r Die auf die gänzliche Ausrottung der polnischen Sprache gerichteten Bestrebungen der deutschen Regierung reichen bis in das Jahr 138(1. Die Polen wußten indessen dergestalt ihren nationalen Charakter und ihre Stammeseigenarten hochzuhalten, daß die in ihrem Gebiete sich niederlassenden Deutschen nach ein oder zwei Generationen ihre nationalen Charaktermerkmale der- loren. sogar schließlich ihre Muttersprache vernachlässigten, um sich der polnischen Sprache zu bedienen; kurz sie assimilierten sich total der polnischen Bevölkerung. Als die deutsche Regierung diese Entioickelung bemerkte, ergriff sie Abwehrmaßregeln gegen die Assimilation ihrer in die polnischen Provinzen abwandernden Staatsangehörigen." Es wird dann die gewaltsame Germanisierung der polnischen Namen geschildert, die Versuche, durch einzelne Geistliche germanisierend einzuwirken, die Gegenmaßnahmen der Polen , insbesondere durch EntWickelung des Privatschulwesens und dann— mit einer Unparteilichkeit, die wir der„Deutschen Dages- zeitung" gar nicht zugetraut hätten— die nun einsetzende r i g o- rose Schulpolitik der deutschen Regierung charak- terisiert: „Die deutsche Regierung entschloß sich nun zu einem wuch- tigen Schlage gegen die polnische Sprache, indem sie für die un- teren Bevölkerungskreise ein besonderes Schulsystem einführte, das heute noch besteht. Die leitenden Persönlichkeiten der hier- süv maßgebenden Verwaltungsstellen bestanden natürlich aus- schließlich aus solchen Personen, die dem Polnischen äußerst feind- selig gegenüberstanden, weder die Sprache kannten, noch für die polnische Literatur Interesse hatten." Dann heißt es weiter: „Jetzt glaubte sich, die Regierung der Erreichung ihres Zieles sicher zu sein. Es erübrigt sich zu erwähnen, daß Las Polnische auf dem Lehrplan der neuen Schulen keinen Platz fand. Es gab nun viele Dörfer, wo alle schulpflichtigen Kinder von ihrer frühesten Jugend an nur die polnische Sprache gehört und infolge- dessen nur diese Sprache redeten und Verstandem Sie wurden jetzt gleich bei der Aufnahme in die Schule in einer Sprache unter- richtet, die ihnen gänzlich fremd war, und durch Lehrpersonen, die sich ausschließlich der deutschen Sprache bedienten. Die bedauernswerten Kleinen verfügten beim Be- ginn des Schulbesuches über einen immerhin reichlichen Wort- schätz aus dem täglichen Sprachgebrauche, der auf etwa 3<1!X> Worte geschätzt wird. Beim Abgang von der Schule war ihr Geist abgestumpft, ihre ehemalige natürliche Denk- weise hatten sie verloren und die prächtige Mutter- spräche war in Vergessenheit geraten. Statt dessen waren ihnen etwa ölXI deutsche Ausdrücke beige- bracht worden, die sie mangelhaft aussprachen und noch mangelhafter gebrauchten. Man wird es verständlich finden, daß es nicht selten geschah, daß die Kinder vergaßen, sich in einer deutschen Schule zu be- finden und sich im Unterricht unwillkürlich des Polnischen be- dienten. Hierfür war eine besonders empfindliche Bestrafung festgesetzt. Keine Gelegenheit wurde verabsäumt, um den Schülern ein, zuprägen, daß die polnische Sprache eine ordinäre und barbarische Sprache sei, während die Kenntnis der beut- sch en Sprache ein Zeichen höherer Bildung bedeute. Un- aufhörlich wurde gelehrt, daß die Polen bis zu dem Tage so- zusagen in Barbarei lebten, da die Deutschen ihnen Kultur brachten." Die„Deutsche Tageszeitung" findet— ganz, wie wir es immer pertreten haben— diese brutale Terrorisierung einer fremden Nationalität schändlich und meint: „Es drängt sich einem unwillkürlich die Frage auf: Erhoben sich denn im Laufeder Jahre Leine P ro test st i m m e n gegen einen solchen, die polnische Sprache in brutaler Weise unter- drückenden Schulunterricht? Gewiß hat es an Pro» .� testen nicht gefehlt, aber sie prallten wirkungslos an den Matz- nahmen der erwähnten Schulkommission ab, die mit eiserner Konsequenz das gesteckte Ziel verfolgte." Dennoch hat dies Vorgehen, wie die„Deutsche Tageszeitung" mit Befriedigung feststellt, die Verdrängung der polnischen Sprache nicht durchsetzen können; im Gegenteil, eine Gegenbewegung setzte schlietzlich ein, deren Erfolge unverkennbar sind:„In wenigen Jahren machte die Bewegung große Fortschritte,... s o d a tz man hoffen kann, daß sie nicht mehr einschlafen wird, bis die polnischen Gebiete wieder in jeder Beziehung zu ihrer Sprache und nationalen Eigenart zurückgekehrt sein werden."-- Es bereitet uns eine wirklich große Befriedigung, die Erkennt- niS in die Bedeutung und Schutzberechtigung der nationalen Eigen- art kleinerer Völkerstämme innerhalb des StaatSganzen auch von so konservativer Seite jetzt anerkannt zu sehen. Allerdings müssen wir nachträglich noch einen kleinen Irrtum richtigstellen, dem wir anheimgefallen sind. ES handelte sich in dem erwähnten Artikel der„Deutschen Tageszeitung" nicht um die polnische Sprache und ihre Unterdrückung durch die pr e u ß i sch e, �sondern um die irische Sprache und ihre Unterdrückung durch die englische Regierung. Aber diese Aeuherlichkeit ist ja sachlich ohne Belang. Die von der„Deutschen Tageszeitung" gemachten grundsätzlichen Darlegungen sind so schlagend, ihre moralische Entrüstung so ehr- lich, daß sie sie doch sicher nicht ins Gegenteil verkehren wird, wenn es sich statt um Iren um Polen handelt. Oder sollte auch hier der„Junker Alexander" zu den klagenden polnischen Bauern schlietzlich sagen: Ja, Bauer, das ist ganz was anderes I polltifchc GcberRcht Russische llnverschämtheite«. Nach den bekannten Vorgängen in Alexandrien , wo der Redakteur des russischen Seemannsorgans„Morjak", Gen. Adamo,witsch, auf Geheiß des russischen Konsuls Petrow auf der Straße verhastet und an Nußland ausge- liefert wurde, kommt nun die Meldung über einen ähnlichen Vorgang in Kairo , bei dem ein Berliner, der In- strukteur Ludwig von der hiesigen Setzmaschinenfabrik „Typograph", dem Ueberfall des russischen Konsuls zum Opfer fiel. In Abwesenheit Ludwigs drang der russische Konsul mit ägyptischen Polizisten in das Hotelzimmer des Deutschen ein, durchsuchte sein Gepäck, verschloß das Zimmer und nahm den Schlüssel mit sich. Bei der Durchsuchung, die natürlich in echt russischer Weise vor sich ging, richtete der Konsul einen Schaden von etwa 1000 M. an. Mau geht wohl mit der Annahme nicht fehl, daß der russische Konsul in dem Gepäck des deutschen Instrukteurs, der für die D�ptien Mail eine Setzmaschine aufstellen sollte, eine„geheime" re- volutionäre Druckerei vermutete, und deshalb, von dem Bei- spiel seines Alexandrier Kollegen angespornt, kurzerhand in das Zimmer des Deutschen einbrach. Er mag wohl auch auf den Beistand des deutschen Konsuls in Kairo gerechnet haben, nachdem der deutsche Konsul in Alexandrien bei der Verhaftung des Russen Adamowitsch eine so unrühmliche Rolle gespiest hatte. Mag nun der Ueberfall in Kairo auch nicht gegluckt sein, so macht er doch die Frage aktuell, ob die europäischen Regierungen den russischchi Konsuln in Aegypten einen Freibrief für die Einbürgerung russischer Zustände verliehen haben? Die„Kapitulationen" in Aegypten sichern den Europäern Schutz vor den Ueber- griffen der türkischen Behörden, aber in letzter Zeit bieten sie den russischen Behörden eine Handhabe nicht nur für die Beseitigung unbequemer russischer Emigranten und ihre Auslieferung an die russischen Henker, sie ermöglichen auch solche Vorgänge wie den Ueberfall auf den Deutschen Lud- wig in Kairo . Wir haben in den letzten Jahren schon die unglaublichsten Zustände in den russischen Botschaften und Konsulaten im Auslande kennen gelernt. Wir sahen die Berliner Spitzel-Exzellenz Harting-Landesen, die Pariser Spitzelzentrale in der russischen Botschaft in Paris , den früheren axent-provoLuteur Degajew als Sekretär des russischen Konsulats in New-Iork. Wir mußten den Zu- stand dulden, daß die russischen Agenten unter dem Schutz der Exterritorialität die schändlichsten Dinge verübten und ihre Umgebung korrumpierten. Nun aber, wo sie vor Ueber- fällen und Einbrüchen in die Wohnungen von Nichtrussen nicht zurückschrecken, müssen Mittel und Wege gefunden werden, um der Gemeingefährlichkeit der russi- schen Regierungsagenten im Auslande end- lich eine Schranke zu fetzen. Die Reichstagswahlen von ISIS nach Ortsgrösten- Klassen. Der 250. Band der Statistik des Deutschen Reichs enthält in mehreren Heften die vom Statistischen Amt des Reiches bearbeiteten Reichstagswahlen von 1912. Im ersten Heft werden tabellarisch die Wahlen von 1907 und 1912 nach den einzelnen Wahlkreisen und nach Staaten und Landesteilen dargelegt. Das zweite Heft bringt die bei der Reichstags- wähl 1912 abgegebenen Stimmen und das Verzeichnis der Abgeordneten, die Bcstanisteile der Wahlkreise und ihre Be- völkerung sowie eine schematische Katte der Wahlkreise. In dem soeben erschienenen dritten Heft werden die Reichstags- Wahlen von 1912 nach Ottsgrößen-Klassen wiedergegeben. Das 125 Seiten in Quartformat starke Heft nebst mehreren Karten kostet ebenso, wie die beiden ersten Hefte je 1 M.(zu beziehen von der Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft, Puttkammer u. Mühlbrecht, Berlin ). Nach dieser Statistik hatten bei der Reichstagswahl 1912 Sozialdemokratte und militärische Disziplin. Das Erfurter Bluturteil hat wieder einmal die Auf- merkfamkeit des Volkes auf die furchtbare Härte der Militärgerichte gelenkt. Wenn man von sozialdemokratischer Seite die Rechtlosig- keit des gemeinen Soldaten aufheben will; wenn man die barbarische Härte der Strafen zu mildern wünscht, von denen er bedroht ist, erschallt von der Gegenseite immer wieder doS Wort: Disziplin. Aus„Gründen der Disziplin" kann der gemeine Mann nicht mit schützenden Rechten umkleidet werden. Aus „Gründen der Disziplin" mutz die mittelalterliche Härte der Strafen bestehen bleiben. Aus„G runden der Dis- z i p l i n" können nicht einmal die entsetzlichen Soldatenmitzhand- langen radikal ausgerottet werden. Die Disziplin ist die barbarische Gottheit, der alles Menschliche zum Opfer gebracht wird. Fragen wir uns demgegenüber in aller Ruhe: Was soll durch die Disziplin erreicht werden? Es soll erreicht werden, daß die Truppe vor dem Feind den Schrecken des Krieges standhält und sich gut schlägt. Dieser Geist einer aufopfernden Tapferkeit aber wird nie- mals durch barbarische Rechtlosigkeit und durch brutale Strafen erreicht. Die feudale Fuchtel verliert im Ernstfall ihre Macht. Ver- glichen mit den Schrecken des modernen Krieges sinken alle Schrecken der Disziplin zu Nichtigkeiten herab. Die Furcht versagt als Quelle der Disziplin. Der gute Geist einer Truppe vor dem Feind fließt einzig und allein aus der inneren Politik. Nur wenn die Liebe zu einem freien Vaterlande den einzelnen durchpulst, wird er die Furchtbarkeiten des Krieges auf sich nehmen. Wer das gemeinsame Vaterland wohnlich einrichtet; wer bestrebt ist, es zu einer Stätte der Freiheit und des Glücks zu machen; wer seine Politik so ein- richtet, daß das Volk mit seinem Vaterland verwachsen kann, der schafft die Disziplin der Truppe, die im Krieg einzig und allein standhält. In diesem Sinne hat keine Partei so kräftig an der Möglichkeit eines verteidigungsfrohen VolksheereS gearbeitet, wie die Sozial- demokratie. Und niemand hat so gründlich alle Quellen der Disziplin verschüttet wie die Junker. Wenn es wirklich um die Disziplin der Truppen vor dem Feind ginge: die Anträge der Sozialdemokraten auf Schaffung eines freien VolksheereS müßten Gehör finden. Die Unmöglichkeit, den Soldaten mit einer barbarischen Fuchtel in den Kampf zu treiben, würde jedem in die Augen springen. Nun handelt es sich aber bei den feudalen Herrschaften gar nicht um die Disziplin der Truppen vor dem Feinnd. die vielmehr gerade von ihrer Politik vernichtet wird; es handelt sich bei ihnen lediglich um die Disziplin der Truppen vor dem inneren Feind. Wenn der Soldat gezwungen werden soll, auf seine Bäter und Brüder zu schießen, mutz ihm zuvor allerdings jedes Gefühl des eigenen Rechtes genommen worden und die Furcht vor barbarischen Strafen mutz ihn zu der widernatürlichen Handlung treiben. Weil der preuhisch-deutsche Feudalismus das Volksheer der allgemeinen Wehrpflicht in ein Heer gegen das Volk umgefälscht hat, darf an dem heutigen System der sogenannten Disziplin nicht gerüttelt werden. An diesen Tatbestand wollen wir immer wieder erinnern, wenn sie uns mit den Gründen der Disziplin zu kommen belieben. Die nationale Sicherheit wird in diesem Falle von der Sozialdemokratie vertreten, während es den Junkern lediglich um die Sicherung ihrer landeSschädlichen feudalen E e- waltherrschaft zu tun ist. Nun hat aber glücklicherweise die Fälschung des VolksheereS am Volksheer selber seine Grenzen. Ein Heer, das vom Volke selber gebildet wird, wird sich auf die Dauer niemals zu einem Instrument der Volksunterdrückung machen lassen. Je mehr die Köpfe des Volkes revolutioniert werden, um so mehr wer- den eS auch die Köpfe der Soldaten, die aus dem Volk hervorgegangen sinv. Heimatschutz in den deutsche« Kolonien. Unter dieser Ueberschrist findet sich in der soeben erschienenen Nummer des„Kunstwarts" ein interessanter Artikel von Eli- sabeth Kramer-Bannow, in dem nachgewiesen wird, wie die reiche Ursprünglichkeit der Eingeborenen in unseren deutschen Südsee- Kolonien von allerhand banalem Kulturkram vernichtet wird. Aus„sittlichen" Gründen werden ihnen europäische Kleidungs- stücke umgehängt, in denen sie lächerlich wirken; ihre kunstvollen Bauten werden durch schauerliche Wellblechhäuser verdrängt usw. usw. Man kann der Dame, die die Dinge aus eigener Anschauung genau kennt, ihr ästhetisches Bedauern sehr wohl nachfühlen, man wird aber doch etwas befremdet, wenn sie schlietzlich folgende For- derung an unsere Regierung richtet: Die Völker gehen unter durch das rücksichtslose Hineintragen unserer ihnen fremden Kultur und Unkultur. Möchte da die Regierung feste Normen finden, die allen Beamten als Nicht- schnür dienen, damit nicht jeder Neukommende die Matznahmen seines Vorgängers umstoßen kann!� Der Regierungs- beamte soll lernen, seine Schutzbefohlenen zu ver st ehe n, sieunter st ützen in ihren alten Rechten und Sitten, wo diese gut sind, ja diese selbst mit leisem Nach- druck verteidigen gegen unberechtigte Eingriffe von anderer Seite. Die Mission aber möchte ihre höchste und schönste Aufgabe darin finden, in aller Stille und Geduld die Gesinnung des reinen Christentums in den von Dämonenglauben aller Art geplagten Seelen ihrer Pfleglinge zu verbreiten und etwa vorhandene Roheiten gegen Tier und Mensch zu bekämpfen, nicht aber die äußeren Kennzeichen unserer christlichen Kultur ihnen aufprägen." Elisabeth Kramer-Bannow hat offenbar so lange auf den beut- schen Südseeinseln gelebt, daß sie jede Fühlung mit dem gegen- wältigen Deutschen Reiche verloren hat. Was sie hier für die Südseeinsulaner fordert, ist vorläufig noch in Deutschland selber ein unerreichbares Ideal. Weder den Polen , noch den Dänen, noch den E l s a tz- Lothringern werden ihre„alten Rechte und Sitten" gelassen. Man begnügt sich nicht einmal damit, diese„alten Rechte und Sitten" auszurotten, man nimmt den unterworfenen Völkern darüber hinaus auch noch die angeborene Sprache und begeht so die schlimmste seelische Vergewaltigung, die sich überhaupt denken lätzt. Was nun gar die Missionen und Kirchen angeht, sollte die Verfasserin im Grunde wissen, daß ihnen viel mehr an den äußeren Zeichen deS Christentums, als an der„Gesinnung des reinen Christentums" gelegen ist. Wenn diese vortreff- lichen Christen sogar den Massenmord deS modernen Krieges segnen, dürfte es nicht viel Zweck haben, ihnen mit der „Gesinnung des reinen Christentums" und mit einem Kampf gegen Roheiten zu kommen. So anregend darum der Artikel auch ist, so sehr werden wir uns zunächst bemühen müssen, in Deutschland selber ein- zuführen, was hier in schöner Naivität für die Südsee ins»- lauer gefordert wird. Ein Dokument des zweierlei Rechts kü Preußen. Die Bevormundung der Heloten, die Preußen bevölkern, geht bekanntlich so weit, daß Amtsvorsteher und Landrat ihnen genau vorschreiben können, wie oft sie sich öffentlich belustigen dürfen. Dieses Vormundschaftsrecht preuhlscher Amtsvorsteher hat in Wolmirstedt (Prov. Sachsen ) ein Dokument zutage gefördert, das wieder einmal schwarz auf weiß doS zweierlei Recht für die „staatSgefährlichen" und die„königStreuen" Preußen feststellt. AlS der Arbeiterradfahrerverein Meinleben Anfang dieses Jahres um die Genehmigung eines Vergnügens nachsuchte, besann sich der zuständige Amtsvorsteher auf sein preußisches Vormundschaftsrecht und schickte dem Vereinsvorstand einen Ukas, in dem es hieß: ... Die Polizeibehörde ist nicht nur berechtigt, vielmehr verpflichtet, nur eine bestimmte Anzahl von Tanznusiken in ihrem Bezirke zuzulassen; sie muß die Verteilung derselben in der Weise vornehmen, daß diejenigen Veranstalter in erster Reihe berücksichtigt werden, welche die meisten Garantien für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bieten, sie mutz das örtliche Bedürfnis in Betracht ziehen und würdigen. (gez.) v. Helldorf. Diese öffentliche Proklamierung des Vorrechts der„Staats- erhaltenden", die dem Verfassungsparagraphen„Alle Preußen find vor dem Gesetze gleich", direkt inS Gesicht schlägt, ,st nun nicht etwa eine amtSvorsteherliche Willkür, nein, sie ist von den„vorgeordneten Behörden" ausdrücklich bestätigt. Der L a n d r a t zu Kölleda erklärte:„er halte die vom Herrn Amtsvorsteher dargelegten Gründe der Versagung für zu- treffen d". Und auch der weiterhin angerufene Regie- rungSpräsident in Merseburg unterstreicht die offene Benachteiligung und Unterdrückung der Arbeitervereine, indem er jetzt mitteilt:„Nach Prüfung des Sachverhalts habe ich gegen die Entscheidung nichts zu erinnern!!" „Bei uns in Ostelbien machen wir das so."— Und daß die so verkündete Unterdrückung der Arbeitervereine auch praktisch durch- geführt wird, beweist die Tatsache, daß der Amtsvorsteher v. Hell- dorf durch Verfügung vom 27. Juni auch das für den 13. Juli ge- plante Sommerfest des ArbeiterradfahrervereinS wiederum ver- boten hat, weil„mit Rücksicht auf die bereits abgehaltenen und noch abzuhaltenden öffentlichen Lustbarkeiten ein Bedürfnis nicht aner- kannt werden kann". Eine treffende Illustration dazu ist eS, daß dem bürgerlichen Radlerverein für den 6. Juli und dem K r i e g« r v e r« i n für den IS. Juli Sommerfeste genehmigt wnr- den, denn diese Vereine gehören zu denen,„die die meisten Ga- rantien für die Aufr chterhaltung der öffent- lichen Ordnung bieten"; veranstalten sie Vergnügen, so sind öffentliche Arbeitervereinsvergnügen überhaupt aus der Welt geschafft. Und das soll ja durch das zweierlei Recht auch nur erreicht werden._ Gefährdung militärdienstlicher Interessen. Die„Oeffentlichkeit " des Militärgerichtsversahrens wird wieder einmal treffend illustriert durch die Art und Weise, wie das Dresdener Kriegsgericht die Straffache gegen einen Offizier behandelte. Wegen Beleidigung und schweren Ungehorsams,' begangen während der Ausübung des Dienstes, war der Leutnant Beyer. Erzieher beim Kadettenkorps in Dresden , angeklagt. Ohne daß von irgend- einer Seite ein Antrag gestellt wurde, regte der VerhandlungS- führer noch vor Verlesung der Anklageverfügung Ausschluß der Oeffentlichkeit an. Das Gericht beschloß darauf auch sofort, die Oeffentlichkeit wegen angeblicher Gefährdung militärdienstlicher Interessen für die ganz« Dauer der Verhandlung auszuschließen! Die Oeffentlichkeit. die nur aus Vertretern der Presse bestand, mutzte also den Saal räumen. Und dabei bestand die Gefährdung mllitär-
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