überhaupt und die Rechtfertigung dieser Stellung. Hieran sollten wir die Erklärung über unsere Stellung zu den bestehenden und zu erwartenden Steuern schließen. Dagegen erscheinen mir überflüssig die Einzelheiten über das Verhältnis der Reichssteuern zu den Steuern von Staat und Gemeinde. Demgemäß empfehle ich die folgende Fassung, neben die ich den von Wurm vorgeschlagenen Wortlaut stelle: Der Parteitag erklärt unter Der Parteitag fordert ge« Hinweis aus Punkt 10 des Partei» mäß Punkt 10 des Parteipro- Programms und auf die Beschlüsse gramms: des Parteitags zu Bremen im Stufenweise steigende Ein- Jahre 1904 sKommunalpolitik) so- kommen- und Vermögenssteuer wie de« Parteitags zu Magdeburg zur Bestreitung aller öffentlichen im Jahre 1910(Budgetfrage): Ausgaben. soweit diese durch Die Sozialdemokratie fordert Steuern zu decken sind; Selbst- Bcsitzsteuern. die nach dem Ber- einschätzungSpflicht; Erbschafts - mögen und Einkommen der Steuer- steuer, stufenweise steigend nach Pflichtigen festzusetzen sind. Dabei Umfang des Erbguts und nach muß das Vermögen und Ein- dem Grade der Verwandtschaft. Ab- kommen, das den zum notwendigen schaffung aller indirekten Steuern, Lebensunterhalt erforderlichen Be- Zölle und sonstigen wirtschafts- trag nicht überschreitet, von der politischen Maßnahmen, welche die Steuer frei bleiben. Das größere Interessen der Allgemeinheit den Vermögen und Einkommen ist, je Interessen einer bevorzugten Min- größer es ist, mit einem um so derbeit opfern. höheren Satze zur Steuer heran- Ferner erklärt der Parteitag: zuziehen. Dagegen bekämpft die Der Bedarf der Bundesstaaten Sozialdemokratie die Verbrauchs- ist durch Zuschläge zu den in- steuern(indirekte Steuern und direktenReichSsteuernzu decken. Zölle), weil sie die Warenpreise Für die Deckung des Bedarfs erhöhen, dadurch dem arbeitenden der Gemeinden ist gemäß den Be- Volke eine möglichst gute Lebens« schlüssen des Parteitags zu Bremen Haltung erschweren und die zu fordern: ärmeren Steuerzahler im Per- Staatliche Zuschüsse für die hältnis zu ihrem Vermögen und Aufgaben des VolkSgesundheitS- Einkommen viel stärker belasten Wesens, deS Schulwesens, der als die reicheren Steuerzahler. Armenpflege, des Wegebaues. Demgemäß fordert die So- Zuschläge zu den staatlichen zialdeipokratie, daß alle Ver- Einkommen-, Vermögens- und brauchssteuern aufgehoben werden: Erbschaftssteuern. Wo derartige und sie tritt für Besitzsteuern ein staatliche Steuern nicht eristieren, zum Ersatz der Verbrauchssteuern soll den Gemeinden das Recht zu- und zur Deckung solcher Ausgaben, stehen, besondere kommunale Ein- die den Forderungen der Sozial- kommen-, Vermögens- und Erb- demokratie entsprechen. Handelt schaftssteucrn auszubilden. es sich dagegen um die Deckung Besteuerung des unverdienten solcher Ausgaben, die die Sozial- Wertzuwachses an Grund und demokratie bekämpft, so sind auch Boden. Besitzsteuern abzulehnen, es sei DerParteitag erklärt denn, daß die Annahme der Besitz - weiter: steuern nicht die Voraussetzung Für die Bewilligung von für die Annahme der bekämpften Steuern in Reich, Bundesstaaten Ausgaben ist und ungünstigere und Gemeinden ist aber nicht Steuern verhindern würde. Eben- allein maßgebend die Art der so ist jede Verstaatlichung abzu- Steuern, sondern auch ihr Ver- lehnen, die Verbrauchssteuern in wendungSzweck. sich birgt oder auf andere Weise Gemäß dem Beschluß von zu Preissteigerungen ausgenutzt Nürnberg 1908 ist jeder gegne- iverden kann. rischen Regierung das Staat?- Als notwendige Folge unserer b u d g e t bei der Gesamtabstim- Auffassung, daß der jetzige Staat mung zu verweigern, e» sei denn. im wesentlichen der kapitalistischen daß die Ablehnung desselben durch Klassenherrschaft dient, und an- unsere Genossen die Annahme gesichts der Tatsache, daß die Ge- eines für die Arbeiterklasse un- s amtabstimmung über den Staats- günstigeren Budgets zur Folge hg-lshalt als eine Vertrauens- haben würde. erflärung für die Regierung auf- In gleicher Weise ist auch jede gefaßt werden muß, ist jeder d irekt e S t e u er, selbst wenn gegnerischen Regierung der Staats- sie allein den Mehrwert trifft, Haushalt bei der Gefamtabstim- von unseren Genossen abzulehnen, mung zu verweigern, es sei denn, falls der Verwendungszweck den daß die Ablehnung die Annahme Interessen der Arbeiterklasse wider- eines ungünstigeren StaatshauS- spricht, e§ sei denn, daß die Ab- haltS zur Folge haben würde. lehnung der direkten Steuern durch unsere Genossen die Annahme der bekämpften Vorlage nicht hindert und eine für die Arbeiterklasse un- günstigere Besteuerung zur Folge . haben würde. Entsprechend unserer Programm- forderung haben unsere Genossen in den Parlamenten stets darauf hingedrängt, daß bestehende i n- direkte, die Arbeiterklasse be- lastende Steuern abgeschafft und durch direkte ersetzt werden, ohne Rücksicht darauf, zu welchen Zwecken die Staatseinnahmen verwendet werden. Demgemäß haben sie auch zu verhüben, daß neue indirekte Steuern auf die Arbeiterklasse ge- wälzt werden, und wenn dies nur durch Zustimmung zu direkten Steuern zu erreichen ist, haben sie dafür zu stimmen, da dann der Verwendungszweck der direkten Steuern nur noch der Ersatz in- direkter Steuern ist. »* * Ein« Rechtfertigung bedarf wohl nur der Zusatz über die Verstaatlichung. Wir'haben in den letzten Jahren auch mit solchen Steuerfragen zu rechnen, die mit der Verstaatlichung einzelner ErwerbSzweige verbunden find. Dem Reichstage liegt bereits ein solcher Entwurf der Regierungen vor. der die Einfuhr und die Her- stellung von Leuchtöl sowie den Großhandel damit im Zollinland ausschließlich dem Reiche zuweist. Andere derartige Entwürfe, z. B. zur Verstaatlichung der Zigarren- und Zigarettenindustrie, können sehr bald folgen. Allerdings bestreiten die Regierungen, daß der Entwurf des Gesetzes über den verkehr mit Leuchtöl ein neues Steuergesetz bezweckt: die guten Leute wollen ja nur unser Vaterland gegen die Ausbeutung durch die ausländischen Petroleumkapitalisten schützen. Das ist aber schließlich ein Streit um Worte. Tatsächlich kommt sowohl bei dem Petroleummonopol als auch bei jedem anderen Monopolbetrieb des Reichs und der Einzelstaaten ein Ueberfchuß für die GtaatSkafle sehr in Betracht und damit werden die Verstaat- lichungSgesetze auch zu Steuergesetzen. Unsere Partei hat die steuerpolitische Seite der Verstaatlichung bereits einmal im Jahre 1892 auf dem Parteitage in Berlin aller- dings nur sehr kurz gestreift. Dort wurde eine von Liebknecht und Vollmar unterschriebene Erklärung einstimmig angenommm, die mit folgenden Sätzen beginnt: Die Sozialdemokratie hat mit dem sogenannten Staats- fozialismus nicht» gemein. Der sogenannte GtaatSsozialiSmu«, insoweit er auf die Verstaatlichung zu fiskalischen Zwecken hin- zielt, will den Staat an die Stelle der Privatkapitalisten setzen nnd ihm die Macht geben, dem arbeitenden Volke das Doppel- joch der ökonomischen und d« politischen Sklaverei aufzuerlegen. Heute, da die Steuerfragen zu den schwersten Sorgen der Reichsverwaltung gehören, müfien wir viel stärker, als e» vor mehr als 20 Jahren nötig war, auf die Möglichkeit hinweisen, daß da» Reich sein Monopol zu einer rücksichtslosen Ueberschußwirtschaft, zur äußersten Preissteigerung, also zur schweren Ausbeutung des arbeitenden Volkes ausnutzt. Ein solcher Staatsbetrieb kann wie die drückendste Befitzsteuer wirken. Daher muß die Sozialdemokratie alle? tun, um diese Ausbeutung de» arbeitenden Volkes zu verhindern. Auf welchem Wege kann sie dies erreichen? Im vorigen Jahre hatte unser Redner im Reichstage Stellung zur Verstaatlichung des Kalibergbaues zu nehmen. Dabei führte er die Bedingungen an, unter denen die Verstaatlichung vorzunehmen sei. Zwei dieser Be- dingungen lauten: Die Verkaufspreise sind im Gesetz festzulegen. Die Ueberscbüsse sind zur Verringerung der Verbrauchs- abgaben und Zölle oder für soziale Zwecke zu verwenden. Zunächst ist also der Reichslag und damit sind auch die Parteien des Reichstages für die Höhe der Preise verantwortlich gemacht. Der Reichstag muß einer Erhöhung der Preise ausdrücklich zustimmen, und die Wähler können, dank dem gleichen, geheimen Reichstags- Wahlrecht, auch den bürgerlichen Parteien den Eifer für die Er- höhung der Preise gar sehr abkühlen.— Ueberdies soll die Ver» Wendung der Ueberschüsse etwa zur Deckung von Militärausgaben ausgeschlossen sein, die Ueberschüsse sollen nur für solche Zwecke zur Verfügung stehen, die den bürgerlichen Parteien am wenigsten am Herzen liegen. Aber derartige Bestimmungen genügen nicht in allen Fällen. Das zeigt uns das geplante Petrolcummonopol des Reichs. An diesem Unternehmen sind Großkapitalisten stark beteiligt. Welche Sicherheit gegen einen zu großen Einfluß dieser Grotzkapitalisten auf die Monopolverwaltung auch immer versucht wird, die Groß- kapitalisten haben die Petroleumquellen in ihrer Hand; sie machen ein um so besseres Geschäft, je teuerer sie dem Reiche das Petroleum verkaufen; und deshalb werden sie ihren ganzen Einfluß dafür einsetzen, daß sie bei dem Verkauf des Petroleums a» das Reich immer günstiger ab- schließen. Wie.groß diese Gefahr ist, brauchen wir jetzt unter dem Eindruck der Verhandlungen im Krupp -Prozetz nicht näher zu schildern. Je teurer aber das Reich das Petroleum von den Groß- kapitalisten einkauft, um so höher müssen auch die Verkaufspreise werden, selbst wenn da» Reich daran gar nichts verdient. Das ar- beitende Volk wird dann zwar nicht zum Nutzen der Reichskasse, wohl aber zur Bereicherung einiger Großkapitalisten durch das Reichsmonopol um so mehr ausgebeutet. Daher müssen wir bei diesem Monopol auch die Sicherheit dafür haben, daß das Reich für längere Zeit die nötige Menge Petroleum zu angemessenen Preisen einkaufen kann. Wir sehen an diesem Beispiel, von welcher Bedeutung die steuerpolitischen Fragen der Verstaatlichung find. Daher muß der Parteitag auch zu diesen Fragen Stellung nehmen. politische Cleberlicht. Der Kampf um Bebels Wahlkreis. Die Nachwahl in dem bislang durch Bebel im Reichstage vertretenen ersten Hamburger Wahlkreis ist auf den 17. O k- tober, einem Freitag, festgesetzt. Von unserer Partei ist Genosse Otto Stalten, Redakteur des„Hamburg . Echo", als Kandidat aufgestellt. Für die Fortschrittliche Volkspartei kandidiert Dr. Petersen, und die Nationalliberalen glauben, nachdem ihr erster Kandidat Dr. Burchardt zurückgetreten ist, in dem Hauptpastor Dr. Rode einen geeigneten Durchfalls- kandidaten gefunden zu haben. Bei der letzten Wahl wurden abgegeben für Bebel 20633, für den Fortschrittler 6331, für den Nationalliberalen 2999 Stimmen. Nochmals die Metzer„Katholikennächte". Den Zentrumsblättern ist es recht unangenehm, daß so manche frommen Besucher des Metzer KatholikemageS sich am Abend des 17. August in den Metzer Bordellgassen amüsiert haben, und da sie in ihrer Verlegenheit keine besseren Ausreden zu finden vermögen, so versichern sie, daß viele Leute in Metz — nämlich die, die nicht in jener schönen Gegend waren,— von dem„sündhaften" Treiben gar nichts gemerkt haben, und zweiten», daß, wenn tatsächlich manche Besucher der Bordellgassen die KonstantinSmedaille an ihrer Brust getragen, das jedenfalls„gewisse" Elemente gewesen wären, die sich nur deshalb Festabzeichen gekauft hätten,„um unter diesem Schilde ungescheut Ausschweifungen zu begehen und dadurch ab- sichtlich der guten Sache einen Schandfleck anzuhängen". Warum nicht gar! Vielleicht hat der Teufel Bitru auf Veranlassung der Freimaurer jene Leute mit den frommen Abzeichen eigens in die Moselgasse geschickt, um den Metzer Zentrumstag zu diskreditieren. Ihre Teufelsschwänze konnten die höllischen Abgesandten ja bequem in der bürgerlichen Kleidung verbergen, und den Pferdefuß sah in dem Gedränge niemand. Man weiß doch aus Leo Taxils denkwürdigen Enthüllungen, zu was Freimaurer und Teufel fähig sind. Der„Lokal-Anzeiger" in Köln , ein Ableger der„Kölnischen Volkszeitung", wärmt im Anschluß an seinen Abwehrartikel eine Räubergeschichte auf, die schon vor etlichen Wochen die Runde durch die gesamte schwarze Presse ge- macht hat. DaS Blatt meint in seiner Nr. 235 vom 27. August, die sozialdemokratische Presse habe am wenigsten Ursache,„die Katholiken" zu verdächtigen, denn: „In der zweiten Juliwoche wurde in St. Gallen das Schweize - rrsche Arbeitersängerfest, eine sozialdemokratische Ver- anstaltung, gefeiert. Die„Schweiz . Bürgerzeitung' vom 12. Juli 1913 berichtet nun folgendes: Einzelne Teilnehmer haben sich geradezu skandalös ausgeführt. So mußte am letzten Sonntag und Montag die bischöfliche Kathedrale zweimal geschlossen werden, weil Teilnehmer deS Arbeitersänger- festes in die Kirche eindrangen und dort andere Kirchen- besucher in ihrer Andacht störten, verlachten und verhöhnten. Auf dem Klostervlatze wurde gegen die Klosterkirche hin von etwa einem Dutzend Teilnehmern am Sängerfest ein Akt begangen, der sich hier nicht beschreiben läßt, der über von der Sittenpostzei sosort geahndet worden wäre, wenn diese zur Stelle gewesen wäre. Im weiteren sind uns Klagen zugegangen über Belästigungen von Damen aus offener Straße am hellichten Tage." ES kommt häufig vor, daß in ZentrumsblSttern„Akte" behauptet werden, die sich„ n i ch t beschreiben" lassen, weil sie sich nämlich nirgendwo zugetragen haben. Wir haben uns mittlerweile bei unseren St. Gallener Freunden über den Inhalt jener Notiz erkundigt. Die Auskunft, die uns der� Präsident des Preßkomitees des 11. Schweizerischen Arbeiter-SängerfesteS, Redakteur HanS Müller, zukommen ließ, lautet wie folgt: „Die in der deutschen Zentrumspresse verbreitete Notiz betreffend daS schweizerische«rbeitersängerfest ist eine un ver- schämte Erfindung von Leuten, die unseren Sangern am Zeuge flicken mutzten, nachdem sie über die glänzenden gesanglichen Leistungen nichts zu sagen wußten. Von Sittlichkeitsdelikten kann gar nicht gesprochen werden. Der Polizeikommissar hat unseremFe st Präsidenten gegenüber erklärt, daß kein einziger Rapport bei ihm eingegangen sei. Er könnte von bürgerlichen Festen erzählen, wo eS anders zugegangen. Da? Gleiche erklärte der Kasernenverwalter, der sich über die Führung der während zwei Nächten einquartierten 1000 Sänger recht zufrieden aussprach. DaS genügt un». Sir sehen keinen Anlaß, uu» mit Lügenpetern herumzubalgen." Staatssekretär v. Tirpitz amtsmüde? Au§ zuverlässiger Quelle will die„Berliner Börsenzeitung" er- fahren haben, daß Staatssekretär v. Tirpitz zu VertraüenSpersonen geäußert, daß er noch den nächsten Marineetat im Reichs- tag einbringen werde und dann aus dem Amt scheiden werde. Er habe dann auch das Penfionsalter von 65 Jahren erreicht. Groß- admiral v. Tirpitz bekleidet sein Amt seit 17 Jahren, eine Amts- dauer, die unter Wilhelm II. weder ein preußischer Minister noch ein Staatssekretär jemals erreicht hat. Sonderbares Dementi. Unter der Ueberschrift„Presse und innere Kolonisation" brachte die„Kölnische Zeitung " in ihrer Nr. 962 vom 25. August einen Artikel, in dem es einleitend heißt: „Aus Kreisen der preußischen Staatsregierung schreibt man uns: „Mit einer gewissen Regelmäßigkeit bringen linksliberale Blätter in ungemein anregend und stellenweise begeistert ge- schriebenen Aussätzen den Wunsch nach erheblicher Beschleunigung der inneren Kolonisation. Die Aufsätze lassen erkennen, daß es den Verfassern wirklich Ernst ist mit der Schaffung einer richtigeren Besitzverteilung in den östlichen Provinzen der Monarchie. Die ungeheuere Wichtigkeit der inneren Kolonisation wird durchaus richtig erkannt. Leider sind die Forderungen und Vorschläge mit geringen Ausnahmen nicht dazu angetan, praktisch verwertet zi» werden. Unbedingt zutreffend ist nur der Ruf nach Beschränkung des Fideikommisse's und es ist in der Tat nicht einzusehen, warum auf diesem Gebiete nicht längst Aenderungen eingetreten sind." Zu diesem Artikel erklärt nun die„Nordd. Allgemeine Zeitung ": „In der„Kölnischen Zeitung " vom 25. August dieses Jahres ist unter der Ueberschrift„Presse und innere Kolonisation" ein Artikel erschienen, in dessen Einleitung gesagt wird:„Aus Kreisen der preußischen Staatsregierung schreibt man unS!* Diese Angabe ist irreführend. Wir sind zu der Erklärung ermächtigt, daß die leitenden Kreise der Staatsregierung diesem Artikel fernstehen." Demnach wäre der„Kölnischen Zeitung " ein Kuckucksei ins Nest gelegt worden. Es fragt sich nur, wer all«5 unter den leitenden Kreisen der preußischen Staatsregierung inbegriffen sein soll, und darüber gibt das Dementi leider keine Auskunft; nur dann aber könnte man ermessen, ob das Dementi überhaupt berechtigt ericheint. Vermutlich ist die preußische Regierung von den Junkern auf den „gefährlichen" Artikel der„Köln . Zeitung" aufmerksam gemach» worden und hat sich nun schleunigst beeilt, zu versichern, daß sie mit diesem Artikel, in dem schließlich vernünftige Grundsätze vertreten werden, nichts zu tun hat._ Maurenbrecher über seine Tätigkeit in der Sozial- demokratie. Am 30. August sind eS zehn Jahre, seit der Nationalsoziale Verein, der im Jahre 1896 von Naumann gegründet wurde, auf- gelöst wurde und die Nanonalsozialen der damals Freisinnigen Ver- einigung beitraten. Aus diesem Anlaß haben eine Anzahlt alte Nationalsoziale ihre Erinnerungen an jene Zeit in der„Hilfe" zum besten gegeben. Unter ihnen befindet sich auch Max Maurenbrecher , der nicht nur„das nationalsoziale Experiment", seine Tätigkeit bei den Nationalsozialen, sondern auch sein Wirken in der Sozialdemo« kratie zum Gegenstand der Besprechung macht. Er erzählt, daß er vor zehn Jahren zur Sozialdemokratie gegangen sei,„ohne daß er ihr Programm und ihre Taktik sich restlos aneignen konnte", und er erzählt weiter, daß er ständig bemüht gewesen sei, die Taktik der Sozialdemokratie in andere Wege zu leiten: „In Wahrheit habe ich in Vorträgen, Artikeln, Büchern, xu» letzt noch im Wahlkampf 1907, die sozialdemokratische Taktik gegen- über Monarchie, Armee und Marine verteidigt, regelmäßig aber mit Argumenten, die der Tatsache entnommen waren, daß wir zurzeit in Opvosition stehen und daß wir die Zustimmuiia nur aussprechen könnten gegen schwerwiegende Kon- Zessionen. Das heint, ich habe versucht, durch die Art der Argumentierung eine zukünftige Schwenkung in diesen Fragen vorzubereiten und möglich zu machen, wie das früher Heine und Auer gemacht hatten, und wie das ja auch in manche» Artikeln der„Sozialistischen Monatshefte" immer wieder versucht wird. So habe ich auch die ganze Wahlagitation 1907 mit Erinnerungen an Fichte und Scharnhorst, mit den Lebenserinnerungen von Leutwein und Hohenlohe und mit Rohrbachs Ansiedelungsbroschüre über Südwest bestritten. Es ist bei den Gegnern in meinem damaligen Wahlkreise nicht unbemerkt geblieben, daß das etwas anderes war, als was der Wahlkreis sonst an sozialdemokratischer Argumenlierung kennen gelernt hatte. Aber bei den Parteigenossen selbst habe ich das Bewußtsein für diesen Unterschied nur sehr wenig entwickelt gefunden. Diese und ähnliche Erfahrungen führten schließlich zu dem Entschluß, rücksichtslos und unbekümmert um die Folgen das für richtig Erkannte auch so deutlich zu sagen, daß es nicht überhört werden konnte. Die Folge war die gänzliche Jsoliernng und die beständig und geflissentlich ausgestreute Ver- dächtigung: er redet und schreibt nur, um von den Gegnern gegen die Partei zitiert zu werden; er ist ein Verräter, zum mindesten ein Stänker, Nörgler, Störenfried usw. Und jetzt noch, hinter dem Abschied, lautet die Quittung zumeist: ein Glück, daß wir ihn los sind; er ist uns kein guter Kamerad gewesen. Irgend ein Ge- danke von dem, was wir wollten— ich darf tu diesem Wir Gerhard Hildebrand und einige andere mitumfassen— ist rnemalS in die Massen gedrungen, irgend eine sachlicheWirkung haben alle diese Reibungen niemals gehabt. Es war nur immer wieder da« Endergebnis: eS ist unmöglich, eine Partei, und nun gar eine Millionenpartei körperlicb schwer arbeilender Menschen durch rein intellektuelle Motive zur Weiter» bildung ihrer Meinung zu bringen. DaS Kulturproblem deS Sozialismus ist nicht derart, daß es in einer politischen Partei gelöst werden könnte. Entweder — Oder! Entweder Partei oder Probleme, dazwischen gibt eS zu wählen." Nach diesem Bekenntnis nimmt Maurenbrecher die Sozialdemo» kratie gegen den„pharisäischen" Vorwurf der Intoleranz in Schutz: „Man kann der Sozialdemokratie wirklich die Ehre lassen, daß sie das Menschenmögliche an Geduld und Entgegenkommen bewiesen hat.... Jede andere Partei würde sie(die„Intoleranz") ebenso zeigen, wenn es in anderen Parteien so viele Problemsucher gäbe, wie in der Sozialdemokratie." Schließlich faßt Maurenbrecher seine Anficht«» über das Partei« Wesen in den folgenden Leitsätze» zusammen, von denen er freistellt, sie als persönliches Programm für die Zukunft anzusehen: „Erstens: ES ist nicht wahr, daß eS eine Pflichr jedes Staat«- bürgerS sei. zu einer Partei zu gehören. Wahr ist vielmehr, daß die Parteien allesamt oft genug mehr ein Hindernis als eine Förderung für ein rechtschaffenes, die Probleme wirklich durch- knetendes und durchschürfendeS Denken find. Man tnuß sie haben für das politische Handwerk des Tages. Aber das Leben der Kultur und der Zukunftsprobleme deS Staaie» gebt durch sie Hindusch und über sie fort._ Die schöpferiiä>en Menschen der letzten 70 Jahre, Leute w,e Schopenhauer. Wagner, Nietzs�e, Marx, Bismarck usw. sind nicht tjiarteipolittker gewesen. Zweitens: Eine. Zentralstelle für die Kultur» Probleme des Sozialismus, ein Kongreß und Verein ohne parier« politische Bindung oder Beschränkung seiner Anhänger, aber auch ohne Aufftellung eines bindenden Dogmas, eine Prepagandastelle, die die Oeffemlichkeit alljährlich zwingt, diese Probleme ohne Parteibrille zu sehen, die auch die Oberschicht in der Sozialdemo» kratie langsam an den Gedanken gewöhnt, daß. der Sozialismus ein Werdendes ist und nichts Fertige«, und daß es noch Fragen gibt, von denen die Schulweisheit der Parteiredner sich nicht» träumen läßt; ein solcher Kongreß und Berein konnte die richtig,, geradlinige und vertiefende Fortsetzung sowohl unserer national« sozialen als auch unserer letzten Vergangenheit fem."
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