Einzelbild herunterladen
 
  

m 3. Keilage desUllmarts" Kerliller UlllksblM. l»A«s-?<s>3. �itei�avifeke Rundfcbau. Balfeanftnegöliteratur. Ellis Ashmead-Bartlett. With theTurks inThrace. SStWam Heinemann, London . G. v. Hochwächter. Mit den Türken in der Front. Verlag E. S. Mittler u. Sohn, Berlin . Colin Roß . Im Balkankrieg. Martin Mörickes Verlag, München . Dr. Burghard Brcitner. Kriegstagebuch. Verlag Wilhelm Braumüller, Wien und Leipzig . Ladislaus v. Fenycs. Tagebuch eines Mannes vom roten Kreuz. Verlag von Karl Sigismund, Berlin . Dr. Adolf L. Bischer. An der serbischen Front. Kober C. F. Spittlers Nachfolger, Basel . * .Wir führen keinen Krieg für die Kinematographen und Jour- nalisten l" erklärte ein Beamter des serbischen Ministeriums des Aus- wältigen barsch einem Schwärm von eifrigen Kriegskorrespondcnten, die ihn wegen ihrer Zulassung zur Front bedrängten. Das war die Losung, nach der in dem Kriege von 1912/13 nicht nur die ver- bündeten Ballanstaaten handelten. ES lag wohlbedachte Methode darin, daß man den Krieg unter Ausschluß der europäischen Oeffent- lichkeit zu führen unternahm, weniger, weil man etwa fürchtete, strategische Geheimnisse vorzeitig von den ZeitungSmenschen au§- geplaudert zu sehen, als vielmehr, weil man die wilden Greueltaten dieses Kampfes bis aufs Messer hinter undurchsichtigem Vorhang verbergen wollte. So hielt man die Kriegskorrespondenten wie Gefangene weit vom Schuß, ganze Tagesmärsche hinter der Front, wo sie nie den unmittelbaren Eindruck eines Schlachtfeldes em- pfingen und im besten Fall in der Ferne so etwas wie Kanonen- donner hörten, und Colin Roß hat nicht Unrecht, wenn er meint: .Der Kriegsberichterstatter ist im Balkankrieg fast zu einer lächer- lichen Figur geworden."' Bei den Türken war eS nicht anders. Lshmead-Bartlett, der erprobte Kriegskorrespondent des »Daily Telegraph ", weiß ein Lied davon zu singen, welche Schwierig- keilen die osmanische Heeresleitung den Berichterstattern in den Weg wälzte und ein Kapitel überschreibt er geradezu: Der Krieg gegen die Korrespondenten. Aber während man sich auch hier zu ver- hindern bemühte, daß die Korrespondenten zur Arniee kamen, kam die Armee zu den Korrespondenten, denn sie gerieten in die Wogen des in wilder Flucht zurückflutenden Heeres hinein und hatten hier nun reichlich Gelegenheit, die Beobachtungen zu machen, die man ihnen so gern vorenthalten hätte. Die beiden auf türkischer Seite befindlichen Korrespondenten, Ashmead-Bartlett und Colin Roß , wissen deshalb auch am ehesten Wesentliches zu erzählen. Der dritte Buchschreiber, der den Untergang des Halbmondes über den Blachfeldern Thraziens mit- erlebte, ist kein Zeitungsmann, sondern Hochwächter ist einer der nach der Türkei gesandten preußischen Militärinstruktoren, die durch die Kriegführung ihrer gelehrigen Schüler so schwer enttäuscht wurden. Nun schildert jeder der drei naturgemäß von einem ganz anderen Gesichtspunkt. Der Engländer liefert ein dickes, wohl- dokumentiertes Buch, in dem er sich nicht auf seine eigenen Erlebnisse beschränkt, sondern Wertvolles und Interessantes über Vergangenheit und Wesen der Türkei zu sagen weiß, Hochwächter gibt in dem knappen und kurzen Stil des Offiziers Berichte über seine Eindrücke in diesem Feldzug. und Colin Roß , feuilletonisttsches Vollblut, wirft impressionistische Augenblicksstimmungen über Gesehenes und Gehörtes aufs Papier. Aber von unwesentlichen Einzelheiten ab- gesehen, kommen alle drei zu fast gleichen Beobachtungen und Er. gebnissen, und derart ergänzt jede dieser Kriegsschilderungen höchst wirkungsvoll die beiden anderen. In der Türkei war niemand auf diesen Krieg gefaßt, auf jeden Fall hatte niemand für ihn gerüstet. So war die wichtige Heer» straße von Konstantinopel nach Adrianopel zum Teil in trostlosem Zustande, die Brücken halb vollendet oder wieder verfallen, die Be- fesiigungen. wo sich welche vorfanden, schnell aufgeworfene Erdhaufen ohne sortifikatorischen Wert. Dem entsprach ganz und gar die Be- schaffenheit der Feldarmee. Die Führer verfügten nur über eins: über hochmütige SiegeSgewißheit. Der Kriegsminister Nazim Pascha ermahnt« die Offiziere, ja ihre Paradeuniformen nicht zu vergessen, um den Einzug in Sofia möglichst glanzvoll zu ge- stalten! Die Mobilmachung beschränkte sich darauf, daß man die kleigasiotiichen Bauern mit der anatolischen Bahn nach Konstan- tinopel schaffte, sie dort in Khakiuniformen steckte, ihnen einen Schießprügel auf die Schulter packte und sie dann auf den Kriegs- schauplatz beförderte. Ashmead-Bartlett sah. wie diese Rebifs durch die Straßen von Konstyntinopel geführt wurden, stumpf und teilnahmslos wie Schlachtvieh. Colin Roß sah. wie sie vor den Bulgaren davonstoben. wie eine flüchtige Hammelherde. Die schwachen Bataillone, berichtet H o ch w ä ch t e r. bestanden nur zu einem Fünftel aus aktiven Truppen, zu zwei Fünfteln aus Rekruten und zu zwei Fünfteln aus Rebifs, die, von der Ausbildung ab- gesehen, unserer Landwehr entsprechen. Unter den Rebifs befanden sich alte Soldaten Abdul Hamids, die nie einen Schuß abgegeben hatten, da der Despot bekanntlich aus Furcht vor einer Militärrevolution seinen Regimentern stets die Patronen vorenthalten hatte. Die meisten hatten nie ein modernes Gewehr in der Hand gehabt. Erst aus der Fahrt nach dem Schlachtfeld wurde ihnen notdürftig der Gebrauch der Mauserflinte auseinandergesetzt. Die in der Schlacht in kurzer Zeit ihren ganzen Patronenvorrat verknallten, hätten die Sache noch am besten begriffen. Die anderen versuchten in der Auf- regung des Kampfes, wie sie es gewohnt waren, die Patronen vorne in den Lauf hineinzuschieben. Kaum einer aber wußte, wofür er seine Haut zu Markte tragen sollte. Ashmead-Bartlett teilt kine kennzeiibnende Geschichte mit. Als ein Offizier solche klein- osiatilcben Rebifs ermahnte sich tapfer für das osmanische Vater- land. für die gemeinsame Heimat zu schlagen, erhielt er die ganz erstaunte Antwort:.Hier ist nicht unsere Heimat; unsere Heimat ist Lnatolien!"' Bei allem war dieses Menschenmaterial nicht einmal schlecht: zah, gutwillig, m Strapazen ausdauernd, wurde es das Opfer einer h ��perei der Führung..Das glänzendste Material". S/lbKbewuk.�s."'U auf dem Altar de§ Stumpfsinns, des Selbstbewußt,»�S und der bahnebüchensten Unfähigkeit hmgeopfert £* an Unb �eneralstab versagten ganz und gar. Ohne Marschdeckung bewegte« sich die Truppen vorwärts. Vorposten- st-llungen wurden nicht bezöge«, die Schützengraben an der Tscha- told,chal.nie fand Ho chw achter zu seiner Verwunderung auf den Hohen angelegt. Das Sanitatswesen loa aon- in, aroen Aerzte gab es kaum. Feldlazarette überhaupt nicht. Vor allem aber ver- �gte die Intendantur m einer verbrecherische» Weise oder", meint Colin Roß ..sie muß ,m Ernst der Ansicht gewesen sein. Sol- b�t«, mcht zu und die von Mannschaften und Ge- �tz-n mitgefuhrte Murntton reiche ewig. Die Intendantur. ider Train hat diesen Krieg letzten Endes ver- Floren", und Ashmead-Bartlett sagt ähnlich:Mit einer Eisenbahnlinie im Rücken, fünfzig Kilometer von der Hauptstadt, verstand es die Leitung nicht, eine Brigade zu versorgen, geschweige vier Armeekorps, sondern überließ es mit orientalischer Gleichgültig- keit Allah , Mannah vom Himmel regnen und Wasier aus den Felsen sprudeln zu lassen." Das Durcheinander der Schlachtleitung selbst gar nicht in Rechnung gestellt, mußten diese nicht ausgebildeten, teilnahmslosen und halb verhungerten Soldaten ohne weiteres einem Angriff er- liegen, dessen nervenzerreitzcnde Art sie bisher gar nicht gekannt hatten. Colin Roß schildert das anschaulich: Unsichtbar ist der Tod geworden. Im Schützenfeuer liegt die Kqmpagnie, tief aus den Boden geduckt. Dort drüben der Feind. Der Feind? Der Geländestreiien gegenüber ist der Feind. Von jener Pappel dort bis zur Buschgruppe rechts, das ist der Feind, dorthin heißt eS feuern. Nichts ist zu sehen. Nicht einmal Pulver- dampf. Nur das Knattern der Gewehre dringt ans Ohr, das Knattern, daS an- und abschwillt, dessen unheimlicher Tonsich nicht definieren, sich mit nichts vergleichen läßt. Diesen Schrecken der modernen Schlacht waren die armen anatolischen Bauern nicht gewachsen. Sie lagen in ihren Schützen- grüben, den Kopf sorgfältig hinter der Deckung eingezogen, hielten nur das Gewehr über den Rand hinaus daher die vielen Ver- letzungen an der linken Hand nnd dem linken Arm! und feuerten ohne zu zielen, in die Luft hinein. Bis einer, von Furien der Angst gepeitscht aufsprang und zurückrannte und ein zweiter folgte und ein dritter... und ein ganzer Graben sich leerte in toller Flucht..- Das war die Panik, in die auch Truppenteile hineingerissen wurden, die noch keinen Schutz abgegeben hatten. Da half keine.preußische Disziplin" mehr, die zu Beginn des Feldzugs der deutsche Militär- instruttor bei einzelnen Kompagnien mit Wohlgefallen wahrnahm. Da half auch nicht das barbarische Regime der Fuchtel: Hoch- Wächter sah ohne Verwunderung, wie Mahmud Muklar Pascha einem höheren Artillerieoffizier die Reitpeitsche durchs Gesicht zog, und Colin Roß beobachtete, wo vor Schreck sinnlose Redifs einen Eisenbahnzug erstürmten, einen jungen Hauptmann in voller Tätig- keit:Wo ein paar Soldaten nicht hören wollten, sprang er hinzu, und che die Ungehorsamen sich versahen, zeichnete seine schwere Hand ihnen eine rote Spur auf die Backe. Wie geprügelte Hunde duckten sie sich und schlichen zurück". Nach der Panik kam der Rückzug. Unabhängig von einander gelangen Ashmed-Bartlett und Colin Rotz zu dem Ein- druck: So muß es 1812 auf dem Rückzug der großen Armee aus Rußland gewesen sein!, als sie dieses wilde Durcheinander von ge sunden und verwundeten Soldaten an sich vorüberfluten lassen, alle Truppenverbände gelöst. Offiziere ohne Mannschaften, Mannschaften ohne Offiziere, zwei Reiter auf einem Pferd, Artillerie ohne E schütze und daneben die endlosen traurigen Kolonnen flüchtenden mohammedanischen Landvolks, eine neue Völkerwanderung, die sich aus Europa nach Asien zurückergießt. Und dann kam, furchtbarer als alle Schrecken des Kampfes, die Cholera... Es war nicht eine Armee nur, die hier zusammenbrach, sondern ein ganzer Staat, der Staat einer dünnen herrschenden Kaste, die ohne inneren Zusammenhang war mit den anderen Rassen, anderen Nationen, anderen Religionen angehörenden beherrschten Schichten. und H ochwächter braucht gar nicht erst der Auffassung ent« gegenzutreten, als seinur das falsche deutsche System an den Miß- erfolgen schuld gewesen", aber es stimmt doch, was damals der Matin" schrieb:.Hätten die Türken gesiegt, so schriebe sich das deutsche Heer und Deutschlands Industrie, und zwar mit Recht, ein gut Teil an den türkischen Siegen als ihr Verdienst zu." Da bei den Heeren. der Verbündeten die rigorose Disziplin gegen die Kriegskorrespondenten voll in Geltung kam, find die drei Verfasser, die über ihre Erfahrungen bei den Bulgaren und Serben berichten, alle Angehörige des Sanilätswesens: Dr. B r e i t n e r ging als Arzt des österreichischen. Dr. Bischer als Arzt des Schweizer Roten Kreuzes mit und F s n y e s hatte sich als Sekretär dem ungarischen Roten Kreuz angeschlossen. Natürlich sind die Ein- drücke, die hinter der Front der operierenden Heere, in Spitälern und Lazaretten, gewonnen wurden, ganz anderer Art und in mancher Hmsichr weniger unmittelbar als die in der Feldschlacht oder im Strudel der Flucht erhaltenen; aber auch hier ergänzt in vielerlei Einzelheiten ein Buch das andere. Dr. Breitner freilich ist eine besondere Nummer. Er hat sich an Nietzsche übernommen und fühlt sich in krankhafter Ueberhebung als ausgewachsenen Höhenmenschen, der auf die breite Masse, auf dieHerde" verächtlich herabsieht. An- scheinend, um seinem Buch den Weg zu ebnen, leistet er sich eine grobe Beleidigung der Presse, indem er dummdreist schreibt:Um es in der Literatur zu einem Erfolg zu bringen, braucht man Geld, Geld und noch einmal Geld... für den Maneger. für den Lektor, für den Verleger, für die Kritiker vom ersten bis zum letzten"(!!) Dr.�B r e i t n e r ist auch derselbe Arzt, der in der Leffentlichkeit die�änzliche Wertlosigkeit der freiwilligen Kranken- Pflegerinnen annagelte. Nun mag ganz zweifellos sehr viel daran sein, daß manikürte und das Nichtstun gewohnte Händchen sich in eurer grauenvollen Welt von Blut und Eiter nicht besonders nützlich zu machen verstehen, aber das Wesen des Anklägers entkräftet die Anklage doch einigermaßen, denn er ist mit Schopenhauer eins in der Geringschätzung der Frau überhaupt, schwärnrt für die MöbiuSsche Entdeckung" vomphysiologischen Schwachsinn des Weibes" und hält die Möglichkeit, daß auch Aerztinnen praktizieren können, für eine»Blasphemie des Doktortitels." Daß Breitner Alldeutscher ist, die Slawen fressen möchte und für die Türken in einer kindlichen Art begeistert ist, trägt die letzten Farben auf sein Bild. Breitner und F ö n y e s bewegen sich in den ersten Tagen jungen bulgarischen Ruhmes in Thrazien , als Ferdinand mit der Nase noch im Zenith seines Ruhmes stand lang, lang ist's her! Luch aus ihren Berichten wird der klaffende Unterschied, was Be- geisterung und Organisation angeht, zwischen den Türken und den Verbündeten offenbar. Ein Anatolier mit grauem Haar und Bart, dem eine Kugel beide Oberschenkel zerschmettert hatte, bedankte sich bei Breitner, fragte ihn aber dann: »Sage mir: gegen wen kämpfen wir eigentlich?", während Fvny es in einem kleinen thrazischen Nest bei bulgarischen Sol- baten kampierte, die seine elektrische Taschenlampe Iji« und her drehten und nachdenklich sagten:Auch wir werden nun solche haben". In der bulgarischen Armee war in der Schlacht jede Unterabteilung telephonisch mit dem Generalkommando verbunden. Muktar Pascha aber mußte bei Lüle Burgas eine Front von dreiundvierzig Kilo- meter durch berittene Ordonnanzen leiten. Fvnyes fand bei den türkischen Schützengräben Patronen, die statt mit einem Stahlkegel mit rotgefärbten Holzspitzen versehen waren mit Platzpatronen waren die Türken in den Krieg gezogen! und in der Tat kau- statierte Breitner an den bulgarische« verwundete» tum LSle Burgas , daß viele aus nächster Nähe durch Platzpatronen verletzt worden waren! Mit unverhohlenem Grimm betrachtete sich dieser Teutomane auch die imponierende Front der zweihundertzwanzig er- beuteten neuesten Kruppschen Rohrrücklaufgeschütze und sah un- gezählte Munitionspackungcn. Schrapnells und Granaten, alle mit der FabrikmarkeDüsseldorf " versehen, im Kot liegen, ungeöffnet und unverschossen. Dabei hielt die Ruhmredigkeit der Türken bis zum letzten Augenblick vor. Zwar traf Dr. Bischer in Uesküb osmanische Offiziere, die traurig zugaben:Wir haben unsere militärische Ehre verloren!", aber Schükri Pascha in Adrianopel veröffentlichte, als längst das Schicksal der thrazischen und der ma- zedonischen Armee entschieden war, einen Tagesbefehl des Inhalts: Das türkische Heer unter Muktar Pascha hat Belgrad im Sturm genommen." Die serbischen Sanitätseinrichtungen waren am besten. Ihre Sanitälszüge, berichtet Breitner, waren musterhaft, ihr Personal glänzend geschult, ihre Aerzte voll Hingebung, aber, fügt Bischer hinzu, dieser Aerzte waren zu wenig und er zieht folgenden Ver- gleich mit der Schweiz : Einwohnerzahl Kriegsstärke Aerzte �all°MilitS?ärzte Schweiz : 3.72 Mill. 211000 Mann 2470 046 Serbien : 2,9 200 000, 310 260 Daher ein großer Mangel an Aerzten hinter der Front und die freudige Aufnahme der fremden Hilfe. In Bulgarien stand es er- heblich schlimmer. F e n y e S begegneten auf seinem Wege nach Kirllisse an einem Tage 673 Büffelwagen, in denen Verwundete fast eine Woche lang, ohne ausreichende Nahrung, selbst ohne Decke zum Schutz gegen die feuchte Kälte befördert wurden und zwar rund 1000 Mann ohne die Begleitung eines Sanitätssoldaten, geschweige eines Arztes I« Wie viele unterwegs elend zugrunde gingen und in welchem Zu- stände die übrigen im Spital ankamen, läßt sich leicht denken. Allenthalben herrschte auch, Breitner, Bischer und Fön y es berichten übereinstimmend darüber, eine in ihren Folgen furchtbare Ueberfüvung der Spitäler. Erschütternde Bilder vom Leiden und Sterben enthüllen sich an diesen Orten des Grauens, obwohl es sich um Menlche« mit zäheren Nerven handelte, als verweichlichte Westeuropäer sie haben Bischer sah in Uesküb einen Arnauten. der noch zwei Stunden vor seinem Tode mit Behagen eine Zigarette rauchte. Aber wenn die Verwundeten, aus deren tagelang nicht er- neuerten Verbänden der Eiter sickerte, sich in den Gängen des Spi- tals drängten und auf dem Boden liegend wie liiere an der Tür scharrten, um endlich vorzukommen, endlich Hilfe zu finden, da packte auch den Abgehärtetsten das Entsetzen. F ö n y e s beschreibt einen Besuch der Königin von Bulgarien im Sofioter Spital. Sie absolviert in nicht ganz anderthalb Stunden mit den beiden Prin« zessinnen 16 Säle)besucht" 300 Kranke und die beiden Prinzeßchcn verteilen an die Verwundeten Ansichtskarten mit ihrem Bild, unter das sie mit schönen, sin französischen Kloster erlernten Buchstaben ihre Namen geschrieben haben: Eudoxia und Nadejka. Am folgenden Tage wütet der Wundstarrkrampf im Spital: das Tctanus-Serum aber ist in der ganzen Stadt ausgegangen! Die Opfer leiden schrecklich.Zu Beginn des Starrkrampfes lehnt sich in ihnen die Lebenskraft auf. Sie werfen sich wie die Schlangen, biegen die Gelenke, bis dann auch die Gliedmaßen steinhart werden, die Arme. Beine, die Bazillen des Tetanus schlängeln sich die Nervenfasern entlang durch den ganzen Organismus und machen ihn erstarren. Nur das Hirn bleibt unversehrt, der Kranke hört, sieht, gewahrt' alles und denkt, nur zu sprechen vermag er nicht."Das mögen sich," sagte einer der deutschen Aerzte in dem Sofioter Spital,die Herren Diplomaten anschauen, ehe sie den Krieg an- zetteln," und FönheS fügt hinzu: Schade, daß dieZaritzamit den Prinzessinnen an diesem Tage nicht im Spital war.»Rur mit den Chrysanthemen und Ansichtskarten hätte es eine kleine Schererei gegeben: der Starrkrampf würde ihre Uebernahme verweigert haben." Wie nicht anders zu erwarten, ist Brcitner Schwärmer für einen»frischen, fröhlichen Krieg". Aber er kommt auf ein Schlacht- seid einige Tage nach der Schlacht und findet Menschen- und Pferde- leichen von Rudeln wilder Hunde benagt, die schon wieder die Be- grabenen auszuscharren beginnen, und als dann noch die Cholera ihre grause Arbeit verrichtet, da seufzt selbst er:Ein Tag grauen- hafter Eindrücke. Fast verstehe ich heute den zähen Traum der Menschheit vom Weltfrieden." Auch der kühle nüchterne Schweizer Bischer fühlt sich bedrückt, als die ersten Verwundeten eingeliefert werden:ES kam unS als etwas Verrücktes, Naturwidriges vor, diese starken Leute so wahllos verletzt und zum Teil aus immer geschädigt zu sehen." Dieses Grauen bor de», Kriege ist ein Gefühl. daS auch bei Colin Roß , der wie Breitner den Krieg für unausrottbar hält, und bei Hochwächter, dem nicht weichherzigen Feldsoldaten, durchschlägt. Hochwächter erzählt von dem Siegeslauf der Cholera: Die Leute fallen zu Dutzenden. Zwei Soldaten lagen wie tot zwischen den Gleisen. Ich machte einen Arzt darauf aufmerk- sam, er schaute nur hin und ging weiter. Da fällt auch schon ein Dritter um. Kameraden laden sie endlich aus den Rücken und schleppen sie bis zu einem Güterwagen, da werden sie mit hinein- gelegt. Wann folgen ihnen denn die anderen? Verhungerte werden als Cholerakranke angesehen: man bestreut sie mit Chlor- kalk, obwohl man oft nicht untersucht hat, ob der Mann wirklich tot ist. Der Kalk brennt ihnen dann die hohlen Augen aus. Wer vom Leben genug haben will, der schaue sich daS Entsetzen draußen nur eine Minute an! Hochwächter gesteht, daß er über den e«tsetzlichen Eindrücken dieses Tages keinen Schlaf habe finden können. Lehnlich schildert Colin Roß : Da liegt der erste Tote am Wege. Am Wege verreckt wie ein Hund. DaS Gesicht ist verdeckt, aber über dem eingefallenen Leibe sind die Kleider weggerissen. Grauenhast schimmert die schmutzig-weißlich blaue Haut. Immer mehr liegen am Wege. Zwischen denen, die müde am Sttaßenrain hocken und kauern, liegen sie. Da liegt eine ganze Gruppe verzerrt und verkrümmt. Einer hat die Hand in den Mund des anderen verkrampft' Einer lebt»och, mitten im Tod, der rings um ihn aufgetürmt ist wie ein grausiger, unübersteigbarcr Wall. Dieser Anblick entlockt Herrn Colin Roß daS originelle Stoß- gebet:Krieg, wenn es sein muß, aber nicht so grauenhaft, nicht so grauenhast!" Sehr begreiflich, aber auch sehr töricht I Denn Krieg und Cholera sind«ins, und denhumanen", denzivilisierten", den feuilletonistischen Krieg gibt es nur auf dem Manöverfelde. Wer den Mut hat:Es lebe der Krieg I" zu rufen, muß auch über sich gewinnen, zu rufe«:»Es lebe die Cholera!" Aber wer hat, nach de« hier aufgedeckten Schrecken und Scheußlichkeiten de« Balkankrieges,»och diese» traurige» Mut? Her»«»» BtuttC