halten, als man in der Vergangenkeit gewöhnt war, vielleicht wirddieser Ton noch bescheidener.'(Präsident K a e m p f untersagt dieseNuZdrucksweise.) Hätte man doch dem Kaiser geraten, in diesemDankerlay die Reform des Miliiärrcchts anzukündigen l— Herrnv. G r a e fe erwidere ich, daß gegen den Sieg der Demokratieschließlich auch kein Hohenzoller etwas ausrichtenwird. Sie selbst haben uns ja gezeigt, daß der Kaiser gegen Sieden Mittellandkanal nicht durchsetzen konnte und gegen unskonnte er das Z u ch t h a u s g e s e tz nicht durchsetzen. ÜeberlegenSie sich daher sehr wohl, ob Sie uns durch Ablehnung unseres An-träges wieder nützen wollen; durchsetzen wird er sich doch.(Beifallbei den Sozialdemokraten.— Abg. Kreth: Na setzen Sie sichmal hin!)Präsident Kaempfrügt nachdrücklich die Verballhornung eines Faustzitats gegen denAbg. S t a d t h a g e n als unparlamentarisch.Kriegsminister v. Heeringcnweist zunächst die Ausdrucksweise des Abg. P e u s über den kaiser-lichen Dankerlatz zurück. Das ganze deutsche Volk habedas Jubiläum des ÄaiserS�gefeiert.(Rufe bei den Sozialdema-traten: Na! Na!) Den Soldaten braucht die Sozialdemokratienicht zu helfen, die Vorgesetzten haben schon lange vor dersozialdemokratischen Agitation gewußt, daß wohlwollende und ge-rechte Behandlung� der Untergebenen der beste Weg ist. lLebhafteZurufe bei den Sozialdemokraten: Mißhandlungen!) Sie sagen,daß Sie die scharfen Gesetze nicht für die braven Offiziere, fondernfür die weniger braven fordern, so ist es aber auch mit den strengenDisziplinarstrafen für Soldaten, die kommen auch nicht gegen diebraven Soldaten zur Anwendung. Und doch wollen Sie sie ab-schaffen!(Sehr gut! rechts.) Die Vorgesetzten, die sich das ver-dammungswürdige Vergehen der Soldatenmitz-Handlung zuschulden kommen lassen, erleiden nicht nur ihreStrafe, sondern das hat auch seine Konsequenzen für ihre Lauf-bahn. Ein Unteroffizier kann wegen Mißhandlung unter Um-ständen noch am Ende seines zwölften Dienstjahres mit Frau undKindern auf die Straße gesetzt>verdcn, das ist doch die ab-schreckendste Strafe, die es gibt. Sie wollen, daß es in den Strafenkeinen Unterschied zwischen Vorgesetzen und Untergebenengeben soll, aber das ist in allen Armeen der Welt der Fall und istein Erfordernis der Disziplin.Der Vorgesetzte, der einen Soldaten mißhandelt, vergeht sich schwerund wird schwer bestraft, aber er greift dqch nur in die Rechts-sphäre dieses einzelnen Mannes ein; der Untergebene aber, dersich an dem Vorgesetzten vergreift, vergeht sich nicht nur gegendiesen einen Vorgesetzten, sondern gegen den ganzenStand!(Aha! bei den Sozialdemokraten; Unruhe rechts.)Die Soldatenmißhandlungen gehen ständig zurück, 1912 wur-den nur noch l1,2o Proz. der Offiziere und Unteroffiziere deswegenbestraft, im Hanzen nur 24 Offiziere, ich wollte freilich, es wäre§ar keiner. Aber die Offiziere und Unteroffiziere sind nun einmaleine Engel, sondern energische, teniperamentvollePersönlichkeiten, die sich hinreißen lassen. Jeder, der einHerz für die Armee hat, verurteilt aber die Mißhandlungen aufdas allerschärfste. Der Abg. P e u s hat erklärt, daß die Um.zäunung der Exerzierplätze beweise, daß man sich vor der Oeffent-lichkeit fürchte." Nun, als ich das Regiment 117 in Mainz kom-mandierte, mußte ich beim Exerzieren auf dem Schloßplatz Polizei-ltchen Schutz in Anspruch nehmen gegen Bürger, die meinen Sol-daten zuriefen: Werft doch dem Kerl das Gewehr anden Kopf! und dergleichen mehr.(Hört! bört! rechts, lebhafteRufe bei den Sozialdemokraten: Warum?) Sagen Sie doch denLeuten, die zum Militär kommen, nicht immer, daß sie beimMilitär gepeinigt werden, sondern, daß sie ihre Pflicht und Schul-digkeit tun sollen, dann wird auch manches besser werden. Mit derVerallgemeinerung einzelner Vergehen von Leuten, die die Armeenicht kennen, setzen Sie die Armee nur runter. Wer die Armeekennt, weiß, was wir an ihr haben, und diesen Glauben läßt sichdas deutsche Volk durch derartige Reden nicht nehmen!(Leb-hafter Beifall rechts.)Abg. Stadthagen(Soz.):Ter Abgeordnete van Calker und selbstverständlich auchDr. Müller haben sich gegen meine„übertriebene Kritik" ge-wandt. Bringen Sie mir doch ein Beispiel dafür, daß ich über-trieben habe! Ich habe mich nur auf rechtskräftige Ur-teile und auf den Erlaß des Prinzen und späteren Königs Georgvon Sachsen gestützt. Die Erklärung Dr. Müllers, daß unsereAnträge unannehmbar seien, beweist nur sowohl eine gewaltigeSelbstgefälligkeit, als eine große Hilflosigkeit, die in Ermangelungvon Gründen, Scheingründe geltend macht. Sehr bezeichnend istes, daß die liberalen Parteien jetzt von dem Standpunkt zurück-kommen, den sie vor Jahren selbst noch in diesen Fragen einge-nommen haben. Ich habe auch keineswegs behauptet, daß in derArmee nichts als Quälereien getrieben werden, sondern nur, daßnach der bestehenden Rechtslage die Möglichkeit besteht, daßsich die Soldaten all diese kannibalischen Gemeinheiten wehrlosgefallen lassen müssen.Der liberale Dr. M ü l l e r- Meiningen hat es von sichgewiesen, daß ein Soldat, der von dem Hauptmann beschimpft wird,oen Hauptmann wieder schimpfen dürfte. Ter liberale HerrDr. Müller kennt alsoeine verschiedene Ehre,und er meint, daß die Ehre des Soldaten in dem Augenblick vorbeiist, wo er seine Pflicht im Heeresdienst erfüllt. Nach dem bestehen-den, auch für das Militär geltenden Strafgesetzbuch besteht dasNotwehrgesetz, einen rechtswidrigen Angriff auf sich oderseine Angehörigen auf der Stelle in gleicher Weise zurückzuweisen.Eine Beleidigung ist ein rechtswidriger Angriff, und das ist ebendas Empörende, daß für den Soldaten chas allgemeine Staats-dürgerrecht der Notwehr nicht gelten soll. Deshalb bean-tragen wir, dieses Recht den Soldaten ausdrücklich zu geben.Noch 1 892 standen auch die Liberalen auf diesem Stand-Punkt, es ist außerordentlich interessant für die Entwickelung ihrerGedanken, daß sie jetzt nicht mehr auf diesem Standpunkte stehen.Die Konservativen behaupten, die Sozialdemokraten wolltennur die Kommandogewalt des Kaisers beseitigen. Das sollen wirdadurch tun, daß wir den Soldaten ein wirkliches Beschwerderechtgeben und sie nicht wehrlos den scheußlichen Gemeinljeiten ausliefern wollen? Dieselben Herren, die für sich das Vorrecht desDuells in Anspruch nehmen, um ihre Ehre zu verteidigen, diesagen, wenn die Unteroffiziere nicht mehr die wehrlosen Soldaten»reinigen dürften, dann würde die Disziplin untergraben unddie Ltommandogewalt beseitigt. Die Inhaber der Kommandogewaltselbst sind aber, wie ihre Erlasse gegen die Soldatenmißhandlungenbeweisen, der entgegengesetzten Ansicht. Das Lachen derKonservativen bei meiner gestrigen Rede hat Herr v. Brock-hausen dahin zu erklären versucht, daß die Konservativen gelachthätten wegen meines Auftretens in später Abendstunde. Ich stellefest, daß wir vorher die Vertagung beantragt hatten(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten!, daß sie aber von den Konser-vativcn abgelehnt wurde! Es bleibt schon dabei, Sie habengelacht in dem Augenblick, als gegen die SoldatcnpeinigungenStellung genommen werden sollte, und darüber, daß dasgeschehen sollte.Dem Kriegsminister erwidere ich, daß der einzelne Mann ausdem Volk mindestens dieselbe Ehre hat wie irgendeinnoch so hoch stehender Offizier, und dieses Gut müssen wir schützendagegen, daß es infolge des Kadavergehorsams verletzt werdenkann. Wenn der Vorgesetzte den Soldaten beleidigt oder schlägt,so vergeht er sich dadurch auch gegen den ganzen Stand, ja,er mißhandelt dadurch das ganze Volk,das in der Armee nicht von Berufsleuten, den Offizieren undUnteroffiziere», sondern von den Soldaten repräsentiert wird.Scharnhorst hat vor hundert Jahren erklärt, daß solche Offiziere,die nicht begreifen könnten, daß die Soldaten ohne Schläge unter-vchtet werden müssen« nicht jn das Heer gehören und hin»ausgeschmissen werden müssen.(Sehr gut! bei den Sozialdemo-kraten.) Die heutigen Konservativen sind natürlich anderer Ansicht.Der Rückgang der Verurteilungen wegen Soldatenmißhandlung istnoch lange kein Beweis für einen Rückgang der Mißhandlungenselbst. Es besteht ja kein wirkliches Beschwerderecht,wie viele Soldatenpciniger werden freigesprochen bei Ausschluß derOeffentlichkeit, und wie oft werden Mißhandlungen und Beleidi-gungen nur als geringfügige, nicht zu ahndende Vergehenbehandelt!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokiaten.) Prinz Georgvon Sachsen hat in seinem Erlasse sehr scharf darauf hingewiesen,daß die Vorsitzenden der Kriegsgerichte nicht seltengegen den Mißhandelten und für den Mgeklagten Sol-datenpeiniger Partei genommen hätten(Hört! hört! bei den So-zialdemokraten), und gerade deshalb erklärte der Befehl desPrinzen die strengste Gerechtigkeit für eine der Hauptstützen einerrichtigen und gedeihlichen Handhabung der Disziplin.Gewiß gab es wenigstens einige Regimenter, wo Mißhand-lungen nicht vorkamen. Das sind z. B. die Truppenteile, in denender spätere General v. Pape schon von seiner Leutnantszeit anes durchgefetzt hat, daß auch außerhalb des gewöhnlichen Be-schwerderechts Beschwerden entgegengenommen werden konnten.Ob das heute noch passiert, weiß ich nicht. Ich habe gestern aus-geführt, daß aus dem Erlaß des Prinz Georg von Sachsen hervor-ginge, daß dieser das Recht der Notwehr anerkannthabe. Das ist mir bestritten worden, aber ich muß dabei bleiben.Jn diesem Erlaß heißt es von den Soldatenmißhandlungen alsvon einer unwürdigen, jedem Gesetz und jeder Vorschriftund jeder Menschlichkeit widersprechenden BeHandlungsweise.(Hört! hört!) Es wird weiter darin gesagt, daß die Mißhand-lungen die Uniform und das standesbewußtseinverletzen, und daß man dadurch, statt der Sozialdemokratieentgegenzuarbeiten, ihr nur neuen Vorschub leiste. Damit wirdanerkannt, daß es gerade nur die Sozialdemokraten sind,die stets diesen Mißhandlungen entgegenwirken. Vor allem wirdin diesem Erlaß anerkannt, daß sich die Disziplin auf das Ehr-gefühl stützen müsse.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Wer das aber anerkennt, der erkennt logischerweise auch das Rechtder Notwehr an.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Dieser Er-laß, der nicht für, sondern gegen die Sozialdemokratie gerichtetist, legt ganz mit Recht dar, daß man die Ehre in dem zur Fahneeinberufenen Bürger nicht ersticken, fondern im Mgenteil stützenund erhalten müsse. Daraus folgt, sich dagegen zu wehren.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ein solcher Mann vonEhre darf es sich nicht erst gefallen lassen, wenn man ihn zwingenwill, Kot zu essen und dergleichen. Ich frage jetzt den HerrnKriegsminister: Macht ein Mann, dem der Unteroffizierbefiehlt, feinen eigenen Kot zu essen, der diesem Befehlaber nicht nachkommt, sich strafbar oder nicht? Das ist dieFrage, auf die es ankommt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo-kraten.) Das Hin und Her der Herren Nationalliberalen undLiberalen zeigt nur, wie außerordentlich stark in-den bürgerlichenKreisen der Gedanke der Ehre gesunken und der desKadavergehorsams gestiegen ist.(Lebhafter Beifall beiden Sozialdemokraten.)Der Herr Dr. Müller-Meiningen hat allerdings die Auf-fassung, daß ein Bürger, der zum Militär eingezogen ist, sich zu-nächst alles gefallen lassen mutz und sich erst hinterher beschwerenkann. Eine solche Auffassung hat mit Liberalismus nichts mehrzu tun.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Will der HerrDr. Müller-Meiningen vielleicht ein Mittel angeben, auf welcheandere Weife ein Soldat sich solchen unwürdigen Befehlen ent-ziehen kann, wenn man ihm nicht das Recht der Notwehr gibt?Ich glaube, selbst das Reichsmilitärgericht, das wenigstens in einemFall das Notwehrrecht anerkannt hat, steht hier auf einer höherenRechtsauffassungsstufe als der Abg. Müller-Meiningen. Wenn Sieden blinden Kadavergehorsam, dei�ich auf dienstpflichtwidrige Befehle bezieht, anerkennen, so müssen Sie auch die Pflicht aner-kennen, sich beleidigen, sich prügeln, sich ruinierenzu lassen oder sich dagegen aufzulehnen. Gewiß kannman auf dem Verwaltungswege einiges bessern, aber wie könnenSie die Niederträchtigkeiten verhüten, in den Fällen, wo sich Manngegen Mann, Unteroffizier und Untergebener gegenüberstehen,wenn in all den raffinierten Quälereien der Soldat, der sich nichtgefügt hätte, noch gewärtig sein müsse, wegen Wider-stand vor versammelter Mannschaft zu min-bestens fünf Jahren Gefängnis verurteilt zu werden?Herr Dr. Müller-Meiningen, es handelt sich darum, diesen Miß-stand zu beseitigen, nicht Witze über Kali usw. zu machen. Eshandelt sich jetzt darum, daß wir die 139 000 Mann, die mehreingestellt werden sollen, vor diesen Scheußlichkeitenbewahren. Da heißt es nicht auszuweichen durch matte Re-Elutionen, sondern für unsere Anträge zu stimmen. Sonst müssenwir annehmen, daß Ihnen der Kadavergehorsam höher steht alsdie Ehre des einzelnen, weil Sie meinen, das« der Kadavergehorsameinst dazu gebraucht werden soll, um der Arbeiterklasse und dergroßen Masse des Bürgertums die Gleichberechtigung aus der Handzu schlagen. Aber Sie werden das Gegenteil bewirken. Partei-politisch kann uns die Ablehnung unserer Anträge nur recht sein.Aber im Interesse der Ehre unserer Soldaten bitte ich Sie, unsereAnträge anzunehmen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemo-kraten.)Sächsischer Bundesratsbevollmächtigter Leuckhart v. Weißdorferklärt nochmals kurz, daß der Erlaß des Prinzen Georg von Sachsendas Recht der Notwehr nicht anerkannt habeHiermit wird die Debatte über die Militärjustiz geschlossen.Vizepräsident Dave schlägt vor, mit Rücksicht auf die schlechteBesetzung des Hauses die Abstimmung zu vertagen.Zur Geschäftsordnung beantragtAbg. Lcdcbour(Soz.), ebenfalls mit Rücksicht auf die schlechteBesetzung des Hauses, auch die Debatte selbst zu vertagen.Der Antrag findet nicht die genügende Unterstützung, die De«batte wird also fortgesetzt, und zwar beim Kapitel„Kapitulanten-wescn und Militäranwärter".Abg. Liesching(Vp.)erklärt, daß seine Partei im Gegensatz zu ihrer Stellung in derBudgetkommission einige nicht im unmittelbaren Zusammenhangemit der Borlage stehenden Punkte nicht jetzt, sondern lieber imHerbst, in besonderen Initiativanträgen behandeln wolle, und siedaher aus formalen Gründen für jetzt ablehne. Er begründet darauffolgenden Antrag:In Artikel III, der die Dienstprämie der Kapitulanten bestimmt,anzufügen, daß den Kapitulanten, die nach mehr als 12jährigerDienstzeit entlassen werden, außer dem Kapitalbctrage von 3000 M.für jedes über die 12jährige Dienstzeit hinausgehende weitere Dienst-jabr 4Proz. Zinsen ausbezahlt werden sollen zieht aberspäter den Antrag zurück.Artikel III(Aenderung des MannschaftSversorgungsgesetzeS) wirdangenommen.Abg. Dr. Müller-Meiningen(Vp.)begründet einen Antrag auf Einfügung eines Artikels lila, wonachim Reichsmilitärgesetz die Verpflichtung der Regierungen auS«gesprochen wird, dafür zu sorgen, daß die männliche schulpflichtigeJugend Turnunterricht erhalte.— Für das Turnen hat dieMilitärverwaltung nur platonische Sympathie.Ein Antrag Mumm(Antis.) will die Unterstützung des Reichsnur den auf dem Boden der beutigen Staats« undGesellschaftsordnung stehenden Turnvereinen zuteil werdenlassen.Der sozialdemokratische Antrag enthält Aufhebungaller landesrechtlichen Vorschriften, durch welche die Erteilung desTuniunterrichls von der politischen oder religiösenGesinnung deS Lehrers oder der Schüler abhängig ge«macht oder die Gemeinden in der Ueberlassung der Turnhallen anTunivereine beschränktDie B u d g e t k o m m i s s i o n beantragt eine allgemeineturnfreundliche Resolution.Kriegsminister v. Heeringen:Die Militärverwaltung hat nicht nur schone Worte für daSTurnen, sondern sucht das Turnen in jeder Weise tatkräftig zuu n t e r st ü tz e n und eine organische Verbindung zwischen Militär«und Zivilturnern herzustellen. Jn diesem Sinne akzeptiere ich dieKommsionsresolufionen. Wohl aber möchte ich bitten, den fortschritt«lichen Antrag nicht in dieser Form anzunehmen. Man kann dochnicht verschiedene Materien in einer Vorlage ineinander arbeiten.Das heiße soviel, wie etwa in ein Kaligesetz den Vogelschutz ein»arbeiten.(Heiterkeit.) So macht man Wurst, aber keine Gesetze.(Heilerkeit.) Wird dagegen de? Antrag Ablaß in eine Resolution um»gewandelt, so habe ich nichts gegen ihn einzuwenden.Abg. Heiue(Soz.):Der Autrag M u m nr hat jedenfalls den Porzug der Ehrlichkeit,wenn er gerade heraus die Förderung auf die Vereine einschränkenwill, die aus dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung stehen.Ehrlichkeit ist immer daS Beste und die Annahme des Antrags Mummwürde durchaus im Geiste dieses Reichstags sein, dergrundsätzlich alle sozialdemokratische Anträge ablehnt. Aber auch derAntrag Ablaß bedeutet für unS nickt mehr als die Kommissions»resolution mit oder ohne Mumm(Heiterkeit), wenn nicht gleich»zeitig unier Unterantrag mit angenommen wird.In Preußen und anderswo, namentlich in N o r d b a y e r n,das ja immer gewisse jächsisch-preußische Polizeiallüren hatte(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten), würde die Annahme des AntragsAblaß nur zu einer weiteren Bevorzugung der sogenannten bllrger«lichen auf Kosten der A r b e r t e r t ur n v e r e i n e führen.Es stimmt ja, daß das Turnen an sich nicht mehr verfolgtwird, wie zur Zeit der Reaktion nach den Freiheitskriegen,als schon das Wort„Turnen" verboten wurde.� Ich glaubeauch nicht, daß die deutsche Turnerschaft, wie Müller»Meiningen zu fürchten scheint, im Heere noch„demokratischer"Tendenzen verdächtigt wird. Ach nein, in diesem Falle sieht Ab-geordneter Müller- Meiningen zu schwarz. Die„DeutscheTurnerschaft" gilt mit Recht selbst in der Armee als völligharmlos. Die Verfolgung richtet sich gegen die turnerische» Be-strebunge» von Arbeitern, Poic» und Dänen. Ueber die Schikanierungvon Polen und Dänen sprechen vielleicht nachher die betreffende»Abgeordneten. Hier einige Angaben über dieVerfolgung der Arbeiterturnvercinc.Unserem Parteigenossen Adler, der ein geprüfter Turn«lehr er ist, wurde die Genehmigung zur Erteilung von Turn-Unterricht in Schleswig untersagt, weil er als Sozialdemokratnicht die sittliche Reife zur Erteilung von Unterricht besitze.(Stürmische Pfuirufe bei den Sozialdemokraten.) Die weitereKonsequenz würde sein, daß allen sozialdemokratischen Vätern dasRecht der Erziehung ihrer Kinder abgesprochen wird.(Bewegung.) Schöne Aussichten für die Zukunft Deutswlandt!Aus keinem Reichsgesetz läßt sich die Berechtigung zu diesemVorgehen ableiten. Auch aus keinem preußischen Gesetz undauch nicht aus dem A l l g e m e i n e n L a n d r e ch t. Ja, selbst dieKabineltsorder von 1834, die zur„Begründung" dieses Borgehensdienen muß, wird zu Unrecht angezogen. Denn sie macht nicht denUnterricht an Erwachsene genehmigungspflichtig, sondern nur denUnterricht, der als Ersatz für Unterricht in der Volksschule dienensoll. Wir haben die Sache zur richterlichen Entscheidung gebrachtund Land- und Reichsgericht haben entschieden, daß der Unterrichtan Erwachsene nicht genehmigungspflichtig sei.Sofort schlug die Regierung einen anderen Weg ein. Sieveranlasste die Gemeinden, den Turnunterricht in den Fortbildungs«schulen für obligatorisch zu ertlären. Es wird nun im allgemeinen keineswegs Turnunterricht in den Fortbildungsschulen er«teilt, aber er steht theoretisch, fiktiv auf dem Unterrichtsplan, undalso ist der Turnunterricht in Arbeiterturnvereinen ein Ersatz fürSchulunterricht und also ist er genehmigungspflichtig.Die Genehmigung wird— in Preußen muß man sagen: natürlich—nicht erteilt und die Schulräume werden den betreffendenTurnvereinen nicht mehr eingeräumt und wenn sie alsdann inWirtslokalen tagen, wird auch gegen die betr. Gastwirte vorgegangen,obwohl nun dazu auch nicht der geringste Rcchlsvorwand selbst inder„berühmten" Kabinettsorder von 1834 zu finden ist.(Hört! hört!bei den Sozialdemokraten.)Wie es denn so geht, wirkte die Verwallungspraxis endlich auchauf das Reichsgericht ein. Es revidierte seine frühere Stellung»nähme und entschied, daß jeder an Personen in„schutzbedürfligem",Alter erteilte Unterricht genehmigungspflichtig sei.Natürlich gab sofort die Regierung dem Begriff der„Schutzbedürstigkeit" die vou ihr erwünschte Ausdehnung und er»klärte: die Studenten stehen unter einer gewissen Aufsicht, ausder ihre Schutzbedürftigkeit hervorgeht. Also sind auch die Ar-b e i t e r schutzbedürflig, die etwa im st u d c» t i s ch e n Alterstehen. So hat man denn die Handhabe, die Erleilung von Turn»Unterricht an Personen bis zu 25 Jahren genehmigungspflichtig zumachen. Natürlich werden alle diese Schikanen iiichl angewandt, umeinen besseren Unterricht erteilen zu lassen. Sie sucht denArbeiterturnunterricht zu beseitigen und nennt diese Aeseiligung echtpreußisch Fürsorge.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.)Die Arbeiterturnvereine haben gesucht, sich weiter zu akkomodieren,und der Turnverein„Fichte" hat eine Liste von geprüftenTurnlehrern eingereicht, die notorisch Nicht sozialdemo»kraten sind und sich bereit erklärt haben, m dem genannten VereinTurnunterricht zu erteilen. Darauf hat die Negierung kurzerhanderklärt: Genehmigung zur Erleilung von Turnunterricht im Verein„Fichte" wird überhaupt nicht erteilt.(Lebhaftes Hört! hört! beiden Sozialdemokraten.) Also die Absicht ist, das ganze Tnrncn mder Arbeiterklasse zu unterdrücke».Das wird allesauf administrativen Wegengemacht, auf dem eS für die Schulauffichtsbehörden keinerlei Grenze»gibt. Man kann wegen der geringsügigsten Bagatelle, wegen einerBestrasuiig zu 3 M. bis an das Oberverwaltungsgericht gehen,während hier die Schulauffichtsbehörden Geldstrafen bis zu1000, 10000 und mehr Mark und Gefängnisstrafenverhängen können, ohne daß es dagegen eine Appellation gibt.(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Außer in Ruß-land gibt es so etwas in der ganzen zivilisierten Welt nicht.Für jeden Tag der Erteilung eines unerlaubten Unterrichts wird eineGeldstrafe von 100 M. festgesetzt und für 100 Tage macht das eben10 000 M. An die Stelle dieser Geldstrafe kann eine entsprechendlauge Freiheitsstrafe treten, aber sie wird niemals ganz voll»streckt, weil eben die Behörde selbst einsteht, daß das nicht geht.Es herrscht hier die reine Willkür, alles hängt von dergutenLaune der Schulbehörde ab. Dazukommen noch Brr»solguitge» der Schulkinder und deren Eltern.In Anhalt ist jetzt eine Verfügung herausgekommen, die jedemKinde, das eine �.urnnunde des Arbeiterturnvereins besucht, Prügeloder A r r e st st r a s e androht.(Hört! hört! bei den Sozialdemo-kraten.) Schüler der sogenannten gehobenen Voltsschule werden dereinfachen Volksschule überwiesen und so wird vielleichtdie ganze Zukunft eines jungen Menschen verkümmert.Aber was schert sich die Bureaulratie um die Zukunftjunger Leute. ihr ist das alles vollständiggleich.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) DieseMaßnahmen fmd aber nicht nur ungerecht, sondern nuch unklug,denn man schaftt mit ihnen nur jugendliche Märtyrer. Wenn so einFortbildungsschüler oder efit junges Mädchen wegen des Besuchsder Turnstunde eines Arbeiterturnvereins den Sonntagnachmittogim Karzer zubringen muß, glauben Sie, daß diese jungen Leute miteiner besonders guteil Gesinnung groß werden.(Sehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer einmal wegen emer SachePrügel bekommen hat, der hängt an dieser Sache sein ganzes Lebenlang.(Sehr richtig! hei den Sozialdemokraten.)Run sucht man dieseNngerechtigkeiien und Nichtswürdigkeitendamit begründen, daß in den Arbeiterturnvereinen sozialdemo-lratische Politik getrieben würde.(Sehr richtig! rechts.) Do« D