Nr. 167.
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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Morikplak, Nr. 1983.
Freitag, den 4. Juli 1913.
Die Kämpfe auf dem Balkan.erlichen Klassen in den drei Staaten zugrunde,
Noch ist der Krieg zwischen den Verbündeten von gestern nicht erklärt, aber die blutigen Kämpfe, über deren Ausgang die Nachrichten sich völlig widersprechen, dauern fort, und Rumänien hat den Befehl zur völligen Mobilisie rung erteilt, um sich neuen Raub zu sichern. Die Hoffnung, daß doch noch im letzten Moment durch das Eingreifen der Tripleentente und namentlich Rußlands der Friede wieder hergestellt würde, ist auf ein Minimum gesunken, und der neue Balkankrieg scheint kaum noch aufzuhalten. Ueber die Gründe, die dem Konflikt zugrunde liegen,
Schreibt uns unser Korrespondent aus Belgrad :
Am Balkan ist die Lage bitter ernst. In allen Lagern herrscht eine verbrecherische Entschlossenheit, die eigenen Interessen um jeden Preis durchzusezen. Käme es zum Kriege, dann hätten wir das Furchtbarste und Schredlichste, was die Weltgeschichte bisher kannte. Zehntausende von Toten bedecken jetzt schon den Boden des Balkans, fast doppelt so viel beträgt die Zahl derjenigen, die sich als Krüppel herumschleppen. Im Lande herrscht der Hunger, und jezt soll es noch zu Schlachten kommen, an denen 800 000 mit modernsten Waffen ausgerüstete Menschen beteiligt sind, wo man von Pirot in Serbien bis Saloniki kämpfen wird. Gegenüber diesem Kriege würde der mit der Türkei in den Hintergrund treten.
Worum handelt es sich bei dieser furchtbaren Bölferbernichtung? Nicht um die Interessen der Völker, sondern um die der Dynastien, der Militärs und der Bourgeoisie, kurz um bornierte Klasseninteressen.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritplak, Nr. 1984.
Ein serbischer Kampfbericht.
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flikt neben den Machtinteressen der konkurrierenden Dynastien Reserven wird mobilisiert und wird eine Operationsund Militaristen der Interessengegensat der bür armee formieren. 2. Die Mobilisierung wird nach den Vorschriften des Reglements der Armeemobilisierung durchgeführt Die neue schwere Arise ist zugleich die stärkste Recht- werden. 3. Zur Auffüllung der Kriegsstärken werden die fertigung für den Standpunkt der Sozialdemokratie in der Balkanfrage. Denn all die Fragen, die jetzt das notwendigen Linienkontingente und Milizkontingente einbe Schwert entscheiden soll, hatte die Sozialdemokratie voraus- rufen. Die derzeit überflüssigen Kontingente werden nach gesehen und den Weg zur friedlichen Lösung gewiesen. Wie und nach dem Bedarf entsprechend einberufen. 4. Die Ordre kann Serbien ans Aegäische Meer gelangen? Durch einen de bataille wird die sein, welche durch den tatsächlichen MobiliSollbund mit Griechenland ! Wie fönnte es einen Zugang fierungsplan vorgesehen ist. 5. Unser Kriegsminister ist mit zum Adriatischen Meer gewinnen? Durch einen Zollbund der Ausführung dieses Dekrets beauftragt. mit Albanien ! Wie kann Griechenland Saloniki wirtschaftlich zu einem machtvollen Hafen ausgestalten? Durch einen Zollbund mit Serbien ! Wie könnte Bulgarien nach Saloniki Belgrad, 3. Juli. Das amtliche Preßbureau veröffentgelangen und es sich ersparen, einen neuen fostspieligen und licht folgende Einzelheiten über den zweiten Kampftag, den wirtschaftlich minderwertigen Hafen am Aegäischen Meer 1. Juli: Die fiebente bulgarische Division, die 24 Bataillone anzulegen? Durch einen Zollbund mit Griechenland . Eine und etwa 70 Geschütze stark war, floh in wilder Unordnung 30llunion des Balkans, die auch Rumänien und und wurde über das linke Ufer des Flusses letovo zurüddie Türkei umfaßte, brächte mit sich die Lösung aller wirt geworfen. Die serbischen Truppen verfolgten die Fliehenden fchaftlichen Konflikte, die Befriedigung aller Wünsche, die und zwangen fie, eine große Anzahl von Toten und Verwun freie Bahn für eine große und schnelle ökonomische Entwick deten zurückzulassen. Als die Bulgaren begannen, sich wieder festzuseßen, ging die serbische Infanterie und später lung, den freien Weg nach Europa und Asien ! Die von der Sozialdemokratie geforderte de mofra ihre Kavallerie mit einer solchen Schneidigkeit vor, daß der tische Vereinigung der Völker hätte diesen so die Rückzug der Bulgaren zu einer regellosen Flucht wurde. Die beften Entwickelungsmöglichkeiten geschaffen. Aber die Bour- Bulgaren ließen ihre gesamten Batterien sowie Maschinengeoisie und die Dynastien wollten diesen Weg nicht gehen. Sie gewehre im Stich und warfen Gewehre, Munition und Gepäck trachteten nach der Unterwerfung der anderen, nach der Allein- fort. Mit vereinten Kräften nahmen die serbische Kavallerie herrschaft, und ihre Selbstsucht verbarg sich hinter den na- und Infanterie eine vollständige Schnellfeuergeschüßbatterie tionalistischen und chauvinistischen Schlagworten. Wenn heute von vier Kanonen und 11 Proßen mit den Bespannungen, die Waffen wieder klirren, so nicht im Interesse der Balkan - Bedienungsmannschaften und Offizieren weg. Außerdem erbölker, sondern im Dienste der selbstsüchtigen Räuber in den beuteten die Serben neun Schnellfeuergeschütze, dreizehn drei Staaten, die die Länder und die Völker ausplündern Brozen, sieben Gebirgsschnellfeuergeschüße und eine ganze wollen, die mit der Kultur und mit der Zukunft der Mil- Maschinengewehrabteilung von vier Stück mit ihren Bespannungen, ihrer Ausrüstung und einer großen Anzahl von lionen ihr frebles Spiel treiben. Hätten wir nicht die Herrschaft einer unbeschränkten mili- Gewehren und Munition. Gefangen wurden genommen der tärischen Oligarchie, könnten die Völker in demokratischer Kommandant des 13. bulgarischen Infanterieregiments, das Selbstbestimmung frei beschließen, dann wäre der Krieg vollständig zersprengt wurde, zehn Offiziere und an tausend zwischen den Balkanvölkern unmöglich. Der Kampf gegen Unteroffiziere und Soldaten. Die Verluste der Bulgaren die heutigen Herrscher, gegen die Könige, Generäle, Finanz- find sehr bedeutend. Nach ihren auf dem Schlachtfeld zurückleute und Fabrikanten, die die Ministerstellen besetzen, dieser gelaffenen Toten und Verwundeten dürfte fie eiwa 800 Tote Kampf ist der einzige, der im Interesse der Balkanvölker zu und 1800 Verwundete betragen. Die serbischen Verluste sind, führen ist. Demokratische Republik und wirt.obgleich hoch, weniger beträchtlich als die der Bulgaren . Der ichaftliche Einheit, das ist heute, sowie während dieser blutigste Kampf spielte sich auf dem rechten serbischen Flügel ganzen Krise, der Ruf der Sozialdemokratie der Balkanländer. ab, wo nach einer fürchterlichen Niederlage der Bulgaren die Serben 19 bulgarische Offiziere, 191 Unteroffiziere und mehr Die rumänische Mobilisierung. als 1500 Soldaten gefangen nahmen.
Der Balkanbund war von Anfang an ein ganz loses politisches Gebilde, kein wirklicher Bund, sondern eine bloße Rooperation für den Krieg. Um gegen die Türkei ihre Pläne durchzusetzen, haben die vier christlichen Balkanstaaten den gleichzeitigen Angriff und die gegenseitige Unterstüßung verabredet. In dem Streit um die Beute tritt jezt die wahre Natur dieses Bündnisses" zutage. 1
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Ein Gedanke hat Serbien zum Kriege bestimmt, der Gedanke an den Zugang zum freien Meer. Für die herrschende Klasse handelte es sich nicht um die nationale Befreiung, das war bloß die Ideologie. Ihr wirkliches Biel war die wirtschaftliche Befreiung von Desterreich Ungarn . Aus der eisernen Umklammerung der Donaumonarchie den Weg ins Freie zu gewinnen, das war der wirkliche Zwed des Krieges, deshalb schloß sich Serbien Bulgarien und Griechenland an. Deshalb auch willigte es in jenen Vertrag, demzufolge das Herz des Balkans, Mazedonien , an Bulgarien fallen follte, um die bulgarische Unterstützung zu erlangen, falls Serbien von Desterreich angegriffen werde. So hoffte man sich den Weg an die Adria zu sichern und war gewillt, alles andere den Verbündeten zu überlassen.
Bukarest , 3. Juli, 2 Uhr 40 Min. nachmittags. Der König hat die allgemeine Mobilmachung der Armee angeordnet.
Wien , 3. Juli. Die Neue Freie Preffe" meldet aus Bukarest : Das Amtsblatt erschien heute um 26 Uhr nachmittags in einer Sonderausgabe mit einem föniglichen Detret, in welchem es heißt:
Entsprechend dem Vorschlage meines Kriegsministers ordne ich folgendes an: 1. Die attive Armee mit den
0 50 100
200
8954 Donau ÖSTER R UNGARN
Die bulgarische Hilfe war nicht nötig. Die serbischen Truppen offupierten etwa 50 Kilometer der adriatischen Küste. Da griff Desterreich ein, zwar nicht kriegerisch, aber diplomatisch. Serbien wurde an die Wand gedrückt, der neue albanische Staat geschaffen, Serbien mußte von der Adria zurückweichen, sein Zugang zum Meer führte wieder über fremdes Gebiet.
Jetzt machte die serbische Politik eine Wendung. Ronnte man nicht an die Adria , so mußte man versuchen, den Weg über Mazedonien nach Salo niki an das Aegäische Meer sich zu fichern. Dem stand der Vertrag mit Bulgarien im Wege. Doch was ist ein Vertrag? Das freie Meer wollte man haben, wozu wäre sonst der Krieg geführt worden. Und so erklärte Ser bien , daß es sich um den Vertrag nicht mehr fümmern wolle.
Das Kriegsglück hatte es der ser bischen Armee ermöglicht, tief in Maze donien einzudringen, Monastir zu nehmen und sich in der Nähe von Saloniki mit den Griechen zu vereinigen, die den größten Teil von Südmazedonien besetzt hatten. Beide Staaten verständigten sich gegen Bulgarien . Bleibt Griechenland in Saloniki , so wird diese Stadt zu dem ersehnten freien serbischen Hafen. Deshalb sollten Serbien und Griechenland unmittelbar aneinander grenzen und verhindert werden, daß Bulgarien sich dazwischen schiebt. Dann fönnte eine Bollunion mit Griechenland Serbien den Zugang zum Meer schaffen. Dagegen hätte die Ausführung des Bündnisvertrages Serbien in wirtschaftliche Abhängigkeit von Bulgarien gebracht und Saloniti seines Hinterlandes beraubt.
BOSNEN
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Bulgarische Division Serbische Griechische
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Berat o Valona
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Vode Vodena
Horica Kastoria
Salonikis
Verria
Monastir
Jenidze
Kavala
Orfani
Die bulgarische Darstellung.
Sofia , 3. Juli. Die Agence Bulgare ist ermächtigt, alle Belgrader Meldungen von Siegen über die bulgarische Armee entschieden zu dementieren. Nach den ersten serbischen Herausforderungen ergriffen die bulgarischen Truppen, nachdem sie die serbischen Angriffe zurückgewiesen hatten, die Offenfive, beseßten bei der Verfolgung der Serben einige Ortschaften auf dem rechten Ufer des Slatanowska. Die Bul garen stellten hierauf gemäß dem vorgestern vormittag um 10 Uhr erteilten Befehle das Feuer ein und zogen sich in ihre früheren Stellungen auf dem linken Ufer des Slatanowska zurück. Zu den Serben wurden Parlamentäre gesandt, um die Einstellung des Feuers zu fordern. Die Serben hielten jedoch die Parlamentäre zurück und ergriffen die allgemeine Offensive mit allen Truppen. Das ist jene Offensive, die in den Meldungen als Verfolgung der Bulgaren bezeichnet wird. Gestern nachmittag griff die ganze serbische Armee von neuem an, wurde jedoch unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Auch die Meldung, den bulgarischen Truppen sei eine Kriegsproflamation verlesen worden, ist reine Erfindung.
Der griechische Vormarsch.
Die
Saloniki , 8. Juli. ( Meldung der Agence d'Athènes.) griechische Armee kam gestern auf ihrem siegreichen Marsche vor Stillitsch an. Am Nachmittag hatten die Bulgaren gewaltige Verteidigungswerte errichtet und sie rechneten damit, bei Millitsch Widerstand zu leisten um das Vorwärtsdringen der griechischen Armee zu hemmen. Gegen abend wurde Kilkitsch im Sturm ge= nommen. Die Begeisterung der griechischen Truppen war unbeschreiblich. Sie wollten sich nach einem so denkwürdigen Tage. der wohlverdienten Ruhe nicht hingeben, sondern verlangten von ihren Führern, zu neuen Siegen geführt zu werden. Infolgedessen rüdte das Heer weiter gegen Norden vor. In diesem großen Kampfe hat das Bajonett die wichtigste Rolle gespielt. Die griechis schen Verluste sind erheblich, wenn sie auch im Vergleich mit denen der Bulgaren gering sind.
Die Ohnmacht der Großmächte.
London , 3. Juli. Die Time 3" schreiben: Man fagt, daß die Mächte dem Kampf auf dem Balkan ein Ende machen sollten. Aber niemand ist bereit, genau zu sagen, wie sie es anfangen sollen. Wenn die Ermahnung des Zaren erfolglos bleibt, so würde nichts übrig bleiben, als eine aftive Intervention. Aber eine aktive Intervention würde sicherlich in ihrem Gefolge größere Gefahren bringen, die zu vermeiden alle wünschen müssen. Das europäische Konzert hat nicht bersagt, denn es besteht noch und seine feste Aufrechterhaltung
So liegt dem gegenwärtigen Ston- Karte des serbisch bulgarischen Truppenaufmarsches. bedeutet viel mehr als seine Unfähigkeit, die lokalen Kämpfe