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Stuä Anlaß eines weiteren Neuköllner Antrages, der die Her- ausgäbe einer Modenzeitung fordert, entstand eine Diskussion, in der auf der einen Seite die Notwendigkeit der Herausgabe einer den Bedürfnissen der Arbeiterfamilien entsprechenden Modenzeitung betont, auf der anderen Seite aber hervorgehoben wurde, daß ein derartiges Unternehmen wegen der außerordentlich hohen Kosten auf große Schwierigkeiten stoßen werde. Der Antrag wurde in folgender Fassung angenommen: Um die Arbeiterfrauen von den heutigen Modczeitungcn, die alle mehr oder weniger gegnerische Politik treiben, unab- hängig zu machen, wird der Parteivorstand ersucht, einen Kosten- anschlug für die Herausgabe einer den Bedürfnissen des Ar- beiterhaushalts entsprechenden Modenzeitung aufzustellen. Ein von Charlotten bürg gestellter Antrag, der die Schaffung sozialistischer Jugendorganisationen für junge Leute von 18 bis LI Jahren fordert, wurde nach kurzer Debatte abgelehnt. Der folgende Antrag wurde, nachdem Ncumann- Adlers- Hof ihn begründet hatte, dem BezirksbildungsauSschutz überwiesen: Der hohe erzieherische Einfluß der Jugcndwanderungcn wird gehindert durch'ungeeignetes Führermaterial. Um den idealen Zweck der Wanderungen zu erreichen, die Liebe zur Natur, das Verständnis kultureller und sozialer Einrichtungen sowie Kennr- nisse der Geschichte und der Naturwissenschast zu fördern, sind gut vorgebildete Führer dringend notwendig. Da die prolcta- rische Jugendbewegung über eine genügende Anzahl pädagogisch und wissenschaftlich gebildeter Führer nicht verfügt, so ist eS not- wendig, daß zu diesem Zweck von den Bczirts-Jugendausschüssen in Verbindung mit den Turnvereinen und mit Unterstützung der Zentralstelle besondere Kurse eingerichtet werden. Angenommen wurde noch ein Antrag an den Parteitag, welcher verlangt, daß alle am 1. Mai feiernden und keinen Lohnausfall er- leidenden Genossen und Genossinnen ei« Tagesverdienst an den M a i f o n d s abzuliefern haben. An Stelle des nach auswärts verzogenen Revisors Riedel wurde Hagen - Friedenau gewählt. Damit war die Tagesordnung erledigt. Der Vorsitzende Grog er widmete dem Genossen Bebel einen ehrenden Nachruf und schloß darauf die Versammlung. Der drandcnburgiiclK Prcvinzial- Parteitag. Am Sonntag vormittag trat in Frankfurt a. O. der Parteitag für den Bezirk Brandenburg zu seiner diesjährigen Tagung zusammen. Außer 64 Delegierten war der geschäfts- führende Ausschuß durch 6 Mitglieder vertreten, daneben nahmen noch 4 Abgeordnete. S Kandidaten und 5 Vertreter der Parteipresse an den Verhandlungen teil. Vor Eintritt in die Tagesordnung widmete der Vorsitzende S y d o w- Brandenburg unserem verstor- benen August Bebel einen warm empfundenen Nachruf. Den G e- schäftsbericht für das abgelaufene Jahr erstattete der Pro- vinziasekretär Wels. Er betonte, daß die Mitgliederbewegung in diesem Jahre nicht das erfreuliche Bild des Vorjahres zeige. Es sei ein Rückgang an männlichen Mitgliedern zu verzeichnen, der nur wettgemacht werde durch die Zunahme der weiblichen Mit- glieder. Immerhin habe sich die Gesamtmitgliederzahl geyen das Vorjahr um 44 vermindert. Bedauerlich sei es, daß es im ver- gangenen Jahre nur an zwei Orten gelungen sei, neue Zahlstellen zu errichten. Da in etwa 200 Orten deS Bezirk» noch Einzelmit- glieder vorhanden seien, habe hier die Werbearbeit einzusetzen. damit durch Gründung neuer Wahlvereine im nächsten Jahre bessere Erfolge erzielt werden. In den Berichten der Organi- sationsleitcr werde über einen nichtbefriedigenden Besuch der Ber- sammlungen geklagt. Am meisten sei zu bedauern, daß während deS Jubiläumsrummels eine Anzahl Genossen in einigen Orten es vorzogen, sich am patriotischen Klimbim zu beteiligen, statt in die eigenen Versammlungen der Organisation zu gehen. Wenn man die Stagnation der Organisation nachprüfe, so komme man zu dem Schluß, daß die Gleichgültigkeit der Parteigenossen ein großes Teil Schuld trage, daneben übe natürlich die einsetzende Krise ihre Wirkung. Die Zunahme der Mitglieder in den gewerkschaftlichen Organisation zeige, daß noch eine große, fruchtbare Werbearbeit geleistet werden kann. Bei der im Bezirk verbreiteten sozialdemo- kratischen Presse mache sich derselbe bedauerliche Rückgang an Abon- ncnten bemerkbar wie an vielen anderen Orten. DieBranden- burger Zeitung" verlor im Berichtsjahre 1332 Abonnenten, die Märkische Voltsstimme" gar 1792. Wir müssen alles daransetzen, diesen Verlust wettzumachen und darüber hinaus unseren Organi- sationen und unserer Presse neue Mitkämpfer zuzuführen. Wie Genosse Wels ausdrücklich betonte, sei das Perhältnis der Partei zu den Gewerkschaften in der Provinz Brandenburg ein andauernd gutes. Nur in L ü b b e n habe sich eine betrübende Erscheinung gc- zeigt. Tort habe der nationale Jungdeutschlandbund seinen stärksten Rückhalt an einem TurnvereinEinigkeit", dem eine größere Anzahl Parteimitglieder wie auch Gewerkschaftler ange- hörten. Nachdem eS dort zu Differenzen kam, erklärte der Vor- stand, daß es die höchste Ehre des Vereins sei, die nationale vater- ländische Jugendbewegung zu pflegen. Trotzdem blieben 17 Mit- glieder des Holzarbeiterverbandes, darunter leitende örtliche Funktionäre, Mitglieder dieses nationalistischen Turnvereins und tragen dadurch zur Stärkung des Kampfes gegen ihre eigenen Klassengenossen bei. Die Bildungsbestrebungen werden in 13 Wahlkreisen deS Bezirks durch 28 Bildungsausschüssc geför- dert; durch Vortragsturs«, künstlerische Veranstaltungen und der- gleichen ist Erhebliches für daS Bildungsbestreben der Mitglieder geleistet worden. TieArbeiterjugend" hatte im Berichts- jähre in 33 Orten LSöö Leser; bedauerlich sei es, daß.eine Reihe größerer Orte im Bezirk der Jugendbewegung noch immer nicht das nötige Verständnis entgegenbringe. So sei es auffallend, daß in Potsdam dieArbeiterzugend" nur in einem Exemplar ge- lesen werde, während in einer ganzen Reihe kleiner und kleinster Ortschaften 20, 30, ja SO Abonnenten gezählt wurden. Von den 29 im Bezirk errichteten Auskunftsbureaus wurden 2965 Auskünfte erteilt. Ein etwas sonderbarer Vorgang hat sich zwischen dem zu Groß-Berlin gehörenden Wahlverein Niederbarnim und dem Bezirkswahlverein Niederbarnim abgespielt. Nach den Land- tagswahlen erhielt der Vorstand des Wahlvcreins Oberbarnim vom Wahlverein Niederbarnim ein Schreiben, in dem dargelegt wurde, daß es zur besseren Agitation in Oberbarnim vorteilhaft sei, wenn Niederbarnim durch Einsetzung einer Agitationskom- Mission Oberbarnim in seiner Agitation unterstütze. So er- freulich die angebotene Unterstützung an sich sei. so müsse doch darauf hingewiesen werden, daß die vor zwei Jahren erfolgte Trennung Groß-Berlins von Brandenburg darauf zurückzuführen sei, daß von demselben Wahlkreis Niederbarnim der Antrag auf Trennung gestellt wurde. Dw Trennung Groß�ßerlins von der Bezirksorganisation wurde gegen den Willen Brandenburgs voll- zogen. Es müsse dagegen Verwahrung eingelegt werden, daß auf solche Weise die Geschlossenheit der Bezirksorganisationen durch. brachen werden soll. Bis heut« hat weder die Bezirksleitung der Provinz Brandenburg noch die Leitung bei Bezirks Groß-Berlin offiziell Kenntnis von dem Vorgehen des Niederbarnimer Wahl­vereins erhalten. Ganz selbstverständlich mußte Oberbarnim unter diesen Umständen den Vorschlag ablehnen. In längeren Ausführungen beschäftigte sich Wels mit der zur- zeit geübten Diskussion über den Massen st reik. Nach seiner Meinung habe es niemals bei einer Parteifrage ein größeres Durcheinander gegeben wie hier. Redner gibt ein Bild über die von den Vertretern des Massenstreiks vertretenen verschiedenen Ansichten und meint, daß die bisherigen Massenstreiks keinerlei Rückschluß auf die Durchführung deS preußischen Massen- strerkS zulassen. Man könne die preußischen Verhältnisse, bei denen da» ReichStagSwahlrecht als Auspuff der Mißstimmung dient. durchaus nicht vergleich«, mit den Zuständen, die in Rußland und Belgien zum Massenstreik führten. An Hand eines reichhaltigen Materials legt Redner unter lebhaftem Beifall der Zuhörer dar, daß es sich in Rußland sowohl wie in Belgien durchaus nicht um eine ausschließliche Bewegung des Proletariats gehandelt hat. Ja, in Rußland sei die Massenstreikbewegung zuerst von der russischen Intelligenz angefacht worden. Wenn er seine Stellung zur heutigen Diskussion des Massenstreiks darlegen solle, so müsse er sagen, daß die derzeitige Diskusston ein« überflüssige und gefähr- liche sei. Es sei auch nicht wahr, daß die Diskussion spontan aus den Massen gekommen sei. Sie sei von einigen Akademikern her- vorgerufen worden. Voraussetzung des Gelingens eines Massen- streiks sei eine völlige Uebercinstimmung aller proletarischen Orga- nisationen. Bedauerlicherweise sei durch unverantwortliche Leute eine Verhetzung zwischen Führern und Mitgliedern betrieben war- den, die dem Bestreben nach Einigkeit nicht förderlich ist. Ganz sicherlich wird der Massenstreik einmal in Anwendung kommen, dann aber wird es sein ein Kampf um die politischen Grundrechte des Volkes, ein Kampf gegen den Versuch, die Koalitionen der Ar- beiter zu zerschlagen. In der Frage der S t e u e r b e w i l l i g u n g sei eine künst- liche Erregung gegen die Fraktion hervorgerufen worden. Gerade in Brandenburg habe die siegreiche Wahl in Zauch - B e l z i g, die erste nach Erledigung der Stcuervorlagen im Reichs- tage, gezeigt, daß die breiten Massen volles Verständnis für die Haltung der Mehrheit der Fraktion haben. Wenn jetzt gesagt wird, daß auch direkte Steuern letzten Endes von den Ar- beitern getragen werden, dann sollten die Vertreter dieser Auf. fassung konsequent sein und das Parteiprogramm revidieren und verlangen, daß jede Bewilligung von Reichssteuern verweigert werde. Den Kassenbericht erstattete Richard Schmidt- Berlin . Danach beträgt die Einnahme der Bezirksorganisation im Ge- schäftsjahre 37 885,08 M., die Ausgab« 34 843,81 M., so daß ein Kassenbestand von 2841,27 M. vorhanden ist. An den Parteivor- stand wurden 11 160 M. abgeführt. In der Diskussion beschäftigte sich Genosse Karl Lieb- knecht zunächst mit den Welsschen Ausführungen über die Wehr- Vorlage. Er erklärte, daß er nicht in der Lage sei, der vorliegenden Resolution, die die Zustimmung der Fraktion zur TeckungSvorlage ausdrücklich billigt, zuzustimmen, lieber den Massenstreik vertritt Redner seine von uns bei anderer Gelegenheit skizzierte Auffassung. Im Gegensatz zu Wels betonte Liebknecht, daß die Diskusston über den Massenstreik doch aus den Massen gekommen sei.(Lebhafte Zwischenrufe: Wo denn?) Nach weiterer Dis­kussion, an der sich die Genossen Peus und Brückner beteilig- ten, wurde folgende Resolution zur Abstimmung gebracht: Der Parteitag der Provinz Brandenburg stellt sich auf den Boden der von der Reichstagsiraktion zu den Deckungsvorlagen abgegebenen Erklärung und billigt ausdrücklich die Zustimmung der Fraktion zu den beiden Besitzsteuergesetzen. Gegen S Stimmen wurde die Resolution angenommen. Zum nächsten Tagesordnungspunkte hielt Genosse Braun einen sehr instruktiven Vortrag über die Entwickelung der Stellung der Partei zur Agrarfrage. Der Redner wies im Ver- laufe seines Vortrags auf die Notwendigkeit hin, durch ein« auf dem Parteitage oder vom Parteiausschuß zu wählende Kommisston die neuen Tatsachen in der Agrarwirtschaft zu prüfen, um der Partei die Richtlinien in ihrer Stellung zur Agrarfrage zu geben. Reich« Aufgaben warten der Untersuchung. An den mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag schloß sich eine kurze, im zustim- menden Sinne sich bewegende Diskussion. Nachdem noch die Wahl der Revisoren vorgenommen und als Ort des nächsten Partei- tage» Potsdam bestimmt war, wurde die Tagung geschlossen. IllgeiHtMereitt für den Kreis niederbarnim. Am Sonntag tagte eine Jugendkonferenz für Niederbarnim , die sich insbesondere mit dem Vertrieb derArbeiter-Jugend" und mit der jetzigen Situation der Jugendbewegung beschäftigte. Genosse S ch e n k als Referent betonte, daß die Jugend- lichen selbst zur Tätigkeit herangezogen werden müssen. Doch muß den jugendlichen Helfern klar gemacht werden, daß ein derartiges Hclfcramt keineswegs das eines Zeitungsausträgers ist, sondern im Gegenteil ein wichtiger Funktionärposten. Erwachsene, die das Ver- trauen der Jugendlichen besitzen und selbst auch etwas wissen, müssen diesen zur Seite gestellt werden, auch in Hinsicht auf pünktliche Ab- rechnung. An der Altersgrenze von 18 Jahren müsse festgehalten werden, denn die Aelteren bildeten zuweilen einen Hemmschuh, wenn auch auf der anderen Seite nicht ganz mit Unrecht gesagt wird, daß die Achtzehnjährigen eine belebendes Ferment bilden. In langer und heftiger Debatte übten verschiedene Redner Kritik an den heutigen Abonnementsverhältnissen, ohne jedoch andere Vorschläge zu machen. In der Frage der Achtzehnjährigen sind die meisten der Ansicht, daß diese wohl innerhalb der Jugend- bewegung bleiben müßten. Sodann referierte Peters über den heutigen Stand der Jugendbewegung. Er wies nach, daß es der gemeinsame Zweck aller bürgerlichen Jugendvereine sei, durch ideologische Beeinflussung das Erwachen der jungen Proletarier zum Klassenbewußtsein zu hintertreiben. Die bürgerliche Jugendbewegung steht, unterstützt von den Organen d«S Staates und der Gemeinde, in einer geschlossenen Kampfstellung zur proletarischen Jugendbewegung, deren vornehmste Aufgabe es sei, die jungen Arbeiter und Arbeiterinnen zu klassenbewußten Kämpfern zu erziehen. Daher erklärt sich auch die Feindschaft der Behörden der proletarischen Jugendbewegung gegenüber. Der Umfang, den die bürgerliche Jugendbewegung angenommen habe sie dürfte nahezu 2 000 000 Jugendlicher besitzen, wovon 1� Millionen den konfessionellen Vereinen zugehören, sollte uns veranlassen, ernstlich zu prüfen, ob wir unseren Gegnern gewachsen seien. Zweifellos muß unsere Agitation, persönliche wie öffent- liche, gesteigert werden. Die Notwendigkeit des praktischen Jugend- schutzes sei hierbei in den Vordergrund zu rücken. So läßt sich am besten die Heuchelei der bürgerlichen Jugendbewegung nachweisen. Auch müsse der frische Geist des proletarischen Klassenbewußtseins all unsere Veranstaltungen durchwehen. Aller Bekämpfung zum Trotz machen wir Fortschritte. Gewiß geht es zu langsam, auch fehlt der rechte proletarisckw Geist unter den Jugendlichen. Diese bc- klagen sich, daß die Erwachsenen in der Jugendbewegung zu stark hervortreten, wodurch die Jugendlichen in ihrer Selbständigkeit be- engt werden. Freilich ist die gegenwärtige Form unserer Bewegung kein Ideal. Aber das ReichSvereinSgesetz hat sie notwendig gemacht. Der§ 17 erschwert die selbständige Mitarbeit Jugendlicher außer- ordentlich. Ohne diese ist eine gesunde Entwickelung einer Jugend- bewegung unmöglich. Die bürgerlichen Jugendpfleger übertreten täglich und tausendfach den Z 17. Lediglich zur Unterdrückung der Jugndlichen, die nicht der staatlich konzessionierten Bewegung ange- hören, wird der Z 17 in der unerhörtesten Weise angewendet. Muß er doch sogar dazu herhalten, um unsere berechtigte Aufklärung der Jugendlichen über die bürgerliche Jugendbewegung zu verbieten. Hunderttausende Jugendliche leidey täglich unter der rigorosen An- Wendung des§ 17. Für die bürgerliche Jugendbewegung ist dieser Paragraph tatsächlich außer Kraft gesetzt, denn sie beachten ihn nicht Und werden deshalb nicht zur Rechenschaft gezogen. Nun müssen auch wir dahin wirken, daß selbst der blödeste Kopf die Zwccklosigkeit des 8 17 einsieht, damit die tatsächliche Außerkraftsetzung nicht nur einem Teil der JugcitbbcwegunL zugute kommt, sondern allgemeine Geltung erlangt. In diesem Bestreben muß die Jugend von den Erwachsenen unterstutzt werden. So wird der faktischen Außerkraft- setzung des 8 17 bald eine formelle Aufhebung folgen müssen.(Leb- hafter Beifall.) Die Genossen Fritz Grünberg, Br. Gressat, M. Wudky und Paul Schmidt wurden in den KreiSauSschuß gewählt. Zum BezirkSauS- schuß Groß-Berlin delegierte man Birnbaum und Schmidt. Hub Induftm und f>andel. Ein Eisenbahniubilaum. Am 22. September 1838 wurde die Eisenbahnlinie Zehlen- darf Potsdam eröffnet. Es war die erste preußische Bahn, die somit zunächst ihr 7Sjähriges Jubiläum feiern kann. Die erste Eisenbahn überhaupt wurde im Jahre 1830 in England eröffnet. Es war die Linie Liverpool Manchester . Obwohl die Erfolge dieser englischen Bahn von Anfang an bedeutend waren, dauerte es doch noch einige Zeit, bis man auf dem Festlande an den Bahn- bau ging. Im Jahre 1835 tvurdcn zwei Bahnen auf dem euro - päischcn Fcstlande dem Verkehr übergeben, die Eisenbahn von Brüssel nach Mechcln und die Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth . 1837, am 14. April, wurde ein TM der späteren Bahnstrecke Leipzig Dresden eröffnet. Die nächste Bahn war dann die Jubiläumsbahn Zehlendorf Potsdam. Bis zum Jahre 1838 waren, abgesehen von der genannten belgischen Bahn, alle Eisenbahnen Privatuntcrnehmungcn. Erst später setzte die Ver- staatlichung ein. Die erste große deutsche Bahn war im Westen Preußens, die Rheinische Eisenbahn , die von Köln nach Herbesthal ging und sich dort an das belgische Bahnnetz anschloß. Sie schaffte eine direkte Eisenbahnverbindung zwischen Köln und Antwerpen . Die Gründung dieser Bahn erfolgte auf die Klagen der rheinischen Kauflcute und der rheinischen Schiffer, die sich seit vielen Jahren von Holland in ihrem Verdienste geschmälert sahen. Zu den Propagandisten dieser Bahn gehörten Kamphausen, Friedrich List , David Hansemann , Niebuhr und andere. Seinen ersten großen Aufschwung nahm das deutsche Eisenbahnwesen mit dem Auftreten Bethel Strausbergs, des bekannten Eisenbahn- spekulanten. Seiner Initiative waren der Bau einer Eisenbahn von Jnsterburg nach Tilsit , mit dem Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts begonnen wurde, und der Bau der Ost- preußischen Südbahn zu verdanken. Später errichtete Strausberg die Bahnstrecken Berlin Görlitz , Halle Sarau Guben, ferner die Märkisch-Posener Bahn, die Rechte Oder-Ufer-Bahn und die Han- nover Altenbekener Eisenbahn. Noch bei einer ganzen Reihe anderer Bahnen war Strausberg beteiligt, hauptsächlich allerdings bei ungarischen und rumänischen Bahnuntcrnehmungen. Zur Zeit als Strausberg den Bahnbau und die Bahneffektenspekulation in großem Maßstabe nach Teutschland brachte, richtete der Staats- minister Albert von Maybach sein Augenmerk auf das Bahnwesen und begann die Verstaatlichung einzuleiten. Er führte zunächst einen Feldzug gegen die wilde Börsensvekulation in Eisenbahn - aktien. Er sprach damals das bekannte Wort vom Giftbaum:Der auf das Leben der Nation seinen verderblichen Schatten werfe und dem die Wurzeln zu beschneiden und seine Aeste zu nehmen ein Verdienst der Regierung sei." Sein Verstaatlichungsplan ging zu- nächst auf die Oberschlcsische Eisenbahngescllschaft. Die Verstaat- lichung gelang und von da an hat die staatliche Eisenbahnpolitih schnelle Fortschritte gemacht. Um 1870 setzten dann die Versuche zur Errichtung einer Reichseisenbahngemeinschaft ein. Vor Grün- dung des Reiches sollte ein Eisenbahnverein der deutschen Staaten gebildet werden, und später ivollte Bismarck durch Abtretung der Bundesbahnen an das Reich eine einheitliche Reichseisenbahn schaffen. Diese Bestrebungen sind bekanntlich gescheitert, ebenso der Versuch, durch ein Eisenbahntarifgesctz dem Reiche einen größeren Einfluß auf die deutschen Eisenbahnen zu sichern. Die riesige Entwicklung des Eisenbahnnetzes begann ungefähr um das Jahr 1880, von 1880 bis 1890 vermehrte sich das Gesamt- netz der Eisenbahnen der Erde um rund 245 000 Kilometer. Von 1890 bis 1910 erreichte das Gesamtnetz der Eisenbahnen eine Länge von zirka 1 Million Kilometer, das ist der dreifache Betrag der mittleren Entfernung des Mondes von der Erde oder der 2öfache Umfang der Erde am Aequator .. Das größte Eisenbahnnetz hat Amerika mit rund 526 000 Kilometern, dann Europa , dessen Eisen- bahnnetz am Schluß des Jahres 1910 rund 334 000 Kilometer lang war. Deutschland hatte Ende 1910 über 61 000 Kilometer Eisen- bahnen, Rußland rund 59 000 Kilometer, Frankreich 49 000 Kilo- meter, Oesterreich-Ungarn rund 44 000 Kilometer, Groß-Britannicn und Irland rund 37 500 Kilometer usw. Rechnet man in Deutsch - land zu den Eisenbahnen für das Jahr 1910 die im Betrieb befind- lichen Nebenbahn ähnlichen Kleinbahnen, so ergibt sich ein gesamtes Eisenbahnnetz von 70 690 Kilometern, wovon 46 547 Kilometer auf Preußen entfielen. Das Anlagekapital der deutschen Hauptbahnen ist von 1880 bis 1910 von 8,8 Milliarden Mark auf über 17 Milli- arden Mark gestiegen. Ende 1910 beschäftigten die deutschen Eisen- bahnen über 418 000 Arbeiter und über 27 000 Lokomotiven fuhren auf ihnen. Im Jahre 1830 wurdew auf den deutschen Eisenbahnen 215 Millionen Personen befördert, im Jahre 1910 1,5 Milliarden. Der Güterverkehr stieg in derselben Zeit von rund 165 Millionen Tonnen auf 575 Tonnen. Das ist also ein ganz riesenhafter Auf- schwung, der sich seit dem Jahre 1910 noch fortgesetzt hat und für das Jahr 1912 einen bisher unerreichten Rekord brachte. RUstungSdivibcnben. Das Tochterunternehmen der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Belgien , dieNationale K r i e g S w a f f e n f a b r ik" in Serstal zahlt wie im Vorjahre 3 0 P r o z. D i v i d e n d e an die Aktionäre. Soziales. Werkstätten- oder Handelsbetrieb de» Bäckermeisters. Der Bäckermeister Heil sollte sich gegen die Vorschriften über die Ruhezeit der in Bäckereien beschäftigten Gehilfen und Arbeiter dadurch vergangen haben, daß er am zweiten Ostertage früh seinen Hausdiener in einem Berliner Krankenhause Backwaren abliefern ließ, die in seiner Bäckerei hergestellt waren. Im ersten Rechts- gange sprach das Landgericht Berlin den Angeklagten frei, weil hier eine Beschäftigung lediglich im Handelsbetriebe, der mit der Bäckerei verbunden sei, vorliege und die hierfür in Betracht kommenden Vorschriften des 8 105 b Absatz 2 nicht übertreten worden seien. Nach Aufhebung deS Urteils durch das Kammergericht v e r urteilte aber das Landgericht den Angeklagten wegen Uebertretung der erwähnten Bäckereivorschriften. Begründend wurde ausgeführt: Der tzlngeklagte habe ein festes Abkommen mit dem Krankcnhause aus ständige Lieferung von Backware. Die zu liefernde Menge sei aber nicht fest bestimmt. ES werde dem An- geklagten die Menge erst abends oder morgens von der Verwaltung des Krankenhauses angegeben. Eine solche Nachricht sei dem An- geklagten am ersten Ostertage abends zugegangen und demgemäß habe er am zweiten Osterfeiertage früh die Ware hingeschickt. Das Gericht nehme an, daß unter diesen Umständen die Ablieferung der Ware an das Krankenhaus als Tätigkeit im Gewerbebetriebe des Angeklagten anzusehen sei. Maßgebend sei, daß die Ware vom Krankenhaus bestellt gewesen sei. Die generelle Be- stellung habe bei dem Gewerbebetriebe der Bäckerei immer berücksichtigt werden müssen. Deshalb falle die Ablieferung dieser bestellten Ware' unter die zum Gewerbehetriebe der Bäckerei gehörenden Tätigkeiten. Dabei sei eS unerheblich, daß die Menge für den einzelnen Tag immer erst bestimmt wurde. Die Tätigkeit des Hausdieners sei nun während der allgemein für die Arbeiter in Bäckereien vorgeschriebenen Ruhezeit am zweiten Feiertage früh ausgeführt worden, so daß sich die Bestrafung rechtfertige. Der Ferien-Strafscnat des Kammergerichts verwarf die nun von Heil eingelegte Revision und führte aus: Das Landgericht gehe davon au?, daß es sich hier um eine beim Werkstättenbetriebe ge- machte Bestellung handele und daß die Erklärung am ersten Feier- tage abends, die die zu liefernde Menge bestimmte, nicht die eigent- liche Bestellung, sondern nur eine Veränderung der allgemeinen Bestellung gewcfen sei. Diese Auffassung sei nicht rechtsirrtümlich. Mit Rücksicht darauf sei auch ohne Rechtsirrtum angenommen wor- den, daß die Tätigkeit des AustragenS eine solche im Gewerbe- betriebe der Bäckerei und nicht eine solche im kaufmännischen Teil de» GewerbetriebeS des Angeklagten gewesen sei. Mit Recht sei darum Angeklagter verurteilt worden.