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Konjunktur. Bei der Arbeitslosenfrage werde in der Frage, wie zu helfen sei, individuell vorgegangen werden müssen. Redner schließt mit einem hoffnungsvollen Ausblick für die künftige Zeit. Link geht ausführlich auf die sozialpolitischen Ver h ä l t n i s sc ein und gibt aus seinen vielen Erfahrungen eine Fülle von Anregungen und Winken. In der Diskussion bemängelt Werner lTransportarbeiters die Abfassung des Kassen berichts. Die Aufstellung des Kassenberichts müsse in Zukunft wieder so erfolgen, wie es früher immer war, daß man jederzeit daraus ersehen könne, wieviel jede Gewerkschaft als Beitrag zu den Kommissionen und zum Maifonds beigesteuert hat. Mehr Funktio- näre zur Jugendpflege abzugeben als bisher, wäre den einzelnen Organisationen kaum möglich. In der Kritik über die Abfassung des Berichts ist Körsten mit Werner einverstanden, es liege dies an derVorwärts"- Druckerei, die den Bericht im kommenden Jahre wieder wie früher herstellen werde. Die Frage der Vormundschaft und der Jugendpflege wird von der organisierten Arbeiterschaft in vollem Umfange gelöst werden. Die Neuwahl des Ausschusses der Gewerkschaftskommission hatte die einstimmige Wahl folgender Genossen zur Folge: Baum- garten, Cohen, Mietz, Kunze, Maß, Bruns, Schuld, Schultze, UtheS. Als Revisoren wurden wiedergewählt: K w a S n i ck und Leopold, neugewählt Schmidt. Achte Gelleralversammlullg des Verbandes der Denffchen D a n z i g, den 22. Juni. Der heutigen Schlußtagung lagen noch zwei wichtige Punkte lZur Erledigung vor: die der Beschwerden und die Entgegennahme des Berichts der Kommisston zur Bearbeitung der Anträge des gesamten Unterstützungswesens. Tie erstere Materie, rein persön- licher Natur, nahm die Gesamtdauer der Vormittagssitzung in Anspruch, so daß für den wichtigsten Punkt der Tagesordnung, die Erledigung der Anträge zum Unterstützungswesen, nur noch die Nachmittagssitzung übrig blieb. Es wurden deshalb schon Stimmen laut, die der Befürchtung Ausdruck gaben, daß der Berbandstag auch den Montag noch werde in Anspruch nehmen müssen. Doch die Sache kam anders. Der Kommissionsberichterstatter FuhS- Mannheim appellierte gleich bei der Einleitung seines Berichts dafür, daß der Verbandstag die Vorschläge der Kommission ohne Debatte annehmen möge, da sie auf einem Kompromiß beruhten, das nach langen Auseinandersetzungen und nach Erwägung aller in Betracht kommenden Umstände zustande gekommen sei und ein Ein- tritt in die Beratung von Einzelwünschen unter Umständen den ganzen Ausbau gefährden könnte. Die Kommission habe im Rahmen der bestehenden Beiträge eine Umarbeitung der Unterstiitzungseinrichtungeu in dem Sinne vorgenommen, daß ein gerechterer Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben sei, wobei man bis an die Grenze des Möglichen gegangen sei. Die Kommission habe aber auch auf dem prinzipiellen Standpunkt gestanden, daß jede weitere Erhöhung der Unterstützungen ausgeschlossen bleiben und der Aus- bau innerhalb der Organisation mehr dem gewerkschaftlichen Charakter Rechnung tragen müsse:Wir wollen gute Ge- werkschaftler uno nicht bloße Kassenmenschen s e i n", bemerkte der Berichterstatter. Aus diesen Gründen mußten alle Anträge, die eine Erhöhung des Krankengeldes, der Sterbe- Unterstützungen usw. forderten, abgelehnt werden. Der Referent ging dann zur Motivierung der einzelnen Positionen über, wobei er betonte, daß die Kommission sich von dem Grundsatz« habe leiten lassen, daß bezüglich der Kranken- und Reiseunterstützung neben einem gerechteren Ausgleich auch ein« größere Einheitlichkeit not. wendig sei. ES wird deshalb sowohl für den Bezug des Kranken- geldeS wie für die Reiseunterstützung eine zehnwochentliche Bci- tragsleishing in Vorschlag gebracht. Bisher bestand für den Bezug der Reiseunterstützung eine sechswöchentlich« Karenzzeit und für den Bezug des Krankengeldes eine solche von 13 Wochen. Die Einheitlichkeit ist hier somit auf der Grundlag« erfolgt, daß zu- gunsten der Erkrankten Abstriche an der Bezugs zeit für Reiseunter- stützung gemacht sind. AuS denselben Gründen schlägt die. Kom- misston eine 26wdchentliche Karenz sowohl für die Ausgesteuerten wie für die Wiedereintretenden und für die wieder arbeitsfähig werdenden Invaliden vor. Die Wunsche bezüglich der OrtSnnterstützung sind sehr viel- fertig und gehen außerordentlich weit auseinander. Die Kommis- sion hat sich mit dieser Position den Vorschlägen deS Verbands- Vorstandes angeschlossen und empfiehlt folgende Sätze: Bei Beitrogsleistungen 1,25 M. bis zu 10 Wochen-- 70 Tagen 0 150, 1,75,, 20,=110. , 500, 1,75,,, 30,-=210, , 750, 1,75,,, 40,=280, , 1000, 2,-... 40.=280, Der Gauzuschuß in Höhe von 50 Pf. täglich bleibt für die Gegenseitigkeit maßgebend. Ortszuschüsse irgend welcher Art be- dürfen der Genehmigung des Verbandsvorstandes. Di« Reise- Unterstützung von 1 M. pro Tag soll nach mindestens 75 Bei- tragswochen auf 1,50 M. erhöht und für 175 Tage gezahlt werden und nach einer Beitragsleistung von 250 Wochen in der alten Höhe von 280 Tagen bestehen bleiben. Neben diesen Hauptpunkten sieht die Vorlage noch eine ganze Anzahl von Bestimmungen vor, die sich teilweise auf die Einzelvegulierung der verschiedensten Posi­tionen, teilweise als Sicherheitsbestimmungen gegen böswillige Aus- Nutzung der Unterstützungseinrichtungen anzusehen sind. Erwähnt sein mag noch, daß die Ge maßregelten Unterstützung von 2 M. auf 2,50 M. hinausgesetzt und daß für den Bezug der Invaliden Unterstützung die Karenzzeit auf 450 Wochen. beitragszeit bezw. auf 700 Beitragswochen verlängert worden ist. Die Jnvalidenunterstützung, die 1 M. beträgt, soll für die älteren Verbandskollegen mit einer Beitragsleistung von 750 bezw. 1000 Wochen über die Karenz hinaus, 1,25 bezw. 1,50 M. betragen. Der Berichterstatter bittet am Schlüsse seiner Darlegungen nochmals um einstimmige Annahme der Vorschläge und hat die Genugtuung, daß die Generalversammlung unter leohasten. Beifalls- bezeugungen die Vorschläge debattelos akzeptiert, nachdem Faber. Berlin der Kommission für ihre gründliche Arbeit Dank gesagt und darauf hingewiesen hat, daß in der jetzigen Lage daS geboten wurde, was zu bieten möglich war und daß insbesondere der gewerk- schastliche Charakter der Organisation in den Vordergrund gestellt wurde. Die neuen Unterstützungseinrichtungen treten mit dem 1. Januar 1914 in Kraft. Es finden nun noch einige wahrend der Tagung zurückgestellte Anträge ihre Erledigung. Bezüglich der Stellung des Verbandes zurBolksfürforge" erklärt Döblin , daß er in der Aussprache mit den Vorsitzenden der übrigen Verbände und der Verwaltung deS Unternehmens wie auch in der Aussprache mit der General- kommission bindende Versprechungen für die Organisation nicht übernommen habe. Es stehe daher den Mitgliedern frei, für ihre Person irgendwelche Funktionen für die Volksfürsorge zu über- nehmen oder nicht. Für selbstverständlich halte er eS. daß die Kollegen dort für dieVolksfürsorge" Propaganda machten, wo sich ihnen entsprechende Gelegenheit dazu biete. Döblin gibt nun noch ein Resümee von den Verhandlungen, don Graßmann wird die stattliche Zahl von BegrüßungS. telegrammen verlesen, der französische Delegierte Lortihoy. Paris und der ungarische Delegierte Rothen stein- Budapest halten Ansprachen, zwischen dem Verbandsvorstande und der ört- lichen Kommission werden gegenseitge Dankesbezeugungen auSge- tauscht und dann wird her VerbandStag geschlossen. Em Induftrie und Findel. Warenhäuser und Effektengeschäft. Daß sich große Warenhäuser mit der Besorgung bankmännischer Geschäfte befassen, ist nichts Neues. Wir haben in Deutschland ver- schieden« Warenhäuser mit eigenen Bankabteilungen oder mit Depositenkassen von Großbanken. An sich ist hiergegen auch nicht viel einzuwenden. Der Spekulationstrieb wird im ganzen Lande schon durch die zahllosen Depositenkassen großer und kleiner Banken kräftig angeregt und gefördert. Es kommt also auf eine derartige Einrichtung mehr oder weniger nicht an. Ziemlich bedenklich er- scheint jedoch eine Neuerung, die das Warenhaus G i m.b e l Bros in New Nork eingeführt. Wie derConfectionair" mitteilt, offeriert diese Firma ihren Kunden für 100 000 Dollar der neue» 4l/zprozentigen New Forker Anleihe. Die Stücke werden zum Kurse von 100.125 angeboten, d. h. etwas billiger als der offizielle Börsenkurs. Ein solches Vorgehen eröffnet ungeahnte Perspektiven. Wie wäre eS in Deutschland mit.AuSnahmetagen für preußische Konsols'I Oder.Re st Partien dreipro- zentiger Reichsanleihen'I Die Finanzgenies der ameri- kanische» Warenhäuser rechnen nicht mit der Kundschaft der Milliardäre. Sie begnügen sich mit»den kleineren Kapitalisten ohne große Er- fahrung". Diese können schon Stücke zu 10 Dollar laufen und hier- durch zu Börsenspielern werden. Man muß nämlich berücksichtigen, daß in England und in Amerika Börsenpapiere zu wesentlich niedrigeren Nominalbeträgen ausgegeben werden dürfen, als in Deutschland . Wenn aber Anteile zu 20 oder 40 M. ins große Publikum gebracht werden, dann bedeutet dies ganz entschieden eine geradezu unheimliche Er- Weiterung deS Marktgebietes der Börsenpapiere. Dann ist den Beutezügen der Großspekulanten, denen in Amerika auch ein großer Teil der Handelspresse zu allen denkbaren Zwecken ur Verfugung steht, Tür und Tor geöffnet. Jede Beunruhigung >cS MaxkteS muß an denEffektenlagern" der Warenhäuser nette Szenen zur Folge haben. Gimbel BroS. haben in vorsichtiger Weise mit dem billigeren Verlauf von Stadtanleihen den Anfang gemacht. Dieser Geschäftszweig wird aber bald ausgedehnt werden. Es ivird wohl nicht mehr lange dauern, bis Gimbel Bros, alle Arten von Effekten um Bruchteile von Prozenten unter dem Marktpreise verkaufen. Be« sonders in den Papieren, die zum offiziellen Börsenhandel nicht zu- gelassen sind, ließe sich manches gute Geschäft machen. Angeblich hat das New Dorker Publikum auf diese Erweiterung der Warenhaus- artikel sofort.sehr lebhaft reagiert". Sehr viele kleinere Spe- kulanten und Kapitalisten in und um New Dork haben von der günstigen Gelegenheit Gebrauch gemacht. In Deutschland wird dieses Beispiel so bald noch keine Nachahmung finden können, da hier nur relativ hohe Einheiten gehandelt werden können. Die deutschen Warenhäuser werden eS also nach wie vor den Depositen- lassen der Banken und den Animierbankiers überlassen müssen, daS Verständnis für das Börsenspiel in weitere Kreise zu tragen. Die deutsche Eisen- und Stahlausfuhr gewährt auch im Monat Mai noch ein recht beftiedigendes Bild. Sie betrügt: 1912 1918 1912 1013 Tonnen Tonnen Mark Mark Januar.. 4S31V4 499 913 81 854 000 103 048 000 Februar. 479 694 501 754 94 948 000 105 289 000 März.. 469 040 602 928 100 233 000 126 542 000 April.. 497 991 567150 93 356 000 113 294000 Mai... 486 647 550 617 91 580 000 109 862 000 Seit Jahresbeginn 1913 berechnet sich nunmehr die gesamte deutsche Eisen- und Stahlausfuhr auf 558 035 000 M. gegen 463 297 000 M. in der vorjährigen Parallelzeit, so daß also daS Mehr in fünf Monaten bereits annähernd 100 Millionen Mark beträgt._ Soziales« Schmiergelder. Heber einen typischen Bestechungsversuch verhandelte gestern daS Schöffengericht Dortmund infolge eines Strafantrags des Ver- eins gegen das Bestechungsunwesen, Sitz Berlin . Die Vertreter zweier Maschinenfabriken in Düsseldorf und Borbeck , die als Spe- zialität Bäckereimaschinen herstellen, konkurrierten um die Lieferung einer Knetmaschine an eine Bäckerei in Herne . Der Vertreter der Düsseldorfer Fabrik versuchte seinen Konkurrenten dadurch zu schlagen, daß er dem Erstgesellen de? Bäckermeisters einen Hundert- markschein als Schmiergeld anbot. DaS Gericht verurteilte den Ver- treter zu fünfzig Mark Geldstrafe oder ersatzweise zu zehn Tagen Gefängnis. Am 20. Juni hatte die Strafkammer Köln auf An- trag des Vereins gegen das Bestechungsunwesen zwei Kaufleute wegen Bestechung zu je fünfhundert Mark Geldstrafe verurteilt. Der EiscnbahnfiSkuS als Lebensvcrnichter. Fast täglich ereignen sich schwere Unglücksfälle an Bahnüber» gängen. Der sparsame FiskuS hält eben an dem völlig veralteten System fest, daß auch Schnellzüge Strecken passieren rönnen, die nicht einmal eine Schranke haben, um das Publikum zu schützen. Der FiskuS zahlt den Hinterbliebenen seiner Opfer eine Rente, wenn er gar nicht anders kann oder läßt es auf einen langwierigen Prozeß ankommen. Unberücksichtigt bleibt die dringende For» derung nach Abhilfe durch Errichtung von Schranken für jeden Straßenübergang oder einer Unterführung des Bahndammes. Solche wichtige Aenderungen kosten eben Geld, welches ja jetzt für nötigere" Ausgaben verwendet werden muß. Der eben erschienene Bericht der Brauerei- und Mälzerei- Berufsgcnossenschaft meldet, daß anEisenbahnübergängen allein bei unserer Genossenschaft regelmäßig fast alle zwei bis drei Monate ein Fuhrwerk überfahren und der Birrführer und sein Mitfahrer chwer verletzt oder zumeist sogar getötet wird". Die Berufsgenossenschaft hat kein Wort des Tadels gegen den sparsamen Fiskus, sondern registriert nur und warnt die Biersuhrer., Etwas deutlicher wird der Bericht nur später bei Punkt: Pro- zeffe. Hier werden einige Fälle wie folgt gemeldet: In den im vorjährigen Bericht erwähnten Prozessen gegen den EisenbahnfiskuS wegen deS Unfalls deS BierfahrerS Kalka und des BierfahrerS Anton haben die Oberlandesgerichte Breslau und Königsberg zu unseren Gunsten entschieden. Während jedoch das Urteil in der Sache Anton rechtskräftig geworden ist, hat daS Reichsgericht auf Berufung des EisenbahnfiskuS das oberlandeS- ?erichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Ver- andlung an das Oberlandesgericht Breslau verwiesen, weil dieses die örtlichen Verhältnisse nicht richtig berücksichtigt habe. Die chließliche Entscheidung steht also hier noch auS." Recht bezeichnend ist nachfolgende Schilderung: ..Vor dem Oberlandesgericht Naumburg schwebt noch unser Prozeß gegen die Eisenbahndirektion Erfurt wegen deS tödlichen Unfalls des Chauffeurs Boens, der an einem Eisenbahnübergang in der Nähe von Mühlhausen i. Thür, mit seinem Lastautomobil vom Eisenbahnzuge erfaßt und nebst dem ihn begleitenden Mit- ährer getötet wurde. Während uns unsere Aufwendungen für die Hinterbliebenen deS Mitfahrers Emmerich von der Eisenbahn- Verwaltung ersetzt worden sind, bestreitet diese ihre Ersatzpslicht hinsichtlich des Chauffeurs Boens, weil derselbe den Unfall selbst verschuldet habe. Nach den Feststellungen bei der Unfallunter- üchung, ebenso wie bei der gerichtlichen Beweisaufnahme, die von dem Prozeßgericht, dem Landgericht Erfurt , veranlaßt wurde, ist der Eisenbahnübergang nicht mit Schranken versehen und außer- ordentlich gefährlich, weil die Straße bis kurz vor dem Uebergang durch vorgebaute Häuser völlig unübersichtlich ist. Obwohl die? ogar von dem Bürgermeister des betreffenden Ortes ausdrücklich bestätigt wurde, und die Gemeinde bei der Eisenbahnverwaltung wegen der Anbringung von Schranken vorstellig geworden war, hat uns das Landgericht mit unserer Klage abgewiesen. Doch hoffen wir in der Berufungsinstanz eine günstigere Entscheidung zu er­wirken." Der Eisenbahnfiskus wußte, daß diese Mängel vorhanden waren, wurde sogar von der Gemeindeverwaltung um Abhilfe er- sucht und trotzdem blieb alles beim alten. Jetzt hat die fiskalische Sparsamkeit am unrechten Orte wieder zwei Opfer gefordert, und trotzdem wird die nötige Schranke noch nicht angebracht sein, ob- schon der Zustand nach amtlichem Bericht.außerordentlich gefähr- lieh" sei. Das Landgericht, welches sich im vorliegenden Falle auf feiten des Fiskus gestellt hat, wird jedenfalls eineprinzipielle" Ent- scheidung der höheren Stelle erst abwarten wollen. Der Bericht meldet in einem weiteren Falle: Gegen die Eisenbahndirektion Bromberg mußte die Klage an- hängig gemacht werden wegen Ersatz unserer Aufwendungen auS dem Unfall des Bierfahrers Mich. Paluch, der nachts an einem weder mit Schranken noch durch Beleuchtung gesicherten Eisen- bahnübergang mit seinem Fuhrwerk getötet wurde. Es kommt hier wieder die für uns so wichtige Frage in Betracht, wieweit die Eisenbahnverwaltung für Anbringung solcher Sicherheitsmatzregeln an Eisenbahnübergängen verpflichtet ist. Denn gerade derartige Unfälle sind außerordentlich häusig.(Vgl. das darüber im vor- jährigen Bericht an dieser Stelle Gesagte.)" Im Sonderbericht der technischen Aussichtsbeamten der Berufs- genossenschaft werden noch zwei weitere Fälle erwähnt: Ein Lastautomobil, welches im Begriff war, einen Eisenbahn- gang zu kreuzen, wurde von einem Eisenbahnzuge angefahren, wobei der auf dem Anhängewagen fitzende Mitfahrer getötet wurde. Hier handelt es sich wieder einmal um einen schrankenlosen Bahn- Ubergang. Ein gegen den Chauffeur eingeleitetes Strafverfahren endete mit dem Freispruch des Chauffeurs." Eine teilweise unübersichtliche Bahnstrecke, zwischen zwei staatlichen Zechenschächten, wird von einer Chaussee gekreuzt, ohne daß an der Kreuzung Wegschranken vorhanden sind. Der Führer eines Brauerei-Motorlastzuges hatte eines Tages von seinem ver- deckten Führersitz aus, welcher von der Heeresverwaltung vorge- schrieben ist, und welcher seitlich ein Fenster hat, einen sich nähern- den Zechenlastzug, bestehend aus Lokomotive, Pack- und Sand- wagen, nicht bemerkt, da ihm außerdem die Aussicht noch durch einen Wald behindert war und das Läutewerk der Lokomotive durch daS Geräusch des Lastzuges übertönt wurde, wie später die durch die Staatsanwaltschaft vorgenommenen Versuche an der Unfall- stelle ergaben. Der Brauerei-Motorlastzug wurde infolgedessen von dem Zechenzug erfaßt, wobei sämtliche drei den Brauereilastzug begleitende Chauffeure tödlich verunglückten// Wie lange will der Fiskus noch mit Sicherheitsvorrichtungen warten? Damit ist es doch nicht getan, daß man die Schuld cm dem Unfall womöglich auf den unbesonnenen Kutscher lenkt und diesen dafür verantwortlich macht, die arme Familie ohne Hilfe läßt oder im günstigsten Falle die Hinterbliebenenrente auszahlt und dann jahrelangen Prozeß mit der Behörde um den Ersatz der Aufwen- düngen führt. Menschenleben müssen geschützt werde«, Familien- Väter ihren Kindern erhalten bleiben. Das ist mehr wert, als einige Millionen Mehrüberschnß aus dem Betriebe dermelkenden Kuh", Eisenbahnbetrieb genannt. Hier sollte das Reich eingreifen, dem nach Arttkel 4 und 43 der Verfassung das Recht und die Pflicht zusteht, die nötigen Sicher­heitsmaßnahmen zu schaffen._ Einatmen von giftige» Gasen als Betriebsunfall. Der BegriffUnfall" setzt voraus, daß das schädigende Ereig- niS plötzlich, das heißt in einem verhältnißmätzig kurzen Zeitraum eingetreten ist. Ein Versicherter war nun während einer drei- stündigen Arbeitsschicht in einem alten Sielschachte üblen Aus- dünftungen ausgesetzt, die sich au« dem alten durchtränkten Mauer- werk und Erdreich entwickelten. Diese Einatmung der Gase führte zu einer Lähmung de» Herzens und hatte nach 4 Tage» den Tod zur Folge. Das Reichsversicherungsamt nahm einen Betriebsunfall als vorliegend an. In der Entscheidung heißt es: Die Dünste oder Sielgase enthalten Teile giftigen Schwefel- Wasserstoffes und führen öfter zu Erkrankungen der Sielarbeiter; sie haben auch bei dem Maurer P., der bisher keine Sielarbeit ver- richtet hatte, schon in der ersten Arbeitsschicht blasses Aussehen, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Durchfall, Reizung zum Schweißaus- bruch hervorgerufen und haben bei der schon bestehenden Vergrößc- rung und Verfettung des Herzen» ungünstiger als es sonst bei völlig gesunden Menschen geschieht, eingewirkt. Hiernach ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß P. während seiner ersten dreistündigen Arbeitsschicht und eine solche ist ein dem Erfordernisse der Plötzlichkeit noch genügender. Verhältnis- mäßig kurzer Zeitraum die schädlichen Sielgase eingeatmet und diese Einatmung zu einer Lähmung des Herzens and zum Tode geführt hat. Bei solcher Sachlage ist aber die Annahme eines ur- sächlichen Zusammenhangs zwischen dem Tode und dem Einatmen der Gase infolge der Betriebstättgkeit gerechtfertigt." Geschlechtskrankheiten und BevölkerungSprobleu». Die deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrank. Helten hielt am Sonnabend in Berlin ihr« Jahresversammlung ab. Ueber das erste Thema der TagesordnungGcschlccbtskrank- heilen und Bcvölkerungsprvblcm" führte Dr. Julian Marcus« (München ) aus, daß die neuzeitlich« Entwicklung des Wirtscbafts- und Gesellschaftslebens entsprechend der Wertung des Einzclindi- viduums eine relattve Autonomie hat erstehen lassen, die ihren Aus- druck nicht nur in der Stellung des modernen Menschen in Gesetz- gebung, Recht und Sitte findet, sondern auch vor allem in der Um- Wertung innerer Ziel- und Strcberichtungen im Sinne einer Per- sönlichkeits- und damit Wollen und Handeln bestimmenden Kultur zu erblicken ist. Charakterisiert ist das Dasein derVölw: der Ge- genwart durch die Ansammlung der Menschen in rasch wachsende» Gemeinwesen und durch die Bindung und Kniipfuug des Einzelnen an den Begriff der Arbeit, beide Erscheinungen herbeigeführt durch die wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen der letzten Jahr- zehnte. Damit und die Denk, und Lcbensgewohnheiten der Bevöl- kerung von grundaus umgeformt worden, ihr charakteristisches Haupdnerkwal.M die Einsetzung der vollen Persönlichkeit behus» Behauptung wirtschaftlicher Position und weiterhin das Streben nach sozialer Geltung und Anerkennung. Mit diesen beiden ökono- mischen Erwägungen""d Denkvorgängen ist die Sorge für Auf- ziehung, Zukunft und Wohlergehen der Nachkommenschaft aufs Engste verknüpft. D,e hinzutretenden objektiven Schwierigkeiten der Lebensführung und DaseinSverhälttvisse lösen den Gedanken der Selbsthilfe auS und führen allmählich zur bewußten Klein- Haltung der Familiiu Je mehr Schichten der Gesellschaft mit ihrem ganzen Wohl und Wehe in das moderne Erwerbsleben einbezogen werden und nicht nur dessen Vorteile, sondern auch dessen Nachteile am eigenen Körper zu spüren beginn»», desto weitere Kreise werden aus ihrem alten Denken aufgerüttelt und rationalistischen Erwa« gungen anheimgegeben. Auf diese Weise erklärt sich die konstante Erscheinung der mehr und mehr sinkenden G-burtszifftr der Kul- turvölker. Neben dieser gewollten und durch die verändert« Stellung de» Individuums, insbesondere der Frau innerhalb der Gesellschaft bedingten Beschränkung der Geburtenzahl spielen im Lebensprozeß der Rasse als Ausjätemomente Kindersterblichkeit und Geschlechts» krankheiten eine bedeutende Rolle. Die erstere im Sinn einer Aus- schaltung von bereits zur Entwickelung gelangten organischen Lebe- Wesen, die letzteren im Sinn einer Fruchtbarkeit unk» Keimbildung zerstörenden Wirkung. Wähvend nun zwischen Ruckgang der ehe- lichen Fruchtbarkeit und Säuglingssterblichkeit innere Zusammen- hänge derart bestehen, daß der erstere auf die Sterblichkeitsqnot« einen bestimmenden Einfluß und zwar in der Richtung erhöhter Lebenserhaltung der Säuglinge aufweist, besteht die verhängnisvolle Wirkung der Geschlechtskrankheiten ohne irgendwelchen rvffedien.