Der Ungewißheit entgegen!Aus Konstantinopel wird uns geschrieben:Durch eine Marschleistung � der türkischen Armee ist das Os-manische Neich wieder in den Besitz von Aorianopel gelangt, dases durch Waffengewalt nicht hatte halten können. Jetzt bekommtman eine Gänsehaut, wenn man den aggressiven Ton der englischenStaatsmänner und die provozierende Haltung der englischen Pressewahrnimmt. Man glaubt hier zwar nicht, daß Adrianopel derTürkei wieder genommen werden könnte und man ist durchausnicht willens, es zu verlassen, aber man fürchtet die„Kompen-sationen", die dem Reich an anderer Stelle entrissen werdenkönnten,— man fürchtet, daß die Großmächte zu einer Aufteilungder asiatischen Türkei schreiten könnten.Der Einmarsch in Adrianopel war vor allem durch Er-wägungen der inneren Politik diktiert. Ueber die Kon-scquenzcn, die daraus in der auswärtigen Politik entstehen könnten,wollte man gar nicht erst nachdenken! Die Wiedererlangung vonAdrianopel mußte die Autorität der herrschenden jungtürkischenGruppe, die sich ja nur noch durch den brutalsten Terror amStaatsrudcr halten konnte, ungemein stärken, die Armee konsoli-dieren, deren Geist heben und ihre Aufmerksamkeit von der in-nercn Politik ablenken. Da durfte und konnte man auch nichtzögern, denn sonst wäre eine neue Offiziersrevolte heraufbc-schwört worden.Die moralische Rückwirkung der Wiederbesetzung von Adria-liopcl uyd der Wiedererlangung des alten Terrains an anderenOrten ist zwar in Konstantinopel selbst nicht besonders groß, dürfteaber um so stärker in der Provinz sich geltend machen. Die musel-manische Bevölkerung beginnt sich wieder zu fühlen. Sie warverängstigt durch den unglücklichen Verlauf des Krieges und tratimmer mehr gegenüber der christlichen zurück. Jetzt erhebt sie dasHaupt. und will Revanche nehmen. So kam es zu den Zusammen-stößen in R o d o st o. Man muß leider befürchten, daß solche Vor-gange sich auch an anderen Orten wiederholen könnten.In Rodosto wurden die Armenier von der musel-manischen Bevölkerung massakriert. Nach anfänglichen halben Ab-leugnungen mußte die Regierung selbst zugeben, daß in Rodosto18 Armenier getötet wurden und daß die muselmanischeBevölkerung„aufgehetzt" wurde. Nach der Enguete, die der ar-menische Patriarch veranstaltet hatte, waren es die türkischenTruppen selber, die nach der Besetzung des Ortes die Plünderungbegonnen hatten, der muselmanische Pöbel setzte- dann den Pogromfort, ging aus der Stadt auf das Land, wo er sich mit den musel«manischen Banden zur Plünderung der armenischen Dörfer ver-einigte. Sie sollen auf dem Lande furchtbar gewütet haben. Diearmenischen Zeitungen weisen das durch Augenzeugen nach. Wes-halb denn auch zwei hiesige armenische Zeitungen, der„Osakamars"und der„Bysandrau", von der Regierung suspendiert wurden.Dieser Pogrom kommt der türkischen Regierung gewiß sehrungelegen. Er wird auf die armenische Bevölkerung Ostanatoliens,die schon von Anfang des Krieges an sich in großer Aufregungbefindet, da sie von den kuroischen Rebellen bedrängt wird undden Ausbruch eines allgemeinen Massakers befürchtet, eine unheil-volle Rückwirkung haben. Und das kommt in einem Augenblick,wo man mehr denn je die russischen Annektierun-gs»gelüste zu spüren bekommt!Ein Armenier, der soeben die ganze südlich: Küste deSSchwarzen Meeres bereiste und Ostanatolien aufsuchte, erzähltmir, daß die armenische Bevölkerung, man kann sagen von Tagzu Tag, die russische Annektion erwarte. An der Küste bestehehxr, türkische Staat nur noch dem Namen nach. Türkisches Geldwerde gar nicht mehr angenommen. Im Handelsverkehr und selbstauf den fremden Postämtern gelten nur noch russische Münzen.Daneben steigen, wie immer die wirtschaftlichen und finan-ziellen Sorgen des Rechts. Man hat nun eine Armee von 150 000Mann nach Adrianopel geschafft, aber wie soll sie verproviantiertwerden? Man ging durch ein zweimal verwüstetes Land. AllesVieh ist abgeschlachtet, all�s Korn verbraucht, die Dörfer verbrannt,die Bauern verjagt. N'.. 3 ist mehr da, und selbst die Beamten,die man zur Uebernahmc der Eisenbahnlinie geschickt hat, müssensich den gesamten Lebensbedarf von Konstantinopel kommen lassen.Um den dringendsten finanziellen Forderungen abzuhelfen,hat man schleunigst den Vertrag mit den Pächtern des Tabak-Monopols erneuert, die sich verpflichtet haben, 114 Millionentürkisch: Pfund als Vorschuß zu bezahlen. Ein Tropfen auf einenheißen Stein!Rumänien schützt Bulgarien gegen Serbien.Bukarest, 29. Juli.(Meldung der Agence Roumaine.)Tie bulgarische Regierung hat Rumänien ersucht,W i d i n zu besetzen, um die Bevölkerung gegenüber even-tuellen Racheakten der serbischen Truppen zu schützen. Infolgediese? Ersuchens fand zwischen den Ministerpräsidenten Majorescuund Pasch'tsch eine Besprechung statt. Die diesbezüglichen Ber-Handlungen dauern fort.Vor den Bukarester Verhandlungen.Bukarest, 29. Juli.(Meldung des Wiener k. k. Telegr.-Korrsp.-Bureaus.) Der griechische MinisterpräsidentBenizelos erklärte in einem Interview: Vor dem zweitenKriege wäre K a v a l l a den Bulgaren zugefallen. Wiekönnen wir aber jetzt nach dem für uns siegreichen Kriegeauf die ganz griechische Stadt verzichten?— Zn allen poli-tischen Kreisen wird mit Befriedigung festgestellt, daß alleVertreter der Friedenskonferenz absolute Vollmacht haben, sodaß man hofft, ohne allzugroße Schwierigkeiten und in nichtallzu langer Zeit mit den Bukarester Verhandlungen zu Endezu kommen. ,v'poUtifebe dcberHcbt.Erzberger und Ballin.Auf die Mitteilung de? Generaldirektors Thode von dereutschen Reederei, die schöne Geschichte, daß Herr Ballin demiherischen Ministerpräfidenten angeboten hätte, den Reichskanzler zuärzen, falls Freiherr v. Hertling dem Auswanderergeschäst derhönix-Transportgesellschast Schwierigkeiten in den Weg lege,rmme von Herrn Matthias Erzberger, dem großen Geisteslichti? Zentrums, hat dieser endlich eine Art Antwort abzugeben ge-cht. Da dem ultramontanen„Bayer. Kurier" die Sache räucherig»rkam, fragte er bei Herrn Erzberger an, ob die Thodesche Be-Huldigung richtig sei, und der große Diplomat Erzberger tele-nphierte:„Können erklären, Abgeordneter Erzberger lehnt esinzipiell ab, sich über Privatgespräche, deren Veröffentlichung,—- sei richtig oder falsch— ohne seine Zustimmung erfolgte, in dereffentlichkeit zu äußern.".,.,Nicht ja, nicht nein! Herr Erzberger entdeckt vielmehr schnell,iß er auch Prinzipien hat— und daß diese sogen. Prinzipien ihm,r sgnst über alle? in der Welt schwatzt, Schweigen gebieten. Ab-ugnen konnte Herr Erzberger nicht, denn wahrscheinlich wissentßer Herrn Thode noch gar manche andere Personen von seinemaffeellatsch; bejahen konnte er die Frage auch nicht, denn er, derohnehin in manchen Kreisen seiner Partei kaum noch ernst genommenwird, hätte sich dadurch noch mehr bloßgestellt, so besinnt er sich inseiner Verlegenheit auf seine strengen Prinzipien und hüllt sich, soschwer es ihm wird, in tiefes Schweigen.Daß er dadurch so manchen Blättern, die aus gewissen pekuniärenGründen mit der Hamburg-Amerika-Linie sympathisieren, einen rechtgroßen Gefallen erweist, scheint Herrn Erzberger nicht im geringstenzu kümmern,— und doch sind diese bereits dabei, Herrn Ballin nichtnur als genialen Kaufmann, sondern auch als eine Persönlichkeit zufeiern, die in tugendhaftester Reinheit strahlt. So liegt die Sachedenn doch nicht. Wenn wir die Erzählung von dem Ballinschen An-gebot an den bayerischen Ministerpräsidenten für ein Märchenhalten, so deshalb, weil wir Herrn Ballin für zu klug halten, indieser Form gegen die Phönix-Transportgesellschast und den hinterdieser stehenden Fürstenkonzern vorzugehen; aber deshalb bleibtdoch richtig, daß zwischen der Hamburg-Amerika-Linie und derPhönix-Transportgesellschaft, die den Auswandererstrom aus demOsten Europas über Bayern nach Rotterdam zu leiten sucht, einwilder Konkurrenzkampf geführt wird, in dem, wie so manche in dieOeffentlichkeit dringenden Mitteilungen zeigen, auf beiden Seitennicht immer mit einwandfreien Waffen gefochten wird. Nur keineHeuchelei! Man kann das Erzbergersche Intrigenspiel verdammenund verspotten; aber zu schönen Lobliedern auf den Hapag und dieSittenreinheit seines Leiters liegt kein Anlaß vor. Auch in dieserHinficht gilt der Vers vom Rabbi und dem Mönch.Quertreibereien der„Berliner" gegen de« MetzerKatholikentag.Unter diesem Titel brachte die.Saarpost", das Organ der christ-lichen Gewerkvereinler an der Saar, am Sonnabend, den 20. Julinachfolgendes Zirkular, herausgegeben von dem bekannten DechantenHansen in Illingen. Die„Saarpost" bemerkt dazu, daß ihr derbekannte Zufall dieses Schreiben auf den Redaktionstisch geweht habe.Das Zirkular hat folgenden Wortlaut:Hochw. Herr Präses!Aus besonderen Gründen, die Ew. Hochw. be-kannt sein dürften, müssen die Vereine unseresBezirks Saar von eineroffiziellenBeteiligungan dem Arbeiterfestzug der diesjährigen Katho-likenversammlung absehen.Sollte Ihr Verein bereits angemeldet sein, so dürfte es sichempfehlen, noch jetzt die Anmeldung rückgängig zu machen.Mit Verbandsgruß Hansen.Die„Saarpost' fügt hinzu: Diese Aufforderung klingt so unge-heuerlich, daß sie Zweifel an ihre Richtigkeit gehabt habe, ihr aberauf eingezogene Erkundigungen die Richtigkeit bestätigt worden sei.Am Montag, den 28. Juli brachte nun die.Saarpost" den Wort-laut eines zweiten Rundschreibens, das der tapfere Streiter für dieBerliner Fachabteilungen, Herr Dechant Hansen, am 25. Juli anseine Amtsbrüder versandt hat. Dieses Rundschreiben zeigt HerrnHansen und damit die Fachabteilung als Sieger. ES lautet:Hochw. Herr Präses!Jch freue michJhnen mitteilen zu können, daßMetz— nach anfänglichem Ablehnen— jetzt neueVerhandlungen eröffnet und unsere Anträgeangenommen hat. Dementsprechend wird unserenVereinen ein eigene« Lokal zur Verfügung ge-stellt und die Nominierung der Redner derVerbandsleitung überlassen. Auch hat man sichbereit erklärt, einen Antrag des Diözesan-Präses Herrn Kanonikus Stein über Arbeiter-frage und Enzyklika Singulari Quadam derGeneralversammlung vorzulegen.ES ist nunmehr erwünscht, daß sich Ihr Verein an dem Fest-zuge in Metz beteiligt. Ich bitte Sie, das Geeignete in dieserHinsicht veranlassen zu wollen.Mit VerbandSgruß IHansen, Dechant.Die beiden Rundschreiben beweisen, daß sich vorher erbitterteFehden zwischen Köln-München-Gladbacher Richtung und den Ber-linern abgespielt haben müssen. Bekannt ist, daß in der MetzerDiözese von der Geistlichkeit im allgemeinen die Kölner Richtungbevorzugt wird. Wie die„Saarpost" mittteilt, lehnte daher dasMetzer Lokalkomitee ab, den Berliner Fachabteilern eigene Lokaleund Redner zu bewilligen. Auch versuchte man, wie es scheint, derAufrollung der katholischen„Arbeiterfragen" aus dem Wege zu gehen,Unter dieser Arbeiterfrage verstehen die Christlichen beider Seiten,sowohl Berliner wie Kölner Richtung, ihre Streitigkeiten darüber,wer das Recht habe, für sich die Zustimmung und den Segen vonRom in Anspruch zu nehmen. Auf die Weigerung des Lokalkomitees,in Metz hat sich anscheinend Herr Hansen, statt sich zu beruhigeman den Bischof K o r u m nach Trier gewandt. Die Berliner, derenFreund Korum ist, trugen den Sieg davon, Metz mußte nach-geben und eigene Lokale für die Berliner be-willigen. Die Berliner werden ihren Erfolg bei dem Vor-posiengefecht in Trier auf dem KampfeSboden in Metz auszunutzenverstehen, und wenn die.Saarpost" schreibt, daß die BerlinerRedner nicht über die Gewerkschaften sprechen dürften, so wird wohlder Wunsch der Vater des Gedankens sein. DieKöln-M.-Gladbacherwissen ebenso gut, wie die Berliner, daß man in Rom die söge-nannten„interkonfessionellen" Gewerkschaften nur mit Widerwillenduldet und ein Halleluja anstimmen würde, wenn sie ohne Aussehenverschwänden.__Das sächsische Ministerium im Dienste der Scharfmacher.Das sächsische Ministerium des Innern hat die sächsischen Ge-Werbekammern veranlaßt, ihm zu berichten:1. ob innerhalb der Tarifgemeinschaft der deutschen Buch-drucker erhebliche Gefahr dafür vorliegt, daß die Gehilfenschastdurch die Handhabung der tariflichen Einrichtungen in die sozial-demokratischen Verbände gedrängt wird, und2. ob die Buchdruckereiumernehmer in schwierige Lage ge-raten, wenn sie nicht ausschließlich sozialdemokratisch organisierteGehilfen beschäftigen wollten.Die Gewerbekammer zu Dresden hat dem Ministerium die ge-wünschte Antwort gegeben. Wie diese geartet war. geht aus derAbwehrerklärung des Tarifamts der deutschen Buchdrucker hervor, inder es heißt:.1. Die Gehilfenmitglieder der Tariforaane werden aus denReihen der tariftrcuen Gehilfen durch Urabstimmung unter dentariftreuen Gehilfen gewählt. Wer die Mehrheit der Stimmenauf sich vereinigt, gilt als gewählt. Da mehr als 93 Prozentder Gehilfen dem Verbände der deutschen Buchdrucker angehören,so ist es begreiflich, daß auch die Gewählten Mitglieder dieserOrganisation sind. Daß(wie die Dresdener Gewerbekammerbehauptet hatte) die Mitglieder des Gutenbergbundes unter diesergehilscnseitigen Besetzung der Tariforgane leiden, entspricht nichtden Tatsachen. Wir müssen eine solche Behauptung, für diekeinerlei Unterlagen beigebracht sind, insbesondere namens derPrinzipalsmitglieder der Tarifinstanzen auf das bestimmtestezurückweisen.,..«....2. Daß für die Rechtsprechung in unseren Schiedsgenchtennach dem Bericht der Gewerbekammer nicht gewerbliche, sondernpolitische Gesichtspunkte maßgebend sind(wie die Dresdener Ge-werbetammer gleichfalls behauptet hatte), ist eine Beschuldigung,die nicht nur für die Gehilfenmitglieder, sondern auch für diePrinzipalsmitgliedep und den juristischen unparteiischen Vor-sitzenden des Tarifamts den Vorwurf der Rechtsbeugung enthältund ebenfalls jeglicher Grundlage entbehrt.3. Es ist ein Irrtum, daß(wie die Dresdener Gewerbe-kammer drittens behauptet hatte) durch eine Tarifbestimmungder gehilfenseitigen Besetzung des Dresdener Schiedsgerichts Ein-halt getan worden sei. Die in Betracht kommende Tarifbestim-mung, nämlich, daß aus derselben Druckerei nicht mehr als je einMitglied in das Schiedsgericht gewählt werden darf, verdanktihre Entstehung lediglich dem Bestreben, einen möglichst innigenKontakt zwischen den Schiedsgerichten und dem Buchdruckgewerbeherzustellen und einer einseitigen, auf einen einzelnen Betriebzugeschnittenen fachtechnischen Beurteilung von Streitfragen vorzubeugen. Im übrigen gilt diese Bestimmung nicht nur für diegehilfenseitige, sondern auch für die prinzipalsseitige Besetzungder Schiedsgerichte. Politische Gesichtspunkte sind bei Schaffungdieser Bestimmung weder erwähnt worden, noch waren sie jemalsmaßgebend dafür. Auf Organisationsvertreter ist diese Tarif-bestimmung überhaupt nicht anwendbar."Auch die Antwort, die die Gewerbekammer dem Ministerium desInnern auf die Frage 2 gegeben hat und nach der die Buchdruckerei-besitzer in schwierige Lage geraten würden, wenn sie nicht ausschlietz-lich Verbandsgehilfen beschäftigen würden, wird als falsch undgänzlich beweislos bezeichnet, und diese Abwehr wird sachlich über-zeugend begründet. Ebenso ist es natürlich dem Tarifamt leicht,die Behauptung zu entkräften, daß sich aus dem Tarifvertrags-Verhältnisse nachteilige Folgen für die Prinzipale oder das Gewerbeergeben hätten.Trotz dieser Erklärung des Tarifamts wird das Schreiben, dasdie Dresdener Gewerbekammer an das sächsische Ministerium gesandthat, gelegentlich noch seine Rolle spielen in dem Aktenmaterial derScharfmacher gegen die organisierte Arbeiterschaft.Tie parlamentarische Untersuchungskommission.Die vom Reichstag verlangte parlamentarische Kommission, derenAufgabe es sein soll, den gesamten Komplex der Militärlieferungeneinmal eingehend zu prüfen, wird Mitte Oktober zusammentreten.Die Kommission wird vom Reichskanzler zusammengesetzt, der sichdem Wunsche des Reichstags gemäß an die Vorschläge halten soll,die ihm von den einzelnen Fraktionen gemacht werden. Vom Zentrumsind die Abgg. Erzberger und Speck berufen worden. Auchdie Sozialdemokratie wird durch zwei Fraktionsmitglieder in derKommission vertreten sein, allerdings steht momentan noch nicht fest,wer eingeladen wird, nachdem der Reichskanzler versucht hat, sichdie sozialdemokratischen Mitglieder nach eigenem Gutdünken auszu-wählen. Die sozialdemokratische Fraktion wird darauf bestehen, daßjene Mitglieder einberufen werden, die sie den maßgebenden Stellenbezeichnet hat._Starke Töne.Die Zentrumspresse streitet die Existenz einer Klassenjustiz hart«näckig ab. Gerät ein Arbeiter, zumal wenn er Sozialdemokrat ist,in die zerfleischenden Messer unserer Juristerei, so hat der Zentrums-mann dafür nur ein behagliches Schmunzeln. Anders, wenn ermeint, daß irgendwo dem Katholizismus unrecht geschehen sei. Daflammt die Entrüstung turmhoch auf. Man sehe sich nur die Nr. 610der„Kölnischen Volkszeitung" an. Sie untersucht die Ursachen de?Priestermangels in der Diözese Strahburg und kommt zu diesemErgebnis:Endlich ist die allgemeine Stimmung im ganzen staatlichenund zivilen Leben der Geistlichen ungünstig. Das ist unter derGeistlichkeit und dem Volk so bekannt, daß der Geistliche aufstaatlichen Schutz so gut wie nicht mehr zählenkann. Wenn ein Geistlicher eine Klage einreicht, wird er e n t-weder sofort abgewiesen oder wenn es zu VerHand-lungen kommt vor einem Gericht, kann er 99mal auf 100 sichersein, daß er den kürzern zieht. Diesen Eindruck, hat derKleruS und das katholffche Volk.In der„Kolonialen Zeitung"(Nr. 855) antwortet darauf einJurist erregt:Also Rechtsbeugung in der allerverwerf-lich st en Form! Wie kommt die„Kölnische Volkszeitung' dazu,diese ungeheuerliche Behauptung der„Elsässer Zeitung" aufzunehmenund weiterzuverbreiten? Welche Be weise Hai sie für diese Be-hauptung? Werden die vielen dem Richlerstand angehörigen Leserder Zeitung diese Verunglimpfung ihrer reichsländischen Kollegenund damit des ganzen Standes ruhig Hinnehmen? Oder glaubtdie„Kölnische Volkszeitung", daß sie jetzt, gerade zu Beginn derGerichtsserien, wo die Hälfte der Richter m Urlaub ist, demdeutschen Richtertum diesen Schlag ungestraft versetzen könne?Hoffentlich wird sie sich darin getäuscht sehen.Hätte der Vorwurf der Rechtsbeugung in einem sozialdemokrati-schen Blatte gestanden, würde man den Redakteur trotz der Gerichts«ferien haben finden können. Ohne einige Monate StaatSpensronwürde der sozialdemokratische Preßsünder nicht davonkommen.Tie Teuerung.Dem„Verl. Tageblatt" wird gemeldet:Der Magistrat in Nürnberg beschloß, angefichtSder Steigerung der Viehpreise die Staats- und Reichs-regierung um Zollcrmäßigung auf Vieh zu bitte».Was gedenkt die Regierung auf diese Eingabe zu ant-Worten?Erledigtes Reichstagsmandat.In Achern(Baden) ist heute der Reichstagsabgeordnete PrälatFranz Xaver Lender gestorben, das älteste Mitglied des Reichstags.denn seit 1871 gehört er der Zentrumsfraktion des Reichstages an. Geboren am 20. November 1330 zu Konstanz,wurde er 1853 zum Priester geweiht und kam 1872 nach Saß-bach. wo er die bekannte Lehranstalt gründete. Im Jahre1309 trat er als Abgeordneter in die badische Kammer undwurde 1871 Mitglied des Deutschen Reichstags, dem er seitseiner Gründung bis zu diesen Tagen angehörte. Im Jahre 1884erfolgte seine Ernennung zum Geistlichen Rate und 1901 wurde ihmdie Würde eines Prälaten verliehen. Er war auch Ehrendoktor dertheologischen Fakultät der Universitär Freiburg.Der Wahlkreis Rastatt- Baden,.den der Verstorbene msher nnReichstag vertrat, steht also vor emer Ersatzwahl. Ber der letztenWahl würden abgegeben 15 830 Zentrumssnmmen, 5-17 sozialdemokratische und 4200 nationalliberale Stimmen.Noch eine Nachwahl zum württembergischen Landtag.Der mr.rHemberaifdic Landtagsabgeordnete WilhelmSluaf VeX er ber fodschr.ttlichen Volkspartei für das Ober-ami«/rrtOrnm«t am Montag im Alter von 01 Jahren gestorben.amt Gerabronn, st am � Auait ni.rfi hemkrerses- Die Ersatzwahl zum Landtvorzunehmen ist, wird voraussichtlich zu einem ebenso heftigenKamvi führen wie die im Bezirk Rottweil. die durch deck kürzlichneZrUcn Tod des bisherigen Zentrumsabgeordneten Maier not.wenhirt wird. In Gerabronn wird der Bund der Landwirte allebefiel in Beweg mig setzen, um die Volkspartei zu verdrängen, diebei der letzten Wahl mit Unterstützung der 400 sozialdemokratischenStimmen 3014 Stimmen cmfbrachte gegen 2071 des bündlerischenKandidaten. Das Mandat für Rottweil suchen die Nationalliberalendem Zentrum abzunehmen; als Kandidat stellen sie wieder denOberst a. D. B l a u l auf, der aus die Unterstützung der Volts-Partei rechnet, die ihm schon bei den allgemeinen Wahlen im letztenWinter gewährt wurde. Auch die Sozialdemokratie jpricht in Rott-