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Das liiatfenttreiftproMem. Genosse K a u t s k y legt dann in Nr. 42 derNeuen Zeit seine eigene Auffassung über das Massenstrcikproblem dar. Er schreibt: l. Der jüngste belgische Massenstreik sowie der Abschluß des preußischen Landtagswahlkampfes haben die Frage des Massen� streiks bei uns wieder in Fluß gebracht. Aber in recht eigene artiger Weise. Man diskutiert ihn nicht etwa, weil man glaubt nun sei der Moment gekommen, wo er uns den(sieg verspreche sondern deshalb, weil man vermeint, wir kämen nicht vorwärts und weil man kein anderes Mittel weiß, den Wahlrechtskampf fort- zuführen. Man wendet sich ihm zu nicht aus Siegeszuversicht, son- dem aus Verlegenheit. Noch schlimmer aber ist es, daß sich bei der Diskussion die größten Meinungsverschiedenheiten über den Massenstreik ergeben. Und die Meinungen sind nicht etwa bloß in der Weise geteilt, daß man sich für oder wider den Massenstreik ausspricht. Es bestehen vielmehr die verschiedenartigsten Anschauungen. Die eine Rich- tung propagiert den Massenstreik nach dem letzten belgischen, eine andere nach russischem Muster. Eine dritte erklärt, weder ein belgischer noch ein russischer sei bei uns möglich, damit aber auch jede Möglichkeit eines Massenstreiks für uns ausgeschlossen. Die vierte Richtung endlich stimmt der dritten darin zu, daß ein Massen- streik in der Art der beiden Muster bei uns nicht mehr möglich sei. Sie schließt daraus indes nicht, daß damit jede Aussicht auf einen siegreichen Massenstreik in Deutschland ausgeschlossen sei, sondern nur, daß er hier seine besonderen Bedingungen habe, die zurzeit wohl nicht gegeben seien, deren Eintreten aber keineswegs unmöglich, sondern sehr wohl zu erwarten sei und vielleicht schon in kurzer Zeit durch gewaltige Ereignisse herbeigeführt werden könne. Die Richtung, die man die belgische nennen kann, will einen oder mehrere Demonstrationsstreiks, die ebenso friedlich enden, wie sie begannen. Zu einem derartigen friedlichen Ausgang ge- gehört nicht bloß eine strenge Disziplin der Feiernden, sondern auch eine wohlwollende Neutralität der Unternehmer. Es liegt durch- aus kein Widerspruch darin, sondern ist sehr logisch, wenn die Idee eines solchen Streiks gerade von Genossen verfochten wird, die in höherem Grade als die Mehrheit der Partei zu den Libe- ralen mehr Vertrauen haben. Wir müssen in Deutschland darauf gefaßt sein, daß einc�all- gemeine Arbeitsruhe auf die entschiedenste Gegnerschaft sämt- licher Unternehmer stößt, auch der liberalen unter ihnen; daß sie den Temonstrationsstreik mit ausgedehnten Aussperrungen beant- Worten, die entweder die Kassen der Gewerkschaften leeren und mehr deprimierend als anfeuernd wirken, also den Zweck des Temonstrationsstreiks in sein Gegenteil verwandeln, oder stür- mische Protestaktionen hervorrufen, die den friedlichen Demon- strationsstreik über Nacht in einen gewaltsamen Kampfstreik ver- wandeln, der ausgefochten wird, bis der eine oder der andere Teil der Kämpfenden zu Boden liegt. Daß dem so ist, gibt die andere Richtung zu, die wir die russische nennen wollen. Aber das ist für sie kein Grund, nicht nach einem solchen Demonstrationsstreik zu drängen. Im Gegen- teil, gerade weil er den Kampfstreik in seinem Schöße birgt, ver- langt sie ihn. Die Frage aber, ob wir zurzeit die Kraft haben, ihn siegreich auszufechten, weist sie mit verächtlicher Handbewegung als bürgerliche Krämerfurcht von sich ab. Nur einmal anfangen, und die unorganisierten Massen, die nie versagen, werden schon kommen. Und wenn wir auch niedergeschlagen werden, und die Organisation zum Teufel geht, was liegt daran? Um so größer die Erbitterung der Massen, um so rascher werden sie den Streik wiederholen, immer und immer wieder, wie es in Rußland 1SOS der Fall war, bis der Sieg erreicht ist. Das ist diefrisch-fröhliche Parole" dieser Richtung. Nun sind, wie schon gesagt, die russischen Verhältnisse mit den unseren nicht zu vergleichen. Die russischen Arbeiter sind völlig rechtlos, der Streik ist für sie die einzige mögliche Art der kor- porativen Betätigung. Was immer sie bewegt, es äußert sich in einem Streik. Dabei sind sie die bedürfnislosesten der euro - päischen Arbeiter, können ohne Erwerb und Unterstützung länger aushalten als irgendeine andere Arbeiterschaft des kapitalistischen Europa . Und überdies waren die Ereignisse von 1905 von der außer- brdentlichsten Art. Eine Reihe zerschmetternder Niederlagen im Kriege hatte die Regierung bei den Massen zu einem Gegenstand von Haß und Verachtung gemacht. Die Möglichkeit erstand, end- lich die Bedingungen menschenwürdigen Lebens zu gewinnen, das unerträgliche Joch abzuschütteln. Die Arbeiter wurden angestachelt, ihre Existenz einzusetzen, weil sie erwarteten, eine Welt zu gc- Winnen. Dabei wurde ihr Kampf in dem allgemeinen Zusammen- bruch erleichtert dadurch, daß vielfach die Unternehmer die Löhne während des Streiks weiterzahlten, teils aus Sympathie mit den politischen Freiheitsbestrebungen der Arbeiter, in weit höherem Grade aber noch aus Angst vor ihrer Macht. Trotz alledem mußte schließlich die chronische Streikerei auch hier versagen. Sie reichte aus, die Freiheit zu erobern. Sie ver- sagte, als es galt, die Freiheit zu verteidigen. Das ewige Streiken hatte das Proletariat so erschöpft, daß es der Gegenrevolution nicht mehr ausreichenden Widerstand entgegenzusetzen vermochte. Und seitdem bis heute ist es in Rußland still geworden vom chronischen Massenstreik, obwohl dort keine zentralisierte Massenorganisation die nie versagende unorganisierte Masse hemmt. Für Westeuropa mit großen zentralisierten Massenorgani- sationen und für nicht revolutionäre Zeiten ist die Idee des chroni- schen Massenstreiks einfach absurd. Da konzentriert sich der Kampf stets zu einer einzigen großen entscheidenden Aktion. So wenig kann oas russische Beispiel als Schablone für Westeuropa dienen, daß sich seine Vertreter bei uns selbst nicht streng daran halten können. In Rußland entsprangen die Massenstreiks der spontanen Erregung der Volksmassen, die durch den militärischen Zusammen- bruch des Zarismus ausgelöst wurde. In dieser Spontaneität, die durch ein gewaltiges Ereignis hervorgerufen wurde, das auch den indifferentesten, zurückgebliebensten Mann im Volke aufrütteln muhte, lag die siegreiche Kraft jener Streiks. UnsereRussen" hier erkennen an, daß die Spontaneität der Erregung Vorbedingung eines siegreichen Massenstreiks sei. Aber sie sehen in den deutschen Massen keine derartige gewaltige Er- regung; darauf zu warten, bis historische Ereignisse, wie in Ruß- land, die Massen aufpeitschen, ist ihnen aber zu langweilig. Sic verlangen die spontane Erregung möglichst bald, und da sie nicht kommen will, fordern sie kategorisch von der Partei, sie soll diese Spontaneität durch einekühne Initiative" künstlich schaffen, und zwar sofort. Wodurch soll dies aber erreicht werden? Durch nichts anderes als durch einekühne Aktion", das heißt durch den Massenstreik. Das sei das souveräne Mittel, die Massen zu erregen, daß sie unS begeistert folgen und den Massenstreik machen! Münchhausen, der sich am eigenen Zopfe aus dem Sumpfe zieht. Dieser Widersinn erklärt sich daraus, daß hinter der marxisti - schen Erkenntnis, die Volksmassen würden nur durch große soziale Veränderungen bewegt, noch die blanquistische Putschtaktik lauert, daß stets nur eine kleine Minderheit sei, die die Geschichte in der Weise macht, daß sie durch ihre kühne Aktion die Volksmassen mit sich fortreißt, eine Taktik, die die deutsche Sozialdemokratie von ihren Anfängen an verworfen hat. Wir brauchen nicht in die Vergangenheit zurückzugehen, um zu zeigen, wie oft jene Minderheiten in ihrem Vertrauen in die nie versagende unorganisierte Masse" bei ihren Putschen herein- gefallen sind. Aber wir haben in der jüngsten Vergangenheit ein Beispiel, das zeigt, daß selbst eine bedeutende organisierte Mehr- heit. die dringende Bedürfnisse der Gesamtheit vertritt, ber ichr wohl überlegtem und vorbereitetem Vorgehen nicht bloß von der unorganisierten Masse, sondern sogar von anderen, okonomncb in i Ähnlicher Richtung wirkenden Organisationen im Stiche gelassen, ' ja bekämpft werden kann, wenn sie 5en Versuch macht, sie durch ihr Vorgehen mit sich fortzureißen. Wir meinen den letzten Berg- arbeiterst ceik. Er hat deutlich gezeigt, daß wir uns auf keine andere Macht verlassen dürfen, als auf unsere eigenen Organi- sationen. Kein Zweifel, die Mitwirkung der gegnerischen Organisationen und der unorganisierten Masse ist sehr wertvoll. Wir können nicht warten, bis wir den letzten Mann in unseren Organisationen drin haben. Aber mit der Mitwirkung der außerhalb unserer Organi- sationen stehenden Proletarier steht es sehr faul, wenn sie nicht spontanem Drängen dieser Elemente vor der Aktion entspringt, sondern wenn erst die Aktion den nötigen Spiritus in ihnen her- vorrufen soll. Einer Aktion der organisierten Proletarier, die mit leichter Mühe siegt, also die unorganisierten Elemente gar nicht braucht, könnte es wohl gelingen, diese mit sich fortzureißen. Eine Aktion, die auf hartnäckigen Widerstand stößt, vielleicht mit einer Nieder- läge bedroht ist, kann unmöglich geeignet sein, die Schwachen, die Feigen, die Unentschlossenen, also die Nichtorganisierten mit sich fortzureißen. Nichts irriger als die Ansicht: Das Proletariat kann seine Kräfte nicht sammeln und seine Macht für den endgültigen Sieg nicht anders steigern, als indem es sich im Kampfe erprobt, mitten durch Niederlagen und alle Wechselfälle, die ein Kampf mit sich bringt. Ein aus- gefochtener großer Kampf, ganz gleich, ob er mit Sieg oder Niederlage endet, leistet in kurzer Zeit an Klassen- aufklärung und geschichtlicher Erfahrung mehr als Tausende von Propagandaschriften und Versammlungen in windstiller Zeit. Diese Auffassung deckt sich völlig mit der der Syndikalisten von der revolutionären Gymnastik, nnt der sie es so herrlich weit gebracht haben. Sie wird nicht richtig dadurch, daß man als andere Alter- ncrtive die Taktik jener Vorsichtsmänner hinstellt, die sich nur dann zum Kampfe entschließen, wenn sie den Sieg in der Tasche haben. Man kann nicht stets bloß dann kämpfen, wenn man des Sieges sicher ist wo das der Fall, wird der Gegner meist frei- willig das Feld räumen. Aber niemals kämpft man bloß um zu kämpfen, gleichgültig, ob man siegt oder nicht, man kämpft um zu i e g e n, um ein bestimmtes Resultat zu erreichen. Das wäre ein sauberer Feldherr, dem es nur um den Kampf und nicht um den Sieg zu tun wäre. Man tritt in der Regel nur dann in einen Kampf ein, wenn man erwarten darf, zu siegen, und nur durch Siege, nie durch Niederlagen gewinnt ein Feldherr das Ver- trauen seiner Truppen, gewinnt eine Partei das Vertrauen der Massen. Ein Feldherr, der sich verlocken läßt, einen Kampf auf einem ihm ungünstigen Terrain aufzunehmen, gilt in der Kriegs- geschichte als Tummkopf, und wenn er der tapferste Mann wäre. Daß der Kampf an sich belebend und kräftigend wirkt, einerlei ob er mit einem Sieg oder einer Niederlage endet, ist ein Grund- atz nicht des Krieges, auch nicht des Krieges der Klassen, son- dern des Sports. Nur unter ganz ausnahmsweisen Verhältnissen kann ein pro- letarischer Kampf auf jeden Fall, auch wenn er mit einer Nieder- läge endet, erhebend wirken. Das gilt einmal für Arbeiterschichtcn, die so herabgedrückt sind, daß sie nichts mehr zu verlieren haben. Raffen die sich einmal zu einem Verzweiflungskampf auf, dann kann schon die bloße Tatsache, daß sie einmal nicht widerstandslos zusammenknicken, und daß der einzelne sich nicht isoliert sieht, daß er sich vereint fühlt mit zahlreichen anderen Kämpfern, anfeuernd wirken, auch wenn der Kampf augenblicklich kein Resultat hat. Der- artige Kämpse sind unter russischen Verhältnissen noch häufig, nicht aber unter deutschen . Anderseits kann eine Arbeiterschaft, die schon Erfolge erzielt, die etwas an organisatorischer Macht oder politischen Rechten zu verlieren hat, gezwungen werden zu einem Kampfe,ganz gleich, ob er mit Sieg oder Niederlage endet", dann, wenn der Gegner versucht, ihr ihre Errungenschaften zu rauben. In diesem Falle wäre eine kampftose Waffenstreckung vor dem Feinde viel ver- nichtender, als es die vernichtendste Niederlage nach hartnäckiger Gegenwehr sein könnte. Auch im Kriege kann die entschlossene Ver- teidigung einer belagerten Festung bis zum letzten Mann, selbst wenn jede Aussicht auf Entsatz ausgeschlossen, der schließliche Fall der Position sicher ist, von großer Bedeutung werden. Das Beispiel Adrianopels und Skutaris wirkte auf die türkische Bevölkerung sicher erhebend. Aber auch in solchem Falle, wo man angegriffen ist und sich einer Haut wehren muß, wird ein guter Feldherr nach einer Taktik suchen, die verspricht, zum Siege zu fuhren, und sich von jedem Abenteuer fernhalten. So hat zum Beispiel die deutsche Sozialdemokratie nach dem Erlaß des Sozialistengesetzes alle Anreizungen der Moste und Hasselmänner zurückgewiesen, die von der Partei verlangten, sie olle mit energischen Erhebungen gegen dieses Attentat auf die Freiheit des Proletariats protestieren. Bei der Beratung über die Verlängerung des Sozialistengesetzes 1880 bedauerte Öasselmann im Reichstag, daß seine Kollegen die Taktik der russischenNihi- listen" ablehnten, und er erklärte, die Zeit des parlamentarischen Geschwätzes sei vorüber, die Zeit der Taten gekommen. So wenig fand diesekühne Initiative" ein Echo in den Massen, daß Hasselmann wenige Wochen darauf Deutschland ver- ließ, um in Amerika spurlos zu verschwinden. Heute ist unsere Situation sicher eine andere. Weder sind die deutschen Arbeiter'so herabgedrückt, daß sie gar nichts mehr an Rechten und organisatorischer Macht zu verlieren hätten, noch aber stehen im Momente Positionen in Gefahr, die sie erobert haben. liritlk an der keichstagsfralltion. Die Haltung der Reichstagsfraktion zur Wehr- und Deckungsvorlage war der Gegenstand der Er- örterung in zwei Parteiversammlungen in Leipzig am 18. und 23. Juli. L e n s ch als Referent wies darauf hin, daß seit einiger Zeit in der Partei lebhafte Debatten über die Taktik der Gesamt- Partei im allgemeinen und der Reichstagsfraktion im besonderen gepflogen würden. Der große Wahlsieg von 1912 habe Er- Wartungen erweckt, die um so grausamer enttäuscht wurden, je mehr sie sich auf parlamentarische Erfolge konzentrierten. Be- anders ernüchternd habe der Ausfall der preußischen Landtags- Wahlen und dann die schnelle Annahme der Militärvorlage im Reichstage der 110 Sozialdemokraten gewirkt. Namentlich die An- nähme dieser Niesenvorlage habe in die Partei ein starkes Gefühl des Unbehagens hineingetragen und die Frage aufgeworfen, ob alles getan worden sei, den möglich größten Widerstand zu leisten. Der Fraktion sei besonders ihre Haltung vor der zweiten Lesung der Wehrvorlage vorgeworfen worden, als es sich darum handelte, ob die Fraktion die zweite Lesung der Wehrvorlage aus der Budgetkommission im Plenum zulassen sollte oder nicht. Das habe sie bekanntlich getan; und wie Lensch betonte, habe sie daran recht getan. Er begründete dies eingehend aus der Lage der damaligen Verhandlungen und der Haltung der bürger- licken Parteien. Die ungleich wichtigere Frage sei aber, wie wir uns zu der endgültigen Abstimmung der Fraktion zu verhalten hätten. Die Ablehnung der Wehrvorlage habe sich von elbst verstanden, ebenso die der Stempelsteuer, Zuckersteuer, Auf- Häufung des Kriegsschatzes usw. Den Wehrbeitrag und die Besitzsteuer aber habe die Fraktion angenommen. Die Er. klärung des Genossen Haase zur Wahrung unserer prinzipiellen Haltung dem Militarismus gegenüber sei ja da ganz schön ge- Wesen, noch schöner wäre es aber gewesen, wenn wir unseren prinzipiellen(Standpunkt auch bei der Ab st im- mung gewahrt und besonders den Wehrbeitrag abge- lehn: hätten, was ohne die geringste Gefährdung proletarischer Interessen hätte geschehen können und somit hätte geschehen müssen. Bei der Be sitzsteuer sei es insofern anders gewesen, als hier die Konservativen dagegen stimmten und die Gefahr vorlag, daß die Besitzsteuer fiel, wenn die Sozialdemokratie dagegen stimmte, und eine indirekte Steuer an ihre Stelle getreten wäre. Lensch erörterte dann die(Stellung der Partei zu den Steuern und bemerkte, es sei nicht Aufgabe der Sozialdemokratie, dem Staate die Steuern zu bewilligen, die er zur Erhaltung seiner Bureau- kratie, seines Heeres usw. braucht. Dem Staate Steuern zu be- willigen, lediglich weil sie Besitzsteuer oder Erbschaftssteuer ist, können wir nicht als richtig anerkennen. Wir verlangen Ein- kommen- und Vermögenssteuer als Ersatz für die indirekten Steuern. Nur dort, wo eine direkte eine indirekte Steuer beseitigl�.'önnen wir prinzipiell für sie stimmen, das heißt, wir können selbst dann für sie stimmen, wenn das Stimmergebnis nicht von unseren (stimmen abhängt. Auf der anderen Seite können wir einer direkten Steuer nicht aus prinzipiellen, aber aus taktischen Gründen zustimmen, wenn bei ihrer Ablehnung die Einsührung einer in- direkten Steuer droht. Das war der Fall bei der Bejitzsteuer; des- ivegen war hier die Zustimmung der Fraktion durch die Zwangs- läge geboten. Nichts aber und gar nichts, auch die Er'- klärung Haas es nicht, kann die Zustimmung zum Wehrbeitrag rechtfertigen. Hier hatte die Frak- tion die volle Freiheit der Entschließung. Die Annahme des Ge- setzes stand fest, alle Parteien mit Ausnahme der Polen stimmten ihm zu. Wenn auch die Sozialdemokratie ihm zu- gestimmt hat, so halte ichdiesenSchritt fürverhängnis- voll und für einen schweren Fehler. Hierauf erörterte Lensch die Situation in der Partei. Ter Partcikörpcr mache gegenwärtig einen heftigen Gärungsprozeß durch, die Partei besinde sich in einem Stadium des lieberganges. Der Imperialismus habe neue Probleme gestellt, die Gegen- sätze in der Gesellschaft und zwischen den konkurrierenden Staaten außerordentlich verschärft; diese hätten einen Spannungsgrad er- reicht, der ein Ausweichen nicht mehr ermögliche. In dieser Situation erhebe sich aus der Masse der Genossen selber ganz spon- tan der Ruf nach dem Massenstreik. Das sei kennzeichnend für die politische Situation der Partei. Es spreche hier der Geist der Offensive und sein Erwachen sei die erfteulichste Erscheinung, die wir seit langem in der Partei gehabt. Dieser Geist erwache im selben Augenblick, da der Parlamentarismus als Waffe für das Proletariat an Schneidigkcit und Wucht zu verlieren beginne. Mit dem Anwachsen der Sozialdemokratie bilden die bürgerlichen Par- tcien im Parlament immer eine geschlossene Masse; da sei es nötig, daß die Kämpfe im Parlament immer mehr begleitet werden von der bewußten und entschiedenen Anteilnahme der Masse. In der D i s k u sss i o n sprach zunächst S ch ö p f l i n, der erklärte, nicht nur für die Besitzstcuer, sondern auch für den Wehrbeitrag ge- stimmt zu haben. Seit der Stengelschen Finanzreform im Jahre 1908 sei eine Aenderung in der Haltung der Partei zu den Steuer- fragen eingetreten, und zwar bei der Tantiemcsteuer, für die die Fraktion stimmte. Daran habe sich keine Partcidiskussion geknüpft, wohl aber über die Haltung der Fraktion bei der Beratung der Erbanfallsteuer im Jahre 1909. Hier hätten Genossen wie Kautsky , «inger, Ledebour den alten Standpunkt vertreten: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen! Bei der diesjährigen Steuer- Vorlage habe kein Parteiblatt gefordert, die Fraktion solle den Wehrbeitrag ablehnen. Das sei auch erklärlich, denn im Manifest der französischen und deutschen Fraktion vom 1. März heiße es, die (Sozialdemokratie hat, wenn sie neue Militärvorlagen nicht ver- hindern kann, dafür zu kämpfen, daß die Lasten für diese Vorlagen auf die Besitzenden abgewälzt werden. Solchermaßen festgelegt, habe die Fraktion gar nicht anders gekonnt, als dem Wehrbeitrag zuzustimmen. Auf der einen Seite verlangten wir im Programm direkte Steuern, auf der anderen Seite heißt es: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen. Für ihn stehe fest, daß die Partei nicht dauernd in diesem Zustand bleiben könne. Die Ent- Wickelung habe dazu geführt, für Mittel zu stimmen, die ausschließ- lich militärischen Zwecken dienen. Nachdem 1908 der erste Schritt getan war, glaube er, müsse die Partei noch weitere tun, da wir kommende Militärvorlagen nicht verhindern könnten. Genosse Grenz machte der Parteipresse einschließlich der Leipziger Volkszcitung" den Vorwurf, daß sie in der kritischen Zeit vollständig versagt habe, soweit es sich um die radikalen Anschau- ungen handelte. Im Gegensatz zu Lensch sei er nicht der Meinung, daß der Revisionismus tot ist. Manchen Parteiorganisationen und manchen Redakteuren sitze er stärker im Nacken als sie selbst an- nehmen; er stecke heute in manchen Köpfen, wo man ihn vor einigen Jahren noch nicht gesucht hätte. Von dem Verwendungszweck der Steuern(für militärische Zwecke) sei keine Rede mehr. Um über die Dinge hinwegzukommen, singe man ein großes Lied vom Im- perialismus und Massenstreit. Die Partei stehe vor einem Ent- weder Oder. Entweder werde die Partei den Parlamentarismus weiter betätigen, dann müsse sie alle Konseqnenzen tragen, oder aber sie werde etloas anderes tun. In der zweiten Versammlung legte Genosse Block dar, daß die Fraktion für direkte Steuern stimmen mußte, wenn damit in- direkte verhütet wurden. Das sei bei der Besitzsteuer der Fall ge- Wesen. Für den Wehrbeitrag hätte sie auf keinen Fall stimmen dürfen, denn dieser belaste den Mittelstand, die Bauern usw. zu- gunsten des Großgrundbesitzes. Zur Frage des Verwendungs- zweckes erklärte er: Wenn wir uns in keiner Zwangslage besinden, dewilligen wir für das Militär keinen Groschen. Wenn wir aber nur nach dem Verwendungszweck fragen, würden wir zu ganz un- möglichen Situationen kommen. Die Verwendung der Steuern für die Militärvorlage ist ein Uebel; aber dieses Uebel konnte die Fraktion nicht mehr verhindern. Es galt jetzt, das kleinere Uebel zu wählen, und das war die Abwälzung der Kosten auf die Besitzen- den. Danach ist die Fraktion verfahren, nur beim Wehrbeitrag nicht. Denn dieser hatte eine Mehrheit: es war nicht zu befürchten, daß hier indirekte Steuern drohten Genosse L i p i n s k i wendet sich gegen die pessimistische Be- urteilung der Lage der Partei. Der Revisionismus, wie ihn Schippe! verkörperte, sei durch die Verschärfung der Klassengegen- sätze uberwunden. Soweit er aber sein ganzes Augenmerk auf die Gcgenwartsarbeit richte, sei er gestärkt Es gelte darum, die Ge- nossenmehr theoretisch zu schulen. Daß der JmperiaUsmuseine neue Erscheinung sei, könne er nicht einsehen; 1892 habe ch« Kautsky ,n, einen Exläuterunaen aum Erfurter Programm behan- delt. Durch das Auftauchen neuer Schlagworte werde die Agitation nicht gefördert. Er legt dann dar, daß das Schlagwort: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen, zu einer Zeit gangbar war, als die Partei noch keinen auSschlagg�e�en Fattor dar stellte. W,r bekämpfen den Militarismus, aber wir können ihn nicht ver­hindern. Wir müssen deshalb danach streben, dienten da�r aus die schultern der besitzenden Klassen zu walzen, ow das gesthehe, sei eine steuertechnische �rage Im Programm se. kein Vorbehalt wegen des»Ameckes Die Fraktion habe vernunftig Ärr ksin s ££ Ite Ä»'««äs fei«äj?.s-L aber Militar.smus v7rwend� werden Von einer Zwangslage sei k Rede gewesen Wohl hätte d,e Ablehnung Konflikte gebracht, doch nur»wischen den �rgerlichen Parteien und zwischen diesen und der Rcaicrung. Diese Konslikw hotten wir aber nicht zu stheuen auch nickt eine even u-lle Re.chStaaSauflösung, bei der m Geaenteft die Part-,-"je äußerst gunstige Stellung gehabt hätte. Aber manch- Kr-is- der Partei scheuten emen solchen Konflikt i» der Sorge um-"»S- Mandate. Höher aber als diese Mandate stände dock unser Programm mid die Möglichkeit der Auftlärung der Wäblermassen be. einer Wahl. Es sei gesagt worden, die Masten hätten die Ablehnung einer Besitzsteuer durch die Fraktion " die dann erfolgende Einführung neuer indirckkdr Steuern übt verstehen können. Da müßte es schlimm stehen um die Par- tei nachdem sie so groß geworden und solche Mittel zur Verfügung bat wie ihre Presse. Den Kampf gegen die indirekten Steuern hätte die Partei ruhig aufnehmen können. Wollte man sagen: