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noch etwa vierzig weitere Versammlungen in Vorbereitung. Die Freikonservativen setzen jetzt erst eigentlich mit der Agi- tation ein. Für sie soll der amtliche Apparat die geistigen und körperlichen Strapazen ersetzen. Deshalb bleiben sie mit Vorliebe in geschlossenen Zirkeln. Am Sonntag sprach in Groh-Kreutz in einer Versammlung von.Freunden der konservativen Sache" aus 12' eingeladenen Dörfern der Generalissimus des Reichsverbandes General   v. L i c b e r t. Ganze 70 Mann hatten sich eingefunden. Darunter unser Genosse Wels. Schon bevor v. Liebert den Saal betreten hatte, stellte Wels die Frage an ihn, ob er dafür sorgen wolle, daß dem Vortrage freie Aussprache folge. Herrn v. Liebert mochten wohl sofort seine geschäftlichen Trans- aktionen in Rufiziaktien usw. einfallen, denn so verlegen, wie es ein alter Soldat, der im Kugelregen gestanden, nie sein dürfte, antwortete er stockend:Das, das entscheidet das Komitee". Das Komitee  ", d. h. Herr v. Liebert und der Amtsvorsteher, berieten dann schleunigst, wie sie sich auS der unangenehmen Affäre ziehen könnten und man sah es bald an dem Aufleuchten ihrer Gesichter, daß sie das Ei des Kolumbus gefunden. Nach der Eröffnung und der Mitteilung, daß Herr Pauli, für den man sich im April einzutreten verpflichtet habe, zurückgetreten sei und man.die Freude habe, den altbewährten Herrn v. Oertzen wieder als Kandidaten zu haben" welche Zugeständnisse dieser in der Erbschaftssteuerfrage gemacht, wurde nicht gesagt erteilte der Amtsvorsteher eiligst Herrn b. Liebert das Wort. Ehe der aber beginnen konnte, fuhr WelS ihm in die Parade mit der An- frage, wie es mit der Redefreiheit nach dem Vortrage beschaffen sei. Darauf wurde ihm gesagt, da er aus Berlin   sei, zur Ver- sammlung aber nur Wähler aus 12 besonders benannten Dörfern eingeladen seien, würde er das Wort nicht erhalten. Wels repli- zierte, daß ein solches Verhalten sich von selbst richte. Die Wähler des Kreises würden auf diese Betätigung konservativen Mannes- muts schon die richtige Antwort geben. Der tapfere Herr v. Liebert der Sozialistenfresser psr excellence, saß dabei an seinem Tisch und atmete sichtlich erleichtert auf, als unser Genosse ihn von seiner Gegenwart befreite. Später erschienen in der Versammlung zwei Fortschrittler, die in die Diskussion eingreifen wollten, Sie erhielten denselben Bescheid wie Wels. Da aber wurde einigen Ortshonoratioren die Sache doch zu bedenklich und sie baten, doch bei dieser Praxis nicht zu beharren. 5 Minuten Redezeit wurden dann auch glücklich gewährt. Es geht nichts über wahre Tapferkeit, als deren besseren Teil Herr v. Liebert allerdings die Vorsicht zu betrachten scheint. Zur Reichstagsersatztvahl in Salzwedel  -Gardelegen  . Am 2. Juli soll die Ersatzwahl für das vom Reichstage für ungültig erklärte Mandat v. Kröchers stattfinden. Der KreiS ist seit 1890 in konservativem Besitz. Vorher war er wiederholt durch Liberale, einige Legislaturen durch Freikonservative vertreten. Seit 1890 beteiligt sich auch unsere Partei an den Wahlen. Die letzte Wahl brachte uns von insgesamt 24 772 Stimmen 2407, während der kon­servative v. K r ö ch e r 12073, der Bauernbündler Dr. B ö h m e 10271 Stimmen erhielten. Es ist ein ausgeprägt agrarischer Kreis, der namentlich im westlichen Teile sehr viele Bauern zählt. Industrie ist fast gar nicht vertreten. Selbstverständlich beherrschen die Junker die Kreistage, die bekanntlich bei Neubesetzung der Landratsposten das Borschlagkrecht genießen und dies immer zugunsten eines wasch- echten Junkers benutzen. So ist die konservative Partei in diesem Wahlkreise ebenso mächtig und rücksichtslos, wie 'n irgend einem ostpreußischen Wahlkreise. Hier lassen die Herren alle Skrupel fallen, wenn es gilt, ihre Partei- interesjen durchzusetzen. Die Folge davon ist eine sehr starke Opposition, namentlich bei den bäuerlichen Wählern, die allein schon die starke Stimmenzahl des Dr. Böhme erklärt. Aber die Empörung über das Junkerregiment, das besonders rücksichtslos auch durch v. Kröcher vertreten wurde, hat auch große Kreise der indifferenten Arbeiterschaft ergriffen. So kam es, daß bei der vorigen Wahl in den kleinen Landstädten viele Arbeiter schon im ersten Wahlgange für Dr. Böhme stimmten, weil sie unserer Kandidatur einen Sieg über die Junker nicht zutrauten. Bei der Nachwahl treten die Konservativen mit v. K r ö ch e r und mit dem Bauern Schulz in Ritze auf. Diese Doppelkandidatur soll zunächst Verwirrung unter die Bauern bringen. Man nimmt an, daß die Kandidatur Schulz im letzten Augenblick zurückgezogen wird. Der Schachzug würde den Konservativen durchaus zuzutrauen sein, aber es ist fraglich, oh er Erfolg haben wird. Die National- liberalen haben den Dr. Böhme abermals auf den Schild erhoben. Unsere Partei hat dem Genossen Karl Bergemann, der Gau- leiter des Zimmererverbandes ist, die Kandidatur übertragen. Ist die sozialdemokratische Wahlagitation schon an sich in einem solchen weit ausgedehnten fast reinagrarischen Kreise sehr schwierig, so hier doppelt, weil die Gegner mit einem kolossalen Aufwand von Mitteln arbeiten. Die Bauernbündler sind in der Agitation den Konservativen zurzeit entschieden überlegen. Sie haben zwei eigene Zeilungen zur Verfügung, und alle Abende sind fünf oder sechs Redner auf den etwa 230 kleinen Dörfern, die mehr als 200 Einwohner zählen, unterwegs. In Salzwedel   ist ein ganzes Hotel als Wahlsekretariat eingerichtet. Zahlreiche AutoS stehen zur Verfügung und an lärmenden Veranstaliungen fehlt es nicht. Natürlich sind auch die Konservativen nicht faul. Der Generaldirektor Kuntze hat die Oberleitung. Eine Anzahl anderer Generalsekretäre stehen ihm zur Seite. Beide Parteien haben genügend Lokale, die Konservativen natürlich alle, die Bauernbündler müssen in kleinen Orten des öfteren unter freiem Himmel reden. Unserer Partei hat man dagegen selbst in Salzwedel   das VersammlungS- lokal abtreiben können. Dagegen hat nun das Militär die Erlaubnis erhallen, das für die Sozialdemokraten gesperrte Lokal zu besuchen, obwohl dort von zarten Händen die Getränke kredenzt worden. Wir können auch in den übrigen Orten nur ganz aus- nahmsweise Versammlungen zustande bringen. Und mancherorts sind die Arbeiter zu sehr eingeschüchtert, als daß sie unsere Ver- sammlungen besuchten. So müssen wir den Kampf unter sehr un« günstigen Bedingungen führen. Gleichwohl tzt die Partei mit aller Energie bestrebt, gegen die übermächtigen Gegner anzu­kämpfen. Ueber die Wahlaussichten läßt sich bei der Parteikonstellation wenig Zuverlässiges sagen. Wie eS scheint, wird der Bauernbündler gegen daS vorige Mal einiges den Konservativen abnehmen. Unsere Genossen sind bestrebt, durch eine grundsätzliche Aufklärungsarbeit den Wahlkampf auszunutzen.__ Versicherung der Lehrer. Dem Reichstag ist ein� Kompromißantrag zugegangen, JJstterstützt von sämtlichen grokeren Parteien, der folgendes bestimmt: Den§ 14. Mr. l, 2 des VerficherungSgesetzeS für Angestellte vom Dezember 1911 aufgeführten Lehrern und Erziehern an nicht öffentlichen Schulen oder Anstalten werden die privaten Einzelunter- «cht erteilenden Lehrer und Erzieher g l e i ch g e st e l l t. soweit sie o« öffentlichen PenfionSanstalten für Lehrer und Erzieher ver- sichert sind._ Die Soldatenerkrankunge« in Osnabrück  . _ 7«. Infanterieregiment in Osnabrück   find 300 Mann unter vergtftungserscheinungen teilweise sehr bedenklich erkrankt. Bon sozialdemokratischer Seite ist deshalb im Reichstag eine Anfrage ein­gebracht worden, die den Reichskanzler um Auskunst über die Ursachen dieser Erkrankung ersucht und gleichzeitig fragt, welche Anordnungen getroffen worden sind, um eine Wiederholung solcher Vorfälle zu vermeiden.__ Wohlwollende Militärjustiz für Soldatenschinder. Das Feldartillerieregiment Nr. 59 zu Köln   war im letzten Jahre wiederholt der Schauplatz schwerer Soldatenmißhandlungen. Zunächst standen alte Mannschaften wegen gefährlicher Aus- schreitungen gegen Rekruten vor dem Kriegsgericht. Unter anderem war der Sohn eines Stadtmissionars braun und blau und blutig geschlagen worden. Die Untersuchung dieses Falles förderte zahllose andere Exzesse zutage. Schließlich wurde der Unteroffizier Stellmacher von der ö. Batterie angeklagt, in über 100Fällen Untergebene vorsätzlich mißhandelt, vorschriftswidrig behandelt oder mangelhaft beaufsichtigt zu haben. Einige andere Unteroffiziere leisteten ihm auf der Anklagebank Gesellschaft. Es wurden dem Stellmacher allein Ausschreitungen gegen Untergebene in 4 6 F ä l- len nachgewiesen, ferner wurde er überführt, in 5 2 Fällen Untergebene vorschriftswidrig behandelt oder mangel- Haft beaufsichtigt zu haben. Die Spezialität seiner Quälereien war das sogenannte.Pumpen", d. h. die Soldaten mutzten sich auf die Erde werfen und dann 50mal und öfter den Oberkörper heben und senken. Zur Abwechselung ließ er die Rekruten 20- bis 30mal die Leitern zu den Heuböden hinauf- und herunterklettern oder er ließ sie schwer bepackt bis zur Erschöpfung durch die Stallgasse laufen. DaS Kriegsgericht hielt nach langer Verhand- lung unter Ausschluß der Oeffentlichkeit 98 Fälle für erwiesen und verurteilte den Menschen zu 4 Monaten Ge- fängnis. Seinen Mitangeklagten wurdennur" 1020 Fälle nachgewiesen, und sie kamen daher mit Strafen von 2 Monaten Gefängnis bis zu? Wochen Mittelarrest davon. Die Verurteilten hatten anscheinend starke» Vertrauen zur Militärjustiz, denn sie legten Berufung ein. Auch daS Ober­kriegsgericht schloß die Oeffentlichkeit auS. Es kam zu der Ansicht, daß die Angeklagten zwar überführt seien, jedoch sei der Umfang der erwiesenen Straftaten bei weitem' nicht so groß wie das Kriegsgericht angenommen habe. Es könne nicht von.shstcma- tischen" Mißhandlungen die Rede sein. Die Straf« gegen den Unteroffizier Stellmacher, der in 9 8 Fällen überführt war, wurde auf zwei Monate Gefängnis, die Straf« seiner Mit- schuldigen entsprechend reduziert. Die neue ßalbanfmfc. Nach Bulgarien   veröffentlichen jetzt Serbien   und Griechen- land lange Noten, in denen sie ihre Ansprüche präzisieren und ihre Beziehungen zu Bulgarien   erläutern. Die Petersburger Konferenz schwebt noch in der Luft und eine Intervention der Großmächte ist noch nicht zu spüren. Immerhin werden Stimmen laut, die eine friedliche Lösung des Konflikts in Aussicht stellen. Die serbischen   Forderungen. Belgrad  , 23. Juni. Die Note, welche die Regierung vor einigen Tagen über eine Revision des Bündnisvertrages an die bulgarische Regierung gerichtet hat, enthält u. a. folgende Forderungen: Die neue Basis, auf welcher das Kondominium aufgeteilt werden müßte, muß durch ein Uebereinkommen aller Verbündeten festgestellt werden. Diese neue Basis müßte Serbien   einen Gebietszuwachs über den Teil des strittigen Gebietes hinaus, der ihm nach dem Vertrage sowieso zusteht, zusichern unter folgenden Gesichtspunkten: 1. einen Gebietsteil als Entschädigung für alle die Ver- tragspflichten, welche Bulgarien   hätte erfüllen sollen, aber nicht erfüllt hat; 2. einen Gebietsteil als Entschädigung für alle Opfer, die Serbien   für Bulgarien   übernommen hat, ohne durch den Vertrag dazu verpflichtet zu sein: 3. einen Gebietsteil als Entschädigung für'das Gebiet, welches Bulgarien   im Osten mehr erhalten hat; 4. �inen Gebietsteil als Entschädigung für das ihm ver- tragsmäßig unstreitig zustehende Gebiet im Westen und das Küstengebiet am Adriatischen Meer  , das Serbien   verloren hat. Hinrichtung der Mörder deS Großwesirs. Konstantinopel  , 23. Juni. Die Hinrichtungen der zwölf wegen des Mordes an Mahmud Schewket Pascha Verurteilten fandeu heute früh um 4 Uhr auf dem Bajazidplatze vor dem Kriegsministerium, nicht weit von dem Orte deS Attentats statt. Starke Truppenspaliere umgaben die Galgen. Alle Verurteilten benahmen sich sehr kalt- blutig. Die Leichen blieben einige Stunden hängen. Die Massen- Hinrichtung macht großes Aufsehen; ein zahlreiches Publikum be- wegte sich auf dem Platze. Polizei, Gendarmen und Truppen erhalten die Ordnung austecht. Konstantinopel  , 24. Juni. Außer den bereits gestern Hingerich- teten zwölf Angellagten sind noch elf in«ontunaaoiam zum Tode verurteilt worden, darunter Sabah Eddin, Scherif Pascha, Reschid Bey, Kemal Midhat, Oberstleutnant Zeki, Pertew Tewfik und der ehemalige Deputierte JSmael. fraubreich. Der Kampf gegen die dreijährige Dienstzeit. PapiS, 24. Juni. Kammer. Augagneur fuhr heute fort, sein Gegenprojekt zu erklären. Er empfahl, dem aktiven Militärdienste die Feuerwehrmannschaften wieder zuzuführen. Alle diejenigen, die jetzt als Handwerker, Sekretäre des-Generalstabs usw. festgelegt seien, sollten durch Zivilisten ersetzt werden. Durch diese Beschäftigung seien augenblicklich 92 000 Mann dem aktiven Militärdienst entzogen. Augagneur glaubt, die Durchführung der dreijährigen Dienstzeit würde soviel Geld kosten, daß eS nachher unmöglich sein würde, etwas für die Aufbesserung der Offiziers- und Unteroffiziersgehälter zu tun.(Beifall auf der äußersten Linken und bei einem Teile der Linken.) Zum Schlüsse der Vormittagssitzung brachte JaureS   einen Beschlußantrag ein. daß der Heeresausschuß am Donnerstag einen Bericht über die richtige Ziffer der Mannschaftsvcrmehrung er- statten möge, welche durch das Gesetz über die dreijährige Dienst- zeit erzielt werde. Jaures   bemerkte in der Begründung seines Beschlußantrages, daß nach den Ziffern des Generalstabs diese Vermehrung 143 000 Mann betrage. Der Regierungskommissar General Legrand versuchte, die Behauptung Jaures  ' zu entkräften, gab jedoch zu, daß der General   st ab einen Rechenfehler begangen habe.(Bewegung.) Der Obmann des HeereSaus- schusseS Le Herrisse stimmte sodann dem JaureSschen Beschluß- antrag zu. Die Debatte über die Militärvorlage wird erst morgen nachmittag wieder aufgenommen werden. In den Wandelgängen wurde der von Jaures erzielte Erfolg lebhaft besprochen. Tie Nutznießer der nationalistischen Reaktion. Paris  , 23. Juni.  (Eig. Ber.) Die Kammer betreibt noch immer, in den wenigen freien Stunden, die ihr der anspruchs- volle Militarismus freiläßt, den famosenSchutz der Laien- schule" und ab und zu legitimiert ein Mitglied der von einer kompakten Rechtsmchrhoit gehaltenen Regierung durch irgendein aufrechtes antiklerikales Sprüchlein die rcpublika- nische Firma des Ministeriums und die gehorsamen Abstim- mungen ihrer radikalen Hilfstruppe. Unterdes macht die von den Modeströmungeu der Politik, Philosophie und Literatur getragene Organisationsarbeit der Klerikalen große Fort- schritte. Dem gewaltigen klerikalen Demonstrations- zug zu Ehren der Jungfrau von Orleans   ist gestern ein Schau- turnen der Turnsektion der katholischen Patronagen der Pa- riser Diözese gefolgt, bei dem 4500 junge Leute mitwirkten, die unter dem Kommando von Geistlichen heranmarschiert kamen. Der Erzbischof Ainette eröffnete das Fest mit einer Messe und hielt zum Schluß eine patriotische Ansprache. Die EntWickelung der klerikalen Turnerei in Frankreich   ist sehr bemerkenswert. 1898 gab es 600 Turner, heute etwa 150 000 in 43 Verbänden und 1452 Vereinen. Die republikanischen Staatsmänner" aber deklamieren� ihre Hymnen über Kraft und Segen der weltlichen Demokratie weiter. Wie heißt es doch im Gedicht Detlef v. Liliencrons:Hans Töfel liest oben Gedichte." Belgien  . Ein Votum für das gewerkschaftliche Recht der Arbeiter. Unser Brüsseler Korrespondent schreibt uns unterm 18. Juni: Das gestrige Votum der Kammer in der Angelegenheit der ausgesperrten Wagenbauer darf die Arbeiter mit voller Genugtuung erfüllen. In zwei Sitzungen beschäftigte sich die Kammer mit der sozialistischen   Interpellation über die unerhörte Vergewaltigung deS gewerkschaftlichen Rechts durch die Karosseriefabrikanten, die 1400 Arbeiter auf die Straße warfen, weil diese zu ihrer Organisation hielten und sich nicht zu willenlosen Maschinen erniedrigen lassen wollten. Die Regierung hatte durch den Mund des Arbeits- und Justizministers, der einmal den christlichen Demokraten gemimt hatte, offen Partei für die Unternehmer ergriffen und sich zum willigen Anwalt aller Unternehmerargumente gemacht, wonach die Organisation nicht nur die Profitinteressen der Fabrikanten geschädigt, sondern diese auch zu förmlichen Knechten der Gewerk- schaft gemacht habe. DaS Plädoyer war sehr rührend und sehr pathetisch, dennoch fanden selbst politische Freunde deS Arbeitsministers, daß hier ein unerhörter Gewaltakt gegen die gewerkschaftliche Freiheit der Arbeiter borlag, und sie brachten den Mut auf, für daS Recht der Angestellten und gegen die Regierung und die Unternehmer aufzutreten. Die Haltung der Liberalen war, wie gewöhnlich in Arbeiterfragen, wo es für sie anderes als abstrakte Kulturgüter zu verteidigen gilt, schäbig. Der größte Teil hielt sich bei der Abstimmung zu den Reaktionären von der Rechten. Der Schlachtrufer im Kampf gegen den Klerikalismus, H h m a n S, motivierte seine Stimmenthaltung damit, daß die Kammer sich nicht zum Richter in Konflikten zwischen Arbeitern und Unternehmern machen dürfe. Als ob es sich bei dem Votum um ein Urteil über den Konflikt an sich gehandelt hätte! Die Tagesordnung, die von Vandervelde   und dem Klerikalen Gobi   et vorgelegt wurde, besagt einfach, daß das Vorgehen der Karosserie- fabrikanten, ihren Arbeitern die Teilnahme an ihrer Gewerkschaft zu verbieten, ungerechtfertigt ist. Die Abstimmung über die Tagesordnung Woeste Uebergang zur Tagesordnung wurde mit 73 gegen 64 Stimmen und drei Enthaltungen verworfen. Die Tagesordnung Vandervelde  « Gablet vereinigte 79 Stimmen gegen 47 und 25 Enthaltungen. Die Annahme wurde von den Sozialisten mit demonstrativem Beifall aufgenommen. Der Arbeitsminister war nicht zu sehen, überhaupt die ganze Minister« bank leer. Australien  . Tie neue Regierung. Melbourne  , 24. Juni. Der liberale Führer Cook hat das neue Ministerium gebildet. Cook übernimmt den Vorsitz und das Ministerium deS Innern. LrttzU rfoehricbtcn« Einberufung der serbischen   Skupschtina. Belgrad  » 24. Juni.  (P. C.) Die Skupschtina ist für Don- n e r S t a g einberufen worden. Ministerpräsident P a s i t s ch hofft, bis dahin sein Kabinett neu gebildet zu haben Eine offiziöse Erklärung Serbiens  . Belgrad  , 24. Juni.  (W. T. B.) Die offiziös«.Samouprava' stellt fest,'daß seit einiger Zeit gewisse Gerüchte ausländischen Ursprungs in der serbischen   und ausländischen Bevölkerung im Umlauf sind über angebliche Konzessionen, die Serbien Bulgarien machen müsse, besonders eine aus Sofia   stammende Meldunig, der- zufolge der russische Gesandte Nekludoff'dem König Ferdinand Mit- teilung gemacht habe, daß Serbien   entschlossen scheine, den Ver- trag anzuerkennen und einen Schiedsspruch auf der Grundlage des Vertrages anzunehmen. Serbien   hält seine in der dritten an Bulgarien   gerichteten Note entwickelte Ansicht aufrecht, daß die Ministerpräsidenten der Verbündeten in Petersburg   zusammen- kommen müßten, um zu versuchen, eine direkte Verständi» gung zu erzielen und im Falle des Nichtgelingens einen Schiedsspruch auf breite st er Grundlage über alle strittigen auf daS Condominium sich beziehenden Fragen aazu- rufen, ohne die Lebensinteressen Serbiens   zu berühren. Bulgarische Rache. Sofia  , 24. Juni.  (P. C.) Drei verkleidete serbische Spwne wurden bei.Juschewo von einer bulgarischen Patrouille aufgegrif- fem Die Verhafteten gestanden ein, im Dienste des serbischen  Hauptquartiers zu stehen. Ein Kriegsgericht verurteilte die Spione zum Tode. Das Urteil ist heute vollstreckt worden, Folgenschwere Fahrlässigkeik. Uebungsplatz Ohrdruf, 24. Juni.  (W. T. B.) Gestern ex- p l o d i e r t e n in einer Baracke des Schießplatzes Ohrdruf beim Wäschetrocknen in einem Ofen mehrere Platzpatronen, die von einem vorher übenden Truppenteil zurückgelassen und in den Ofen geworfen worden waren. Sechs Mann des ersten Kur- hessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 11 wurden verletzt, darunter drei schwer. Verheerender Brand. Prae, 24. Juni.  (P. C.) In dem Städtchen Politschka   brach heute mittag eine Feuersbrunst aus, die rasch um sich griff und im ganzen 18 Wohnhäuser mit sämtlichem Zubehör einäscherte. Un- gefähr 50 Familien sind ohne Obdach. Der angerichtete Schaden ist schr bedeutend.