geschloffen» bah daZ Nnternehmen daS Gesamtjahr so abschließt,daß eine höhere Dividende verteilt werden kann, ein Er»gebniS, mit dem wahrscheinlich keine der deutschen Großbankenlvird aufwarten können. Wenn man sich die Einzclbeteiligungender Kreditanstalt ansieht, so wird zwar hier und da über den Ein-fluß der Balkanereignisse geklagt, andererseits jedoch haben einigeKonzernuuternehmungen von dem Kriege direkt profitiert. Das trifftzum Beispiel für die Munitionsfabrik Roth zu, die nachder Angabe der Verwaltung fortlaufend zufriedenstellend beschäftigtist. Bekanntlich machen auch die deutschen Munitionsfabriken ihrBalkangeschäft teilweise über Oesterreich. So hat z. B. die Gustav-Genschow-Gesellschaft in Oesterreich eine Filiale. Ferner wird vonder Verwaltung der Kreditanstalt bemerkt, daß die Beschäftigung derösterreichischen Fezfabriken mit Rücksicht auf die Balkanereignisse alszuftiedenstellend bezeichnet werden könne. Bei diesen Fabriken wirdes sich wohl hauptsächlich um Bestellungen flrr die türkische Armeehandeln, deren Kopfbedeckung bekanntlich der Fez ist. Andererseitshaben die Unternehmungen des Konzerns der Oesterreichischen Kredit-anstalt zu leiden gehabt, die mit dem Tabakbau auf dem Balkanin Verbindung stehen. So wurden die Zigarettenpapierfabrikenvon den Balkanereignissen ungünstig beeinflußt. Naturgemäßmußte» die Balkanwirrcn auch auf solche Unternehmungenhemmend wirken, die den Handelsverkehr zwischen Oesterreichund dem Balkan vermitteln. Dazu gehört die Austro-Orien-talische Handels-A.-G., die, wie der Bericht der Kreditanstalt sagt,in hohem Maße unter den Balkanereignissen gelitten hat. Indirektbeeinflußt wurden die Eisenwerke Liothau- Neudcck, da ja auch dieösterreichische Eisenindustrie infolge des Balkankrieges und infolgeder allgemeinen Konjunkturverhältnisse in letzter Zeit von einemRückgänge ergriffen worden ist. Wahrscheinlich wird der Jahres-bericht der Kreditanstalt pro 1913 allerlei Interessantes von Anleihe-operationen zu berichten babcn, die mit den Balkanereignissenzusammenhängen. In kurzer Zeit werden die Anleiheansprüche derBalkanstaaten und der Türkei wieder in den Vordergrund des Jnter-esses kommen.Die Benzinpreise werden billiger. Die Benzinpreise, die in derersten Hälfte dieses Jahres einen bisher noch nicht gekannten Höchst-stand erreicht hatten, in den letzten Wochen aber schon eine rück-gängige Tendenz zeigten, haben dieser Tage einen weiteren Rückgangerfahren.— Wie uns aus Hamburg berichtet wird, hat die Deutsch-Amerikanische Petroleumgesellschaft ihre Benzinpreise dieser Tage um2 bis 3 M. per 109 Kilo ermäßigt und auch die übrigen Import«gesellschaften dürften sich hierdurch veranlaßt sehen, mit ihrenForderungen herunter zu gehen. Die rückgängige Bewegung derBenzinpreise wird darauf zurückgeführt, daß die bisherigen hohenTankdampferfrochten durch die Einstellung einer großen Anzahl neuerTankdampfer eine Abschwächung erfahren haben.— Im ganzenstellen sich die Benzinprcise heute um nicht weniger als 4 bis 5 M.pro 100 Kilo niedriger als zu Beginn dieses Jahres.rietet dem vereinffrveiterjugendhelm bei!Seit 1910 bestehen in Berlin von den Arbeitern ftir die Aebeiter-fugend errichtete Jugendheime. Ihre Zahl ist noch gering. UnendlichenPlackereien find sie ausgesetzt. Aber sie wachsen, blühen und ge-deihen trotz alledem und' müssen noch erheblich vermehrt werden.Was wollen die Arbeiterjugeudheime?Nach dem Grundsatze: Wissen ist Macht, Macht ist Wiffen—sollen die Heime der Jugend das ersetzen, was Staat, Kirche, Schuleund Gesellschaft ihr vorenthalten haben. Was die Wissenschaft undKunst an Schönem und Gutem bietet, soll in den Jugendheimendurch geeignete Kräfte den jugendlichen Besuchern vermittelt und demVerständnis und der Eigenart der Jugendlichen angepaßt werden.Sie sind Sammelpunkte und ein Ort der Unter-Haltung und Weiterbildung. Die Jugendheiine sollenein Jugendborn sein, wo die Jugendlichen ihr Wissen erweitern undvertiefen können, um den mannigfachen Anforderungen, die unserebewegte Zeit an sie stellt, gewachsen zu sein.Die Jugendheime sollen unsere Kinder den Gefahren der Straße,des Wirtshauses, schlechter Vergnügungsstätten und der Schund-literatur entziehen, sie nach des Tage? Arbeit in großen, behaglicheingerichteten und gesunden Räumen sammeln und dann ihnen hiermit Hilfe von Spielen und guten Büchern Gelegenheit bieten, sich zuunterhalten und sich weiter zu bilden. Das Heim und der ganze Auf«enthalt im Heim soll durchweht sein von einem reinen, edlen Menschen-tum, von dem Ringen nach einem besseren Ich, von jener Freude undFröhlichkeit, die uns Erwachsenen in der Jugend zumeist vorenthaltenwar, die wir aber in reichem und bestem Maße zum Erbe unsererJugend machen wollen. �Die Heimbesucher sollen möglich st e Selbständigkeiterhalten. Die erivachsenen Leiter und Helfer sollen in edler Freund-schaft und verständnisvoller Zurückhaltung die Jugendlichen sichtummeln lasien. Diese sollen durch gegenseitiges Sichkennenlernenund Abschleifen ihrer jugendlichen Unarten aufeinander bessernd ein-wirken, selbst auf Aufrechterhaltung von Ordnung und gutem Tonsehen, kurzum: im Jugendheim alles das sehen, übenund lernen, was sie später im Leben brauchen,und was uns in unserer Jugendzeit als Idealvorschwebte. Von diesem Geiste sind alle Veranstaltungen imJugendheim durchdrungen, dieser Geist leitet die Jugendheime beimBesuch von Museen, bei den Spielen im Freien, wie erst recht beiWanderungen durch Wald und Feld. Alles, was edel und gut ist,soll im Heim zu haben sein, alles, was Seele und Körper schädigt,soll mit sicherer, fester und doch schonender Hand ausgemerzt werden.Edle, prächtige Aufgaben mit dem Ziel der Erziehung der Jugendzu selbständig denkenden, selbstbewuhlen. dem Wohle der Allgemein-heit dienenden Menschen hat sich also der Berein Arbeiterjugendheimgestellt. Und sie sind emporgewachsen aus dem tatkräftigen Drängender politisch entrechteten, wirtschaftlich geknebelten Arbeiterklasse selbstheraus. Grund genug zur Verfolgung der Jugendheime durch dieherrschende Klasse.Weshalb verfolgt man die Arbciterjugcndhcime?Die Arbeiterjugendheime sind der herrschenden Klaffe verhaßt,weil sie dem offenen und versteckten Bestreben der Feinde derArbeiterklaffe entgegenwirken, die Jugend durch Zuckerbrot undPeitsche zu willenlosen Knechten zu erziehen, die die Peitsche ihrerGegner selbst flechten. Die Feinde der Arbeiterklasse wollen dieVerewigung der Ausbeutung der Arbeiterklasse. Sie hoffen den un-abwendbaren Sieg der Sozialdemokratie durch Verführung und Ver-giftung der Jugend aufzuhalten. Sie wünschen, die Arbeiterjugendsoll zu unterwürfigen Kreaturen herabgewürdigt werden. Ihr Zielist: die Kinder dazu zu erziehen, späterhin zu leidenohne zu klagen und ohne richtig zu denken. DieJugendlichen sollen eingelullt und zum Kampfgegen ihre eigenen Eltern abgerichtet werden.Dies Ziel suchen die Reaktionäre durch systematische Verblödung derJugend, durch Geld, nicht zuletzt aber durch Drangsalierungund Gewalt gegen die von der Sozialdemokratieerrichteten Jugendheime zu erreichen. Millionen undabermals Millionen haben die Feinde der Arbeiterklasse aus demallgemeinen Staatssäckel sich bewilligt, um die Jugend zur Unter-würfigkeit nach oben und Brutalität nach unten zu erziehen. Indem großen, gewaltigen Ringen zwischen der bürgerlichen und derproletarischen Weltanschauung kämpft die Arbeiterklasse mit demgeistigen Rüstzeug der Aufklärung und Ueberzeugung. Den Feindender Arbeiterklasse mangelt es an Munition zum geistigen Kampf.Unterdrückung. Verleumdung und Gewalt gegen die Arbeiterklassesind ihre Waffen. Die Staatsgewalt haben sie gegen die Arbeiter-vigendheime mobil gemacht.Welche Gcwaltmaßregeln sind gegen die Arbeiterjugeudheimevorgenommen?Die Erinnerung an alle gegen Gesetz und Recht und auf Grundformeller Gesetzesparagraphen gegen die Arbeilerjugendheime inGroß-Berlin unternommenen Schritte würde ein dickes Buch füllen.Wir erwähnen hier das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und dasam 7. Febrnar d. Js. vom Kämmergericht gefällte Urteil. DieseUrteils mußten freilich anerkennen, daß die Jugendheime nützlichauf die Arbeiterjugend wirken. Der Verein Arbeiter-jugendheim wurde aber trotzdem für einen politischenVerein erklärt, weil in den Jugendheimen die Jugend nicht in.einer„allgenieinen Weltanschauung", sondern in der der sozialdemo-kratischen Partei erzogen werden solle. Was heißt das anders als:der Verein wird für politisch erklärt, weil er im Gegensatz zu denpolitischen Bestrebungen der bürgerlichen Jugendheime nicht dieArbeiterklasse und ihre politische Organisation, die Sozialdemokratie,bekämpft? Die bürgerlichen Vereine sind aber nicht fürpolitisch erklärt IToren, die da meinen, durch juristische Zwirnsfäden ließen sichdie Arbeiter bewegen, ihre Kinder der Verwahrlosung und denFeinden der Arbeiterklasse auszuliefern! Der Verein Arbeiter-jugendheim ist für„politisch" erklärt. Nunwohl— was schadet es?.Seitdem werden die Namen der Mitglieder des Vorstandes snatür-lich nicht der Mitglieder) der Polizei fein säuberlilb auf Schreib-papier mitgeteilt. Darum erst recht: hinein, Ihr Erwachsenen, inden Verein!Einige Hauseigentümer haben es abgelehnt, an Sozial-demokraten ein Jugendheim zu vermieten. Wo solche dennoch er«richtet sind— es leiden doch nicht alle Hauseigentümeran moralischem Irrsinn— kain die Polizei daher. Die-selbe Behörde, die bis heute noch nicht die Polizei-lichen Totschläger, die den Tod des ArbeitersHerrmann verschuldet haben, ermittelt hat,loendete ungeheure Aufmerksamkeit den Arbeiterjugendheimen zu.Da wurde ausfindig zu machen gesucht, der Jugendheimleiterhinterziehe Schanksteuer, weil— alkoholfreie Getränke unter Mitverwendung eines Teiles des Vereinsvermögeirsim Jugendheim ausgeschänkl wurden. Das Verfahren mußte frei-lich eingestellt werden, weil auch ein Preisausschreiben keinen Staats-anwalt auf die Beine hätte bringen können, der an-nähme, ein Gericht würde auf die haltlose Anklage hineine Verurteilung eintreten lassen. Dann warf sich diepolitische Polizei auf Vorschriften der Baupolizei. Siefand herans, der Hof des Hauses, in dem ein Jugendheim liegt, seizu klein, die Türen zu scbmal usw., wiewohl bürgerliche Jugendheim-Häuser weit schmalere Türen und engere Höfe ausweisen. All dieseund andere Drangsalierungen sind Nadelstiche, über die das Prole-tariat lacht, das Narben in reichster Fülle aufzuweisen hat, die esaber in dem Willen bestärken müssen: Nun bleiben wir er strecht nicht untätig, nun erst recht:Her mit neuen Jugendheimen.Die wenigen Jugendheime, die bisher in Groß-Berlin eingerichtetwerden konnten, befinden sich an folgenden Orten:Berlin, Heim I: dl, Brunnenstr. 70.Berlin, Heim II; 0, Große Frankfurter Str. 122/123.Berlin, Heim III: Wilhelmshavener Str. 21(von Oktober:SiemenSstr. 12).AdlcrShaf: Bismarckstr. 11.Köpenick: Schönerlinder Str. 5, Hof parterre.Charlottcnburg: Volkshans, Rosinenstr. 3.Friedrichshilgen: Friedrichstr. 60, 2. Hof parterre.Johannisthal: Friedrichstr. 63.Lichtenberg: Dossestr. 22.Neukölln: Ideal-Passage.Obcr-Schönctvcidc: Klarastr. 2, vorn parterre.Röntgcnthal:. bei Pierow, Kaiser-Friedrich-Straße.Tegel: Schlieperstr. 30, parterre.Tempelhof-Maricndorf: Kaiser-Wilhelm-Str. 76, Hof parterre.Treptow, Ortsteil Baumschulcnwcg: Ernststr. 24.Wilhclmsruh-Roscnthal I; Lindenallee 30, Gartenhaus parterre.Die Heime sind geöffnet:Wochentags von 6 bis 10 Uhr nachmittag».Sonntags von 4 bis 10 Uhr nachmittagsUnser Nachwuchs darf nicht den Feinden der Arbeiterklaffe auS-geliefert werden. Mehr Jugendheime tun dringendn o t. Damit sie errichtet werden können,tretet dem Verein Arbeiterjugendheim bei!Beitrittserklärungen für den Verein Arbeiterjugend-heim können jederzeit in den Zahlabenden, ferner in denBureaus der Wahlvereine und im Jugendsekretariat, Lindenstraße 2,abgegeben werden.Der Mouatsbeitrag für den Verein beträgt10 Pfennig.Auch höhere, freiwillige Zuwendungen zu leisten, steht natürlichden besser situierten Parteigenossen frei. Einer für alle— alle füreinen.Hinein in den Verein Arbeiterjugendheim!Soziales.Eine Stadtverwaltung unter sozialistischer Leitung.Schenktady, eine Mittelstadt im Staate New Aork, steht seitNovember 1911 unter sozialistischer Verwaltung. Was diese trotzaller Umtriebe der„respektablen" Kreise und ihrer Presse, trotz allervon den übernommenen bürgerlichen Beamten und den Gerichtenplanmäßig bereiteten Schwierigkeiten für das Gemeinwohl ge-schaffen hat, bezeugt der kürzlich vom Genossen Walter Krucsi,dem Wohltätigkeitskommiffar, erstattete Verwaltungsbericht.An der Spitze steht die Gesundheitsfürsorge. Die Zahl derStadtärztc wurde verdoppelt, die Zahl der Dienststunden fürSchulen und Gemeinde erhöht. Die städtischen Pflegerinnen stiegenvon 3 auf 8: 0 für die Schulen, je eine für Tuberkulose undSchwangere. Jedes Schulkind wird sorgfältig überwacht, Arbeits-erlaubnis für Kinder nur nach vorheriger ärztlicher Untersuchungerteilt. Kinder haben freie zahnarztliche Behandlung, jeder be-dürftige Kranke Anspruch auf freie Behandlung und Medizin.Besondere Aufmerksamkeit findet die Nahrungsmittelkontrolle. DieMilch wird scharf überwacht, ein chemisch-bakteriologisches Labors-torium wurde errichtet. Die Erfolge blieben nicht aus: die Stadtist seit 1909 um 14 Proz. gewachsen, aber die Zahl der Todesfälleging zurück.Weitgehende Förderung fand die Wohlfahrtspflege. Wohl-tätigkeitsbeamte wurden angestellt, um für ausreichende Armen-pflege zu sorgen. Die Kinder gewisser Schulklassen erhielten freieSpeisung. Viele Freikonzerte und Vorträge und für die KinderSonntagsausflüge und Kinovorstellungen wurden veranstaltet.7 Jugendspielplätze wurden eröffnet; vorher gab es keine dort. Manmutz bei diesen Maßregeln, die großenteils keinen ausgesprochensozialistischen Charakter haben und denen in Europa auch vonbürgerlicher Seite Aehnliches an die Seite gestellt werden kann, andie Verwahrlosung des Gemeindelebens, wie es in so vielenStädten der Union herrscht, denken. Ohne die Sozialisten hättedie Stadt lange auf solche Reformen warten können.Aber auch in das wirtschaftliche Leben und seine Kämpfe griffdie Verwaltung im Interesse der Arbeiter und Konsumentenenergisch ein. Zwei Streiks wurden durch hie Haltung der Stadt-behörden gewonnen. In einem Falle wurde den Unternehmernverboten, ihre„zum Schutze ihres Eigentums bewaffneten Privat-Wächter"— die berüchtigten Pinkerton-Berufsstrrilbrrcher— aufdie Straße zu schicken. Sie mußten in den Hofräumen bleibenund konnten die Streikenden nicht provozieren. Im anderen Fallehandelte es sich um einen Straßcnbahubau. Der Baugcsellschaftwurde mitgeteilt, die Stadt könne die Straßen nicht länger alseine bestimmte Zahl von Stunden aufgerissen liegen lassen undwerde nötigenfalls die Reparaturen selbst auf Kosten der Gesell-schaft vornehmen lassen. Die Arbeiter erhielten sofort die geforderteLohnerhöhung.Weiter wurde für die Arbeitslosen gesorgt: städtischer Arbeits-Nachweis— in Verbindung damit ein Logierhaus, das Abendbrot,Bett, Bad und Frühstück verabreicht—, eine städtische Farm fürLandarbeit Arbeitsloser. Ihre Erzeugnisse werden im Winter andie Bedürftigen verteilt. Zum Kampfe gegen die Wohnungsnotwurde ein Baugesetz geschaffen, das die Stadt in der Bekämpfungder Wohnhöhlen sslums) an die Spitze stellt. Ueberall sollen ParkSangelegt werden. 8 Schulen wurden errichtet, deren jede einenSpielplatz von 6000 Quadratmetern erhalten soll. Die Halbtags»schule ist nun verschwunden.Die Stadt nahm ferner die Lieferung von Kohlen, Eis undKolonialwaren zum Selbstkostenpreise in die Hand. Dagegenklagten die Händler, und die Gerichte verboten der Stadt dieseGeschäfte, die außerhalb ihrer Aufgabe lägen. Nun nahmen ein-zelne Beamte privat die Eislieferung selbst vor, doch war dieWeiterentwickelung dieser Art öffentlicher Fürsorge unterbunden.Einen wirksamen Schlag gegen die„xrakterz", die korrupten undkorrumpierenden Lieferanten, führte man durch sorgfältige Re-Vision der Lieferungsbedingungen. So wurden allein in einemJahre rund 100 000 Dollar an der Straßcnpflasterung gespart.—Zur Hebung der Sittlichkeit erfolgte die Schließung der Spielhöllenund Bordelle. Doch war es unmöglich, sie völlig zu beseitigen.Immer wieder tauchten welche für einige Zeit auf,„um uns daranzu erinnern, daß die Wurzel dieses Uebels tief im kapitalistischenSystem eingebettet liegt und daß lokale Bestrebungen nicht genügen,um es auszurotten".Man kann es begreifen, daß alle in ihren heiligen Gefühlenverletzten Interessenten: Unternehmer und Händler, Spekulanten,Kuppler und Geschäftspolitiker, alles daransetzen, diese verhaßtenUmstürzler, denen gegenüber alle Parteigegensätze verschwinden,bei der Wahl im Herbste zu werfen. Unter der wehenden Unions-flagge und dem Segen der katholischen Kirche werden sie für Vater-land und Familie gegen die Vaterlandslosen, denen nichts heiligist, anstürmen. Es wird sich zeigen, ob die Arbeiterbewegung schonhinreichend gefestigt ist, um dem Toben der Ausbeuterhorde diegebührende Abweisung zuteil werden zu lassen.(Siehe auch 1. Beilage.)Serickts- Leitung.Das verdächtige Schulheft.Mit welchem Raffinement Verbrecher vorgehen, um einem inder Irrenanstalt befindlichen„geisteskranken" Komplizen zu be-freien, zeigte eine Verhandlung, die gestern die 3. Ferienstraf-kammer des Landgerichts III beschäftigte. Wegen versuchter Ge-fangcnenbefrciung ivar die Arbeiterfrau Frieda Schwarz ausMagdeburg angeklagt.— Die Angeklagte, die selbst bisher völlig un-beschälten ist, ist die Schwester des zu der sogenannten Kirsch-Kolonne gehörenden Einbrechers Otto Hinze. Hinze war, nachdemer eine Zuchthausstrafe von 10 Jahren verbüßt hatte, im Jahre1908 wegen eines Einbruchs, bei dem er auf die Kriminalbeamtengeschossen hatte, von der Strafkammer des Landgerichts l zu achtJahren Zuchthaus verurteilt worden. Er spielte in der Straf-anstalt den„Verrückten", so daß er schließlich nach der IrrenanstaltBuch gebracht wurde, wo er in dem sogenannten festen Haus unter»gebracht wurde. Während er hier saß, waren seine Komplizenunermüdlich an der Arbeit, ihm eine Gelegenheit zur Flucht zuverschaffen. Während ihnen dies bei dem zu derselben Einbrecher-bände gehörenden Verbrecher Mar Gorski durch Bestechung einesspäter zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis verurteilten Pflegers derAnstalt Buch gelang, waren ihre Bemühungen bezüglich des Hinzeohne Erfolg. Im Juni d. I. lief ein von der Schwester des Hinze,der jetzigen Angeklagten, abgesandtes Paket bei der Anstalt ein, dasaußer Wurst, Butter, Obst und Zigaretten auch Schreibutcnsilien,zu denen auch ein dickes Schulheft, ein sogenanntes Diarium, ge-'hörte. Durch die eigentümliche Schwere des Heftes wurde manstutzig und man fand in dem Pappdeckel verborgen 8 Stahlsägcnund eine dünne Feile, die offenbar zum Durchsägen der eisernenFenstergitter dienen sollten.— Die Absenderin behauptet bei ihrerVernehmung, daß ihr das Buch einige Tage vorher von einem Un-bekannten übergeben worden sei, mit der Bitte, es ihrem Bruder zuschicken.— Das Schöffengericht erkannte mit Rücksicht darauf, daßes sich um den zum Glück durchkreuzten Befreiungsplan eines ge-fährlichen Einbrechers handele, auf 6 Wochen Gefängnis. In derBerufungsinstanz machte Rechtsanwalt Dr. Scnglier für die An-geklagte als strafmildernd geltend, daß es sich um eine bisher un-bescholtene einfache Frau handele, die sich offenbar der Schwereihrer Verfehlung gar nicht recht bewußt gewesen sei. Das Gerichtschloß sich diesen Ausführungen an und ermäßigte die Strafe auf3 Wochen Gefängnis._VogclfreieS Gesinde.Die Rechtlosigkeit der Dienstboten wurde wieder einmal in einerStrafkammersitzung in Hirschberg gerichtlich dokumentiert. DieMagd eines Großgrundbesitzers aus HohcnpeterSdorf, Kreis Bollen-Hain, war während der Osterfeiertage über den ihr gewährten Er-holungsurlaub, der in der Regel sich nur auf wenige Stunden er-streckt, etwas länger ausgeblieben. Als die Magd zurückkehrte,wurde sie von der„Gnädigen" gefragt, wo sie wieder herum-gehurt habe. Das mit Recht über diese Unverschämtheitempörte Mädchen frug darauf die„Gnädige", ob sie esfrüher, wenn sie ausging, etwa so gemacht habe. Das war für dieeinen so„vornehmen" Ton führende Madam vom Lande zu viel.Als dann später der„Dienstherr" nach Hause kam, wollte er gegendie„unbotmäßige" Magd„einschreiten". Da diese aber deinRächer der Ehre seiner Frau nicht im unklaren darüber ließ,daß sie sich von ihm nichts Unrechtes gefallen lassen wolle.mißbandelte dieser daS Mädchen so. daß diese sich in ärzt-liche Behandlung begeben mußte und Anzeige erstattete.Die Strafkammer erkannte sonderbarerweise auf Freisprechungdes schlagfertigen Gutsbesitzers, und zwar mit folgender Begründung:„Der Angeklagte habe sich der einfachen Körperverletzungschuldig gemacht, dies sei durch daS Attest des Arztes und durch dieeigenen Angaben deS Angeklagten erwiesen. Der Angeklagte sei oberfreizusprechen, weil er eine„Beleidigung", die ihm daSMädchen zugefügt habe, auf der Stelle erwidert habe, und zwardurch die Ohrfeigen. Wenn auch der Angellagte nicht formell be-leidigt wurde, so mutzte er jedoch durch die Aeußerung der Dienst-magd:„Ich lasse mir eben von Ihnen nichts safjen", eine Mißachtung erblicken, die als Beleidigung aufzufassen sei."Darauf, daß das Dienstmädchen durch die Frau des miß-handelnden Gutsbesitzers schwer in ihrer Ehre gekränkt nurde unddessen Frau die eigentliche Urheberin der Beleidigung gewesen ist,scheint das Gericht keinen Wert gelegt zu haben. Nach der Auf-fassung der Hirschberger Richter wird das Gesinde aus Grund deralten vermoderten Gcsindeordnung für vogelfrei erklärt.Das heißt also, jeder Dienstgeber kann eine wörtliche Beleidigung,wenn man in dem vorliegenden Fall von einer solchen reden kann.durch einige kräftige Ohrfeigen oder andere körperliche Mißhandlungensühnen.