Zur Gefcbicbte der Kommune. Aus neuen Dokumenten. In den 42 Jahren, die feit dem Fall der Pariser Konv- mune verflossen sind, hat sich eine sehr stattliche Literatur über den Parrser Ausstand angesammelt: Memoiren, Zei- tungsartrkel, Erinnerungen und zusammenfassende Dar- stellungen. Die umfangreichste von diesen hat der vor kurzem verstorbene Kommunarde und spätere nationalistische Politiker Edmond Le pelletier begonnen und unvollendet hinter- lassen. Lissagarys in Deutschland bekannte Geschichte hat bei einem rühmenswerten Fleiß der Materialsammlung doch noch nicht die nötige Perspektive: Dubrenilhs vor- treffliche, knapper gehaltene Darstellung in der Sammlung „Histoire Sozialiste" behandelt den Gegenstand vor allem unter dem kritischen Gesichtspunkt der modernen sozialistischen Aktion, also mit einer durch die Aufgabe selbst geforderten Beschränkung: das als Lektüre vorzüglichste, aber auch in der Durcharbeitung des Stoffes ausgezeichnete Margueritte- s ch e Buch lehnt schon durch die gewählte Nomanform die strengen Maße methodisch-kritischer Beurteilung ab. So darf man sagen, daß eine wissenschaftlich vollkommen zureichende Geschichte der Kommune noch nicht geschrieben ist— aber es ist Wohl auch wahr, daß sie nicht geschrieben werden konnte. Denn noch ,st entscheidendes Material in Archiven begraben. Für dw militärische Geschichte des Aufstandes enthalten die Archive der Seine-Präfektur manches wertvolle Stück in den Akten der Nationalgarde. Sie sind schon der Forschung zu- gänglich gemacht worden, aber gerade die für die Geschichte des Aufstandes bedeutendsten, die Hauptakteure betreffenden Dokumente sind seinerzeit von den Kriegsgerichten einge- fordert worden und werden teils in den Archiven der Militär- justiz, teils im Kriegsministerium aufbewahrt und noch ge- heimgehalten. Interessant ist auch, daß sogar die Original- Protokolle der Kommune, die allerdings von den Schrift- fiihrern liederlich genug angefertigt worden sind, bisher nicht veröffentlicht worden. Dubrenilh war der erste Historiker, der sie einigermaßen benützte. Ihre Herausgabe ist in Vor- bereitung. Unter den in den letzten Jahren erschienenen Aufzeich- nungen der an der Kommune beteiligten Zeitgenossen ist das Tagebuch Elte R e c l u s„La Commune au jour le jour" (Die Kommune von Tag zu Tag) als Stimmungsbild aus der stürmischen Zeit von Interesse, wenngleich es keine neuen Tatsachen und mancherlei aus den unkontrollierbaren Tages - gerächten geschöpfte Irrtümer enthält, so zum Beispiel die Eintragung vom 30. Mai über die Füsilierung elsässischer Kommunarden durch die Preußen und die von diesen angeb- lich vollzogene Transportierung von Flüchtlingen nach Ver- sailles. Elie Reclus war ein weniger berühmter Bruder Elysss, aber diesem gleich in Wissensdrang wie in opfer- bereiter Hingabe an die Ideale der Menschheit. Er konnte infolge einer Verletzung an einer Hand nicht wie seine zwei Brüder die Flinte tragen, aber er nahm doch an dem un- glücklichen Ausfall vom 3. April teil, um für Ermüdete den Tornister zu tragen und Verwundete aufzuheben. Seine Auf- Zeichnungen wollen keine Geschichte sein.„Ich war ein Thermo- meter, das in einem Winkel hing," sagt er im Vorwort. Be- deutender sind, besonders für die militärische Geschichte der Kommune die 1908 bei P. V. Stock erschienenen Memoiren und Briese Louis Nossels. Sie verstärken den Ein- druck der Ungerechtigkeit, die die meisten Beurteilungen des hochbegabten siebenundzwanzigjährigen Organisators dpr Pariser Verteidigung von feiten der �auf der revolutionären Seite stehenden Schriftsteller, namentlich auch Dubrenilhs, hervorrufen.— Erwähnt seien endlich auch die noch früher erschienenen„iMemotres d'un Commuard" des Genossen Jean A l le m a n e, voll interessanter Details aus seinen Auf- stands- und Bagnojahren. Da auch die jüngsten der noch lebenden Kommunarden heute alle schon in die Greisenjahre einrücken, müssen sich diejenigen, die die zahlreichen noch un- aufgehellten Stellen dieser wichtigen Episode durch Zeugnisse der Teilnehmer aufklären wollen, beeilen. Unter den solcher- art Tätigen ist vor allem Lucien Descares zu nennen, dessen vor einigen Wochen im Verlage von Ollendorff er- schienener Roman ,.?b1Iemon, Vieux de la Vieille"(„Einer von der alten Garde") die erste Geschichte der Kommune- e m i g r a t i o n ist. Ein auch als Kunstwerk anziehendes Buch! Descares bereitet serner eine Monographie über V a r l i n vor, den prachtvollen Vorkämpfer und Märtyrer Die Zufriedenen. Sie fühlen nicht den Hunger dieser Erde, es brennt kein Durst in ihrem matten Blut: in ihnen lebt nur eines: die Gebärde des Dankes für ein nie empfangnes Gut. Sie tragen duldsam jegliche Beschwerde und wissen nichts von prometheischer Glut, sind überglücklich in dem Trott der Herde, in der sie sehen, was ein jeder tut. Ich seh' mehr Menschlichkeit im Gang der Pferde und aller andern Tiere dieser Welt, in denen des Empörens Aufschrei gellt, der da» Erhabene im Wesen nährte und vorwärts stieß: der Zorn der Kreatur, den Selbstzufriednen ward er nicht Natur. Alfons Petzold . Offener Lrief an den Vagabunden peter ferdmandfen. Mein lieber Jugendfreund und Spielkamerad! Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, daß Du zu lebenS- länglichem Zuchthaus verurteilt worden bist. Du kannst Dir gar nicht denken, wie tiefen Eindruck das auf mich gemacht hat. Viel- leicht hast Da mich auch ganz vergessen. Aber ich erinnere mich deutlich an Dich, weil wir ja zusammen als Kinder gespielt haben, denn Du warst in jeder Hinsicht ein besserer Junge als ich, und ich beneidete Dich unaufhörlich. Ich wohnte im Vorderhause, Du unter dem Dach im Hinter- hause. Ich hatte meine Eltern und Geschwister, meine guten Kleider, meine gute Schule und mein gute? Essen. Deine Mutter hatte keinen Vater für Dich und mitunter auch kein Essen. Sie sah so schlimm aus. Ich glaube, sie trank. Es war ja auch nicht schön, immer dazusitzen und zu nähen und zu hungern. Weiht Du noch, wie der Zirkus in der Stadt war, und wie wir Verantwortlicher Redakteur: Ernst Meyer ,-Steglitz . Für den der Internationale in Frankreich , dessen Andenken in neuester Zeit verdientermaßen, wenn auch anscheinend nicht ohne Ab- ficht der Ausschrotung für gewisse Tendenzen, neubelebt worden ist. Das Sterben Varlins, das in den bisherigen Dar- stellungen nicht gleichmäßig erzählt wird, wird durch Zeug- nisse, die Marime V u i l l a u m e in dem soeben(in den Caluers de la Quinzaine) herausgegebenen neuesten seiner „CaWers Eouges"(Rote Hefte) beibringt, klargestellt. Vuillaume war unter der Kommune einer der Redakteure des erneuerten„I'äi'e Duch6ne", eines Blattes das zur anti- klerikal-jakobinischen Mehrheit des Stadthauses hielt. Er ist jetzt Redakteur der bürgerlich-radikalen„Aurorc". Seine „Hefte", deren Serie nunmehr schon neun Nummern aufweist, enthalten neben minder wichtigen chronikartigen Details un- gemein viel Originalzeugnisse, an denen kein Geschichts- schreiber des Aufstandes wird vorübergehen dürfen. Vuil- laume hat u. a. jetzt festgestellt, daß Varlin nicht, wie ge- wöhnlich angenommen wurde, im Garten des Hauses Nr. 0 der Rue des Rosiers, an derselben Stelle wo am 18. März die Generäle Lecomte und Thomas, füsiliert worden ist, sondern auf der Straße, etwa 50 Schritte weiter. Man kann an der Hand der Vuillaumeschen Darstellung dem Passions- iveg, den der Tapfere vom Ort seiner Verhaftung in der Rue Lafayette bis auf die Montmartrehöhe zurückzulegen hatte, genau folgen. Varlin hatte unter der Kommune mit Jourde zusammen die Finanzen verwaltet. Nach dem Tode Delescluzes am 25. Mai wurde er Delegierter des Kriegs- Wesens und leitete, wenn man dieses Wort von dem un- geordneten Verzweiflungskampf gebrauchen darf, die Ver- teidigung bis Sonnabend, den 27., wo er, vor Ermattung zusammenbrechend, das Kommando dem Oberstleutnant Hippolyte S a r e n t übergab. Am Sonntagnachmittag ivurde er von einem Passanten, angeblich einem Priester in Zivil, dem Leutnant Sicve bezeichnet. Er liatte keinen Ver- such gemacht, sein Aeußercs zu verwandeln und sein charakte- ristisches, rückwärts geworfenes, dichtes Haar und seinen Bart behalten. Sicre nahm ihn fest und fesselte ihm die Hände auf dem Rücken. Dann führte er ihn, unter dem Geleite einiger herbeigerufener Soldaten, den eine gute halbe Stunde langen, im Zickzack verlaufenden Weg nach der Rue des Rosiers. Im Haus Nr. 6 hatten die siegreichen Versailler einen Kricgsgerichtshof eingerichtet. Das Urteil war rasch gefällt. Die Exekution wurde aber außerhalb des Hauses vorgenommen. Sie hatte einen Augenzeugen in einem Sol- daten, den eine merkwürdige Fügung in der jüngsten Zeit zum engeren Kollegen Vuillaumes gemacht hat. Es ist General P e r c i n, ehemaliger Kommandant des 13. Armee- korps und des obersten Kriegsrats, derselbe, der in der „Aurore" die tapferen Artikel gegen die dreijähriger Dienst- zeit geschrieben und seinen demokratischen Standpunkt auch in einer Volksversammlung vertreten hat. Percin war 1871 Artilleriehauptmann. Er zog mit der Versailler Armee in Paris ein. Am 28. Mai stand er mit seiner Batterie auf der Höhe von Montmartte und wohnte ganz zufälligerweise der Füsilierung Varlins bei. Er erzählt: „Ich irrte auf der Höhe umher, als ich gegen vier Uhr ?inen Gefangenen von hohem Wuchs, mit bloßem Kopf und die Hände auf dem Rücken gefesselt, auf die Weite von ein paar Schritten heranschreiten sah. Etwa fünfzig Leute. Männer und Frauen, umringten ihn schreiend und heulend. (Dieses Zeugnis widerspricht den Schilderungen, wonach einige Tausend Menschen Varlin gefolgt wären. Diese Dar- stellungen, die der Tendenz entspringen, den Haß gewisser Elemente der Bevölkerung gegen die Mitglieder der Kommune in greller Uebcrtreibung zu illustrieren, werden schon durch die Raumverhältnisse Lügen gestraft.) Ein Korporal und zwei Soldaten hatten ihn in die Mitte genommen. Er war bald ganz nahe bei mir. Ich er- kundigte mich.„Es ist Varlin , Mitglied der Kommune. Er wird füsiliert." Der Zug ging einer Mauer entlang, die einen Garten begrenzte.?lnf der anderen Seite, gegenüber, ein unbebautes Gelände. Fünfzig Meter weiter rückwärts ein zweistöckiges Haus mit einem kleinen Hof. Man sagt mir. daß es das sei, wo die Generäle Lecomte und Clement Thomas füsiliert wurden. Der Korporal und die zwei Soldaten hatten Halt ge- macht. Der Gefangene stellte sich an die Mauer. Ich sehe ihn noch aufrecht, mit festem Blick zur Menge sprechen, die ihn verabredeten, daß jeder eine Krone stehlen sollte, um hineinzu- kommen. Ich bestahl meinen Vater und Du den Krämer, bei dem Du Laufjunge warst. Mein Verbrechen war das schlimmere, denn mein Vater war gut zu mir, und ich hatte viele Vergnügungen und hätte die Krone wohl bekommen, wenn ich darum gebeten hätte. Während der Krämer Dich prügelte und Du nie im Zirkus oder bei sonst einem Vergnügen gewesen warst. Man entdeckte uns. Ich bekam Schelte und liebevolle Er- Mahnungen und Taschengeld, damit ich ein andermal nicht wieder in Versuchung kommen sollte. Du aber wurdest vom Krämer halb zuschanden geschlagen und aus dem Dienst gejagt; dann schlug Deine Mutter Dich, bis sie nicht mehr konnte, und drohte Dir mit der Polizei. Und mein Vater verbot mir, mit Dir zu verkehren. Wir sahen uns natürlich trotzdem, denn ich liebte Dich. Du warst so klug und so tüchtig. Du warst solch ein guter Kamerad und hattest eine so leichte Hand. Du schlugst nie die, die kleiner waren als Du; und wenn ich Dir einen Apfel gab, teiltest Du ihn immer mit Deiner kleinen Schwester, die einen anderen Vater als Du hatte und doch keinen Vater. Dann passierte etwa? mit Dir in der Schule, Du wurdest streng bestraft und von dem Tage an von allen Lehrern für un- verbesserlich gehalten. Es passierte auch etwas mit mir in meiner Schule; das war so schlimm, daß ich eS nicht gerne erzählen mag; aber Vater brachte es in Ordnung, und die Lehrer halfen mir darüber weg, so daß mir nichts Böses zustieß. Da, das weiß ich noch, dachte ich daran, warum Du keinen Vater hättest, der Dir helfen konnte. So verging die Zeit, und wir sahen uns nicht oft. Aber hin und wieder hörte ich etwas Neues über Dich, und dann trafen wir uns als Soldaten. Damals warst Du schon ein wenig versumpft. Du hattest auch keinen Menschen, zu dem Du gehen konntest, während ich im Theater oder in Gesellschaft war, so oft ich Urlaub bekommen konnte. Na— ich machte meine Examina und holte mir eine Braut und ein Amt und verheiratete mich. Du hattest schon vor mir eine Braut, aber konntest nicht heiraten. Dann bekamt Ihr zwei Kinder; und in dem Jahr, als der strenge Winter war, stahlst Du und wandertest ins Gefängnis. Als Du wieder freikamst, heiratetet ihr; aber dann brach der große Streik aus, wo Du'S mit den Kameraden halten mußtest. Die Frau verließ Dich, die Kinder Inseratenteil verantw.! Tb. Glocke, Berlin . Druck u.Verlag. Vorwärts beschimpft. Mit einer jähen Bewegung des jdopfeS wirst« sein langes ergrauendes Haar rückwärts. Die Soldaten haben geladen. „Tötet ihn!" schreit die Menge.„Tötet ihn, füsiliert ihn!" Dann besinnt sie sich eines anderen. „NeinI Nicht hier... etwas weiter... dort..* Der Zug setzt sich von neuem in Bewegung. Die Menge brüllt ihre Verwünschungen weiter. „Feige Bande!" schreie ich, von Ekel gepackt.„Feige Bande! Vor ein paar Tagen hättet ihr mir Euer„Tötet ihn!" zugerufen, wenn ich in Eure Hände gefallen wäre." Das Ende der Mauer war erreicht, dort, wo sich die Straße mit einer anderen, herabsteigenden schneidet. „Hier! Füsiliert ihn hier!" Varlin stellte sich etwa einen Meter vom Straßeneck auf, an die Mauer der absteigenden Straße. Noch einmal erhob sich das Gebrüll, die Stimme Varlins übertönend, den ich die Lippen bewegen sah. Wie auf der früheren Station hielt sich der Verurteilte sehr aufrecht. Seine ganze Haltung war die eines tapferen Mannes. Die Soldaten, von der Menge vorwärts gedrängt, sind nur drei oder vier Schritte von Varlin . Sie feuern. Die zwei Gewehre gehen fehl. Sie laden von neuem und schießen ein zweites Mal. Varlin schwankt und fällt. Da er am Boden liegt, klatscht die Menge in die Hände. Die Soldaten zerstreuten mit Flintenstößen den Men» schenschwarm. Und nur der Tote blieb, auf der Seite liegend, am Fuß der Mauer zurück. Das tragische Haus in der Rue de Rosiers. der Garten und die Mauer, an der Varlin fiel, bestehen heute nicht mehr. Auf ihrem Grund erhebt sich die Basilika von Sacr6-Coeur. Von besonderem Interesse im neuesten Heft Vuillaumes ist die Aufdeckung des bisher ganz unbekannten Plans der Verhaftung, den die führenden Mitglieder der Kom- munemehrheit gegen die Minderheit, die söge- nannte ParteiderJnternationale, im Schilde führten. Als die Mehrheit die Nachäfferei der Revolutionäre von 1793 mit der Einrichtung eines Wohlfahrtsausschusses fortsetzte, erließen 22 Mitglieder der Kommune am 15. Mai eine Erklärung, worin sie ihren Kollegen bekanntgaben, daß sie nicht mehr in die Versammlung kommen und sich in ihre Bezirke zurückziehen würden. Am 17. erschienen sie jedoch alle wieder in der Sitzung, zur großen Verblüffung der Mehrheit. P r o t o t, der noch lebende Delegierte des Justizwesens, schil- derte Vuillaume den Vorgang folgendermaßen: Rigault, der ankam, trat auf mich zu, nahm mich beiseite und sagte, indem er mit einem Blick die Sitze der Dissidenten stteiste: Die Haftbefehle sind bereit. Ich erhob mich, um Delescluze und Pyat zu suchen, deren Meinung ich einholen wollte. Wir gingen alle drei hinaus. Rigault blieb im Saal. Wir prüften die Möglichkeiten einer Verhafwng der Zweiundzwanzig. Delescluze bemerkte, daß in der verzweifelten Situation, worin wir uns befanden, einige Tage vielleicht vor der Niederlage die Ausführung eines so gewichtigen Beschlusses nur neue Stoffe der Zwietracht schaffen und neue Vorwände zur Desertion geben müßte. Pyat war der gleichen Meinung. Wir kehrten in die Sitzung zurück. Ich erklärte Rigault die Gründe, die uns von dem Plan der Verhaftung absehen ließen. Es gab auch noch andere. Wir hätten vielleicht am 17. Mai in den Bataillonen nicht mehr die notwendige Unter- stützung gefunden, um die allgemeine Annahme der Verhaf- tung eines Teiles der Mitglieder der Versammlung durchzu- setzen." Der Verhaftungsplan ist nicht enthüllt worden. Deles» cluze und Rigault fanden ein paar Tage später den Tod. Pyats Geschichte der Kommune, die im Manuskript in den Händen seiner Erben sein soll, ist nicht veröffentlicht worden. Protot hatte bis jetzt auch darüber nichts gesagt. Die Episode ist ein neuer Beweis für die Richfigkeit der Kritik, die die Anhänger der Internationale an den revolutionären Klein- bürgern, Demagogen und BohSmiens der Kommune geübt haben. Die sozialistische Arbeiterschaft hat das unsterbliche Teil der Revolution von 1871 gerettet, eben darum, weil sie. zu ihrem Ruhm, von Anfang an ihr Recht beansprucht hat, zu zeigen, was an ihr sterblich war. O t t o P o h l. kamen ins Armenhaus; und eines Abends, als Du betrunken warst, schlugst Du einen Schutzmann zuschanden und mußtest die Reise ins Zuchthaus antreten. Seitdem habe ich nichts mehr von Dir gehört, bis ich jetzt kürzlich in den Blättern las, daß Du einen unbescholtenen Mann, den Du nicht kanntest, überfallen und ihm den Schädel zertrümmert hättest. Bei mir ist es indessen immer bergan gegangen; ich habe ein schönes Heim und liebe Kinder und Gesundheit und mein Aus- kommen. Und jetzt sollst Du also für immer in? Zuchthau» kommen. Der Gedanke ist wahrhaftig wunderlich, alter Freund, denn Du warst so ein tüchtiger Kerl. Ich bin überzeugt, wärst Du im Vorderhause geboren, so wärest Du Bischof von Seeland oder Justizminister geworden, bei Deinem Kopf. Und ich bin meiner Sache nicht so ganz sicher, wies mir gegangen wäre, wenn ich an Deiner Stelle gewesen wäre... Aber das ist natürlich nichts anderes als idealistisches Ge» wäsch, was mir heut einfällt, weil ich gut zu Mittag gegessen habe und hier mit meiner Havannazigarre sitze. Und dann, weil ich bei Deinem ersten Verbrechen Teilnehmer war--— Wenn ich ordentlich nachdenke, glaube ich wirklich sogar, daß ich eS war, der auf den Gedanken kam, die Krone zu mausen. Aber da ist nun nichts zu machen. Unsere Lehrer haben genug damit zu tun, uns die höchsten Punkte in den Aloen und daS Todesjahr OttoS des Faulen zu lehren— die können keine Zeit auf einen Spitzbuben von einem Jungen vergeuden. Unsere Pastoren haben neue Kirchen zu bauen, wo sie ihre alte Wolle weiterspinnen können, und aufzupassen, daß nicht zwei ohne ihre Genehmigung beisammen schlafen— die können sich mit einer verworfenen Seele wie Deiner nicht beschäf» tigen. Unsere Juristen stellen so viele feine Spekulationen an, um das Geld der Leute zu hüten— unsere Politiker fitzen das liebe. lange Jahr und verteilen die Steuern-- da ist nichts zu machen, alter Freund, Du mußt ins Zuchthaus wandern. Denn wir können uns nicht dareinfinden, daß Du einen unbescholtenen Mann überfällst und ihm den Schädel zertrümmerst. Und wir können doch bei Gott auch den Bischof von Seeland und den Justiz- minister nicht prügeln. Aber, wie gesagt— Du verstehst wohl... e« ist gar nicht amüsant für mich. Denn Du warst so ein tüchtiger Junge«ch eigentlich mehr wert als ich. Dein treuer charil Ewatti. vuchdruckerei u. verlagSanstalt Paul Singer u. Co., Berlin 5M
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