liefe, aber er wünsche nicht, daß man Frankreich nach dem kaiser lichen Teutschland forme. Maujan kam bei einer Prüfung der Vorlage nach ihrer technischen Seite zu dem Ergebnis, daß allein die dreijährige Dienstzeit Frankreich befähigen würde, einen An griff auszuhalten. Der Sozialist Flaissieres sagte, das Ge- setz sei eine Aufforderung zum Stillstand in dem Fortschritt der Menschheit. Doumer als Berichterstatter erwiderte: Der Fort- schritt der Menschheit ist nicht mit dem Verfall Frankreichs der Hunden. Ournae sagte: Wir wollen keine neue Invasion er- leben. sBeifall.) C h a p p u i s rief: Frankreich sind zwei Pro- vinzen amputiert worden. Das ist genug.(Lebhafter Beifall.) Flaissieres verteidigte darauf die zweijährige DienstzeitW Im weiteren Verlauf der Sitzung des Senats erklärte General M e r r i e r, der Senat müsse das Gesetz über die dreijährige Diensi zeit so wie es sei annehmen, denn es drohe unmittelbare Gefahr. ».Beifall auf der Rechten.) Kriegsminister E t i e n n e rechtfertigte darauf die Einstellung der Zwanzigjährigen. Er sagte: die Heber- gangszeit ist schwierig, aber in gleicher Weise für Deutschland . Wir werden im nächsten April drei kriegsbereite Jahresklassen haben, und das Land wird dadurch die nötige Sicherheit besitzen. Die Kasernenbauten im Osten sind bereits vorgeschritten. Der Kriegsminister entwickelte dann die Gründe, aus denen die Re� gierung von dem Lande diese beträchtliche Anstrengung gefordert habe, der jede Idee einer Reaktion oder Herausforderung fern liege. Die Regierung habe schnell vorgehen müssen, habe aber ge- handelt, so gut eS'ihr möglich gewesen. Das Parlament müsse also nachsichtig sein gegen Irrtümer oder Lücken, welche das Gesetz etwa enthielte, denn Frankreich wolle den Frieden nur, wenn seine Ehre und Würde dabei gewahrt blieben.(Beifall.) Der Minister schloß mir einem Appell an den Patriotismus des Senats, der das Inkrafttreten des Gesetzes nicht verzögern solle. Bringen Sie kein Unglück über das Land, rief der Minister, indem Sie Aen- derungen an dem Gesetz vornehmen.(Lebhafter Beifall.) Paris , 1. August. Senator d'E stournelleS de C o n st a n i sagte in seiner bereits gemeldeten Rede über das Dreijahrgesetz unter anderem noch folgendes: Man darf von uns unter dem Hinweis auf eine übertriebene Gefahr keine überflüssigen Opfer verlangen. Deutschland hat seine Stärke, es hat aber auch seine Schwäche. Es hat das Vertrauen der Welt verloren. Wenn es den vielbesprochenen plötzlichen Angriff unternehmen würde, dann würde es die Sympathien der Welt nicht für sich haben. Nach dem Kriege würde in Deutschland eine Revolution ausbrechen. Diese Gefahr besteht bei uns nicht, wo die Revolution durchgeführt ist. DaS Schiedsgerichtswesen hat im letzten Jahre sichtliche Fort- schritte gemacht. Ich sehe jene deutsche Regierung nicht, welche wie bei einem Würfelspiel die Zukunft Teutschlands wagen würde. (Zwischenruf: Die deutsche Regierung ist friedlicher als das deutsche Volk!) Vom äußeren Gesichtspunkt aus mutz daS Erwachen der slawischen Welt, müssen die Balkanereignisse Deutschland zu denken geben. Wäre es klug von Deutschland , seine besten Kräfte gegen Frankreich zu verbrauchen und sich nachher gegen Rußland zu wenden? Deutschland wird auch keine endlose sinan- zielle und soziale Krise entfesseln wollen. Deutschland ist isolier- ter als wir, es ist mehr bedroht als bedrohlich.(Royalist Le Breton ruft ironisch dazwischen: Also rüsten wir ab!) d'Estournelle» de Constant fortfahrend: Die Lage Deutschlands in den letzten Monaten ist nicht mehr stärker geworden, eS hat seine MannschaftSbestände vermehrt, aber daS ist eine unvermeidliche Folge der Zunahme seiner Geburtenziffer. Unsere Lage war 19l)S Deutschland gegenüber weniger stark als heute. Das Dreijahr- gesetz ist kein Hilfsmittel. Man wird das Land mit Lasten er- drücken und es dem Auslände preisgeben. Man ruft den fremden Angriff geradezu herbei. Nicht allein die Arme, sondern auch die Gehirne werden uns fehlen. Das Dreijahrgesetz ist ein tödlicher Schlag für Frankreich und für die Zivi- lisation. Zwingen Sie Frankreich nicht, an dem kaiserlichen Deutschland ein Beispiel zu nehmen.(Beifall.) Italien . Hinter den Äulisseu einer Ministerkrise. Rom . den 30. Juli. (Eig. Ber.) Der Rücktritt des Ma- rineministers Cattolica, der ziemlich unvermutet wäh- rend des letzten Ministerrats bekanntgegeben wurde, scheint das Ergebnis von Wühlereien des Trusts der Stahl- und Eisenfrrmen zu sein. Diesen war der Minister ein Dorn im Auge, weil er sich gegen eine Beschleunigung im Bau der neuen Vanzerschjffe ausgesprochen hatte. Das Eisenkapital hat natürlich Interesse daran, daß die Schiffsbauten möglichst schnell ausgeführt werden, weil dann der Löwenanteil der Prlvatlndustrie zukoinmt, während bei langsamem Bau die Staatswerften den größten Teil der Arbeit selbst leisten können. Angeblich war die Stellung des Ministers schon seit längerer Zeit erschiittert, nachdem nämlich der Senat mit nur 2 Stimmen Mehrheit den Gesetzentwurf über das Avancement angenommen hatte Damals fiel es schon auf. daß die offi ziöse„Tribuna sehr heftig ge�n den Marineministcr Stellung nahm, was bei einem offiziösen Blatte zum mindesten merkwürdig ist. � Diese Haltung findet ihre Erklärung in der notorischen Abhängigkeit der„Tribuna" voni Eisenkapital. Giolitti scheint zu Anfang den Minister Cattolica gehalten zu haben, weil es ihm klug schien, am Vorabend der Wahlen nicht mit einem uferlosen Flottenprogramm herauszurücken- schließlich hat er ihn aber doch den Metallindustriellen preis- gegeben. Sein Nachfolger, der Konteradmiral M i l I o. genießt die Sympathien der Nationalisten. Er war der„Held" der Fahrt nach den Dardanellen, hat eine gute Karriere ge- macht und ist mit 48 Jahren der jüngste Konteradmiral der italienischen Marine. Man muß nun abwarten, ob Millo sich den phantastisch scheinenden und doch, ach, so gut berechneten Plänen der Metallindustriellen anpassen wird. China - Die Kämpfe um Schanghai . 1. August. Tie Pause in den Kämpfen hält ro- �"�ungen wegen der Wusungsorls rm Gange sind.. Ä-Rnft b0n Schanghai sind die Truppen der Rebellen ÄlknmiTTT zusammengeschmolzen. Das internationale Astern eine beträchtlich geringere Zahl von Flüchtlingen zu versorgen. KmeinKa. ~te Revolution in Venemcla m i**£toÄ' L �.Ust.»mtlX Dw- chen aus Caracas meliien. daß die aufständischen Tiup� an zwei Plätzen von den Reglerungstruppen zu rückgeworf�i wurden Aus Cara- cas �stnd den Aufstandlichen keine Soldaten entgeaengeschick: Staatstruppen für stark genug halt. Ein Telegramm aus Willtzrstad meldet daß dort aus Kä; to«du»« Ö0n der �anbung Castros in Coro eingelaufen ist. 8o2iales. Kautionsverfall. Der Kutscher Zachow klagte gestern vor dem Gewerbegericht gegen das Transportkontor der vereinigten Spediteure des Anhalter Bahnhofs auf Auszahlung seiner Kaution in Höhe von 31,50 M. Di« beklagte Firma behauptet, berechtigt zu sein, die Kaution einzube- halten, weil dem Kläger ein Kolli im Werte von 1133 M. gestohlen worden sei. Der Sachverhalt stellt sich nach den Angaben de! Klägers— von der Beklagten unwidersprochen— so dar: Der Kläger und ein erwachsener Begleiter waren beauftragt, verschiedene Kolli an verschiedene Empfänger zu befördern. Während nun der Kläger damit beschäftigt war, ein Stück an die entsprechende Adresse abzuliefern, ist�der andere inzwischen weitergefahren und hat an einer anderen Stelle das dorthin bestimmte Gut abgeladen. Als nun der Kläger anlangte, wurde das Fehlen eines Lederballens im ange- aebenen Wert bemerkt. Die Firma verlangt, daß auch der Kläger mit seiner Kaution für den Schaden mit hafte, denn er babe einen Bertrag unterschrieben, in dem der Passus enthalten ist: Bei Diebstahl haften beide, der Kutscher und der Begleiter. Das Gericht— Kammer 7 unter Borsitz des Magistratsassessors Dr. Berthold— wies die Klage mit folgender Begründung ab: In der vom Kläger unterschriebenen Dienstordnung stehe, daß bei Dieb- stahl Rollkutscher und Begleiter gemeinsam haften. Dieser Vertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten, weil er einen Schutz de! Unter- nehmers gegen etwaige Schwindeleien der Angestellten darstellt. Das Urteil beruht auf einem bedauerlichen Fehlschluß und widerspricht dem allgemeinen Rechtsgefühl. Das Gericht hat an- genommen, die in Betracht kommende Vertragsklausel widerspreche nicht den guten Sitten, weil sie einen Schutz des Unternehmers gegen Unreellität der Angestellten darstelle. Zunächst ist schlechterdings nicht ersichtlich, wie eine Unterschrift, die dahin geht, daß die Führer für ohne ihr Verschulden abhanden gekommenes Gut haften, ein Schutz dagegen sein soll, daß sie ein Abhandenkommen verschulden. Aber abgesehen hiervon: der grundsätzliche Standpunkt, der in dem Urteil liegt und der dahin geht:„ein Vertrag verstößt dann nicht gegen die guten Sitten, wenn er im Interesse eines Vertrag- schließenden liegt", ist grundfalsch. Alle Verträge, gerade auch solche, die gegen die guten Sitten verstoßen, liegen stets im Interesse min- desiens eines Vertragschließenden. Gegen die guten Sitten verstößt ein Rechtsgeschäft dann, wenn es dem herrschenden Rechtsbewußtsein sowie dem Anstandsgefühl billig und gerecht Denkender wider- spricht. Auf dem gewerberechtlichen Gebiet verstößt eine Verein- barung gegen die guten Sitten, wenn der wirtschaftlich Stärkere die Lage des wirtschaftlich Schwächeren durch sie ausbeutet. Dieser Fall liegt hier vor. Den durch einen Diebstahl dem Geschäft zugefügten Schaden hat dieses zu tragen. ES ist durchaus unbillig, das Risiko auf einen an dem Diebstahl völlig Schulvlosen abzuwälzen. Das ist eine Ausbeutung deS Zwanges des Angestellten, zwecks Selbst- erhaltung einen Vertrag abschließen zu müssen. Eine ganze Reihe Landgerichte haben deshalb mit Recht ähnliche Verträge als mit den guten Sitten unvereinbar erklärt. Im vorliegenden Fall tritt hinzu, daß der Kläger nachweisbar an dem Verlust unschuldig war. Die Firma hätte dafür Sorge tragen müssen, daß der Wagen stet! be- aufsichtigt wurde. ES ist bedauerlich, daß daS Berliner Gewerbe- gericht einen so irrigen Standpunkt einnehmen konnte. Kampf gegen Arbeiterschutz. Eine Bundesratsverordnung vom 13. Dezember 1308 ver- pflichtet die Hütten- und Walzwerkbesitzer zur Führung von Ver- zeichnissen über die in den bezeichneten Betrieben geleisteten Ueber- stunden. Diese Vorschrift erfreut sich der allergrößten Unbeliebt- Heit bei den Stahlkönigen. Sie befleißigen sich auch der möglichst größten Mißachtung des Registerzwanges. Berichten doch die sicher sehr vorsichtigen Gewerbeinspektoren, daß oft ein Drittel, ja die Hälfte der geleisteten Ueberstunden nicht eingetragen würden. Selbst zu direkten Fälschungen der Listen reizt der Haß gegen da? Eindringen von Licht in das Dunkel der großindustriellen Menschenvernichtung. Und die sonst so strenge Dame Justitia , besonders streng, wenn es sich um streikende, für Arbeiterschutz kämpfende Arbeiter handelt, beurteilt die Uebertretungen von Ar- beiterschntzbestimmungen sehr, sehr milde. Ein Unternehmer, der Fälschung von Ueberstundenverzeichnissen angeklagt, wurde freigesprochen, weil die— amtlichen Listen weder private noch öffent- liche Urkunden seien. Die Unternehmer versuchen auch die er- wähnte Bundesratsverordnung zu durchlöchern, indem sie ihr eine willkürliche Auslegung geben, sie als nur die eigentlichen Hütten- und Walzwerksbetriebe, nicht die zugehörigen Nebenbetriebe treffend ansprechen und anwenden. Mit dieser Frage hatte sich im vergangenen Jahre daS Schöffengericht in Königshütte zu be- fassen. Ein Hüttendirektor war der Uebertretung der Bundesrats- Verordnung angeklagt, weil er für die ihm unterstellte Kokerei, der elektrischen Zentrale, den Gleis-, Lokomotiv- und Verladebetrieb, der Magazinverwaltung und der Zerreitzanstalt, kein Ueberstunden- Verzeichnis eingerichtet und geführt hatte. TaS Schöffengericht erkannte auf Freisprechung. DaS Urteil erlangte auch Rechtskraft. Um eine grundsätzliche Entscheidung herbeizuführen, nahm der Gewerbeinspektor die Sache wieder auf, und zwar auf dem Wege deS Strafprozesses. Zu der Verhandlung vor der zweiten Straffammer in Benthe » am 5. Juli waren Oberregierungs- und Gewerberat Simon aus Düsseldorf und Gewerbeinspektor Eckey aus Königshütte von der Gewerbeinspektion als Sachverständige geladen, in gleicher Eigen- schaft vom Beklagten der Hüttendirektor Amende au«.Hubertus» Hütte und Oberingenieur Sellen. Das Gericht bejahte nach längerer Beratung die Schuldfrage insofern, als es die Kokerei, die elektrische Zentrale, den Gleis- und Lokomotivbetrieb als Nebenbetrieb betrachtete, die unter den § 2 Absatz 2 der Bundesratsverordnung vom 19. Dezember 1308 fallen. Bezüglich des Verladebetriebes, des Materialienmagazins und der Zerreißanstalt wurde die Schuldfrage verneint. Da es bei dem Rechtsstreit nur auf die grundsätzliche Entscheidung ankam, setzte das Gericht nur eine Geldstrafe von 5 M. fest. Die Entscheidung ist zu bedauern. Sie öffnet bekannten Schie- bungen Tür und Tor. Die Unternehmer können, wie es im Hau- delsgewerbe auch geschieht, Arbeiter von einem Betrieb in den an- deren bugsieren, um dann ungehindert Ueberstunden leisten zu lassen. Der reiche Verschwender wird unter Kuratel gestellt, damit er sein Gut nicht vergeude, gegen die skrupellose Ausbeutung der Arbeitskraft, gegen ihre Vergeudung aus Unwissenheit und Not, gibt es fast gar kein Schutzmittel. Das ist kapitalistische Kultur. Ein agrarischer Borftotz. Mit wunderlichen, unlogischen Kapriolen begleitet der„Reichs- anzeiger" Feststellungen über die„Verschiebung der landwirtschaft- lichen und.ulchilandwirlschaftlichcn Bevölkerung" im Deutschen Reich. Er hat ein echt agrarisches Ei ausgebrütet oder ausbrüten lassen. Teutschland eniwickelt sich immer mehr zum Industriestaat. Dadurch erst wurde Teutschland ein moderner Grohjtaat, ein Mitspieler im Völkerkonzert: dadurch erst wurde das Reich befähigt, die eigene Be- völkerung zu ernähren, sah sich nicht mehr genötigt, alljährlich viele tausende Deutsche in das Ausland zu jagen, weil sich für sie unter der unbegrenzten Feudalherrschaft keine Erwerbsgelegenheit fand, ia. erst der entfesselte Kapitalismus ermöglicbte das Auswachsen zum Militärstaat. Das alles befriedigt die Junker nicht: sie wollen mehr Liebesgaben schlucken, noch mehr Privilegien genießen. Dar- aus laufen nämlich alle Rcdercicn des„Deutschen Reichsanzcigers und Äönigl. Pr. StaatsanzcigerS" hinaus. Zunächst werden die auf dem Lande Geborenen, aber in den Städten als Erwerbstätige Ermittelten einfach als der landwirtschaftlichen Bevölkerung ent- stammend angesprochen. Dann heißt es weiter:„Diese Zahlen be»! weisen aufs Beste, wie sehr unsere ganze städtische EntWickelung der letzten Jahre auf den Zuzug immer neuen Menschenmaterials vom platten Lande angewiesen ist, und wie wichtig es auch für die Städte und die in ihm vorhandenen Gewerbe ist, daß die Quelle dieses Zuzuges in ungeschwächter Leistungsfähigkeit erhalten bleibt." Das klingt sehr loyal, sehr städtefreundlich, sehr uneigennützig. Aber der Pferdefuß schaut schließlich doch sehr deutlich heraus. Unmittel- bar darauf liest man schon: „Die nachstehenden Zahlen mögen im einzelnen noch weiter veranschaulichen, wie groß die unserm gesamten Volkstum drohende Gefahr bei dem bisher betriebenen Raubbau an der ländlichen Volks- kraft ist und wie unbedingt notwendig die Erhaltung und Wieder» vermehrnng der ländlichen Bevölkerung für die körperliche und moralische Gesundhaltung unseres Volkstums ist." Dann folgt die Angabe der Abnahme der landwirtschaftlichen Bevölkerung von 13 225 455 im Jahre 1882 auf 17 681 176 im Jahre 1907 und die gleichzeitige Zunahme der nichtlandwirtschaftlichen Be- völkerung von 25 936 658 auf 44 039 353. Aus dieser EntWickelung wird nicht etwa der Schluß gezogen, daß endlich mit der stiefmüttcr- lichen Behandlung der gewerblichen Bevölkerung und deS ländlichen Proletariats gebrochen werden müsse, die Bevorzugung einer Hand- voll Großgrundbesitzer aufzuhören habe, im Gegenteil: Die Liebes- gabenpolitik zu fördern ist der Nebung Zweck. Wenn es daraus ankäme, den Zug in die Stadt abzuschwächen, dann hätte man nur nötig, den Landarbeitern menschenwürdige, den heutigen Verhältnissen entsprechende Existenzbedingungen zu ge- währen, die Gesindesklaverei aufzuheben, den Landsklaven zum freien Staatsbürger zu machen. Aber daran denkt man nicht. Es gilt, den Städten und der gewerblichen EntWickelung Schwierig. keiten zu bereiten. Seiner Städtefeindlichkeit gibt der Verfasser in folgendem Erguß Ausdruck: „Die Zusammenballung so großer Menschenmassen in den menschenverbrauchenden Großstädten ist um so bedenklicher, als nun ein absolut und verhältnismäßig immer kleiner werdender Anteil von ländlicher Bevölkerung die Blutaufsrischung für die immer zahl- reicher werdende Grotzstadtbevölkerung liefern soll, so daß schon jetzt nicht nur der entbehrliche Ueberschuß vom Platten Lande abgegeben wird, sondern ein gut Teil des alten Bestandes mit angegrrffen ist." Die Unterstellungen, als ob der Zuzug der Großstädte sich aus. schließlich vom flachen Lande rekrutiere, �die Großstädte besonder» gesundheitsgesährlich seien, eine größere Sterblichkeit bei den Säug- lingen aufweisen, die Militärtauglichkeit verminderten und dergl. mehr, können keinen Anspruch auf Beweiskraft erheben, sie sollen auch nur der agrarischen Förderung dienen, in welche die.tief» gründige" Untersuchung also auSklingt: „Mehr Menschen auf da? Land zu bringen, ist als- für die Cef Haltung der militärischen Machtstellung deS Reichs,?Tr die Zukunft unseres Bolkstums und die Sicherung unserer blühenden B-lks« Wirtschaft eine der wichtigste» Forderungen." Man weiß schon, wie die agrarischen Forderungen lauten: Er- schwerung der Freizügigkeit durch Erhöhung der Eisenbahntarise. Verbot der Abwanderung Jugendlicher und deren Beschäftigung rn der Industrie. Hätte man mit der letzteren Forderung Glück, dann wären die Agrarier fein heraus; nicht nur könnte kein junger Mensch mehr den ostelbischen Gefilden den Rücken kehren, wenn ein böses Geschick ihn hier als Proletarier hat zur Welt kommen lassen. viele Stadtkinder müßten nach der Entlassung aus der Volksschule erst etliche Jahre aufs Land, um hier mit ihrer jungen Arbeitskraft den Agrariern dienstbar zu sein. Unter solchen Umständen wäre auf eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse auf dem Lande sicher nicht zu rechnen. Von der zwingenden Notwendigkeit zu Verbesse- rungen durch gesetzliche, arbeiter- und industriefeindliche Maßnahmen befreit zu werden, ist agrarisches Sinnen und Trachten, wie es nun im„Reichs, und StatSanzeiger" fernen greifbaren deutlichen Niederschlag gefunden hat.__ letzte Nachrichten« Grenzvorschläge der verbündeten Balkanstaate». Bukarest , 1. August. (Meldung des Wiener St K. Telegr� Korr-BureauS.) Auf der heutigen Konferenz der bulgarischen Dele- gation und aller Delegationen der Verbündeten wurde im Namen der Verbündeten ein Schriftstück verlesen, daS folgende Forderungen der Verbündeten enthält: erstens verlangen die Verbünde- ten als Grenze den Lauf der Struma, beginnend an der alten bulgarisch -türkischen Grenze, bi» zum Garbdere, von dort auf Kuppe 1314 desTschengelgebirgs, dann derWafferscheide folgend bis Tragarz, von dort nördlich und nordöstlich zu Kuppe 1152, dann über Mesta nach Kuka , dann über Sipkova und DaliboSka zur Wasserscheide bis Kuppe 2152 bei KuSlar , von dort mit der Richtung auf Oschagdada über Morgaszan, Mekova, Tokadschida bis Kord- schala, absteigend sodann gegen Süden über Kaplaktepe und Galiereiepc, endend am Aegäischen Meer drei Kilometer östlich von Makri. Zweitens: Bulgarien entsagt aller An- sprüche auf alle Inseln im Aegäischen Meer. Drittens: Entschädigung der Einwohner und der bereit» früher vorgebrachten Streitftagen betreffend die serbisch -bulgarischen Grenzfragen. Vierten»: Garantie für die Aufrechterhaltung der Freiheit in Schule und Kirche der griechischen Gemeinden Thraziens._ Die Forderunge« an Bulgarien . Bukarest , 1. August. (Meldung des K. K. Telegr.-Korr.- Bureaus.) Zu den Forderungen Rumäniens gehört auch die Schleifung der Befestigungen von Rustschuk und Schumla und An» erkennung einer Zone des bulgarischen Gebiets, die nicht befestigt werden darf. Es besteht die Erwartung, daß die bulgarischen Delegierten auf der heutigen Konferenz auf sämtliche Forderungen Rumäniens endgültige Antwort geben werden. Es ist sicher, daß die bulgarischen Delegierten die rumänischen Forderungen be- treffend"die neue Grenze und die Aromunen vollinhaltlich an- nehmen. Was die Schleifung der Festungen Rustschuk und Schumla betrifft, so heben die bulgarischen Delegierten hervor, daß die beiden Orte wertlose alte Befestigungen seien. Die Forderungen der Verbündeten an Bulgarien , auf welche die bulgarischen Delegierten wahrscheinlich morgen antworten wer- den, werden in unbeteiligten Kreisen als außerordentlich über» trieben angesehen, man hält es aber für selbstverständlich, daß die Verbündeten hiermit nicht ihr letztes Wort gesprochen haben und findet, daß der Bulgarien bewilligte Zugang zum Meer bloß ein theoretischer sei, da alle Gebiete, die wirtschaftlichen Wert besähen« nicht in hohen Gebirgen gelegen seien. Neun Wäscherinnen ertrunken. Genf , 1. August. (P. C.) In der städtischen Waschanstalt ort der Brücke über der Rhone ereignete sich heute ein schwerer Unfall. Tie Wäscherinnen spülten die Wäsche von Pontonbooten aus im offenen Fluß. Ter Boden eines dieser Boote ist wahrscheinlich morsch gewesen. Die Bohlen brachen heute Vormittag plötzlich durch und elf Frauen versanken in den Fluten. Ob- wohl Hilfe sofort zur Stelle war, konnten nur zwei Frauen mit großer Mühe gerettet werden. Neun Frauen sind er, trunken, vier Leichen konnten bis nachmittags geborgen werden, Ein Eisenbahubcamter als Räuber. Dortmund , 1. August. (W. T. B.) In vergangener Nacht wurde im Eilzuge Hannover — Dortmund einer Dame eine Hand- tasche mit hundert Mark Inhalt geraubt. Ein in einem anderen Abteil allein schlafender Herr erwachte, als der Mann ihn zu be- rauben versuchte. Der Täter ist ein Eisenbahnbeam, t e r« der in dem Eilzuge beschäftigt war und in Hannover wohnt,
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