Nr. 211.
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Die Jubelfeier
Sonntag, den 17. August 1913.
Staatsreligion, neben der es keine anderen Götter geben legtemal den ruhenden Freund. An der Bahre selbst halten durfte. Lehnte die Kirche das aus Achtung vor der Gewissens vier Genossen regungslos und still die Totenwache. freiheit ab, trat sie ein für das gleiche Recht jedes Glaubens Seit Freitag währt der Strom der Fremden. Zürich ist der Gewiffensfreiheit. und jeder Meinung? Nein! Sie freute sich des Vorrechts für diese Tage vielen die Heimat der Welt geworden. Zum und machte angemessenen Gebrauch davon durch Kriege gegen Auf der Mitgliedskarte zum diesjährigen Katho. die Ungläubigen und Niedermezelungen der Keker, durch" Volkshaus" pilgern sie, vorbei an Blumenläden, die alle voll Tikentag, der heute in Meß zusammentritt, sieht man, Inquisitionsgerichte mit ihren Folterkommern und Scheiter- find von rotbebänderten Kränzen, zum„ Volkshaus", zu dem wie ein Fahnenschaft, an dessen Spike in einem Lorbeer- haufen. Und heute noch verwirft die Kirche die Forderung die sich stauende Menge schon von fern den Weg zeigt. Alles wie ein Fahnenschaft, an dessen Spike in einem Lorbeer- der Gewissensfreiheit als gröbliche Reßerei. Papst Pius IX. in wortlosem Schweigen, als hätten die besten und reinsten franze das Christusmonogramm hängt, den den heidnischen Drachen durchbohrt, der wutschnaubend auf den Schaft ein- berdammt in seinem Syllabus vom Jahre 1864 den Satz: Gefühle aller Dasein geläutert. Schon tauchen aus der Menge beißt. Das purpurne Fahnentuch trägt in der Mitte das" Es steht jedem Menschen frei, diejenige Religion aufzu- die bekannten Führerköpfe der Internationale auf, die letzten Medaillon Kaiser Konstantins , rechts davon das Bildnis nehmen und zu bekennen, die einer, vom Lichte der Vernunft Freunde des Toten. Auch sie sind still und ihre Züge furcht seines Zeitgenossen Papst Melchiades und links das des geleitet, für wahr hält." Und weiter verdammt er den Sat: der Schmerz um August Bebel . Sie trauern nicht nur um Papstes Pius X. , des gegenwärtigen Oberhauptes der katho-" In unserer Zeit ist es nicht mehr zuträglich, daß die katho- den Führer der gemeinsamen Sache, sondern auch um den lischen Kirche. Unten sieht man in zwei Feldern die Peters. lische Religion mit Ausschluß aller übrigen Kulte als einzige persönlichen Gefährten eines langen Kämpferlebens. Noch Staatsreligion gelte." Und im Staatslerifon der Görres- Gesellschaft, das von einmal nehmen sie das körperliche Bild des Freundes auf, sich behauptet, daß es die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft das morgen für immer verfällt. mit strenger Wahrung des katholischen Standpunktes" behandele, finden sich( 1. Auflage 1889 bis 1897) im Band I folgende Säße:
firche in Rom und die Kathedrale von Meß. Die oberen Ecken tragen die Jahreszahlen 313 und 1913. Die Ungeheuer, auf denen die Zahlen ruhen, deuten die feindlichen Mächte an, die damals die Kirche umtobten und wie die Erklärung des Bildes durch die Zentrumspresse wissen läßt auch heute noch tätig sind.
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Religiöser Indifferentismus oder religiöser Autonomismus, d. h. die Freiheit, in regiösen Dingen sich selbst nach Belieben eine Meinung zu bilden, ist geradezu unsittlich und verwerflich.( Spalte 867.)
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Außer der unzählbaren Menge der Kränze der Sozialdemokraten aller Länder sind auch Huldigungen der bürgerlichen Welt zu schauen. Der Stadtrat von Zürich hat einen Kranz mit weißblauen Bändern niederlegen lassen und eine Rundgebung ist zu sehen aus dem Kreise der bürgerlichen Niemals wird man vom Standpunkt der positiven Offen- Intelligenz, in der und für die Bebel doch lange Zeit so viele barung aus zugeben können, Religionsfreiheit Sympathien hatte. Eine Spende des Bundes freier sei ein wahres soziales Gut, das Christentum Akademiker in München ist auch eingegangen. selbst verlange dieselbe.( Spalte 876.)
Ist aber Glaubensfreiheit... unvereinbar mit dem natürlichen und göttlichen Gesetze, so kann auch die Kirche sie nicht gestatten.( Spalte 868.)
Wie durch die Mitgliedskarte, so wird es auch durch die Einladung des Lokalkomitees und die zahlreichen auf die Metzer Woche hinweisenden Artikel in der schwarzen Presse fundgetan, daß der diesjährige Katholikentag besonders der Erinnerung an das Mailänder Edikt vom Jahre 313 gewidmet ſein soll. Durch dieses Edikt verkündete Raiser Konstantin in Gemeinschaft mit Kaiser Licinius, dem Herrscher im Osten, die Gewissens- und Glaubens. Der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie ist freiheit für das römische Reich; er gewährte diese Freivollzählig anwesend, mit alleiniger Ausnahme Haases, der heit ausdrücklich auch den Christen und sprach die Rückerstatjüngst eine Operation durchmachen mußte und sich noch in der tung ihrer in der Verfolgungszeit beschlagnahmten Güter aus. Klinik befindet. Aus der großen Zahl der bereits eingeDer Anlaß nimmt Bezug auf eine Verfügung der beiden Die ersten Autoritäten der katholischen Theologie und Rechts- troffenen deutschen Parteigenossen seien nur genannt: Richard Kaiser vom Jahre 311, worin ebenfalls schon die Glaubenswissenschaften sprechen sich dahin aus, daß ein katholischer Fischer, Ledebour , Stadthagen , Kautsky , Rosa Luxemburg , und Gewissensfreiheit ausgesprochen sei, allerdings unter Be Regent nie ohne die dringendste Notwendigkeit dingungen, die vielleicht manchen vom Christentum abgehalten Religionsfreiheit zum Gesek machen dürfe. Regien, Frank; von den Berlinern die Delegierten der Ber liner Parteiorganisation, die Genossen Ernst, Groger und hätten. Nunmehr aber solle allgemein und uneingeschränkt ( Spalte 876.) den Christen sowohl wie allen andern freie Und nun vergleiche man mit diesen Säten des Ober. Fahrow, ferner Körsten, Ritter und viele andere. Aus Wahl zustehen, derjenigen Richtung zu bauptes und der Gelehrten des heutigen Kelerifalismus die Desterreich Viktor Adler , Adelheid Popp und Hueber; aus folgen, der sie immer wollen, damit die Gottheit Säße des Mailänder Edikts und entscheide, ob sich nicht der Ungarn Buchinger ; aus Frankreich Thomas und Brace, und das himmlische Wesen, was es auch sein mag, uns und Pontifex maximus der römischen Heidenschaft, der alte während Vaillant, Jaurès und Guesde durch Krankheit verallen unseren Untertanen gewogen und gnädig sein möge". Sünder und Mörder Konstantin , schamvoll im Grabe herum- hindert sind; aus England ist Keir Hardie bereits eingeDie Notwendigkeit der Glaubens- und Gewissensfreiheit drehen würde, wenn er wüßte, was die heutigen Christen troffen. Der Kranz des Stadtrates von Zürich ist durch dessen wird in dem Erlaß, der an den römischen Bischof gerichtet ist, aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit gemacht haben. Vizepräsidenten niedergelegt worden. immer wieder betont und zum Schluß heißt es: Und mit welchem Rechte, so darf man fragen, soll sich die Der Andrang des Proletariats der Schweiz zur TotenDa wir nun dieses den Christen ohne alle Beschränkung ge- 60. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands , die feier ist so gewaltig, daß die Teilnehmer unmöglich am Zug stattet haben, so sieht Deine Hoheit ein, daß damit auch anderen heute in Meß ihre Tore öffnet, für das Mailänder Edikt und selbst teilnehmen können, nur die Familienangehörigen, die die Freiheit gegeben ist, die ihnen zusagende die von ihm verliehene Gewissensfreiheit begeistern? Mit ſelbſt teilnehmen können, nur die Familienangehörigen, die Religion anzunehmen und auszuüben. Denn es dem Rechte, das die Unwissenheit der frommen Masse den Kranzträger und Abordnungen können Zutritt zur Einist offenbar der Ruhe unserer Zeit angemessen, daß jeder die Flugen Leuten gibt, die davon den richtigen Gebrauch zu äscherung erlangen. Für die Massen wird die Trauerfeier Freiheit habe, sich eine Gottheit zu wählen und machen wissen. In Metz wird keine Geschichte getrieben, da unter freiem Himmel, auf einer Wiese, stattfinden und eine die zu verehren, welche er immer will. Dies ist aber wird die Volksseele zum Kochen gebracht wider die Un- große Anzahl ausländischer und schweizerischer Redner werden von uns in der Abficht geschehen, damit es nicht den An- geheuer", die auf der Mitgliedskarte sinnvoll angedeutet wer- hierbei Gedächtnisansprachen halten. Am Sarge selbst werden schein habe, als wollten wir irgendeine Art der den, gegen die feindlichen Mächte", die damals tobten und nur kurze Ansprachen gehalten werden, und zwar voraussichtGottes verehrung und des Gottesdienstes in heute angeblich nicht minder wider die Kirche, ihr Oberhaupt, lich zuerst Molkenbuhr für den Parteivorstand, R. Fischer etwas beeinträchtigen. die Ordensgesellschaften, die christliche Schule usw. wüten. Mit einem Rauschgemisch von frommer Verzückung und Der dies verfügte, war kein Christ, sondern ein Heide. für die Fraktion, dann die Redner der Generalfommission, Erst kurz vor seinem Tode( 337) ließ Konstantin fich taufen. roher Glaubenswut wird man, wie üblich, auch in Meß den des Internationalen Bureaus und der Schweizer Parteileitung. Das priesterliche Amt des des heidnischen Zweifel und den Zwiespalt, die das Innere des heutigen Pontifex maximus behielt er bis an fein Alerikalismus durchfressen, zu dämpfen suchen. Und indem Lebensende bei. Es stimmt also nicht ganz mit dem man der Masse ein Bild von Einheit, Größe und Glanz vorchristlichen Fahnenschaft", der den heidnischen Drachen" malt, lenkt man den Blick ab von der Wahrheit, daß es in durchbohrt. Man könnte auch sagen, der Heide Konstantin feiner Gemeinschaft schlimmer und wirrer, gehässiger und habe das Christentum besiegt, indem er es seinen Staats- gewalttätiger zugeht, als im Lager der katholischen Christenzwecken unterordnete und damit jenes bedenkliche Verhältnis heit, insbesondere Deutschlands . Nur in einem ist die Kirche schuf, unter dem der Staat zwar viel, die Kirche auf die Dauer groß und unerschütterlich, und in diesem einen würde auch aber noch viel mehr zu leiden hatte. Jedenfalls waren es nicht Ronstantin ihr die Anerkennung nicht versagen. Nämlich in religiöse, sondern staatspolitische Gründe, die Konstantin ver- dem Streben, die Massen in leiblicher und geistiger Bescheidenanlaßten, dem Christentum Duldung und Gleichberechtigung beit zu halten getreu der Hauptforderung ihres Kulturzu gewähren. Er machte sich die Organisation der Christen programms: Wer Knecht ist, soll Anecht bleiben! nußbar zur Zusammenfassung seines lockeren und unruhigen Reiches, und ihre Lehren erschienen ihm geeignet zur Erziehung guter Untertanen, folgsamer Soldaten, pünktlicher Steuerzahler und williger Arbeiter.
versammlung
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Der stille Bebel.
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Das Husland zu Bebels Cod.
Das Zentralorgan der französischen Partei, die Humanité", erschien mit Trauerrand. In dem Gedächtnisartikel heißt es: Ein grausamer Schmerz hat den internationalen Sozialismus getroffen. August Bebel ist nicht mehr
Der Tod des ruhmreichen Veteranen wird ein schmerzliches Echo überall wecken, wo Proletarier um ihre Befreiung fämpfen.
Der Führer der deutschen Sozialdemokratie war bekannt, verehrt und geliebt in der ganzen Internationale. Und nicht nur die deutsche Arbeiterklasse, auch das kämpfende Proletariat aller Länder darf sich voll Stolz wiedererkennen in der großen Persönlichkeit des Dahingeschiedenen.
Er war ein Sohn des Volkes und ein Sohn seiner Arbeit im strengsten Sinne des Worts.
Aber abgesehen von den Beweggründen, bleibt die Tatfache bestehen, daß er für sein Reich die Glaubens- und Ge- Der große Saal des Volkshauses" ist schwarz verhüllt wissensfreiheit, allgemein und uneingeschränkt, einführte. und eine Fülle von Blumen strömt ihre Düfte aus. UngeInsofern steht er, der heidnische Pontifex maximus Ron- zählte Kränze mit roten Schleifen und goldenen Widmungen August Bebel verkörperte, so darf man sagen, die besten stantin, über dem christlichen Pontifex maximus Pius X. , bilden einen stillen, wehmütigen Garten, in dem der Leib Tugenden der aufsteigenden und kämpfenden Klasse, in der dem Urheber des Modernisteneides. Vom sittlichen Stand- Bebels die letzten Stunden schlummert, bevor ihn die Flamme er geboren wurde und der er sein ganzes Leben gewidmet hat, punkt aus betrachtet, war Konstantin ein durchaus skrupel- in die letzte große Gemeinschaft alles Irdischen zurückführt. ein Leben boller Arbeit, voll beharrlicher Anstrengungen, Loſer Mensch, der vor keiner Gemeinheit und Niedertracht, Rosen, Nelken, Orchideen- die letzte dichtgedrängte Volfs- unaufhörlicher Kämpfe und Opfer ohne Zahl. nicht einmal vor dem Mord an seinen nächsten Die Abendsonne sendet ihre legten Verwandten, zurückschrat. Man könnte meinen, es sei für Pius X . eine Ehre, neben diesem Unhold im Bilde ver. Strahlen, die zu Füßen des Führers erlöschen. Sonst alles einigt zu sein. Aber nach klerikalen Begriffen ist Konstantin still und stumm. Ins Ewige wirkt die blühende Gemeinde gereinigt. In der Vereinigung akademisch gebildeter Ratho- und ihr Führer... Ueberall Blumen und auf ihnen gelifen in Köln hat fürzlch ein ultramontaner Professor namens bettet ruht der Leib August Bebels. Im legten Zwielicht Lauscher zwar die ,, fittliche Bedenklichkeit" gewisser Handlungen leuchtet das Gesicht, die Schönheit seiner Züge ist durch die Konstantins zugegeben, aber, so meint der Gottesmann, unveränderliche Ruhe noch geläutert es fündet die Zusittliche Entgleisungen beweisen nichts gegen die Ehrlichkeit versicht der gequälten und doch zukunftsgläubigen, weil und Festigkeit religiöser Ueberzeugungen, sonst müßte man zukunftswilligen Menschheit. Die Augen sind geschlossen, sie auch Karl dem Großen in Hinblick auf das Blutbad von wollen ganz nach innen in die Tiefe schauen. Berden die christliche Ueberzeugung absprechen." Grundschlecht, aber fromm und das genügt! Zwischen den Blumen aber wandert vom frühen Morgen Unter Ronstantin war das Christentum geduldet und bis zum späten Abend in stetem Strom das Volf von Zürich : gleichberechtigt mit anderen Religionen. Später wurde es! Männer, Frauen und Kinder. Sie grüßen in Andacht das
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Bevor er sich dem Kampfe um die Befreiung des Proletariats widmete, bat er sich selbst befreien müssen von den Vorurteilen des Milieus und der Zeit, in der er seine Jugend verbracht hatte.
Ist das nicht mehr oder minder das Los jedes Proletariers, der sich zur Erkenntnis seiner Klasseninteressen, zur Erfassung ihrer großen historischen Mission erhebt?" Die Humanité" erwähnt sodann den mutigen Protest Bebels und Liebknechts gegen die Einverleibung ElsaßLothringens und bemerkt dazu:
In einem von seinen Siegen berauschten Lande war die Haltung einer kleinen Minderheit eine mutige Tat, die über allen Lobeserhebungen steht. Bebel und Liebknecht hatten