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Hus der Frauenbewegung. Das Problem der Sommerferlen. Die großen Schulferien rücken heran und Tausende von Kin dern werden diese Wochen am Meere oder im Gebirge verleben. Geistig und körperlich erfrischt, mit braunroten, dicken Backen kehren sie in die Heimat zurück, wo sie ihren Schulkameraden noch wochenlang ihre Erlebnisse schildern. Eine Reihe von Stiftungen und die Ferienkolonien sorgen dafür, daß auch ärmeren, körperlich schwachen Kindern diese Sommerferien zur Quelle der Freude und Gesundung werden. Was wird aber aus der großen Masse der Kinder, besonders in den Großstädten? Wo und in welcher Weise verbringen sie ihre Ferien? Die Antwort auf diese Frage lautet wenig tröstlich. Einige Familien besitzen auf dem Lande noch eine Großmutter oder Tante, die bereit ist, das eine Kind aufzunehmen. Wohnt die Familie in der Nähe eines großen Gartens, so wird es auch möglich sein, daß die zurückgebliebenen Geschwister durch häufigen Besuch des Gartens aus den schulfreien Wochen ihren Nutzen ziehen. Aber wie groß ist die Zahl derjenigen, die so weit von Gärten entfernt wohnen, daß sie ihre Kinder un- möglich allein dort hinschicken können! Vater und Mutter haben zu tun und können die Kinder unmöglich begleitet. So bleibt, da das Spielen auf den Höfen verboten ist, nur noch die Straße übrig. Daß dieser Ausweg nicht nur ein schlechter, sondern auch ein äußerst gefahrvoller ist, wissen die Eltern wohl, sehen aber keine andere Möglichkeit, ihren Kindern ein wenig Luft und Sonne zu verschaffen. Verregnen gar die Ferien, so ist des Jammers kein Ende. Wohin nun mit der kleinen Gesellschaft? Die Wohnung ist meistens nur eine Unterkunft für die Nacht; selbst dafür reicht sie kaum aus, aber zur Not mag es gehen. Unmöglich wird aber dieser Zustand, wenn mehrere Kinder solch eine Wohnung zum Spiel- und Tummelplatz benutzen, müssen.Wenn Ihr bloß wieder in dieSchule müßtet, dann wäre ich Euch los", hört man so manche Mutter klagen. Und wenn sich die Kinder am Nachmittage langweilen, heißt es:Nein, daß Ihr aber auch gar nichts für die Ferien aufbekommen habt." So kommt es, daß die so lang herbeigesehnten Schulferien für Eltern und Kinder zur Qual werden. Auf welche Weise könnte hier Abhilfe geschaffen werden? Was ist zu tun, um den Kindern diese Schulferien nutz- und glückbringend zu gestalten? Unsere französischen Genossen haben sich schon vor mehreren Jahren diese Frage vorgelegt und sind zu dem Ergebnis gekommen, die ganze Angelegenheit von den Gewerkschaften aus ener- gisch in die Hand zu nehmen. Und so kommt es, daß wir heute in französischen   Gewerkschaftsblättern häufig Berichte über die Kinderkolonien finden. Kinderkolonien nennen die fianzösischen Gewerkschaftler diejenigen Ortschaften, in denen sie Kinder der Mitglieder bei Bauern und Arbeitern in Pflege gegeben haben In großen Scharen fahren diese Pariser   Kinder, von ihrem Führer und seinem Helfer begleitet, gemeinsam in das schön gelegene Dorf, das von den Funktionären zu einem der Ferienaufenthalts- orte gewählt worden ist. Wie glücklich klingen die Briefe der Kin- der und ihrer Pflegemütter, die die ihnen anvertrauten Kleinen oft so liebgewinnen, daß sie sie kaum fortlassen wollen, und häufig kommt es vor, daß im folgenden Jahre ein Brief an das Pflegekind abgeht, in dem es als lieber Gast eingeladen, also unentgeltlich aufgenommen wird. Kehrt das Kind von diesem Aufenthalte ge- sund und fröhlich heim, so spricht es mit Liebe und Dankbarkeit von VaterS Organisation, die ihm ermöglicht hat, dem Kinde so viel Gesundheit und Freude zu verschaffen. Und der Bater ist doppelt stolz auf diesen Erholungsaufenthalt feines Kindes, ver- dankt er ihn doch nicht irgendeinem bürgerlichen WohltätigkeitS- verein, sondern der Solidarität seiner Kollegen! Die französischen   Gewerkschaften ermöglichen diese großen Ausgaben durch Extrabeiträge für die Ferienkolonien, ähnlich der Beiträge für die Kranken- und Arbeitslosenunterstützungskassen. Nun wissen wir, daß die französischen   Gewerkschaften unter ihrer Zersplitterung außerordentlich zu leiden haben; auch sind sie in finanzieller Beziehung bei weitem nicht so gut fundiert wie unsere deutschen Gewerkschaften, die ein stattliches Vermögen �präsentieren. Nehmen wir noch unsere Genossenschaften dazu, so verfügen wir über ein Material an Menschen und Geld, mit dem sich auch nicht annähernd das Organisationsmaterial der französischen   Arbeiterschaft messen kann. Könnte man da nicht die Frage aufwerfen, ob ein Zusammenarbeiten von Ge- werk- und Genossenschaften für die Kinder- sommerkolonien, also für die Gesundung ihrer künftigen Mitarbeiter, nicht sehr am Platze wäre? Es ließe sich wohl er- wägen, ob Gewerk- und Genossenschaften die neue Organi- sation der Volksfürsorge für diese Zwecke mit ausbauten. Ein anderer Weg wäre, wenn die Volksfürsorge die Fericnversicherung für Arbeiterkinder in den KreiS ihrer Aufgaben mit einbeziehen würde. Beide Wege lassen sich einschlagen, Sache der Beteiligten ist es, zu prüfen, welcher Weg am geeignetsten erscheint, um den erwünschten Erfolg zu ver- schaffen. Diese ganze Angelegenheit bedarf noch eingehender Be- sprechung und Ueberlegung. Bis dahin sei eS mir gestattet, für die jetzt beginnenden Schul- ferien einige Vorschläge zu machen, um den Großstadtkindern so viel Nutzen als nur möglich aus den Sommerferien zu bieten. Könnten nicht von den Frauenleseabenden aus für jede Gruppe eine oder zwei Frauen gewählt werden, die gewillt sind, an einigen Nachmittagen der Woche die Kinder des Bezirks zu sammeln, um mit ihnen gemeinsam einen größeren Park aufzu- suchen? Die Eltern- und Hausarztvereine von Groß-Berlin machen seit Jahren gemeinsame Spaziergänge und Ausflüge. Die Kinder würden ihr Abendbrot mitnehmen, um länger im Freien bleiben zu können und würden abends wieder gemeinsam an ihrem Ver- sammlungsort. in der Nähe ihrer Wohnung, ankommen. Bei schlechtem Wetter könnten unsere Lokalbesitzer ein größeres Zimmer zur Verfügung stellen, damit die Kinder ihre freien Tage nicht allein in den engen Wohnungen zubringen, sondern bei gemein- samem Spiel in gut gelüfteten Räumen. Für die größeren Kinder wäre das schlechte Wetter für gelegentliche MuseumSführungen und gemeinsames Lesen zu benutzen. All dies sind natürlich nur Notbehelfe, die sich einem unwillkürlich aufdrängen, wenn man in den Schulferien in die engen Arbeiterwohnungen kommt, wo ein Kind dem anderen im Wege ist und alle zusammen der Mutter bei ihrer Arbeit keine Minute Ruhe lassen. ES gibt in Berlin   Straßen, in denen man beinahe auf Kindern herumtritt. Und kein grüner Baum weit und breit, kein Sandhaufen, keine Aufficht, nichts, gar nichts, um die Kinder vor Schaden zu bewahren. Ich weiß wohl, armselige Notbehelfe, nichts weiter, sind diese letzten Vorschläge, doch bedeuten sie, richtig angewandt, mehr, als ein Tropfen Wasser auf einem heißen Stein. Wir müssen nur dafür Sorge tragen, daß Millionen von Wassertropfen zusammen- lammen, dann wird auch der glühendste Stein einmal erkalten. Daß die Sommerferien unserer Arbeiterkinder ein Problem darstellen, das dringend seiner Lösung harrt, wissen alle, die die �HSltnisse, besonders in den großen Städten, kennen. Die Rot- behelfe der Kinderführungen könnten den Beginn einer umfassen- den Volksfürsorge für die Kinder bilden. Sollten einige der Mei- nung sein, daß diese neuen Maßnahmen nur eine neue Ausgaben- last für die moderne Arbeiterschaft bedeute, so möchte ich darauf hinweisen, daß eine kränkliche, arbeits- und denkunfähige Nach- kommenschaft gerade für die moderne Arbeiterschaft ein fressendes Kapital darstellt, während das Kapital, das für die geistige und körperliche Gesunderhaltung ihrer Nachkommenschaft ausgegeben wird, ein Kapital darstellt, das notwendigerweise sehr hohe Zinsen bringen mutz. Toni Sutzmann. vag ßegräbms der JVIiß Davlfon. London  , 14. Juni.  (Eig. Ber.) Ein Leichenzug von wunder- barer Erhabenheit und Feierlichkeit bewegte sich heute nachmittag durch die mit Menschen dicht gefüllten Straßen Londons  . Man brachte die Leiche der ersten Toten der englischen Frauenrechts- bewegung von Epsom   durch London   nach der Familiengruft der Ver- storbenen in Morpeth   in der Grafschaft Northumberland  . Keine Fürstin hat je ein solches Begräbnis gefunden wie diese Frau, die, was man auch immer über die Agitationsmethod« der Suffragetten denken mag, für ihr Ideal in den Tod gegangen ist und sich ihren Mitmenschen in unselbstsüchtiger Weise geopfert hat. Diese Wahr- heit empfanden alle Anwesenden. Wohl wagte sich hier und da in der hunderttausendköpfigen Menge ein Spötter hervor; doch seine Worte erftarben auf seinen Lippen inmitten der ehrfurchtsvollen Menge, die vor der Toten stumm die Hüte abnahmen. Es war ein ergreifender Anblick, dieser lange Zug von weiß und schwarz und violett gekleideten Frauen, der sich von der Station Victoria  , wo die Leiche von Epsom ankam, nach der Station King's Croß bewegte, von wo sie nach Nordengland   transportiert wurde. Mit zehn Ka. pellen waren die Frauen unter den Klängen der Marseillaise   nach der Station Victoria   gezogen, und nun brachten sie ihre teure Tote mit feierlichem Trauermarsch zur letzten Ruhe. Die Kapellen spielten HändelS Trauermarsch, jene erschütternde Komposition, die einen so deutlich an den Klageruf einer von unendlichem Leid zerrissenen menschlichen Seele mahnt. Und wenn dann bei dem dritten Viertel jedes zweiten MteS der dumpf« Trommelschlag ertönt«, ging ein Schauern durch die Menge, wie wenn sich etwas Großes, Unbegreifliches zugetragen hätte. Nie zuvor ist uns HändelS Trauermarsch so groß und so erhaben vorgekommen. Hinter den Zugführerinnen schritt die Geistlichkeit. Dann kamen drei Reihen weißgekleideter Mädchen, die Lorbeerkränze trugen. Ihnen folgte ein violettfarbiges Banner mit der Inschrift: Kämpfet weiter, und Gott   wird den Sieg geben." Wieder kamen lang« Reihen weißgekleideter Mädchen mit Lorbeerkränzen. Hinter ihnen schritten die Londoner   Mitglieder der Sozialpolitischen Union. Der erste Teil von ihnen ging schwarz gekleidet; jede Frau trug veilchenblaue Schwertlilien in der Hand. Der zweite Teil hatte violettfarbige Kleider an und trug Pfingstrosen, und in der dritten Sektion marschierten weißgekleidete Frauen, die große weiß« Lilien vor sich trugen. In derselben Ordnung, in der gleichen Kleidung und mit denselben Blumen folgte die lange Reihe der Mitglieder ans der Provinz hinter der Leiche. Der Sarg stand auf einem einfachen Wagen und war mit einem violettfarbigen Tuche bedeckt. Vor und hinter dem Leichenwagen wurden je zwei Banner getragen. Auf denen, die vorangetragen wurden, war zu lesen: Gedanken haben sich verbreitet, deren Macht nicht wieder ein- schlummern kann. Sieg! Sieg!" mti>:Größere Liebe hat kein Mensch als der, der sein Leben niederlegt für seine Freunde. Die, die dem Sarge   folgten, trugen die Inschriften:Duke et decorum est pro patria mori"(Süß und ehrenvoll ist es, für da? Vaterland zu sterben) undWer sein Leben verliert, soll es wieder gewinnen." Unmittelbar vor dem Leichenwagen marschiert« die Fahnenträgerin. Ihr folgten Frauen, die den Hungerstreik mib gemacht haben, Geistliche und persönliche Freunde. Hinter der Leiche schritten die Verwandten, eine zweite Partie Hunger- streikender, etwa 100 Mitglieder der freien Beruf« in ihren akade- mischen Gewändern. Eine Reihe mit Kränzen beladener Wagen bewegte sich im Zuge. Wir bemerkten eine aus weißen Nelken bestehende Blumenspende in Gestalt eines Gefängnisgitters. Den Schluß de? Zuges bildeten die Mitglieder anderer Frauenstimm rechtSorganifationen und einiger Ostlondoner Gewerkschaften mit ihren Fahnen und Bannern. Auffallend groß war die Zahl der Frauen, die sich heran- drängten, um das Begräbnis zu sehen. Mindestens die Hälfte der ungeheuren Zuschauermeng« bestand aus Frauen und Mädchen, die für die Verstorbene wirklich tiefe Sympathie fühlten. Wir sahen mehrere weinen. Wir hörten eine Arbeiterfrau sagen:ArmeS Herz! Aus tiefer Liebe für ihre Sache ist sie in den Tod gegangen. Wäre sie verheiratet gewesen, so wäre sie sicher eine liebevolle Gattin und Mutter gewesen."Arme Miß Dlvison" konnte man die Kinder sagen hören, die dies gewiß ihren Müttern abgelauscht hatten. Die Polizei tat ihr Möglichstes, um den ordnungsmäßigen Verlauf der Feierlichkeit zu stören. Sie hatte vorher bekannt- gegeben, daß sie es nicht erlauben werde, daß sich der Sarg durch die belebten Straßen bewege. Schließlich hat sie es doch erlauben müssen. Aber die Folge ihrer Verordnung war, daß sich die Menschenmengen, die den Leichenzug von allen Seiten erwarteten, von einer Verkehrsader in die andere wälzten und so den ganzen Verkehr in Westlondon zum Stillstand brachten. Auch erlaubte sich die Polizei eine Handlung von empörender Brutalität: Frau Pankhurst  , die zweimal aus dem Gefängnis entlassen worden ist, damit sie am Leben bleibe, sollt« in einem Wagen dem Sarge folgen. MS sie Ihr Haus verlassen wollt«, um am Begräbnis der' Miß Davison teilzunehmen, wurde sie wieder verhastet und ins Gefängnis transportiert. Dieses Polizeimanöver sieht aus wie ein Akt kleinlicher Rache. In einem Londoner   Blatte heißt es, daß ein Teil der Zuschauer die Mitglieder der Sozialpolitischen Union ausgezischt habe. Wir haben davon nicht? bemerkt. Nur die Polizei wurde ausgezischt, als sie die Volksmenge vor der Kirch«, in die der Sarg auf dem Wege gebracht wurde, auseinandertreiben wollte. Um ein Haar hätte sie Prügel bekommen; sie wählte jedoch rechtzeitig den besseren Teil der Tapferkeit. DaS Begräbnis der Miß Davison bat auf da? Londoner   Volk einen fiesen Eindruck gemacht. Niemand, der ihr beigewohnt, wird diese letzte Demonstration der ersten Märtyrerin deS Frauen- stimmrechts leicht vergessen. Auf ihre Weise gab sie ihr Leben für den Fortschritt und die Freiheit der Menschheit, und alle Freunde der menschlichen Freiheit werden vor ihrer Bahre ehrfurchtsvoll den Hut ziehen. Mutter und Kind. Wöchnerinnen in Frankreich  . Die französische   Deputierten- kammer hat am 12. Juni ein Gesetz über den Schutz schwan- gcrer Arbeitte rinnen angenommen, das nachstehende Be- stimmungen enthält: Frauen, die sich im Zustand offenbarer Schwangerschaft befinden, haben das Recht, die Arbeit zu ver- lassen, ohne daß sie sich deS Kontraktbruches schuldig machen. Jede Arbeiterin, Angestellte oder Hausbedienstete, die keine Einkünfte, hat, kann während der letzten vier Wochen SS? und der ersten vier Wochen nach der Entbindung eine tägliche Unter st ützung beanspruchen, wofern sie für sich und sür ihr Kind alle not- wendigen hygienischen Borschriften befolgt. Die Durchführung des Gesetzes kann durch die freien Wöchnerinnen-Unterstützungs- fassen besorgt werden. Das Finanzgesetz wird die notwendigen Mittel, die auf mehrere Millionen veranschlagt sind, festsetzen. Eine beantragte Zusatzbestimmung, die die Einbeziehung der Heimarbeiterinnen forderte, wurde in eine Resolution um- gewandelt, die die Regierung auffordert, im Finanzgesetz von 1910 die dazu notwendigen Mittel vorzusehen. Angenommen wurde ein Vorschlag, der den Arbeiterinnen industrieller Unternehmungen tvährend eines Jahres nach der Entbindung eine Arbeitsstunde täglich ohne Verminderung des Lohnes zur Säugung ihres Kindes bewilligt. Der Geburtenrückgang in Frankreich  . Der Leiter des Pariser Statistischen Amtes. Bertillon, teilte mit, daß im Jahre 1912 die Ziffer der Geburten in ganz Frankreich  (750 681) die Ziffer der Todesfälle(692 740) nur um S7 911 übersfiegen habe. Die Jahre 1911 und 1912 seien in dieser Hinsicht die schlechtesten seit dem Jahre 1800 gewesen. Die Kindersterblichkeit in Rußland  . Durch einen kaiserlichen Erlaß, der sich mit der Kindersterblichkeit in Rußland   befaßt, soll in Petersburg   eine besondere Anstalt geschaffen werden, in die Kinder mit ihren sie stillenden Mütter n aufge- n o m m e n werden sollen. Die von den Privatbanken in Peters- bürg und Moskau   aus Anlaß deS dreihundertjährigen Jubiläums der Dynasfie Romanow gestiftete Million Rubel ist für die Unter- Haltung dieser Anstalt bestimmt worden, die unter das Patronat der Kaiserin Alexandra Feodorowna   gestellt tvorden ist. ebered)t In Oesterreich   ist die Wiederverheiratung katholischer Ge- schiedener verboten. Die Folge ist außer unendlich vielem Herzeleid eine Menge wilder Ehen geschiedener Personen, die nicht einen: sinnlosen Gesetzparagraphen zuliebe auf ein neues Familienlebe: verzichten wollen. Um solchen Personen, die sich noch nicht von überlieferten religiösen Bedenken befreit zu haben, Gewissenskämpfe zu ersparen, hat der frühere katholische Geistliche, jetzige anti- klerikale Schriftsteller Kirch st eiger eine Ersatz-Eheschliehung eingeführt, die unter Vermeidung des kirchlichen Rituals in würdig- ster Weise nach dem Brauche der alten christlichen Kirche die neue Ehe weihen soll. Er erklärt dabei, nicht im Namen des Papstes oder des Staates sondern im Namen Gottes zu handeln, läßt sich von dem Paare gegenseitige Liebe und Treu« versprechen und das Versprechen abgeben, daß sie im Falle einer Reform des Gesetzes die staatliche oder kirchliche Eheschließung nachholen wollen. Also eine durchaus ernst« Feier, die dabei keinen Anschein obrigkeitlicher Befugnis zu erwecken sucht. Trotzdem wurde Kirch- steiger im vorigen Jahre der Herabwürdigung der Einrichtung der Ehe angeklagt, aber vom Landgericht Salzburg   freigesprochen. Das Gericht stellte nicht nur den ernsten Charakter des Aktes fest, sondern erklärte auch, daß K., wenngleich nicht mehr aktiver Geist- licher, dennoch wegen seines unverlierbaren Priestercharakters zur Erteilung des Segens befugt sei. Seitdem hat K. weiter zahlreiche Weihen vorgenommen. Nun hat eine geschiedene Frau gegen ihren früheren Mann, der eine solcheSalzburger Ehe" eingegangen ist, Anzeig« wegen B i g a m i l erstattet: eine Sinnlosigkeit, da ja gar keine legale Ehe geschlosser worden ist. Das aber hat zu einem neuen Vorgehen gegen Kirch- steiger geführt. Zweifellos auf Antrieb der Klerikalen, die ja im gelobten Kirchenstaate Oesterreich   nicht dulden können, daß auch nur ein Schlupfwinkelchen vor ihrer Gewaltherrschaft schützt, hat die Staatsanwaltschaft Salzburg   eine neue Voruntersuchung an- geordnet. Es wirb interessant sein, zu sehen, wie lange es dauern wird, bis die Frommen die Justiz mürbe gemacht haben. Ewig gewiß nicht. ßefundbeitepflege des Kindes- Die Weiterentwickclung frühgeborener Kinder behandelt Dr. Btax W a l l- Breslau in derMonatsschrift für Geburtshilfe". Der Verfasser geht von 691 Fällen aus und konnte über 183 Kin- der, von denen 87 noch am Leben waren, Nachricht erhalten. Die Untersuchungen ergaben, daß die Behauptung, frühgeborene Kinder seien in höherem Maße als reift zu Idiotie und Epilepsie diS- paniert, sich nicht aufrechterhalten läßt. Ein großer Teil der frühgeborenen Kinder entwickelte sich in durchaus normaler Weise. Bei einem anderen Teile machte sich eine gewisse Verzögerung der körperlichen, geistigen und seelischen EntWickelung bemerkbar. Diese Kinder liefen mit Verspätung, neigten zu Sprachstörungen, blieben längere Zeit als normale Kinder Bettnässer uno konnten in der Schule zuerst nicht recht mitkommen. Diese EnttvickelungS- Verzögerung war aber nicht anhaltend. Der Ausgleich erfolgte allmählich. Es hatte somit den Anschein, alS ob diese Kinder längere Zeit dazu brauchten, daS durch diese vorzeitige Geburt entstandene EntwickelungSdefizit nachzuholen. Tuberkulose im Säuglings- und KinbeSalter. Auf Grund der Literaturangabcn und eigener pathologisch-anatomischer Untersuchungen vertritt Dr. Lubarsch- Ittel imNeichsrned. Sinz." die Anschauung, daß die Behringschc Hypothese von der Ansteckung durch die Nahrung im frühen Kindesalter wenig Wahr- scheinlichkeit besitzt. Andererseits bestätigt Dr. Lubarsch die Tat- fache, daß die Tuberkulose mit zunehmendem Alter sehr viel häufiger wird und dann eine viel geringere Neigung zum Fortschreiten aufweist. Ueber die Säuglingssterblichkeit in Abhängigkeit von der be- nutzten Ernährungsweise macht Dr. Schweizer- Moskau im Medizirrkoje Obosrenije" interessante Angaben«, Die Rund» frage erstreckte sich auf 101 Fabrikarbeiterinnen, die 369 Kinder geboren hatten und ergab folgendes: Von den befragten Müttern haben nur etwa 40 Proz. chre Kinder an der Brust allein gestillt und auch diese nur eine äußerst kurze Zeit(bis zu 3 Monaten). Von diesem Zeitpunkte an sinkt der Prozentsatz der Stillenden schon bedeutend. Die enorme Säuglingssterblichkeit m den ersten 3 Monaten und insbesondere im zweiten LobenSmonat erklärt sich eben durch die frühe Darreichung von gemischter Nahrung. Von den verstorbenen Kindern entfällt fast die Hälfte auf die- jenigen, die in einem Alter bis zu 3 Monaten neben der Brust auch mit Brei gefüttert wurden. Von diesen gemischt genährten Kindern starben zwei Drittel innerhalb der ersten beiden Lebensjahre. An den Ueberlebenden werde eine hochgradige Ab- zehrung beobachtet. Manchmal wiesen die Kinder allerdings auch eine beträchtliche Gewichtszunahme auf, aber nur nn Anfang. Je früher die Breifütterung begonnen hat, desto weiter blieb daS Gewicht htttter dem normalen zurück. Einen Beitrag zur Statistik der Tuberkulosesterblichkeit in Baden bringt Dr. E. G. Dresel- Heidelberg   in derDeutschen mediz. Wochenschrift". Seine statistische Zusammenstellung zeigt, daß in Baden   in den Jahren 1906/10 die Tuberkulosesterblichkcit in allen Altersklassen erheblich geringer war als in den Jahren 1881/88. Insbesondere war bei der Säuglingssterblichkeit<ra Tuberkulose   ein Abfall bis auf die Hälfte zu verzeichnen.