Kr. 199. 30. Jahrgang. 1 KnlU des Jorrairlö" KM» pllislilnlt Dienstag, 5. August 1913. GewerhrcbaftUcbea. Canfverträgc in Sngland, Zur Zeit des großen BergarbcitcrstreikS beauftragte die englische Negierung den Jndustrierat(Jndustrial Council) mit der Unter- suchung der Schwierigkeiten, die sich in den letzten Kampfjahren bei der Durchführung der Tarifverträge ergeben hatten. Der Industrie- rat ist eine Körperschaft, die kurz vor diesem Zeitpunkt ernannt worden war und sich aus 12 Vertretern der Gewerkschaften und 12 Vertretern der Arbeitgeber zusammensetzt. Der erste Industrie- kommissär(Chief Jndustrial Commissioner) Sir George Askwith führt den Vorsitz. Der Jndustrierat wurde ersucht, auf folgende zwei Fragen Antwort zu geben: 1. Welches ist die beste Methode, um die ordentliche Ein- Haltung der Tarifverträge zu sichern? 2. Inwieweit und auf welche Weise sollten Tarifverträge, die zwischen repräsentative Körperschaften von Arbeitgebern und Arbeitern geschlossen werden, in einem ganzen Beruf oder Distrikt erzwungen werden? Zu der Zeit, als der Jndustrierat mit der Prüfung dieser Fragen beauftragt wurde, war die kapitalistische Presse Englands voll von dem Geschrei, daß den Arbeitern in bezug auf die Einhaltung von Verträgen nicht zu trauen sei, daß man deshalb ein wirksameres Mittel, wie Zwangsschiedsgerichte, Untersuchungskommissionen usw. finden müsse, um die veraltete in die Brüche gegangene Methode der Tarifverträge zu ersetzen. Die Ergebnisie der Beratungen des In- dustrierats liefern den englischen Scharfmacherblättern wenig Ge- legeuheit zur Freude. In dem soeben erschienenen Bericht spricht sich der Jndustrierat gegen die Einführung von obli- gatorischen Schiedsgerichten und ähnlicher Einrichtungen ans. wie sie in verschiedenen Tochterstaaten Großbritanniens be- stehen. Der Bericht verwirft ebenfalls das System der Geldstrafen für Vertragsbruch, daß in einigen wenigen Industrien Englands besteht. Wie erinnerlich sein wird, tauchte diese Lösung während des unglücklichen Londoner Hafen» arbeitcrstreiks im vorigen Jahre auf. Der Vertragsbruch lag da- mals auf der Seite der Unternehmer, die sich der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen einfach, dadurch entzogen, daß sie aus dem Unternehmerverbande austraten. � Einzelne Führer der Arbeiter waren bereit, auf den Vorschlag einzugehen, die Erfüllung der Ver- tragspflichten durch Kautionsstellung beiden Parteien zu sichern. Der Jndustrierat äußert sich zu der Frage wie folgt: «Die Organisation der kollektiven Abmachungen, der wir unsere Anerkennung gegeben haben, fußt aus dem Prinzip der Zustimmung. Wir haben gefunden, daß solche kollektiven Verträge in der Regel gehalten worden sind und wir sind nicht geneigt, uns in die innere Organisation der Verbände der beiden Parteien zu mischen, indem wir sie gesetzlich nötigen, auf ihre Mitglieder eine» Zwang auszuüben; auch sind wir nicht geneigt, einen neuen Grund- satz einzuführen, was auf das natürliche Wachstum solcher Verbände oder auf den Geist, in dem sie in der Regel geleitet werden, große und unerwartete Wirkungen haben könnte. Wir sind deshalb zu dem Schluß gekommen, daß die Einführung eines Systems der Geldstrafen nicht wünschenswert ist und daß derartige Straf- bestimmungen wie das Verbot. Vertragsbrüchige Personen zu unter- stützen, nicht gesetzlich bindend gemacht werden sollten." Man sieht aus diesem Zitat, daß der Jndustverat mit der so oft gehörton Behauptung, die britischen Gewerkschaften hielten ihre Verträge nur, wenn eS ihnen paßte, kurzen Prozeß macht. In bezug auf die allgemeine Frage, wie der offene Ausbruch von wirtschaftlichen Kämpfen zu verhindern sei, schlägt der In- dustrierat den Ausbau der freiwilligen EinigungS- ä ni t e r vor. die schon in den Haup�ndustrien Großbritanniens existieren und gegen deren Einführung sich besonders die Scharf- macher im Transportgewerbe sträuben. Alle Verträge, so heißt es in dem Bericht, sollten folgende Klausel enthalten: »Es darf keine Arbeitseinstelluug oder Veränderung in den Arbeitsbedingungen staltfinden, ehe nicht der Streitfall von einem von beiden Seiten genehmigten Gericht untersucht und eine Er- klärung darüber abgegeben worden ist. Wo das Interesse oder die Sicherheit der ganzen Nation oder eines Teils desselben durch einen drohenden wirtschaftlichen Kampf direkt gefährdet ist, sollte man Zeit lassen, damit eine die Interessen der Allgemeinheit vertretende Autorität an der Diskussion teilnehmen kann." Als Antwort auf die zweite Frage macht der Jndustrierat fol- genden Vorschlag: Wo in einem Beruf oder einem Distrikt die organisierten Arbeiter mit den organisierten Unternehmern einen Vertrag geschlossen haben, sollte auf Verlangen beider vertrag- schließenden Parteien der unorganisierten Minderheit die Ein- Haltung der Vertragsbe st immun gen aufgezwungen werden können, nachdem diese Bestimmungen von dem Handelsministerium geprüft und genehmigt worden sind. Diese Forderung wurde zur Zeit de? Londoner Hafenarbeiterstreiks von der Arbeiterpartei in einer dem Parlament eingereichten Vor- läge vertreten. Nur sechs der Vertreter der Arbeitgeber im Jndustrierat haben diesem Vorschlag beigestimmt. Den anderen sechs lagen die Interessen der Streikbrechergarde zu sehr am Herzen. In den gntorganisierten Berufen sind die Arbeitgeber längst zur Einsicht gekommen, daß auf den sogenannten»freien Arbeiter" kein Verlaß ist; vielfach sind auch unter den günstigsten Verhältnissen keine Streikbrecher aufzutreiben— wie zum Beispiel in der Textil- industrie oder im Bergbau. Diesen Arbeitgebern scheint es viel wichtiger, den Piraten im eigenen Lager zu fesseln, der der Ärbeit- geberorganisation nicht angehört und in seinem Betrieb die Ab- machungen zwischen dem Arbciterverband und dem Arbeitgeber- verband nicht einhält, der ihnen also Schmutzkonkurrenz macht. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Regierung den Vorschlag des JndustrieratS zur Unterlage eines Gesetzentwurfs machen wird. Berlin und Umgegend. Achtung, Korbmacher! Im Arbeitsmarkt des„Vorwärts" vom 2. und 3. August befindet sich ein Korbmachergesuch nach Osterburg . Wie uns vom Deutschen Holzarbeiterverband mitgeteilt wird, ist der fragliche Betrieb für Korbmacher gesperrt. Metallarbeiter! In der am Sonntag stattgehabten Delegierten- Wahl zum außerordentlichen Verbandstag wurden 8653 Stimmen abgegeben. Davon waren 255 ungültig. Es verbleiben demnach 8161!-?timmcn. Gewählt wurden folgende Mitglieder: Bork, Frieß, Fuchs, Fuhrmann, Gerecke, Götzky, Großkopf, Haback, Kaßner, Katzke, Kießling, Leuendorf, Mendc, Michaelis, Müller, Ostrowsky, Radke, Ramsbrock, Samercier, Thiel, Werner, Zippel, Die Ortsverwaltung. veublcbes Reich. Aussperrung in den Brennaborwerken. Die Aussperrung bei der Firma Gebr. Reichstem(Brcnnabor- werke) in Brandenburg a. H. ist zur Tatsache geworden. Die Firma hat ausgesperrt, weil sie ohne Tarif nicht weiter arbeiten will. In der Nummer 337 des»Berliner Tageblatts" ist eine Notiz enthalten, die auf die Schließung des Betriebes hinweist. Die Notiz lautet: »In Brandenburg a. Havel sind bei Erneuerung des bei den Brennaborwerken bestehenden Tarifvertrages von der Arbeiterschaft Forderungen gestellt worden, denen die Geschäftsleitung, die erst im Vorjahre große Zugeständnisse gemacht hat, nicht glaubt Rech- nung tragen zu können. Es ist daher zu einer Schließung des Betriebes der großen Rad- und Automobilfirma gekommen. In den Lieferungen der Firma soll keine Verzögerung stattfinden." Diese Notiz, die anscheinend von der Firma oder ihr sehr nahe- stehenden Personen in die Presse lanzicrt ist, entspricht nicht den Tatsachen, sie ist eine Irreführung der öffentlichen Meinung. Die Arbeiter hatten lediglich die Kündigung des im Vorjahre ab- geschlossenen Vertrages beschlossen. Die Kündigung deS Vertrages wurde der Firma ohne jede Forderungen auf Abschluß eines neuen Vertrages rechtzeitig zugestellt. Die Firma verlangte von den Arbeitern die Gründe kennen zu lernen, die zur Kündigung des Vertrages geführt haben, die Firma verlangte weiter neue Vorschläge. Die Arbeiter haben dann der Firma ihre Vorschläge unterbreitet. Die Firma hat aber nicht einen einzigen Punkt der Vorschläge akzeptiert. Die Arbeiter haben darauf beschlossen, lieber ohne Tarif zu arbeiten, als den von der Firma diktierten Tarif an- zuerkennen. Daß die Firma im Vorjahre große Zugeständnisse gemacht hat. ist völlig aus der Luft gegriffen. Die Friedensbedingungen des Vorjahres lauten: Nachsiehend ausgeführte Akkordpreise(das sind die bis dahiw üblichen Akkordpreise. D. B.) sowie alle übrigen bisher bestehenden Arbeitsbedingungen bilden einen Tarif. Dieser Tarif gilt bis zum 1. August 1S13. Während dieser Zeit werden weder die Akkordsätze noch die sonstigen Bedingungen geändert, es sei denn, daß andere Arbeitsmethoden, Vorrichtungen, Maschinen, Werkzeuge ober Material eingeführt werden. Neue Akkordsätze werden zwischen dem� Meister oder Betriebsleiter und dem die Arbeit ausführenden Arbeiter fest- gesetzt. Sollte es zwischen diesen nicht zu einer Einigung kommen, so wird die bestehende Kommission zur Regelung herangezogen.� DaS sind die großen Zugeständnisse, die die Firma im Vorjahre gemacht hat. Den Abschluß eines solchen Tarifs wird nur der ver- stehen können, der die Vorgänge bei der Firma Reichstein aus der Vergangenheit kennt. Der Tarif muß doch für die Firma erhebliche Vorteile darstellen, sonst wäre es doch recht unverständlich, daß die Firma um Erhaltung des Tarifs die Arbeiter aussperrt. Es iL also nicht wahr, daß die Arbeiter bei Erneuerung des Tarifs Fordeülmgen gestellt haben. Die Arbeiter haben Vorschläge gemacht, falls die Firma einen neuen Vertrag will, und das auf besonderes Verlangen der Firma. Wahr ist, daß bei Abschluß der Aussperrung des Vor- jahres die Firma Selbstverständlichkeiten, aber keinerlei Verbcsse- rungen der Arbeitsbedingungen zugestanden hat. Tie Eisenindnstriellen zum Werftarbeiterstreik. Der Verband der Eisenindustriellen nimmt nunmehr am Werst» arbeiterkampf aktiv teil. Er hat durch Rundschreiben an seine Mit» glieder daS Ersuchen gerichtet, während des Ausstandcs keine Aus- ständigen oder Arbeitslosen einzustellen. Gegen zwei Zuwider» handelnde werden die statutarisch vorgesehenen Strafen angedroht. Die Unternehmerorganisation glaubt dadurch verhindern zu können, daß aus den bestreikten Seestädten zureisende Werftarbeiter anderwärts Arbeit bekommen und dann ihre streikenden Kollegen finanziell unter- stützen könnten. Weiter sollen die Unternehmer nach Meldungen der bürgerlichen Presse die Absicht haben, durch Aussperrungen die Betriebe wirklich ruhen zu lassen. Dieser Meldung widerspricht, daß in Hamburg Arbeitswillige von auswärts eingetroffen und auf den Werften eingestellt worden sind. Tie Tarifgemeinschaft für Teutschlands Chemigraphen und Knpferdrucker. In dem soeben erschienenen Geschäftsbericht wird zunächst darauf hingewiesen, daß der Tarif Ende Dezember dieses Jahres abläuft und daß von beiden Parteien Anträge auf eine Revision des Tarifs gestellt worden sind. Trotzdem diese sehr auseinandergehen, geht aher aus den Anträgen nicht hervor, daß eine Verständigung über den Abschluß eines neuen Tarifs erschwert sei, es besteht deshalb die Aussicht, daß die Vertreter der Tarifparteien zum Abschluß eines neuen Lohntarifs für daS deutsche Chemigraphen- und Kupserdruck- gewerbe kommen werden.— Im verflossenen Geschäftsjahr� sind die Schiedsgerichte und Prüfungskommissionen in verhältnismäßig ge- ringem Umfange in Anspruch genommen worden. In Deutschland befinden sich an 41 Orten 178 Firmen, von denen 157 der Tarif- gemeinschaft angehören mit 2665 tariftreuen Gehilfen. Nur 21 Firmen mit 85 Gehilfen stehen außerhalb der Tarifgemein» schaft: es sind also 88,2 Proz. Prinzipale und 95,1 Proz. Gehilfen tarislreu. Seit Aufnahme der letzten Statistik 1910 sind aus der Tarifgemeinschaft ausgeschieden 16 Firmen. davon durch Erlöschen 8 und 8 durch Austritt. bezw. Ausschluß, während 36 Firmen neu beigetreten sind. Neben den insgesamt itt Deutschland beschäftigten 2750 Gehilfen werden 569 Lehrlinge ausgebildet. Wie sehr sich das Chemigraphengewerbe entwickelt hat, geht aus einer Gegenüberstellung hervor, wonach vor zehn JaHrei� also im Jahre 1963, nur 861 tariftreue Gehilfen in 75 Anstalten be- schäftigt wurden.— Durch die tariflichen Arbeitsnachweise wurden im Jahre 1912 insgesamt 1035 offene Stellen besetzt. Trotz dieses guten Resultates haben sich aber tm verflossenen Jahre die Klagen über ungenügende oder nicht ordnungsgemäße Betätigung einzelner Arbeitsnachweise verniehrt, weshalb es Aufgabe des Tarif- ausschusses sei, auf diesem Gebiete reformierend zu wirken, wenn sich alle Organe im Interesse und zum Nutzen der Tarifsache betätigen sollen._ Beendeter Streik und Boykott. Der seit neun Wochen währende Streik bei der Mühlenfirma Lehsiffer-Lietzmann in Äöln-Deutz wurde durch Vergleichsverhaiid- Kleines Feuilleton DaS gerechtfertigte Säuglingsheim. Man hat herzlich gelacht. als man in Ludwig Thomas„Säuglingsheim" den Partcichef Wimmerer auf die Bühne stürzen und den unglückseligen Minister zusammenhauen sah, weil dieser(freilich, ohne es zu wissen) einen protestantischen Portier für das prozentual-konfessionelle«äug- lingsheim engagiert hatte. Jetzt hat das homogene bayerische Ministerium schleunigst dafür gesorgt,, daß diese lustige Simpli- zissimus-Satire ihre Bestätigung und ihre Rechtfertigung in der Wirklichkeit erfahren hat. In den„Münchener Neuesten Nachrichten" erzählt der Schriftsteller Josef August Lux. wie er den Austrag erhielt, ein Büchlein zu schreiben, und nachher um seinen Auftrag betrogen wurde. Die Einweihung von Bad Kissingen sollte in einer Festschrift gefeiert werden, im Auf- trage des Kgl. Ministeriums. Ter Architekt der neuen Bauten, Prof. Littmann, wandte sich an Lux, dessen Name ihm eine lite- rarisch wertvolle Arbeit versprach. Lux nahm an, und der Vertrag kam zustande. Indessen schon nach zwei Tagen ward Herr Lux zu Prof.».ittmann geladen, und dieser beschwor ihn, doch wieder von rem Vertrage zurückzutreten: Im Ministerium habe man die Entdeckung gemacht, daß Lux der Verfasser eines Romans»Lola Monte z" fest nno es für ganz unmöglich erklart, daß der Prinzregent eine Festschrift in die Hand nehme. die abgefaßt sei von dem Autor dieses Buches. Herr Lux gab jedoch so schnell nicht nach. Seine„Lola Monte*", so meinte er, trete den Wittelsbachern nirgends zu nahe. Im Gegenteil: Dem Freunde der Lola würde in diesem Buch ein menschlich-schöneS Denkmal errichtet. Das mußten oie Herren im -Ministerium nach eingehender Prüfung des Romans zugeben. Aber mit oer Festschrift sollte es deshalb ooch nichts werden. Weiter drang man in Lux, er möge von seinem Vertrage zurücktreten Man lud ihn ins Ministerium, der Finanzminister selber ver- handelte mit ihm. Und jetzt erfuhr Herr Lux die wichtigsten, die eigentlichen Besorgnisse der hohen Herren. In oer„Lola McrteT', so eröffnete ihm der Herr Oberregicrungsrat Neumayer, käme auch ein„geheimnisvoller Fremdling" vor, der gewissermaßen einen �esuitenspiegel darstelle und augenscheinlich oie Ansichten des Verfassers über die ultramontane Politik wiedergebe. Es sei aber unmöglich, einem Manne, der den Jesuiten nicht wohlgesinnt sei, die Abfassung einer immerhin amtlichen Festschrift über die Vorzüge des Kiftinger Sprudels zu übertragen. Ter Minister mußte befürchten, so soll Herr Dr. Neumayer wörtlich gesagt haben. daß beim Erscheinen der Festschrift von jener Seite her(ultra- montaner) ein«kandal gegen ihn erregt würde, und deshalb sei es ausgeschlossen usiv. Nun ließ sich Herr Lux herbei, dem armen, angsigcguälten Minister ivcnigstcns etwas entgegenzukommen Es wurde ver- cinbart. daß seine Arbeit nrnst als F c st fchrift, sondern als Denk schrift erscheine, uno nicht zu den Erösfnungsseierlich- leiten in Kissingen am 15. Tlci, sondern einen Monat später, am 15. Juni. — Darauf also richtete sich der Autor ein, stellte das Manuskript rechtzeitig fertig und lieferte es ab; pünktlich erhielt er auch sein Honorar.?lber was nicht erschien, war die Denk- schrift. Auf sie wartet er heute noch, anderthalb Monate nach dem vereinbarten Termin. Der„geheimnisvolle Fremdling" bleibt den Kissinger Quellen fern, und der Staat ist wieder einmal gerettet. Ein Stück kapitalistischer Internationale. Das Becken von B r i e y, Departement Meurthe et Mosclle, das sich an der lothrin- glichen Grenze bis nach Luxemburg und Belgien hinzieht, zählt unter einer Bevölkerung von rund 126 666 Seelen 90 666 Fremde von 19 Nationen. 55 666 sind Italiener aus allen Teilen der .lppeninhalbiniel. Belgien stellt 15 666. Der Rest sind Deutsche , Luxemburger , Hollrnider, Polen , Spanier. Türken. Rumänen, werben, vulgaren, Griechen, Engländer, Russen, Schweizer , Por- tugiefen,.lraber� Oeiterreicher. Japaner, Chinesen usw. Dort dehnen nch L ic Er z g r u b e n und Eisenhütten der lothrin- gifchen de Wendel, des deutschen Thyssen und der verschiedensten, zumeist unter belgi,cher und deutscher Leitung stehenden Aktien- ge,cll,chafteii. Die Arbeitet lockt man aus der ganzen Welt zu- sammen durch Seelenverkäufer, die mit den freigebigsten Ver- sprechungen in bezuy aus Klima. leichte Arbeit, Hobe Löhne und gute Quartiere um sich werfen. Kommen sie dann, in viebmäßigen Transporten zusammengepfercht, an die Arbeitsstelle, so finden sie lingeiunde Wohnräume, überfüllt mit Arbeitern, schwere und ge- sährliche Arbeit zu mäßigen Löhnen.— Genosse L. Cyr erzählt als Beispiel in der„Suinanite", was er von K a b y l e n aus Algier , die in diesem für sie unwirtlichen Klima arbeiten, gehört hat. Er traf sie bei der nach moslemischem Ritus vollzogenen Be- erdignng eines Kameraden, der einem der zahlreichen Betriebs- Unfälle in der Hütte zum Opfer gefallen war, und erfuhr, daß ein Mann in ihr Bcrgland gekommen war und dort Männer, die im Heere gedient hatten, unter lockenden Versprechungen und Ge- Währung eines Reiscgcides �von 56 Frank angeworben hat. Bald merkten sie, wie sehr sie belogen waren. Viele wurden Opfer des Betriebs oder des ungewohnt rauhen Klimas. Aber ihre Sehn- sucht, nach der Heimat zurückzukehren, konnten sie nicht stillen, weil bei der Höhe der Lebenskosten der Verdienst nicht ausreicht, um die Rückreisckosten zu bestreiten. So klagte ein Mann, der 15 Jahre im Heere gedient hat und als Sergeant mit drei Medaillen abge- gangen ist. Er jammerte über Elend und Quälereien aller Art, denen sie ausgesetzt seien. Darum wolle auch keiner mehr im Heere dienen. Es ist das allgemeine Bilh, das die Gebiete mit jetzt junger In- dustrie überall bieten: ein Unternehmer- und Bölkergemisch, dem nur eines gemein ist. grenzenlose Gewinngicr hier— grenzenlose Ausnutzung„i'.d Vernutzung von Menschenleben dort. Langsam aber� entfaltet sich unter dem vaterlandslosen Schutthaufen von menschenähnlichen Produktionswerkzengcn der Geist der inter - nationalen Solidarität, der auch ihnen die Erlösung verkündet. Der Film im Wahlkampfe. Der Kinematograph, dem nach- gerade nichts Menschliches fremd bleibt, hat sich jetzt, um einem „tiefgefühlten Bcdürknis" abzuhelfen, auch in den Dienst der Wahlpropaganda gestellt. Der Schauplatz dieses interessanten Er- eignisscs ist ein kleiner Ort in der Umgegend von Paris . Nian hat hier ciilen Saal des Rathauses zum Kinotheater umgewandelt und die stimmberechtigten Wähler der Gemeinde zur Vorführung der Lichtbilder eingeladen. Zunächst wurde der Kandidat für den Generalrat auf dem Rednerpult gezeigt, wie er einer Versamm- lung von Arbeitern sein Programm auseinandersetzt. Auf dein nächsten Bilde sieht man den Herrn im Gespräch mit dem Prä- selten vor seinem Auto. Die Bilocrfolge wendet sich dann der Stimmungsmache zu: sie stellt den Kandidaten dar, wie er unter die Armen Almosen verteilt, wie er einer gebrechlichen Alten hilft, cinc Holzlast aus ihren Esel zu laden, wie er mit einer Gebärde sittlicher Entrüstung einen Beutel Geld, den man ihm zum Zwecke der Bestechung anbietet, zurückweist. Dann kann man den edlen Mann bewundern, wie er in einer elenden Hütte neben dem Schnierzenslager eines kranken Greises sitzt, dem er tröstend zu- spricht und dem er beim Weggehen heimlich eine Geldbörse aufs Bette legt. So geht es in stimmungsvoller Steigerring weiter, während ein Klavier hinter dem Vorhang seine gefühlvoll:» Weisen ertönen läßt._ Notizen. — The a t c r ch r o n i k. Im Deutschen Theater findet am Dienstag die 56. Aufführung der„Schiffbrüchigen " statt. Das Gastspiel ist bis zum 15. August verlängert worden.— Georg Altman hat die Direktion des Kleinen Theaters ange- treten. Es wird am 1. September mit den Einaktern:„In Ewigkeit Amen" von Anton W i l d g a n s,„Paul und Paula" von Herbert E u l e n b e r g und„Ter Barbier von Berrliac" von Max Melk eröffnet. — Bürgerlicher Sammelbettel. In größeren bürgev- lichen Blättern(darunter auch im„Berl. Tagebl.") wurden vor Monaten die ehrenwerten Mäzenaten daran erinnert, daß die Dichterin L n s k c r- S ch ü l e r sich in Not befände. Dieser von klangvollen Namen unterzeichnete Aufruf erzielte— 11,50 M. als Gesamtergebnis! 7- Wie Wagner popularisiert wird. Ter große Parsifalrumincl, der die Freigabe des Parsifal für alle Bühnen besonders deswegen forderte,' damit„das Volk" überall seinen Parsifal haben'könnte, ist siegreich ausgegangen.„Jedermann" wird nächstes Jahr seinen Parsifal haben können. Zum Beffptel in Frankfurt a. M. für bloße 125 M. in der Prosceniumloge oder für 15 M. im Parterre. Also Volk, sei gegen Deine Wohl- täter nicht undankbar! — Ein Arzt, der Millionen verdient. Unter den 7666 Besuchern des Internationalen medizinischen Kongresses in London befindet sich auch der Jünger des Acskulap, der die größte und einträglichste Privatpraxis der Welt besitzt. Tr. James Mayo hat in der kleinen, nur 7000 Einwohner zählenden Stadt Rochester in Minnesota eine Klinik, die„das Mekka der ganzen Aerztewclt" genannt wird. Er ist wegen seiner glänzenden Operationstechnik berühmt und seine Einnahmen werden auf mindestens 2 Millionen jährlich geschätzt.
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