».155. 30.3.�, i. jZejlilge des Jotiiiitts" Kerliller Uolksbllltt.Reichstag1«7, Sitzung. Sonnabend, den 21. Juni 1913,mittags 12 Uhr.Am BundesratStisch: v. H e e r i n g e n.Zweite Lcfutig der Cdchrvorlage.Sächsischer General Leuckhart v. Weißdorf:Die Behauptung des Abg. Stadthagen, daß es in dergeheimen Order des verstorbenen Königs Georg von Sachsen alsrichtig bezeichnet worden wäre, wenn mißhandelte Soldatenst raffrei Notwehr üben könnten, ist völlig unbe-gründet. Ueberhaupt ist es ein starkes Stück, wie der Abg.Stadthagen jenen Erlaß, der sich aus vor 2V Jahren vor-gekommene Soldatenmißhandlungen bei zwei Regimentern bezieht,ausschlachtet, um die heutigen Verhältnisse im Heer anzugreifen.Seitdem ist die Häufigkeit der Soldatenmißhandlungen im Reich,wie insbesondere auch in Sachsen, sehr bedeutend zurückgegangen.(Beifall rechts.)Abg. van Calker(natl.):Eine eingehendere Diskussion über die Reform des Militärrechtssollte eigentlich nur in der Kommission stattfinden. Maßlose Kritikschädigt übrigens mehr als sie nützt, lieber den Begriff derDisziplin bin ich ganz anderer Anficht wie die Sozialdemokraten..Autorität von oben' allein tut es nicht, es muß auch.Gehorsamvon unten' da sein. Auch Schweizer Offiziere waren meiner An-ficht. Die„Hände an der Hosennaht' allein tun es nicht.(IronischerBeifall bei den Sozialdemokraten.)— Andererseits muß ich zugeben,daß unsere Wissenschast sich zu wenig mit der Kritik des Heeresbeschästigt hat.(Hört l hört! links.) Das Reichsmilitär-g e r i ch r, so tüchtiges es leistet, kann nicht über das geltendeMilitärrecht hinweg. Dieses mutz also reformiert werden.Die M i u d e st st r a f e n find durchweg zu hoch. Aberdas allein tut es nicht. So ziemlich jeder Paragraphdes Militärstrasgesetzbuchs muß bezüglich der Tatbestands-merkmale reformiert werden.(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Aber man kann hier nicht im Zusammenhangmit der Wehrdorlage dieses Gesetz reformieren wollen. Die Militär-Verwaltung bekämpft mir uns die Soldatenmißhandlungen, abermau sollte die gewohuheitsgemäße Körperverletzung Untergebenerals qualifiziertes Delikt behandeln und obligatorischmit Zuchthaus st rafe und Ausstoßung aus demHeere bestrafen.(Beifall links.) Ferner gewährt das geltendeRecht nicht den genügenden Schutz gegen gemeingefährliche Geistes-kranke, wie jetzt gerade die Fälle aus Bremen und Frankfurt a. O.beweisen.— Den Riilitärrichtern fehlt oft die Vorbildung, deshalbschlage ich eine Militärrecht-Akademie vor.(Beifall bei den National-liberalen.)Abg. v. Brockhausen(kons.):Die Sozialdemokratte will die Kommandogewalt d e SKaisers durch das parlamentarische Regime ersetzen. Wenn Wagnerim.Faust', statt spazieren gehen zu können, die Rede des HerrnStadthagen hätte hören und beantworten muffen, so hätte ergesagt:.Mit Euch, Herr Stadthagen, zu spazieren, ist weder ehren-voll, noch ein Gewinn.' Diese MißhandlungSrede war eine Miß«Handlung des HauseS. Manche Regimenter bestehen fast ganz ausFreiwilligen. Herr Stadthagen hat beim zweiten Garde-regiment gedient, an dessen Jubiläumsfeier aber wohl nicht teil-genommen: die 8000 Teilnehmer an diesem Regimentsjubiläumhaben einem Bekannten von mrr erzählt, daß sie mit der ihnen zuteilgewordenen Behandlung zufrieden waren.— Notwendige Reformenmüssen natürlich durchgeführt werden, aber diese große Vorlage istzu gut dazu, die Zeit mit solche» Resolutionen und mit)o viel sozialdemokratischen Reden zu verbringen. DieBeschwerdeordnung ist so einfach und klar,daß sie jeder Soldat versteht. Wenn Aenderungennötig sind, wird sie die Heeresverwaltung schon vornehmen. Ausden strengen Arrest kann im Interesse der Disziplin unddamit der Schlagfertigkeit des Heere« nicht verzichtetwerden. Wir find auch gegen die Resolution der Budgerkommissionf,die Ehrengerichlsvorschristen sind Sache der K o m m a n d o g e>v a l t.Sozialdemokraten wird das Offizierkorps nicht unter sich dulden,auch nicht Leute, die aus irgendwelchen Gründen mit der Sozial-demokratie zusammengehen wollen.(Bravo! rechts.) Der st r e n g eEhrbegriff der Offiziere ist eine der Stützen der Macht despreußischen HeereS. Unser Kaiser, der stet» allen Fortschrilten seinInteresse widmet, wird hoffentlich am Ehrengerichtsverfahren nichtsändern.(Beifall rechts.)Abg. Dr. Müller-Meiniugen(Vp.):Unser ganzes Militärrecht ist höchst unübersichtlich, eSbedarf sicher einer Zusammenfaffung und Reform. Von dem Gesetzvon 1872 ist keine Bestimmung mehr gültig. DaS Militärstrafrechtschreit nach einer Reform. Aver die sozialdemokratischen Anträgesind natürlich unannehmbar.(Abg. Stadthagen: FürSiel) Soll der Soldat dem Hauptmann, der ihm sagt:.Rommel,stell Dich mal g'rad her!'(Heiterkeit!) erwidern dürfen:.Haupt-mann. Du bist der größte Rommel!' oder ihm eine hinhauen können?Und nach dem sozialdemokratischen System könnte man bei derWehrvorlage schließlich auch das Kaligesetz reformieren, denn Kaliwird ja auch zur Pulverfabrikation verwendet!(Au! bei den Sozial-demokraten.) �Die Resolutton der Budgetkommission faßt nur die gerecht-fertigten Resormwüusche der Reichstagsmehrheit zusammen. DemAbg. v. Brockhausen erwidere. ich, daß gegen den Geist desGesetzgebers schon gewohnheitsmäßig die Militärgerichte die Oeffent-lichkeit ausschließen, auch da, wo die Disziplin garnicht gefährdetwerden kann, wie wenn ein Offizier auf dem Bahnhof einem Zivilisteneine Ohrfeige gegeben hat und dergleicker inehr.Das alte preußische Ehrengericktöverfahrcn war demokratisch, dieOffiziere richteten. jetzt haben sie nur ein Gutachten ab-zugeben und das Militärkabinett entscheidet I(Beifall links.)Abg. Kunert(Soz.):Die Kalauer des Vorredner» gegen unsere Anträge waren keineGründe I Und Abg. van Calker bewegte sich in dem berühmten„Einerseits-AndererseitS'. Wir sehen doch immer wieder, daß wirdie Schandtaten der Soldaren ichlnder nicht aus derWelt schaffen können, wenn wir nichr ganz andere Mittelals bisher ergreifen und von unten auf arbeiten. In seiner außer-ordentlich rückständigen Art hat Abg. v. Brockbausen gesprochen.Darauf braucht man wirtlich nicht sehr einzugchen. Energische Maßregelngegen die niederirächtigen. frechen und gemeinen Soldaienpeinigerwürden dock die D i S z i p l i n b r« ch e r treffen, nicht die Disziplin!Herr v Brockhausen spricht von uns gewissermaßen alsRebellen, er vergißt aber selbst, daß er auch ein Rebell ist. zwar"ich, Sozialrebell— ober» a n a l r e b e l l!«Sehr gut! beidenSozialdemokraten.) UebrigenS hat er c« nickt als sehr ehrenvoll be-zeichnet, sich mit unseren Anträgen befassen zu müssen. Wegen einerahnlichen Aeußcrung von unserer Seite hat Vizepräsident Paasch«eine scharfe Rüge erteilt!Unsere Anträge sollten ein P r ü f st e i n dafür sein, ob etwasfür die Soldaten gebessert werden soll oder nicht. Es isteine unverschämte Schamlosigkrtt,daß von junkerlichen und scharfmacherischen Naturen das Volk zumPackesel gemacht werden soll, um dafür mit P r ü g e ln regaliert8» werden.(Glocke de« Präsidenten.) Natürlich meine ich nichtdes Wie notwendig unsere Anträge find, be-weisen die zahllosen Fälle von Soldatenmißhandlungen. Ist eSnicht eine nichtsnutzige Gemeinheit, wenn Vorgesetzte ihreUntergebenen gezwungen haben, den Inhalt von Speinäpfen auf-znesscil, tierische und menschliche Exkremente zu verzehren, sich Zaumund Kandare und Sattel anlegen und mit der Peitsche und Sporenbearbeiten zu laffen, auf Befehl zu onanieren und andere U n zuchtzu treiben,— wenn sie sie in Krankheit. Tod und Selbstmord getriebenhaben! Wir beantragen ja nur ein Stück bedingter Notwehr, nicht dasNotwehrrecht an sich. Jeder in diesem Hause beansprucht das allgemeine Menschenrecht, Beleidigung mit Beleidigung, Körperverletzungmit Körperverletzung zu erwidern. Jeder hat dieses Recht, nurder Soldat nicht.— Herr van Calker ist gewiß keinRadikaler, sondern ein gut Konservativer, aus Versehen unterdie Nationalliberalen gekommen(Heitel keit), umso wertvoller, daßsogar er die Reformbedürstigkeit des Militärrechts anerkennt. Rechts-widrigen Befehlen muß die Gehorsamsverweigerungspflicht gegenüber-stehen; wenn aber derVorgesetzte nun zum Angriff übergeht, so befindetsich der Soldat in der Notwehr— das gibt in einer früherenSchrift sogar Herr v. C a l k e r zu! Er spncht den Mannschaftenin Notwehrdas Recht deS Waffengebrauchcszu. Darum ist Herr v. Calker allerdings herumgegangen. Aucheine Anzahl den Konservativen nahestehende Schriftsteller traten fürein bedingtes Notwehrrecht ein und sogar konservattve Beamte I DaSgeschieht auch in einem vom KriegSgerichtsrat Dr. Steine heraus-gegebenen Sammelwerk. Nur der rechtliche Befehl soll nachdieser Auffassung unbedingt zu befolgen sein. Dies stimme auchmit der Praxis des ReichsmilitärgcrichlS überein. Wenn aber eineingeschränktes Notwehrrecht statt hat, so sehen wir auch nicht ein,warum wir nicht auch das uneingeschränkte Notwehrrechtfordern sollen, wie eS angesehene Rechtslehrer tun. In der Theorieexistiert dieses Neckt sogar, indem durch§ 2 deS Reichs militär-strafrechtS die a l l g e m e i n e n Bestimmungen des zivilen Reichs-strafgesetzbucheS als gültig anerkannt werden. In§ S3 und 54des NeichsstrafgtsetzbuchcS wird aber das allgemeine Notwehrrechtanerkannt. Demgegenüber ist unser Antrag ja nur ein Teilstück.Nehmen Sie sich auch ein Beispiel an den Reichsbeamten, die schrift-stellerisch für ein unbedingte» Notwehrrecht eintreten, das übrigensder Zentrumsabgeordnete Dasbach 1904 gefordert hat I(Hört Ihört! bei den Sozialdemokraten.) Werden die Liberalen den ver-nünftigen schrift st ellerischen RechtsauSfllhruugen des Herrnv. Calker folgen, der als Konsequenz des Kadavergehorsams dieAnarchie hinstellte! Die Konservativen aber sind doch für dasDuell, für da« modernisierte mittelalterliche Faustrecht—da wollen Sie den Soldaten das Notwehrrecht verweigern?DaS Recht, das wir verlangen, ist ein elementares Menschen-recht.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Können Sie dennnur Lasten auf das Volk legen. Je kräftiger das Beschwerderecht reformiert und gehandhabt wird, desto seltener wird das Rot-wehrrecht gebraucht werden. Sichern sie Beschwerderecht und Not-wehrrecht, so werden Sie Mißhandlungen und Kadavergehorsam be-seitigen! Dem Militärrecht an sich wird dadurch noch kein Haar ge-krümmt. ES bleibt ein AuSnahmerecht, ein Klaffenrecht, ein schand-bares Unrecht, reif zum Untergang.(Lebhafter Beifall bei denSozialdemokraten.)Vizepräsident Dr. Dave:Sie dürfen kein geltendes Recht als schandbares Unrecht bezeichnen.Ich rufe Sie zur Ordnung.Oberst v. Gang ermannerklärt, soeben erst von der Front gekommen zu sein, wo er alsRegimentskommandeur sehr streng darauf gehalten habe, daß keineMißhandlungen vorkämen. Auch werden mcht alle, die sich erfolglosbeschweren, bestraft. Ein Unteroffizier, der ein strammer Soldataber ein kleiner Schlingel war. mußte von mir bestraftwerden. Dann redete ich ihm väterlich zu(Zuruf bei denSozialdemokraten: wie Väterchen I), er mußte aber darauf von mirwegen desselben Vergehens nochmals bestraft werden, be-schwerte sich, wurde mit dieser Beschwerde abgewiesen, wurde abernicht besttaft. Die sozialdemokratischen Anträge sind also über-flüssig und würden unsere ganze Disziplin ausheben.Abg. Pens(Soz.):Mein Parteifreund Stadthagen hat gestern eine Redegehalten, die vielen nicht gefallen hat, und doch hat er nur Tat-stachen vorgebracht und darüber ein Maß von Entrüstung geschüttet.das durchaus angebracht war. Wenn der Abg. V. Brockhausen gemeint hat, eS sei kein Vergnügen, dem Abg. Stadt-Hagen zuzuhören, erwidere ich ihm, daß die Abgeordneten über-Haupt nickr zum Vergnügen hier find, sondern daß es ihre Pflichtist, allen Mißstände», besonder« auch den Soldatenmißhandlungen,entgegenzutreten. Die Soldatenmißhandlungen bestehen bis zurStunde fort. Freilich haben sie wobl in gewiffen Regt-meutern aufgehört, in denen es Offiziere gibt, die sichunsere Erziehung haben angedeihen lassen.(Heiterkeitund Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Aber«S gibtauch noch Regimenter mit Offizieren und Unteroffizieren, diebi« zur Stunde ähnliche Infamien begehen, wie sie von unsseit vielen Jahrzehnten auf da« heftigste kritisiert werden.Wenn jemand auf diesem Gebier ein Verdienst hat, so ist eSdie Sozialdemokratie, so hat in der deutschen Geschichte aufdiesem Gebiet das größte Verdienst unser Genosse Bebel.(Lebhafter Be fall bei den Sozialdemokraten.) Wenn Bebel auch nurein Verdienst hätte unter seinen vielen Verdiensten— dies Verdienstvor allem gehört ihm, daß erHunderttausende von Soldaten vor Mißhaudlungcu geschützthat, indem er immer wieder die andern Soldaten zu teil gewordenenMißhandlungen kritisiert hat. Wenn der Abg. Bebel nichtseit Jahrzehnten stets so energisch dagegen aufgetreten wäre, sowäre keine Verminderung der Soldatenmißhandlungen eingetreten.Im Mittelalter hat es allerdings Herren und Knechte gegeben. Dahatten die Herren noch»aS naive Bewußtsein, daß sie tun undlassen dürften, was sie wollen, und auch die Knechte fanden das inder Ordnimg. Aber in den letzten Jahrzehnten haben die Knechteaufgehört, Knechte bleiben zu wollen. In ihrem Bewußt-sein ist der Wunsch entstanden, gleichberechtigt zu werden, und dieseGleichberechtigung werden wir all' Ihrem Widerspruch zum Trotzerzwingen. Auch der Kriegsminister v. Heeringen wendet sichgegen die Soldatenmißhandlungen, aber doch nur. weil unsere fort-geletzte Kritik ihn dazu zwingt. Wir haben Sie dazu sogar ge-zwungen, daß bei dem Amnestieertaß die Soldatcnmißbändler aus-drücklich ausgenommen worden sind.(Sehr gut I bei den So-zialdemokraten) DaS Heer ist doch viel älter als die Sozial-demokratie.Warum haben Sie nicht in früheren Jahrzehnten dieMiliiärmißbandlungen beseitigt, als es noch keine Sozialdemokratiegab. Ick selbst habe hier in Berlin bei den Alexander» ge-dient. Damals ging man durch die Karlstraße an dem offenenExerzierplatz vorbei und konnte Hineinsrhen, was dort passierte.tonnte sehen, wie dort Soldaten mißhandelt wurden. Inden Kleinstädten wurde sogar auf den Marktplätzen exerziert. Jeder-man sah die Soldatenmißhandlungen, ohne Anstoß zunehmen. Heute sind die Plätze abgesperrt, weil man sichschämen gelernt hat, weil man weiß, das Publikum ist anders ge-worden, als vor Jahrzehnten. Es erträgt den Anblick der Miß-Handlungen nicht mehr. Und so muffen Sie sich mehr undmehr vor der Oeffentlickkeit flüchten! Schade, daß das nötigist. Es wäre viel besser, wenn die Exerzierplätze zu sehenwären, damit jedermann sich davon überzeugen könnte, daß dieSoldaten anständig behandelt werden.(Sehr richttgl bei denSozialdemokraten.)Es gibt zwei Arten von Offizieren, solche, für die man durchdas Feuer gehen kann(Hört! hört! rechts)... Warten Sie doch!Ich habe ais Soldat die Empfindung gehabt, für meine zwei Haupt-leute, die ich gehabt habe, hätte ich durchs Feuer gehen können.(Erneutes Hört!' hört! rechts.) Sie müssen aber auch das anderehören.(Heiterkeit.) Ich hatte nämlich auch Unteroffiziereund Offiziere, das waren soinfame Bestien,daß ich die Empfindungen, die der Abg. Stadthagen geäußert hat,noch heute nachempfinden kann. Und darauf kommt eSan; die Gesetze bestehen nicht für die anständigen— die könnten fastohne Gesetze auskommen— sondern für die infamen Kerle,die leider in unserem heuttgen System sich noch schrankenlos be-tätigen können. In meiner Kompagnie war ein Premier-leutnant, der trat die Leute mit Füßen. Die Leutekamen zu mir und ich habe mir überlegt, ob ich nicht eine Be-schwerde einreichen sollte. Ich mußte mir aber sagen, was mir beiEinreichung einer solchen gemeinschaftlichen Beschwerde hättepassieren können. Ich weiß nicht einmal, waS mir passiert wäre,wenn bekannt geworden wäre, daß ich mit den Leuten auchnur darüber gesprochen habe. DaS ist eine Ueberspannungder Idee der Disziplin. Disziplin ist nach meiner Auf-faffung nichts anderes als die strenge Befolgung der Gesetze. Rurden erachtet die Disziplin als Vorgesetzten, der das Gesetz mitder größten Strenge auch im Verkehr mit seinen Untergebenenwahrt. Die Mannschaften zu quälen, ist eine Disziplinlosig-keit.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Gewiß haben dazu inerster Linie die Unteroffiziere Gelegenheit. Aber auch dieDuldung der Mißhandlungen,eine Lässigkeit in der Beanfsichttgung der Unteroffiziere, ist bei denOffizieren genau so zu beurteilen, als wenn sie selbst Mißhand-lungen begehen würden. In manchen Kompagnien läßt man ebendie Unterofffziere schalten und walten, wie sie eS wollen. Das Rechtder Notwehr kann nicht so leicht überspannt werden, denn wer diesesRecht ausübt, der weiß auch, daß feine Tat hinterher abgeurteiltwird, daß er. wenn er fein Recht über ein geloiffes Maß hinausausübt, später erst recht bestraft wird. Dieses Bewußtsein istein genügender Schutz gegen jeden Mißbrauch des Rechtes ausNotwehr.Ich gebe zu, daß so unerhörte Sachen wie früher, wo Leutegezwungen wurden, ihren eigenen Unrat zu kauen, schmutzigeStrümpfe zu verschlucken, mit Zahnbürsten die ganzeStube zu reinigen usw. usw., seltener geworden find. Aber auf-gehört haben sie nicht. Dann ist noch ein andere» Punkt. ESbetrifft die Strafe des strengen Arrestes. Der Mensch der letztenJahrzehnte hat eine höhere Kultur, er erträgt eS nicht mehr, so be-handelt zu werden wie vor 50 oder mehr Jahren. Aber das istnicht einmal der springende Puntt bei der Frage deS strengen Arrestes,sondern der springende Punkt ist, daß diese Strafe nicht für alleverhängt wird, daß ein Unterschied gemacht wird zwischen densog. Gemeinen und den Unteroffizieren ohne Portepee auf der einenSeite und den Portepeeträgern auf der anderen Seite. Diesen Unter-schied erträgt unser Bewußtsein nicht mehr, das heißt die Klaffenunterschiede sogar in das Gesetzbuch hineintragen; in der bürger-liehen Strafrechtspflege kommen solche Klassenunterschiede sogar inder Praxis natürlich leider auch oft genug vor. Aber daß derKlaffenunterschied geradezu im Gesetzbuch selbst steht, dieses Unerhörteliegt doch nur beim Militärftrasgesetzbuch vor.— Nun ist gesagtworden, selbst von liberaler Seile, diese Beratung der Militärvorlagewäre nicht die richtige Stelle, um die Nefornv der Militärrechtspflegedurchzusetzen. Ich gebe es zu. daß es besser wäre, wenn man esin anderer Weise machen würde. Aber wir haben eS ja nochnicht erlebt, daß die Regierung eine» dahingehenden Gesetz-entwurf eingebracht hätte. Jetzt, wo die Regierung das stehende Heerso ungeheuer vermehren will, wo daher viel mehr Gelegenheitgeschaffen wird für die Mißhandlungen, da hätte es sich doch dieMilitärverwaltung überlegen müffen, ob sie nicht einen solchen Gesetz-entwurf einbringen sollte. Sie könnten ja damit die Enttvickelungder Sozialdemokratte vielleicht verlangsamen und deshalbhätten die bürgerlichen Parteien sofort, als die Vorlage einaebrachtwurde, erklären müffen: Regierung, nimm deine Borlage mit nachHauS, wir diskutieren erst dann darüber, wenn gleichzeitig die nötigenReformen vorgeschlagen werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo-kraten.) Freilich.v auch mit Reformen nützen Sie unZ.Sie können diese Scylla und CharibdiS nicht vermeiden, wennSie aber glauben, nun darum unentfchloffen bleiben zu müssen unddie Entwicklung zurückhalten zu sollen, dann sagen Sie nur vielentausend Menschen, daß sie als Soldaten sich alle« gefallen laffen müssen.Eines Tages werden unsere Wünsche doch erfüllt werden, das dauertnicht etwa noch gar zu lange.(Abg. Kreth: Wie lange?) Jeden-falls nicht so lange, wie Sie es wünschen.(Sehr gut! bei denSozialdemokraten.) Wir haben doch schon manches erreicht, und weilwir noch nicht mehr erreicht haben, darum sehen Sie hier 110 Sozial-demokraten und ein Drittel des deutschen Volkesst i m m t s o z i a l d e m o k r a t i f ch. Wir bekommen aber auch nochdie Hälfte!Wenn Herr v. Calker immerhin doch eine andere Haltungeinnimmt, als Herr v. Brockhausen, dann ist dos auch dieFolge der Rücksichtnahme auf die Sozialdemokratie. Sie könnenmachen. WaS Sie wollen, es schlägtdoch ,» unserenGunsten a uS. Wir stellen aber unsere Forderungen keines-weg» nur, um zu unserem Privatvergnügen agitieren zu könnensondern wir wollen dem Soldaten helfen gegen ihrePeiniger.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Ich erinnere mich noch sehr gut, wie sich an mich und andere Berlinerdie Unteroffiziere nicht herangetvagt haben, weil sie sich dachten, die5terle melden mich, dann fliege ich ins Loch; die polnischen Sol-daien aus dem Osten aber wurden mit der Faust vor dieBrust gestoßen, weil man wußte, daß dieseFrüchte ländlich-junkerlicher Erziehungsich alles gefallen laffen. Zweifellos ist ja auf dem Lande das Ehr-gefühl nach dieser Richtung weniger entwickelt, so wie sich einBanernknecht oder auch ein Bauernsohn mißhandeln läßt, so läßt sichnickt jeder sozialdemokratische Arbeiter mißhandeln. Ich sage dasdeshalb, weil man als einen Beweis gegen unsere Behauptungen angeführt hat, daß sich soviele Freiwillige zu gewiffen Regimentern melden.Die jungen Leute vom Lande find so wenig verwöhnt, daßsie sogar in der Kaserne manches finden, was sie vorher ent-b e h r e n mußten. Die Teilnahme von von 4000 bis 5000 altenSoldaten bei der Jubiläumsfeier eine« Berliner Garderegiments be-weist auch nichls, denn ei ist eine glückliche Gabe der Natur, daßder Mensch das Häßliche au« der Vergangenheit viel leichtervergißt, wie das Angenehme. Gewiß gibt eS auch Vorgesetzte,an die man gern denkt, und auch ich habe mich darüber gefreut, daßein alter Vorgeietzler sich nicht gleich gefürchtet hat, mit mir. einemsozialdemokrattichen Abgeordneten zuiammen über die Straße zugehen.(Heiterkeil links.)So mancher von diesen 4000 bis 5000 ist heute Beamter usw.und ganz in den Geist deS Militarismus hineingewachsen. Es gibtja auch noch genug Kriegervereinler I Wir können hoffen, daß das,was wir wollen, sich durchsetzen wird. Beim allgemeinen Wahlrechtläßt sich auf die Dauer der Klasfenstaat und sein Militarismusnicht aufrecht erhalten.Neberall marschiert die Demokratie?Denken Sie nur an den Wahlsteg der holländischen Sozialisten!DaS flriegSministerium läßt sich in dieser ganzen Debatte immerwieder verprügeln, nur ab und zu ein paar Worte, aber nie-mal» eine Stellungnahme zu den prinzipiellen Frage«. Der gestrigeDankerlaß de« Kaiser» ist ja i« einem bescheideneren To« ge«