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tivcc warum mißgönnt der Einsender Bebel den Ehrentitel eines menschlichen Ehrenmannes? Weil er unter seiner Abgeordneten« Immunität.ehrenrührige Verleumdungen gegen wehrlose Männer geschleudert" habe. Das ist natürlich eine drei st e Unwahrheit. Denn wenn Bebel beispielsweise gegen einen Peters schärfste Angriffe erhob, so waren diese Angriffe, wie noch der letzte PeterS-Prozeß bewiesen hat. nur zu begründet. Nichtsdestoweniger empfiehlt der der Kreuz-Zeitung " offenbar so sehr aus dem Herzen sprechende Ein« iender in direktester Verbindung mit Bebel, daß die staatserhaltende Presse.lieber auf gut deutsch einen Ehrabschneider auch einen Ehrabschneider nennen' möge,.gleichviel in welcher Eigenschaft er dieS Gewerbe treibe.' Das ist natürlich kein Sauherdentoni Besonders originell macht es sich, daß die moralische Entrüstung dieses konservativen Biedermannes sich auch gegen die.Kreuz- Zeitung ' selbst richtet. Denn auch sie hat in ihrem Bebel gewidmeten Nekrolog anerkannt, daß Bebel wenigstens.ein ehr- licher Schwärmer' gewesen sei. Will sie es jetzt also lieber damit Jjalten, ihn einen Ehrabschneider zu nennen? Man wird uns nicht zumuten, uns über solche Läppischkeiten sittlich zu entrüsten. Das reaktionäre Preßgelichter bringt sich ja dadurch nur selbst bei allen nicht gänzlich dem Hirnschwund ver- fallenen Elementen in Mißkredit. Erwähnt sei des komischen Bei- gcschmacks wegen nur, daß der Angriff der.Kreuz-Zeitung ' resp. ihres Gewährsmannes gegen die.Berliner Reue st en Nachrichten' gerichtet ist, also gegen ein ausgesprochenstes Scharfmacherorgan!_ Katholikentag Zentrumstag! Da? in Breslau erscheinende antibachemsche.Katholische Deutschland' bringt in seiner jüngsten Nummer einen Leitartikel: .Eine vergeffene Hauptaufgabe der deutschen Katholikentage'. Diese Hauptaufgabe ist.die Wiedergewinnung Deutschlands für den katholischen Glauben". ES heißt in dem Artikel: .Für die Heiden in Missionen opfern wir viel, aber neben unS lassen wir Millionen unsterblicher Seelen schmachten und ver« schmachten ohne Sakramente, ohne Wahrheit, ohne Trost im Tode I Und es ist ja nicht einmal wahr, daß sich der ver- ständige Irrgläubige dadurch verletzt fühlen könnte, wenn man ihn aus Liebe und mit Liebe zur Wahrheit ruft. Die Irrgläubigen haben trotz ihrer geistigen Bettelarmut.Evangelisationsvereine' für.Bekehrung' der Katholiken gegründet, und es ist falsch, hierin lediglich Falschheit und Bosheit zu sehen, vielfach ist bei ihnen doch daS Motiv die Nächstenliebe, die uns Katholiken aus unserer vermeintlichen Finsternis besreien will. Und wir Katholiken sollten solche Liebe nichr haben?... Früher, bis 18S9, wurde auf den Katholikentagen wenigstens noch eine Empfehlung des Canisius-GebetSvereinS zur Ver« einigung Deutschlands im Glauben ausgesprochen; seither ist auch diese unterblieben, ja ein ähnlicher Antrag von unS befreundeter Seite wurde nicht einmal vorgelegt und schließ- lich in rauher Form uns verboten, ihn einzureichen. Der Antrag lautete dahingehend, daß im Hinblick auf die Un- tviffenheit der getrennten Brüder und die ständig zunehmende Ent« christlichung innerhalb des deutschen Protestantismus, die Be- gründung eines.Vereins zur Ausbreitung der katholischen Wahr- heit' in die Wege geleitet werden müsse." DaS ablehnende Schreiben des.Zentralkomitees für die Generalversammlungen der Katholiken Deutschlands ' ist vom 11. August 1912 aus Aachen datiert und von dem Generalsekretär Dr. Donders unterzeichnet. Mit der Ablehnung wird die Bitte ver« bunden,.um diesen nun schon so oft eingereichten, für das Zentral« komitee an sich unmöglichen Antrag nicht mehr sich zu be- mühen". Vom Standpunkt des Katholizismus ist das Verlangen des BreSlauer.Quertreiber'-OrganS durchaus konsequent: Der römische Katholizismus beansprucht, die alleinseligmachende Religion zu sein; jeder Nichtkatholik ist irrgläubig, und eS ist Christen- und Nächstenpflicht, ist GotteS Gebot, den Andersgläubigen für die alleinseligmachende Kirche zu gewinnen! Wenn die Macher der Katholikentage dieS nicht gelten lasten und dahingerichtete Bestrebungen unterdrücken, so handeln sie wider den Geist des Katho- liziSmuS; und eS gibt dafür nur eine Ertlärung: diese Be­strebungen laufen zurzeit gewissen Interessen der Leitung der Z e n- trum spartet zuwider. So schreibt denn auch der Verfasser des Artikels im.Kath. Deutschland ", Pfarrer Dr. NieborowSki, zum Schluß: .Nun, auf dem nächsten Katholikentage wird ein ähnlicher Antrag von der.Katholischen Aktion' vorgelegt werden. Und ein solcher Antrag wjrd der Prüfstein werden, ob der Katholikentag ein Zentrumstag ist oder nicht. Denn, um noch dies zu sagen: Welches ist denn der tiesste Grund, daß seit 40 Jahren kein Versuch mehr gemacht wird, die armen Protestanten der katholischen Wahrheit zurückzugewinnen? Es ist die Furcht der Zentrumspartei , daß da- d u r ch ihr politisches Gewebe gestört und zer- rissen� w ü r d e. Deswegen wurde bei jedem derartigen Versuch sofort seitens des Zentrums so viel Bedauern und Ver- leugnen ausgesprochen, daß er bald unterblieb. Hat also p o I i- tische Rücksicht und das Geschrei politischer Zeitungen uns bisher von per Samaritertäligkeit an den armen Irrgläubigen ab- gehalten, von nun an werden wir einen heiligen Seelenkreuzzug antreten. Gott will es! Wer kann daran zweifeln, daß Gott die Bekehrung des Irrglaubens, der schon fast ganz Unglaube ge- worden ist, will? Also eine Hauptaufgabe der rein religiösen Katholikentage ist es, auf Mittel und Wege zu raten und zu taten, die Irrenden ins katholische Vaterhaus zurück­zuführen."__ Konservativer Wahlterrorismus. Der Wahlkampf in Ragnit -Pillkallen gibt ein sehr lehrreiches Bild von der Art, wie die Konservativen in ihren Domänen den Wahlkampf führen. Daß die Landräte e-Z als eine Selbstverständ­lichkeit ansehen, den Konservativen dienstbar zu sein, ist bekannt und nach dem Verhalten der Landräte richtet sich ganz natürlich auch das Verhalten der ihnen unterstellten Amtsvorsteher. Die fortschrittliche .KönigSbergcr Hartungsche Zeitung' teilt aus dem Wahlkampfe die beiden folgenden interessanten Vorkommnisse mit: .Der in Wischwill und Umgegend.regierende' Amtsvorsteher hält seineUntertanen" streng unter der Fuchtel. Ein Gastwirt in Kallwehlen schreibt dem Blatt:.Erteile zur Nachricht, daß ich zu der Versammlung, die am 17. d. M., nachmittags 3 Uhr, in meinem Lokal stattfinden soll, nicht mein Lokal zur Verfügung stellen kann, und bitte, einen anderen Platz zu wählen. Da Sie in Wischwill kein Lokal bekommen haben, so kann ich eS auch nicht machen, denn wir stehen alle unter einem Amtsvorsteher. Noch größer als in Kallwehlen ist die Furcht vor der Rache der Kon- servativen in Pagulbinnen. Dort wurde einem nationalliberalen Wahlhelfer sogar die Unterkunst für die Nacht verweigert, so daß der Mann trotz des schleckitcn Wetters unter freiem Himmel schlafen mußte. Was man überall im Vaterlande jedem Handwerlsburschen gewährt, mag er auch noch so abgerissen aussehen: ein schützendes Dach für die Nacht, das versagt man in Pagulbinnen einem ehr- baren Gewerbetreibenden, der sich bei seinen Berufsgenossen allgemeiner Achtung erfreut. Aus Furcht vor den konservativen Machthabern!' Daß der nationallibcrale Agitator keine gastliche Stätte fand wo er sein müdes Haupt niederlegen konnte, ist sicher sehr bedauer- lich; aber eS ist sozialdemokratischen Agitatoren in früheren Zeiten in liberalen Ortschaften um kein Haar besser gegangen. Jeder unserer älteren agitatorisch tätigen Genossen wird Beispiele hierfür aus seinen eigenen Erfahrungen anzuführen in der Lage sein. Vom kommunalen Dreiklaffenwahlrecht in Preuhen. In den Städten in Westfalen ist man gegenwärtig mit der Aufstellung und Auslegung der kommunalen Wählerlisten beschäftigt. Ein Einblick in dieselben zeigt die ungeheuerliche Rechtlosigkeit der Arbeiterschaft in diesem Jndustriebezirk. Die Verhältnisse der Stadt Hörde sind in dieser Beziehung typisch. In der e r st e n Abteilung wählen drei Wähler gegenüber 1415 in der zweiten und 4789 in der dritten Abteilung. Das will heißen: ein Wähler der ersten Abteilung besitzt ein 283m al größeres Wahlrecht als ein Wähler der zweiten Abteilung und ein 9S8mal größeres Wahlrechtals ein Wähler der dritten Abteilung. Artikel 4 der Verfassungsurkunde lautet:.Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich." Das Wahlrecht liefert die Illustration zu diesem Grundgesetz. Das Wahlrecht macht die Jndustrieherren zu unbeschränkten Herrschern in der Kommune und wie sich diese Herrschaft zum Nachteil der Bürgerschaft bemerkbar Klüt iillä tränen. AuS JTBn.sta n t i n op e I wird uns geschrieben: Welche Ungeheuerlichkeit der Krieg! Wenn in einer Schlacht Hunderte von Menschen verloren gehen, so fällt daS gar nicht mehr auf, eS mutz schon in die Tausende gehen, um daS Publikum auf» zurütteln! Man hat sich an das Blutvergießen, an alle Grausam- kciten und Schamlosigkeiten der Gewalttätigkeit gewöhnt, und die Opfer selbst des begangenen Massentötens scheinen unter die gleiche .Hypnose zu verfallen und klagen nicht mehr, drücken sich schweigend beiseite, als wenn sie durch das Unglück aus der menschlichen Ge- scllschaft ausgeschlossen worden wären. Ich sah ein Häuflein verängstigter, von diesem Unglück be- drückter Menschen, die wie durch ein Wunder dem allgemeinen Ge- metzcl entgangen waren, als ihre Dörfer zum Opfer sielen. ES sind das bulgarische Flüchtlinge. Den Rekord an Grausamkeiten hielten ja im zweiten Balkankriege die Bul- garen. Aber in diesem Teil sahen wir nicht bulgarische Peiniger, sondern bulgarische Märtyrer. Es sind Erwachsene von zwei Dörfern, die vom türkischen Heer, nach dem Rückzüge der Bul- garen, neu besetzt wurden: Bulgarhein und Poschamten. Ich will gleich an dieser Stelle noch hervorheben, daß nach übereinstimmen- der Erklärung aller, die ich ausfragte, die Grausamkeiten von den kurdischen und arabischen Reitern begangen wurden. Als die ersten Nachrichten von dem Gemetzel in den erwähnten Dörfern kamen, beeilte sich der griechische Patriarchat zu inter - venieren. Er beabsichtigte zugleich eine Kommission an Ort und Stelle zu senden, um eine Untersuchung vorzunehmen, kam aber später von seinem Gedanken ab und beschränkte sich darauf, die Flüchtlinge, die dem Massaker entkamen, auf der Insel Prinkope, in der Nähe von Konstantinopel , unterzubringen. Es scheint, daß man im griechischen Patriarchat annahm, die Bevölkerung jener Ortschaften sei griechisch; soll deshalb der Eifer der geistlichen Herren erlahmt haben, weil eS sich herausgestellt hat, daß es Bul- garen waren? Sie erzählten mir ihr Leid in einfachen Worten: es sind d,«. selben Geschichten, die man schon öfters gehört hat: Mord, Ver- gcwaltigung, Raub, keine Bestialität, die während dieses Krieges nicht auch vielfach an anderen Orten an Tausenden von Menschen begangen worden wäre. Immer dasselbe! Aber wie traurig. wie beschämend ist das für unsere sogenannte Zivilisation! Wir treten in den gewaltigen Hof deS griechischen Wachthauses, wo die Flüchtlinge untergebracht sind. In einer Ecke bemerken wir ein Häuflein Menschen, meistens Kinder, dann Frauen, dazwischen einige Männer. Sie haben sich über die Wiese zerstreut und sehen so hilflos und verlassen aus wie eine Schafherd«, die sich vor dem Sturme flüchtete. Ihre Mitteilungen über daS Vorgefallene sind durchaus über- einstimmend. Ich gebe die Erzählung eines Jungen wieder, der klar und ohne viel Uebcrlegung meine Fragen beantwortet«. Vater, Mutter sind weg. Auch die Großmutter, der Onkel. Ich weiß nicht, wo sie sind. ES war am Tage. Da sahen wir, es kommen die türkischen Soldaten. Lauter Kavallerie. Kurden und Araber. Wir gingen ihnen entgegen, mit dem Popen. Brachten ihn«n Brot, Eier, Butter. Drei, vier Tage fütterten wir sie. Dann flohen wir in die Berge...." Warum seid ihr denn geflohen?" Die Soldaten begannen uns zu bedrohen. Wir bekamen urcht und flohen in die Berge. Da kam zu uns der Jaschbaschi. ehrt zurück sagte er es wird euch nichts geschehen." Da kehrten wir zurück. Wir fanden aber alles ausgeplündert. Man drang nun zu uns in die Häuser ein. Wir verstanden nicht ihre Forderungen, denn sie sprachen arabisch und sie prügelten uns. Dieses Militär ging fort und es kam anderes. Jetzt versammelte man alle Männer. Man band je drei zusammen. Man setzte das Dorf in Brand. Fing an zu schießen. Von allen Seiten kamen Gewehrsalven. Die Weiber fingen an zu schreien und flüchteten. Ueberall wurde geplündert. Ich flüchtete ebenfalls, als alle flohen." Ich sah mit meinen eigenen Augen, wie zwei Mann mit Lanzen erstochen wurden und wie man einem jungen Mann Ohren und Nase abschnitt." Vom Dorf Hulparken ist, nach der Versicherung der Flüchtlinge, kein einziger erwachsener Mann übrig geblieben, alle sind er- schlagen worden. Und es waren im Dorf 400 Höfe! Unter den lüchtlingen aus diesem Dorf sehe ich tatsächlich keinen einzigen rwachsenen. Von Poschamken sind etwa 50 Männer gerettet und 200 Kinder und Frauen! Ein Lehrer der Dorfschule hat sich selbst erschossen, um nicht in die Hände der Wüteriche zu fallen; ein anderer blieb im brennenden Hause. So erzählten die Flücht- linge:Wem man im Felde traf, der wurde erschossen." Alle er- zählen, daß sie auf dem Wege viel verkrüppelte Leichen trafen. Männer und Frauen, denen es nicht gelang, zu flüchten, wurden entführt.Man nahm sie mit. wir wissen nicht, wohin.' Es läßt sich denken, in welcher Angst die Frauen flüchteten! Ich rufe aus den Reihen eine junge Frau heran; ihr verstörter Gesichtsausdruck fiel mir besonders auf. Sie wollte erst nicht; doch, aufgemuntert von den anderen, tritt sie schließlich hervor. Ich frage sie, weshalb sie weine. Es tut so weh," sagt sie.DaS Dorf ist verbrannt. Der Vater ist erschossen. Die Brüder find ebenfalls erschossen. Meinen Mann hat man gebunden und getötet. Das Kind, anderthalb Jahre alt, habe ich weggeworfen...." Wie, weggeworfen?" Ich richte an sie eine Frage, und eine bange Vorahnung von etwas Entsetzlichem erfüllt mich. Alle schreien: werft die Kinder weg, um besser laufen zu können. Viele haben es getan. Ich warf das meine auch weg!..." Also das war eS!Werst die Kinder weg!" Im Hintergrunde brennt das Dorf und es stürzen die Häuser ein. Gewehrsalven, Schreie, tobendes Gemetzel. Entsetzt fliehen die Frauen. Sie sehen nichts mehr, hören nichts, sind sich nichts mehr bewußt als des einen: der furchtbaren Verfolgung, der sie entkommen wollen und sie werfen ihre Kinder weg, um besser laufen zu können..- Vorher kam ein altes Mütterchen an uns heran spindel­dürr, zusammengeschrumpft, mit zahllosen kleinen Falten im Ge- ficht, mit zitternden Händen und triefenden Augen. Ich hatte Glück," murmelt sie,ich kam davon." Es klingt aus diesen Worten eine freudige, verwunderte Frage, als wenn sie es unbegreiflich fände, daß gerade ihr da» passieren sollte. macht, ist hinreichend bekannt. Freilich: daS Bürgertum hat sich gottergeben an dieses echte preußische Recht so sehr gewöhnt, imß es noch staunt und sich gar beunruhigt fühlt, wenn die Arbeiterschaft nach ernsten Mitteln sucht, diesen schmachvollen Zustand zu be» seitigen._ Christentum und Krieg. Die Zentrumspresse hat das Titelbild der Nummer 20 des SimplicissimuS", daS sich mit den Greueln des Balkankrieges be- faßte, zum Anlaß genommen, an dieverantwortlichen S: e l I e n' die Frage zu richten, ob eS keine Mittel gebe, solchen Beschimpfungen der christlichen Religion, die einer Gottes- lästernng gleichkommen", ein Ende, zu machen. DerSimpli- cissimus' hat nämlich eine treffende Charakteristik jener Sorte Christen" gebracht, die sich auf dem Balkan in den scheußlichsten Bestialitäten nicht genug tun konnten. Das Münchener Witzblatt hat nicht das Christentum beschimpft, sondern dies vor den kriegs- freundlichen Maulchristen, zu denen auch unsere ZentrumSpharisäer gehören, in Schutz genommen. Diesen möchten loir die folgenden Bemerkungen, die wir in der Nummer(32) derChristlichen Welt' finden, unter die Nase halten: Es ist wohl keine subjektiv bewußte, aber eine unbewußte Heuchelei, wenn man meint, Christentum und Krieg ver- einigen zu können. Heuchelei ist es. von einem Gott der Liebe zu reden und von ihm zu verlangen, daß er uns helfe, unsere Feinde zu röten. Heuchelei ist eS, vom Reich Gottes zu träumen und die Verbindung der Völker als Utopie zu verwerfen. Heuchelei ist es. Friede auf Erden' zu predigen und doch an diesen Frieden nicht zu glauben. Heuchelei ist es. sich auf den Namen Jesu des Friedefürsten zu berufen und zugleicki den Haß g e g e ns die A u s l ä n d e r,: die er ebenso erlösen wollte, wie uns, zu schüren. Wie sagt doch Mirza Schaffy ? Ihr mögt von Krieg und Heldentum So viel, wie ihr nur wollt, verkünden, Nur schweigt von eurem Christentum Gepredigt aus Kanonenschlünden...' Vielleicht denunziert die Zentrumspresse, auf die diese Kenn- zeichnung buchstäblich zutrifft, auch den Verfasser dieses Artikels der Marburger Wochenschrift._ Drei Jahre«nd einen Monat Gefängnis für einen Trunkenheitsexzest. Das Kriegsgericht der elften Division in Breslau , unter Vorsitz des Majors Grafen v. Wengerski verurteilte den Kanonier Paul B o k d o l vom Regiment 21 in G r o t t k a u wegen tätlichen Angriffs, Achtungsverletzung. Gehorsamsverweigerung, Be« Harrens im Ungehorsam gegen einen Vorgesetzten zu' drei Jahren und �einen Monat Gefängnis und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatcnstandes. Der Kanonier kam angetrunken in die Kaserne. Unteroffizier Müller hieß ihn. sich rllhig schlafen zu legen. Bokdol schlug mit beiden Fäusten den Vorgesetzten vor die Brust, daß er hinstürzte und als er aufstehen wollte, faßte der Mann den Unteroffizier um den Hals und drückte ihn nieder. Der Anklagevertreter, KriegSgerichtSrat Dr. RöSler beantragte An- nähme eines schweren Falles, aber unter Zubilligung mildernder Umstände, zwei Jahre einen Monat Gefängnis nebst Ehrenstrafe. Bok dol will sinnlos betrunken gewesen sein. Sein Verteidiger plädierte in erster Linie für Freisprechung wegen Un- zurechnungsfähigkeit, sonst aber für Annahme eines minderzchweren Falles. Das Kriegsgericht nahm nicht sinnlose Trunkenheit an, billigte ihm auch keinen minderschweren Fall zu. Für den tätlichen Angriff wurde da« Mindeststrafmaß, welches das Milltärsstafgesetzbuch bei einem schweren Fall festsetzt, drei JahreGefängnis, ein- gesetzt._ Das Vorgeben der Cürkei gegen Bulgarien . Die Besetzung von Gebieten auf altbulgarischer Erde dürch türkische Truppen gibt der internationalen Presse, der nach dem Frieden von Bukarest der Sensationsstoff auszu- gehen beginnt, Anlaß zu allerlei Alarmnachrichten und Kom- binationen. Zweifellos bedeutet das blinde Draufgängertum der jungtürkischen Militärpartci eine Gefahr, da dadurch die panslawistische Reaktion in Rußland mobil gemacht wird und das Gespenst eines russischen Einmarsches in Armenien immer wieder auftaucht. Wie alt bist Du, Großmütterchen? Wohl an die Hundert?" Ich weiß es nicht. Dürfte wohl hundert sein. Kinder habe ich längst nicht mehr. Ich bin allein. Und ich bin am Leben ge- blieben." Inmitten der furchtbaren Verwüstung, die sich vor unseren Augen entrollt, erscheint es wirklich selffam, daß gerade dieses alte Mütterchen am Leben bleiben sollte. Und die Kinder die Säuglinge, die noch nicht auf ihren schwachen Beinchcn stehen und laufen können die hat man weg- geworfen.... Sie sind zerstreut auf dem Wege, unter Sträuchern und in den Gräben. Wer wird sie ernähren? Die sengende Sommersonne wird ihnen die Augen und die Lippen brennen, sie werden vergebens die Mutterbrust suchen. Die herumstreifenden Wölfe werden ihr Wimmern erhören und die Raben werden die Reste ihrer mageren Körperchen verzehren!... Soll ich noch weitere Episoden erzählen? ES ist ja alles daS» selbe! Grausame Schlachten und Mordbrennen! Ich frage die Flüchtlinge, ob sie den Wunsch haben, nach Bul- garien auszawandern? Uebereinstimmend und freudig antworten sie:Ja!" Warum aber nicht in die alten Orte zurückkehren? Da lächeln sie bitter: alles sei verbrannt. Wenn man ihnen aber Häuser und Vieh geben würde?Wir wollen nicht. Wir können nicht. Es ist die Angst. Wir fürchten uns." Gesetzt selbst, diese Furcht sei unbegründet, denn sie lebten doch lange Jahre im Frieden, so bedenke man dock», welche furchtbaren Erinnerungen jetzt für sie mit jenen Orten verbunden sind! Blutige Gespenster blicken ihnen entgegen. Hinter jedem Strauch, auf jeder Wiese, aus dem Feldweg, von jedem Fleckchen des heimatlichen Bodens! Wer solches erlebte, kann es nicht mehr vergessen, bleibt gezeichnet für sein ganzes Leben. Und wenn eS ein ganzes Volk betrifft, entsteht eine Mafienpsychose. Und das, was ich schilderte, ist ja bloß ein kleiner Teil dessen, was geschah; und das, was in den zwei Dörfern Bulgarhein und Poschamken geschah, ist äußerst winzig im Vergleich zu dem, tvaS dieser Krieg in seinem traurigen Verlauf anrichtete. Wenn das Schicksal und die Erlebnisse dieser einiger hundert bulgarischer Flüchtlinge unser Mitleid erregen, so wollen wir doch auch an jene nicht etwa hunderte, sondern hunderttausende türkischer Flüchtlinge denken, deren langer Zug Thrazien und Mazedonien durchquerte, verfolgt, wie gehetztes Wild, hinter sich eine breite Blutspur hinterlassend! Ein gewaltiges Meer von Voltsschmerz überflutete diese Län- der und seine Wellen peitschen blutigen Schaum aus; Ruinen menschlicher Wohnungen, menschliche Leichen mit entsetzten Ge- sichtern ohne Zahl, darunter zarte Kinder und Frauen mit ver- stümmelten Körpern und derRauch derBrände verdunkelt dieSonn«. Da» ist der Krieg! Ob es nicht schon Zeit ist. dem ein Ende zu machen? Ob e» nicht Zeit ist, zu den Ideen der Kultur zurückzukehren und sich von dem Furchtbaren Rechenschaft zu geben, das angerichtet wurde? Damit dieses Furchtbare sich nicht wiederhole! Die Grausamkeiten des Balkankrieges! Aber begreift ihr denn nicht, daß dies blutige Vorzeichen sind eine» europäischen Krieges? Wir werden dazu vorbereitet, in. dem unsere Nerven abgestumpft werden, unsere Empfindsamkeit herabgesetzt und eine KriegSgewohnheit geschaffen wird!