „Wer das geschrieben hat, ist entweder ein dreister Ver- leugnet der Wahrheit oder ein weltfremder Ein- siedlet, der die erst kürzlich beendigte preußische Wahlbewegung verschlafen hat. Er könnte, hätte er den Wahlkampf wirklich verfolgt, unmöglich davon reden, es sei„laum noch eine Spur einer Wirt- lichen Bewegung" vorhanden. Er soll sich einmal bei den kleinen Gewerbetreibenden in den Städten oder bei den Abhängigen auf dem Lande erkundigen, wie sie über die Wahlrechtsrcform denken und warum so viele Hunderttausende preußischer Wähler abermals von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Gewiß nicht aus Begeisterimg über die preußischen Zustände, sondern aus Furcht vor wirtschaftlichen Folgen, wenn sie ihre Meinung be- künden. Hält die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" diese Wirkung des preußischen Wahlrechts etwa für normal und erwünscht? ES ist ein sehr ausfälliges Vorgehen des Organs der Regierung des Herrn v. Bethmann jetzt gegen die Wahl- reform Stimmung zu machen, während zu deren Gunsten ein uneingelöstes Königswort verpfändet istl Irgendwo steckt hier ein illoyales Verhalten." Die moralische Verurteilung allein tut's aber nicht; die Massen müssen eben den Herren oben deutlicher ihren Willen kundtun, dann werden solche Provokationen aufhören. Vernünftige Ansichten. Unterm Strich oder in ihren Beilagen kann man ge- legentlich selbst m der„Peitschen Tageszeitung" die Wahrheit hören. Da erörtert zum Beispiel in der jüngsten „Zeitfragen"-Beilage ein Herr A. Müller die Landflucht und die Leutenot in der Landwirtschaft. Seine Ausführungen über die Ursachen der Landflucht weichen so erheblich von dem üblichen agrarischen Klagelied ab, daß sie erwähnt zu werden verdienen. Der Mann, dessen Auffatz das Oertelblatt wohl nur aus Versehen aufgenommen hat. schreibt unter anderem: .Alle sozialpolitischen Uebel stände bei unserer Arbeiterichaft auf.dem Lande und in der Stadt haben ihren Grund iitder Unzufriedenheit, in der Sehnsucht nach Befriedigung des inneren und äußeren Menschen, im Verlangen nach dem Glück... Der BildungS« drang unseres Volkes ist an und für sich eine gesunde Er« s ch e i n u n g und hat seine Wurzeln in dem heutigen Kultur» zustande. Er läßt sich nicht zurückdrängen, sondern muß befriedigt werden." Also nicht die revolutionären Kräfte der Gegenwart ver» hetzen die Landarbeiter, wie man bisher stets hörte, sondern deren Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen ist eine gesunde Erscheinung, die ihre Ursache in dem heutigen Stande der kulturellen Entwickelung hat. Eine ganz ver- nünfttge Ansicht! Der Artikelschreiber begründet seine Meinung dann weiter, indem er das Leben der heutigen Landarbeiter- schaft als einförmiger denn je, als poesiearm und nüchtern bezeichnet. Damit hat er in der Tai recht. Auch in der Landwirtschaft herrscht heute die kapitalistische Betriebsform vor, und wo das Kapital seine Herrschast auf Menschen und Dinge ausübt, da verschuldet es nicht nur die soziale Misere des Arbeiterdaseins, sondern da zerstört es auch brutal das kümmerliche Geistesleben, das sich unter feudal- patriarchalischem Regime immerhin noch entwickeln konnte. Wenn der Artikelschreiber der„Deutschen Tageszeitung" glaubt, durch Abkehr von der Lernschule mit ihrem kalten Wissen und durch Hervorhebung des Prinzips der Arbeitsschule und des heimatkundlichen Unterrichts einerseits und durch Veranstaltung angemessener Vergnügungen andererseits den einmal bestehenden Bedürfnissen entgegenkommen und eine Besserung erzielen zu können, so wird diese Besserung schwerlich den Wünschen der oft- und westelbischen Granden entsprechen. Diese Herren werden nach wie vor die dümmstenArbeiter für die' be st en Ausbeutung s- objekte halten. Noch ein erledigtes Reichstagsmandat. Der Reichstags- und bayerische Landtagsabgeordnete Freiherr Konrad von Malfen-Waldkirch ist an einer Herzkrankheit gestorben. Dieser Zentrnmsmann vertrat im Reichstag den 1. nieder- bayerischen Wahlkreis LandShut , in dem er 1012 mit 12 430 ZcntrumSstimmen gegen 1371 sozialdemokratische, 1770 bünd- lerische und 1432 liberale Stimmen gewählt wurde. Der Wahlkreis ist eine sichere Zentrumsdomäne. Im Kampf gegen das Dänentum. Am letzten Sonntag traf in Sonderburg auf Alfen ein däni« scher Dampfer mit Ausflüglern aus Fredericia ein. Als daS Schiff anlegte, wurde dem Kapitän durch einen Polizeibeamtcn die Landung der Passagiere untersagt. Der Beamte handelte im Auftrage des Sonderburger Landrats. Es wurde noch hinzugefügt, daß das Landungsverbot di« ganze Ostseeküste Schleswigs um- fasse. Dem Kapitän blieb unter diesen Umständen nichts anderes übrig, als wieder seewärts zu dampfen und die Passagiere auf dänischem Boden zu landen. Begreiflicherweise hat sich der gesamten Bevölkerung— natürlich mit Ausnahme der berufsmäßigen Dänenhetzcr— über diese unglaublich klingende Maßnahme eine tiefgehende Erbitte- r u n g bemächtigt. Wenn es sich um ein generelles Verbot handelt, wird Sonderburg einer schweren wirtschaftlichen Krise entgegengeben. Wegen seiner hübschen Umgebung wird der Ort viel von reichZ- dänischen Ausflügler» besucht, und große Teile der dortigen Em» wohnerschafl leben von diesem Fremdenverkehr. — Diese Dänenhetze dürste noch ein Nachspiel im Reichstage haben. Die Situation auf clem Balkan . Die Petersburger Balkankoufereuz. Athen , 17. Juni. Rußland hat. wie die„Agence d'Athenes meldet, die vier Ministerpräsidenten der verbündeten Balkan st aaten offiziell nach Petersburg eingeladen. Der griechische Ministerpräsident sowie der serbische und der monte- negrinische haben die Einladung angenommen. Die Antwort Bulgariens ist hier nicht bekannt. Hinhaltende Antwort Bulgariens . Wien , 17. Juni. Einer Meldung des Wiener K. K. Telegr.-Korresp.-Bureaus aus Sofia zufolge verlautet dort an kompetenter Stelle, daß die Aufforderung des Ministers Ssasonow an die Ministerpräsidenten der Balkanstaaten in dem Sinne beantwortet sei, daß eine Begegnung erst nach vorheriger Abrüstung möglich wäre. Die Demobilisierung. Sofia , 13. Juni. Nach Mitteilungen von zuständiger Stelle ist die Antwort auf den serbischen und griechischen Vorschlag betreffend die Demobilisierung heute überreicht worden. Die Antwortnote erklärt. die Demobilisierung nur für den Fall anzunehmen, daß die Ver- kündeten einem Kondom iniuni in den strittigen Ge» bieten zustimmen. Ende der serbischen Ministerkrise. Belgrad , 17. Juni. (Meldung des Preßbureaus.) Minister- Präsident P a s ch i t s ch hat dem Könige die Demission des Kabinetts eingereicht, die jedoch nicht angenommen wurde. Die Ministerkrtsis ist damit beendet. Paschitsch wird in der in seinem letzten Erp oft gekennzeichneten Politik fortfahren. DaS neue türkische Kabinett. Konstantinopcl, 17. Juni. Das Kabinett ist folgender- maßen gebildet worden: Großwesir Said Halim Pascha übernimmt, da Rifaat Pascha endgültig abgelehnt hat, das Portefeuille des Aeußern. Ferner übernahmen JzzetPascha Krieg, T a l a a t B e i Inneres, der frühere Kammerpräsident Halim Bei das Präsidium des Staats- rats, Osman Nizami Pascha öffentliche Arbeiten, Senator SuleimanPostani(christlicher Araber) Handel und Ackerbau. Der Scheich Uel Islam sowie die Minister der Marine, der Finanzen, der Evkafe, der Justiz, für Unter- richt sowie für Post und Telegraphen behalten ihre Porte- feuilles bei. Das Kabinett gewinnt«uf diese Weise einen ausgesprochenen jungtürkischen Charakter, es zählt zwei christliche Mitglieder, nämlich Postani und de« Postminister Osman(christlicher Armenier).