D eville, Eudes, Lafargue u. In. eine gesetzlicheAgitation der Arbeitslosen versuchten, lieg die Polizei die Anarchistengegen sie los— unter Führung des berüchtigten M a r t i n e t. einesgemeinen Ganners und Diebes, der neulich an dem„Bankelt derFeder"(der Schriftsteller) theilnahm, auf dem sich auch Zola undandere Pariser literarische Berühmtheiten befanden. Die Volks-Versammlungen waren förmliche Schlachten, in denen die Polizei-spitzel, Zuhälter und rückfällige Verbrecher, angeworben von demAnarchisten Marlinct, die Arbeitslosen zu Boden schlugen undmit Messern bearbeiteten. In die Redaktionszimmer des„Citoyen" und später des„Cri du Peuple" brachen die An-archisten mit Geivalt ein, und die Redakteure konnten nur miteinem Revolver in der Tasche und in Begleitung von Freundenausgehen.In Bordeaux Roubaix, Marseille und überall,'wo derSozialismus erschien, setzte die Polizei ihm den Anarchismusentgegen. Alle sozialistischen Versammlungenivurden gestört und endigten mit Faust kämpfen.Anarchisten wurden mobil gemacht, um densozialistischen Rednern von Stadt zu Stadtzu folgen. Lafargue begegnete auf einer seiner Agitations-Reisen in Lyon, Romans, Viemie, Marseille, Cette und Mon-pellier denselben Anarchisten; in Marseille feuerten sie miteinem Revolver auf G u e s d e; in Paris griffen sieR o u a n n e t und seine Freunde m i t M e s s e r n an, und alsman znr Polizei schickte, erklärte sie, e s g e h e sie nichtsan, wenn ein sozialistischer Gemeiuderathtodtge schlagen würde.Die Bourgeoispresse unter st ätzte die Po-lizei in der Propaganda für den Anarchismus.Vor einigen Jähren gab ein anarchistisches Blatt in London,„Die Internationale", unter der Ueberschrifl:.Galavorstellung",die nöthigen Anweisungen, um die Oper in dieLust zu sprengen. Das Blatt wurde an der Grenze be-schlagnahmt; aber der„Figaro" beeilte sich, dieAnweisungen abzudrucken, und die Zeichnungder Sprengbonibe zu geben, mit genauer Be-schreibung der Stoffe, mit denen sie zu füllenwar. Der„Temps", der„Gaulois". der„Jour", kurz alleBourgeois-Zeitungen erzählen mit Behagen inallen Einzelheilen die Handlungen und Thaten ihrer Freunde, derAnarchisten. Sie rühmen sie als logische, ehrliche, konsequente,jeden Kompromiß verachtende Menschen, während die SozialistenSchwindler und Charlatane sind, blos darauf bedacht, sich einepolitische Stellung und einträgliche Stellen zu verschaffen. MehrereBourgeoiszeitungcn nehme» Anarchisten in ihre Redaktion,damil diese auf die Sozialisien schimpfen, wie z. B. G s g o n t,der aus die internationalen Kongresse von Brüssel und Zürich ge-schickt ward, um Streitigkeiten hervorzurufen, unddieKongrcffe durchgefälschte Berichte lächerlich zu machen. Die Anarchie istunter den Bonrgeois-Journalisten in der Mode.Sie ziliren ehrfurchtsvoll die Worte des Prinzen Krapolkin undgreisen das allgemeine Wahlrecht in Artikeln an, welche die„Rc-volle" und andere anarchistische Blätter mit Wonne nachdrucken.Ein solcher Bourgeoisliterat äußerte sich wie folgt über dasKamnier-Attcntat:„W as liegt an den Opfern, wenndieThat eine gute ist? Was liegt andem Todgeni einer Heer den menschen, wenn dadurch dasIndividuum zur Geltung kommt?"„Was liegt an dem Verbrechen und an den Opfern der Anar-chisten, wenn die Reaktion zur Geltung kommt und entfesseltwird!"— rufen die Kapitalisten—„wenn die Reaktion nur denSozialismus zerschmettert(öcrass)— den verhaßten Feind!" Da manden Sozialismus auch nicht mit Hilfe der Anarchie besiegen konnte,so muß er mit ihr zusammen geworfen, demselben Abscheu,derselben Verdammniß überliefert werden.„Die Achtung vorder Gesetzlichkeit zerstören," ruft der„Temps" aus,„das heißtallen verbrecherischen Phantasieen die Thore öffnen—— dersozialistische Samen muß die anarchistische Raserei zur Fruchthaben; der Sozialismus ist durch eine unerbittliche Logik an denAnarchismus gekettet". Und Herr Jonnart, der Minister deröffentlichen Arbeiten, steigt auf die Rednerbühne der Kammerund liest Artikel aus sozialistischen Zeitungen vor, um zu be-weisen, daß sie die Plünderimg, den Mord und das Dynamitanrathen.„Sie fälschen den Text! Sie lügen!" schleudern diesozialistischen Abgeordneten ihm in's Gesicht. Und unter demZischen der ganzen Linken muß Herr Jonnart eingestehen, daßer den Text— verändert hat. Den Tag darauf schickt unserFreund D e v i l l e, den er genannt hat, ihm seine Zeugen,Jourde und Duc-Quercy, mit der Aufforderung, ihm entwederaus der Rednerbühne oder mit den Waffen Genugthnung zugeben. Jonnart verweigert beides, aber er entschuldigt sich undbehauptet, er sei durch ein Mißverständniß zu dein Jrrthum ver-leitet worden. Das genügt Deville nicht, der in einem von allenResten dieses Tisches einige Kalfaktoren. Die Schreiberspeisen an einem separaten Tisch, und dem Küchenpersonalewird es Niemand arg verdenken, ivenn es dafür Sorge trägt,nicht„hinten abzufallen". Der Herr Inspektor der Koloniemit scii'er engeren und weiteren Familie, Mägden, Kinder-srau hat jedenfalls nicht nötyig,„schlecht" zu speisen,und da auch fromme Leute, alten Herkommens gemäß,einen„guten" Tisch lieben, so hat der Herr Pastor resp.Kandidat, welcher auf der Kolonie wohnt, keinen Grund, vonder Regel eine Ausnahme zu machen. Lieber Besuch hatselbstverständlich Anspruch auf Gastfreundschaft.— Daß dieGenannten mehr oder weniger über einen„kräftigen Tisch"verfügen, ist eine Sache, welche außerhalb des Bereichesdieser Betrachtungen liegt, aber andererseits kann doch nichtin Abrede gestellt werden, daß eine grausige Portion Un-vcrfrorenheit dazu gehört, die Summen, welche für die gc-schilderten Genüsse ausgegeben werden, ans Titel„Er-nährung des Kolonisten" abzuwälzen. Mit andern Worten:von den 46,84 Pf. pro 1891 resp. S4,8 Pf. pro 1892,welche auf den Kopf des Kolonisten ausgeworfen sind,müssen auch die Kosten für den Tisch des HerrnPastor, Inspektor nnt Familie, den Brüdern, Auf-sehern. Schreiben!, Kalfaktoren, Knechten, Mägden, Hand-werkern ec. gedeckt werden.*) Was nun von den 46,84 resp.54,8 Pf. als Restsnmme verblieben ist, dafür wird die Be-köstigung des Kolonisten bestritten, und zwar entsetzlicheKost hergestellt, die kein Hunger erträglich machenkann. Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daßder Teckelhund eines Aufsehers zu einer Mahlzeit mehrFleisch und Brühe bekommt, als der Kolonist die ganzeWoche. Und wieviel kostet nun die Tageskost eiues Ko-lo nisten.Ohne erst ein Speise-Journal nachzuschlagen, sagenKolonisten, welche Rickling, Seyda und Berlin mit-gemacht haben, übereinstimmend: da in der Arbeiter-kolonre zu Berlin die Tageskost 32 Pfennig kostet, so kostetdie in Seyda 27 Pf. und die in Richling 22 Pf. Stattder 11i9 Gramm Fettheile, die nach eingehender Beobachtungvon Männern der Wissenschaft dem menschlichen Körper zu-geführt werden müssen, um ihn intakt zu erhalten, gicbt dieKolonie Bichling pro Mann und Tag 60 Gramm(Schmalz) aus.Kein Wunder, daß der unglückliche Kolonist, wenn er, was') Wir müssen es dahingestellt sein lassen, ob die Rechnungunseres Gewährsmannes stimmt. Die Red. d.„Vorwärts".Zeitungen veröffentlichten Briefe den Minister für einen„Fälscher"und„Trops" erklärt(faussaire et dröle1).Tie Monarchisten und Katholiken benutzen das Attentatals Agitationsmittel gegen die Schulgesetze, den Laien-Unterricht und die Revolution von 17S9— das seien die„Eltern der Anarchie".„Ihr werft dem Anarchismus vor,—sagen sie— daß er auf alle Bourgeois ohne Unterschied los-schlägt, weil es für ihn unter den Bourgeois keinen Unschuldigengiebt. Aber hat der„große Carnot", der Großvater unseresPräsidenten der Republik, zur Zeit als er Mitglied des Wohl-fahrtsausschusses war, nicht die Männer und Frauen des Adelsohne Unterschied auf die Guillotine geschickt, und erklärt: es giebtkeine Unschuldigen unter den Aristokraten!"?Jetzt, wo man sich von der Attentats-?lufregung etwas zuerholen beginnt, fragt man schon, wie es kommt, daß Vaillant,der nicht arbeitete, immer Geld in der Taschehatte, zwei Wohnungen besaß, und die zwei Miethenregelmäßig bezahlte. War er ein Lockspitzel, der einmal ohneBefehl auf eigene Faust handelte?Auch die russische Gesandtschaft wollte aus der Explosionim Palais Bourbon Profit ziehen. Der„Gaulois", das notorischan die Russen verkaufte Blatt, dem sie in der Person ihres wohl-bekannten Agenten Herrn von Cyon einen Lenker gegebenhaben, schlägt am 11. Dezember den Zusammentritt eines euro-päischen Kongresses vor, zu dem Zweck, einSyndikat der Vertheidigung(einen Schutzbund)unter dem Vorsitz des Czaren zu organisiren,„der. weil am weitesten vom Sitze des Uebels�) entfernt, amsreiesten und unbefangensten die Verhandlungen zu leiten imstände sei". Das„Journal von St. Petersburg" beeilt sich zuantworten:„Da die anarchistische Gefahr eine internationale ist,so muß sie auch mit internationalen Mitteln bekämpftwerden."Das Ministerium Kasimir Perier thäte indeß wohl daran,sich nicht allzu sehr auf seine Majorität zu verlassen: die Furcht,welche sie geschaffen hat, wird nicht ewig dauern,—„es ist einStrohfeuer", sagte schon der„Figaro". In jedem Fall sind esdie Sozialisten, die aus der Lage den meisten Vortheil ziehen,und schließlich die Frucht ernten werden. So lange dieanarchistischen Attentate nur gegen Bildsäulen, steinerne Kreuzeund Sozialisten gerichtet waren, ließ man die Polizei ruhig ge-währen, aber nun, da die schwachen Gehirne, die durch dieanarchistische Propaganda aus dem Gleichgewicht gekommen sind,die Magistrate, die Deputirten. die Regierung angreifen, wird dieRegierung sich gezwungen sehen, der Polizei zu befehlen, daß sieihre Lockspitzel abschafft, und sie auch nicht niehr gegen die So-zialisten losläßt. Des Polizei- Anarchismus ent-ledigt, wird der Sozialismus frei undelementar! r ästig wachsen und sich ausbreiten.Gallus.Vor der Sataftroplze.''(Aus Italien.)Ich schrieb Ihnen in meinem letzten Berichte, es herrscheallgemein das Gefühl, daß wir vor einem Chaos stehen. In-zwischen sind Ereignisse, sich überstürzend, eingetreten, welcheden Ausspruch bewahrheiten: vor einem Chaos oder vor einerKatastrophe. C r i s p i ist zur Herrschaft berufen: aber er suchtnoch immer ein Ministerium. Die wichtigste» Stellen: Krieg,Marine, Aenßeres, Unterricht sind bis zu diesem Augenblick nochnicht besetzt; Eines weiß man aus seinen Aeußerungen.Die radikale Linke hatte eine jährliche Ersparniß vonhundert Millionen Franken gefordert; seine Antwortdarauf ist: Nicht nur keine Ersparniß, sonderndie Forderung von sechzig Millionen neuer Auflagen undSteuern. Dies Wort— se non ä vero, 6 ben trovato4)—hat sich wie ein Blitz verbreitet und an verschiedenen Stellen>) ärdls(drohl) entspricht ungefähr dem„dummen Jungen"der deutschen Universitäten— es ist ein Schimpf, der das Duellnach sich ziehen soll.2) In Rußland hat„Väterchen" allerdings keine„Anarchisten"— seine Polizei hat sie bloß im und für's Ausland gezüchtet.Dafür hat er ober Nihilisten, die ihm die Hölle so heißmachen, daß er nicht wagt, aus dem Hause zu gehen. Er sollsich erst selbst Helsen und dafür sorgen, daß sein Hausarrest aus-gehoben ivird. N. d.„V.".3) Ter Artikel lief ein vor der Konstituirung des MinisteriumsCrispi. Raummangel hinderte uns, denselben vorher zu ver-öffentlichen. Wir glauben, daß er auch jetzt unsere Leser inler-essiren wird.4)„Wenn nicht wahr, doch gut erfunden." Die Antwortcharakterisirt Crispi.selbstverständlich nur vereinzelt der Fall, von außenkeine Zuwendungen hat, bald mit den„Kolonievogel" be-haftet tst. Das heißt: infolge der ungenügenden Nahrungtreten bei ihm dieselben Symptome zu Tage wie beimSchnapstrinker, welcher mit dem Delirium tremenskämpft. Die entsetzlichen augenlosen Pfaffensnppen sindgleichfalls die Ursache, daß eine andere Krankheit, Hühner-kicke genannt, stehender Gast auf Kolonien ist. Die be-dauernswerthen„Hühnerblindcn" sehen periodisch am Tagealles gelb vor sich werden, während bei ihnen mit Unter-gang der Sonne Stockblindhcit eintritt, so daß sie an derHand geführt werden müssen.Das ist die Bescherung, mit welcher die Kleriseisich dem großen Publikum gegenüber als Volks-bcglückerin und Stütze der Gesellschaft aufzuspielen wagen,und von einer Wohlthat, geleistet den Armen und Arbeits-losen, salbadern, welche nur aus dem Schooße christlichfromnier Männer geboren werden konnte. Einen wahrhaftgruselig- widerlichen Eindruck macht es, wenn so ein„frommer" Redner den Kolonisten predigt, daß alles, wassie um und an sich haben, daß ihnen der Tisch gedeckt,daß sie Lagerstätte, Arbeit und Verdienst, mit einemWorte, eine Existenz haben, daß ihnen das Wort Gottesverkündet wird u. s. w., u. s. w., daß sie alles das derchristlichen Liebe und frommen Männern zu danken haben.Und da, wo das Almosen der christlichen Liebe undBarmherzigkeit, d. i. augenlose Pfaffensuppen nebstfronimen' Sermonen, nicht hinreichen, da bekommtder arme Kolonist Traktätchen, worin ihm schwarzauf weiß klar gemacht wird, daß all sein Elend,all sein Kummer und Hunger nach göttlichem Rath-schluß nur zu seinem Besten ist, Entsagung und Himmels-lohn ihm überall predigend.Gegenwärtig heißt das Losungs- und Schlagwort: Hebungdes Kolonisten nach innen und außen. Die Berliner Arbeiter-Kolonie sucht das Mittel der Hebung und Erziehung ineiner Strenge, welche das Individuelle im Leben einesjeden ignorirt und einen fast hündischen Gehorsam erzeugt.Uebel angebrachte Devotion, Erbitterung, Aufsässigkeitsind die Folgen dieser Erziehungsniethode, welche sichselbst richtet. Daß der auf die Straße entlassene Kolonistder ersten an ihn herantretenden Versuchung zum Opferfällt, ist unausbleiblich. Die Kolonien zu Seyda und Rick-ling kennen nicht, wie die Berliner, das entsittlichende Ueber-wachungssystem des Kolonisten durch Kolonisten, sonderndes Südens zu gewaltsamen Volksausbrüchen geführt. So sehrdiese zu beklagen sind, so leicht sind sie als Akte der Verzweif-lung durch die bestehenden Zustände zu erklären. In demProvinzstädtchen Bitonto, in der Nähe der Hafenstadt Bari,wollte das Land- und Stadtvolk eine Prozession feiern. Fürden Mörser zu den Böllerschüssen aber sollte— hier ist ja allesund jedes besteuert— eine Steuer bezahlt werden. Da diesnicht geschah, nahm die Finanzwache den Mörser in Beschlagund trieb die Protestirenden aus dem Festzuge zurück.Das erbitterte Volk stürmte die Finanzwache; diese riefKarabinieri zu Hilfe, welche mit Revolverschüfsen zwei Bauernund ein Kind tödteten. In dem offiziellen Bericht ist von diesenOpfern gar nicht die Rede. Nun wuchs die Wuth des Volkeszur Raserei. Die Karabinieri mußten flüchten und die ersteUrsache des Unheils, der Finanzwächter, wurde hervorgezogen,gemißhandelt und an einem angezündeten Feuer arg verbrannt.Er befindet sich schwer verwundet im Spital. Hier sieht manso recht, wie der Ausbruch der Volkswuth sich gegen die Organeder Besteuerung wendet, wie die infame Art der Besteuerung,durch die das Land bis aufs Mark ausgesogen wird, die Haupt-schuld des Elends trägt. Aehnliche Vorfälle, doch mit größeremUmfange und mit zahlreicheren, blutigen Opfern sind in Siziliengeschehen. In der Kommune Giardinelli in der Nähe vonPalermo, einem Orte von etwa 800 Einwohnern, war das Volküber die Höhe der Steuern, Staats- und Kommunalsteuern, seillange erbittert. Insbesondere gehaßt war eine durch den Ein-fluß des Bürgermeisters eingeführte Steuer zur Besoldung derOberaufseher der Felder. Ich schrieb Ihnen von ähnlichenSteuern in den Kontrakten der Landbarone mit ihren Bauern.Am 12. Dezember sammelte sich unter dem Ruf:„Nieder mitden Steuern! Nieder mit den Munizipiun!" eine wüthendeMenschenmenge, darunter viele Frauen, vor dem Hause desBürgermeisters. Die vorhandenen Karabinieri und ein benach-barter Posten Bersaglieri wurden vom Bürgermeister zur Hilfeherbeigerufen. Diese schritten zum Angriff gegen die Menge vorund als ein Steinwurf erfolgte, gaben sie Feuer.Tobte und Verwundete stürzten; darunter zwei Frauenund ein zehnjähriges Mädchen aus dem benachbartenOrte Moutelepre. Als die Menge das sah. erfaßtesie wahnsinnige Wuth. Viele stürzten ,n ihre Hütten, um sichWaffen aller Art zu holen— ein Zeichen, daß die Menge bishernicht an gewaltsamen Angriff gedacht hatte— das Haus wurdegestürmt und da man den Bürgermeister nicht fand, sein Unter-beamter(un messo communale) mit Namen Gaetano Nicosiaund auch dessen Weib von den Rasenden getödtet.In dem benachbarten Montelepre wurden die Bauern beider Nachricht von der Niederschießung der Ihrigen durch dieGendarmen und Bersaglieri so erregt, daß sie in Haufen sich an-schickten, ihren Brüdern zu Hilfe zu eilen.Der Ausgang des Racheakts hielt sie zurück.— Ineinem anderen Ort derselben Provinz Palermo, Partinico.geschah ganz derselbe Vorfall, die Steuer« und Finanz-wächter wurden von einer Bauernschaar angegriffen. Dieseriefen Karabinieri und Bersaglieri zu Hilfe. Die letzten gabenFeuer und Todte und Verwundete bedeckten den Boden. Deroffizielle Bericht über diesen Vorgang giebt ausdrücklich zu, daßdie öffentliche Macht unverletzt blieb(„la forza pubblica brimasta affatto illesa"). Von Palermo wurde nach Partinicoein neuer Trupp Karabinieri und mit ihnen zwei Kanonen ge-schickt. Ein Berichterstatter hat die aus Giardinello und Partiniconach Palermo gebrachten Verwundeten in den Hospitälernbesucht; er fand ihrer 16, darunter 6 schwer Verwundete, unterdiesen ein Kind und ein junges Mädchen von achtzehn Jahren.Um das äußerste Elend der Landbewohner Siziliens, ihre fortwährendan Hungersnoth grenzende Lage vor aller Augen zu zeigen, hatGaribaldi Bosco dem Abgeordneten Colazanni nach Rommehrere Brote gesendet, welche die Bauern in allen LandbezirkenSiziliens essen. Man kann auS ihnen Stücke Stroh undWurzeln herausziehen. Colajanni wird sie in der Kammer vor-zeigen und sie den geehrten Volksvertretern zum Schmecken geben.Ich habe ähnliche Brot« einmal gesehen. Es war gegen Endeder Belagerung von Paris im Februar 1871. Während desWaffenstillstandes wurden diese Brote aus der Stadt über dieBarrieren an die Außenstehenden hinübergehandelt, um sie alshistorische Merkwürdigkeit zu bewahren.— Diese Gegenwaris-bilder sind die Willkommensgrüße, mit denen das Land Italiendas neue Regiment Crispi's empfängt.— Wie einst mit feurigerSchrift zu Babylon an den Wänden des Thronsaals das Urtheilerschien, das Belsazar's Schicksal besiegelte,) so steht heute flam-mend vor aller Augen die Prophezeiung, die einst M a z z i n iaussprach:„Crispi wird der letzte Minister der Mon-archie in Italien sein!"haben Brüder zu Wächtern bestellt. Sehen wir uns hiereinmal die Kolonie-Erziehung an, die Kennzeichen der innerenund äußeren Hebung, welche Endresultate aus der kirchlichenMoral hervorquellen.Es ist Winter und kalt, das Thermometer zeigt—20 Grad R. Nachdem die Kolonisten Andacht undMorgenbrot eingenommen, auch das Frühstück in dieTasche geschoben, setzt sich der Zug in Bewegung,deni Arbeitsfelde zu, das 40 Minuten von der Koloineentfernt liegt. Da sie mit Anbruch der Dämmerungdas Tagewerk zu beginnen haben, legen sie den ver-chneiten Weg im Dunkeln zurück, ebenso am Abend, woerst mit völliger Dunkelheit die Arbeit eingestellt wird.Weder Baum noch Strauch, weder Hügel noch die Nähevon Häusern gewähren auf den öden Haide- und Moor-stächen Schutz vor dem eisigen, schneidenden Winde, dervon der Nord- zur Ostsee streicht. Der„General-Anzeiger für Hamburg- Altona" bringt in seinerDienstag- Nummer vom 24. Januar ds. Js. folgendeNachricht.„Bei der furchtbaren Kälte der letzten Tage sindauf der Arbeiterkolonie zu Rickling in Holsteinacht auf der Haide beschäftigten jkolonistcn Nase,Ohren und Hände erfroren. Die Bedaucrnswerthenbefinden sich in ärztlicher Behandlung." Trotz der Kältesind die Bewegungen der Kolonisten langsam und kraftlos.Sie scheinen an einer ausgesprochenen Schwäche der Beinezu leiden, welche die Gehsähigkeit sehr beschränkt, denn siegehen langsam, ohne Eile. Ter indolente, stupide Gesichts-ausdruck legt den Schluß nahe, daß das intellektuelle Ver-mögen angegriffen und geschwächt ist, in eine unklare,beängstigende Situation hineingewürfelt, vermögen siein ihrem entnervten und erschlafften Zustande nichtsmehr vom Leben, von den Kämpfen ums Dasein zu be-greifen, erstarren sie in ihren Anschauungen beinahe; die all-gemeine Apathie macht sie untauglich gleichwohl zu besondererFreude als zur Empfindung des Leidens. Ter Anzug istschofel, unordentlich, thcils mit in allen Farben schillerndenFlicken besetzt, theils zerrissen und zerlumpt, gleich demdes Landstreichers, nur mit dem Unterschiede, daßdieser an seinen Kleidern Fettflecke aufzuweisen hat, diejener entbehrt.(Schluß folgt.)