Während ihrer Tätigkeit erkrankte sie und blieb auf Grund eines ärztlichen Attestes etwa zwei Wochen dem Geschäft fern. Als sie sich zum Antritt wieder meldete, wurde sie nicht wieder eingestellt, auch das Gehalt wurde ihr verweigert. Die Klägerin veranlatzte darauf ihren Vater, zum Chef zu gehen und von ihm das Gehalt bis Ablauf der Kündigungsfrist zu verlangen. Sie warnte ihn, da er des Kaufmännischen wenig kundig, ausdrücklich, sich nicht etwa mit einer geringeren Summe zuni Ausgleich zufriedenzugeben. Trotzdem nahm der Vater das Gehalt bis zum Entlassungstage an. Er unterschrieb auch eine einen Ausgleichsrevers enthaltende Quittung, protestierte allerdings gleich hinterher gegen die Be- hauptung des Chefs, das junge Mädchen hätte jetzt nichts mehr zu fordern. Die Klägerin ihrerseits erhob auch sofort gegen den Ausgleichsvermcrk Widerspruch und reichte die Klage ein. Der Be- klagte hingegen stützte sich auf den Revers und hob hervor, daß der Vater für seine noch minderjährige Tochter bindende Abmachungen treffen könne. Wenn eine Minderjährige ohne Erlaubnis des Vaters Vereinbarungen treffen darf, so dürfe es um so mehr der Vater ohne Erlaubnis der Tochter. Das Kaufmannsgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Nestgehalts von 77 M., indem es den Ausgleichsrevers als ungültig ansah. Die Klägerin habe die Verfügung über das Gehalt. Nur wenn sie dem Vater eine besondere Vollmacht erteilt hätte, konnte der Vater darüber verfügen. Aber auch dann wäre hier der Ausgleichsrevers nach Z 118 des Bürgerlichen Gesetzbuchs un « gültig, weil die Willenserklärung nicht ernstlich abgegeben war und der Beklagte den Mangel der Ernstlichkeit erkennen mußte. Wohlfahrtsplagc. Ter erzgebirgische Marktflecken S ch ö n h e i d e ist bekannt als ein Hauptsitz der B ü r st e n i n d u st r i e. Es existieren � dort einige Großbetriebe dieser Branche, deren Inhaber große Reich- tümer erworben haben. Tie Arbeiter allerdings werden ganz miserabel entlohnt. Ist die Bürstenmacherei an sich schon ein Elends- beruf, so gehören die Schönheider Bürstenmacher zu den am schlechtesten gestellten Berufsgenossen in Deutschland . Es könnte wundernehmen, daß trotz der schlechten Erwerbsverhältnisse der Nachwuchs immer wieder in die Bürstcnfabriicn strömt. Dieses Rätsel findet seine Lösung, wenn man die Mittel betrachtet, mit denen die Arbeiter an die Fabriken gefesselt werden. Typisch hier- für ist eine Bekanntmachung der Firma F l e m m i n g, in der es heißt: „Unterzeichneter dieses muß notgedrungen mit aller Strenge verlangen, daß diejenigen Kinder, von denen Vater oder Mutter in der Fabrik arbeiten, auch bei uns in Arbeit treten, und würden wir uns genötigt sehen, bei dem Gegenteil ent- sprechende Maßregeln zu ergreifen. Es wäre doch auch ganz widersinnig, wenn Vater oder Mutter in unserer Fabrik einen schönen einträglichen Posten bekleiden und die Kinder wollten etwas anderes und nichts Besseres lernen oder gar in andere Fa- briken gehen. Die Eltern müßten dann eben auch dorthin gehen. Ich hoffe also bestimmt, daß ich wegen dieser Angelegenheit zu Ostern mit betreffenden Eltern keine Differenzen habe und daß ich sämtliche Kinder in die Fabrik hereinbekomme." Dieser Ukas ist zwar schon im Jahre 1908 herausgekommen, aber eS wird dort noch heute nach den gleichen Grundsätzen ver- fahren, wie das folgende zeigt. Natürlich machen die Schönheider Bürstensabrikanten auch in „Wohlfahrtspflege". Insbesondere stellen sie ihren Arbeitern W o h- n u ng e n zur Verfügung, die freilich oft den bescheidensten hygie- nischen Anforderungen nicht genügen. Der empfindliche Woh- nungsmangel am Ort zwingt aber die Arbeiter, von dieser„Wohl- tat" Gebrauch zu machen. Welche Fesseln den Arbeitern damit angelegt werden, illustriert folgender Brief: Schönheide , den 9. August 191Z. Herrn........ Da heute Ihre Tochter..... gekündigt hat, und zwar ohne jedweden Grund, und nun weiter niemand von Ihnen bei uns arbeitet als Ihr Sohn, so können wir auch Ihre jetzt innehabende Wohnung in unserem Hause für Arbeiter, die bei uns arbeiten und alle ihre Kinder bei uns arbeiten lassen, besser verwerten, weswegen wir uns genötigt sehen, Ihnen das Logis unter heuti- gem Tage zu kündigen und wäre die Wohnung dann uns am ö. September a. c. abends als geräumt zu übergeben. Sollte Ihre Tochter die Kündigung nächsten Montag zurücknehmen, würden wir uns dann bereit er- klären, die Wohnungs-Kündigung ebenfalls zurückzunehmen. Eine Hand wäscht die andere! Sächs. Kardätschen-, Bürsten- und Pinselfabrik. Ed. Flemming u. Co., Kommandit-Gesellschaft. gez. Ed. Flemming. Die junge Arbeiterin wollte ihren Arbeitsplatz wechseln, weil sie bei der Firma Flemming nicht genug verdient. Der Unter- nchmer stellt nun die Eltern des Mädchens vor die Wahl, ihm ihr Kind zur weiteren Ausbeutung zu überantworten, oder mit seiner ganzen Familie auf die Straße gesetzt zu werden. Man kann dem Bürstenfabrikanten Flemming eigentlich Tank wissen für die bru- tale Offenheit, mit welcher er Maßnahmen trifft, die andere„Wohl. täter" vom gleichen Schlage sorgfältig zu verbergen bemüht sind. Ein unhaltbarer Vorstoß gegen die Konsumvereine. Nach dem Gesetz betreffend die Erwerbs, und Wirschaftsge- nossenschaften vom 1. Mai 1889 war es den Konsumvereinen bisher unbehinoert gestattet, Waren, die in der Eigenproduktion erzeugt worden sind, an jedermann zu verkaufen. Auch die Konsum- und Produktivgenossenschaft Halle-Throtha, die in ihrer eigenen Bäckerei Brot- und Weißwaren herstellt, ließ durch Austrüge- rinnen jene Waren auch an NichtMitglieder verkaufen. M<m stützte sich dabei auf den Kommentar zu 8 8 des Genossenschaftsgesctzes, m dem es wörtlich heißt: „Konsumvereine, die zugleich produzieren, verarbeiten,-u- bereiten, z. B. Brot backen, Vieh ausschlachten, Kraut ein- machen usw., dürfen so gewonnene Waren an jeder- mann verkaufe n." Trotz dieser Bestimmung erhielt eine BackwarenauSträgerin ein Strafmandat, weil sie angeblich unerlaubt Backwaren an Nicht- Mitglieder verkauft hatte. Man beantragte vor dem Schöffen- gericht Halle gerichtliche Entscheidung und erwartete nach dem klaren Wortlaut des Kommentars eine glatte Freisprechung. Das Gericht verurteilte die Angeklagte aber zur Zahlung einer Geld- strafe von g M. mit der Begründung, sie hätte an Nichtmitglicder Waren nicht verkaufen dürfen. Die Bäckerei mit Warenvcrtrieb sei eigentlich nichts weiter als ein Konsumverein. Der Name Konsum- und Produktivgenossenschaft erscheine mehr als eine Umschreibng zur Umgehung des Gesetzes. — Hoffentlich wird dem Amtsrichter, der sich die Begründung des Urteils sehr leicht gemacht hat, in der Berufungsinstanz klar ge- macht, daß man am grünen Tisch nicht so leichthin von Umgehung des Gesetzes reden darf. Klus Incluftrie und Findel. Orientalische Eisenbahnen und Balkanereignisse. Ter soeben erschienene Geschäftsbericht der Bant für orientalische Eisenbahnen sn Zürich , des Unternehmens, das an den Balkanereignissen stark interessiert war und ist, äußert sich tn ausführlicher Weise über die Lalkancreignisse und ihre Folgen für die Eisenbahnintercssen der Gesellschaft. Wir entnehmen dem Bericht die folgenden Aus- tuhrungen: Durch die Ereignisse des Balkankrieges wurden von den uns befreundeten Transportunternehmungen vor allem die Compagnie d'Exploitation des Chemins de fer Orientaux und so- dann auch die Saloniki-Mviiastir-Eisenbahn-Gcsellschaft unmittel- bar und schwer betroffen. Ter Verwaltungsrat der ersteren Gesell- schaft spricht sich darüber in seinem Ende Juni 1918 erschienenen Geschäftsbericht für das Jahr 1912 wie folgt aus:„Infolge der von den verbündeten Staaten am 1. Oktober und von der Türkei am nächsten Tage verordneten Mobilisierung mußte der regelmäßige Reisenden- und Güterverkehr fast gänzlich eingestellt werden. Die serbisch -bulgarischen Armeen haben sich des größien Teiles unserer Linien bemächtigt, um diese selbst zu betreiben, und der Gesellschaft wurde auf diese Weise nach und nach der Betrieb fast des ganzen Netzes entzogen. Ende 1912 beschränkte sich dieser Betrieb auf das diesseits Hademköi gelegene, zirka 89 Kilometer lange Stück der Linie Konstantinopel — Adrianopel und auf das ungefähr 69 Kilo- meter lange Stück zwischen Saloniki und Gumendsche, dessen Be- trieb unter der Oberaufsicht der griechischen Militärbehörde nach Wiederherstellung einer über den Wardar führenden Brücke auf- genommen wurde. Die bulgarischen und serbischen Behörden haben den Betrieb des übrigen Netzes mit Hilfe ihres eigenen Personals fortgeführt und üben ihn auch gegenwärtig noch aus, wobei sie einen in ihre Hände gefallenen Teil des Fahr- Materials und Mobiliars sowie der Werkzeuge und der Vorräte der Gesellschaft bcnützen, während wir das gesamte Personal weiter dehielten und bezahlten. Nachdem jetzt der Kriegszustand ein Ende genommen hat, glauben wir, gestützt auf die Beschlüsse der Botschafterreunion, hoffen zu dürfen, daß die Gesellschaft wieder baldigst in den Besitz ihres Betriebes eingesetzt wird. Das Prinzip dieser Wiedereinsetzung ist ein unbestreitbares. Tasselbe ist durch bestimmte Regeln des Völkerrechts gewährleistet, welche jedem Staate, der einen Gebietszuwachs erfährt, die formelle Ver- pflichtung auferlegen, die Verträge einzuhalten, die zwischen dem das Gebiet abtretenden Staate und Privatgesellschaften abgeschlossen worden sind. Dieses Prinzip wurde auch ausdrücklich von allen Großmächten im Laufe der in London stattgefundencn diplomati- schen Verhandlungen anerkannt. Wir sind daher überzeugt, daß die Schritte, welche behufs Rückgabe der Linien und ihrer Einrich- tungen sowie behufs Erlangung der verschiedenen Entschädigungen, die der Gesellschaft zukommen, unternommen haben, von Erfolg be- gleitet sein werden, und wir werden nichts unterlassen, damit die- selben zu einem günstigen Resultat führen, hofsend, daß uns dabei die tatkräftige Unterstützung der in Betracht kommenden hohen Regierungen nicht ermangeln wird." So sehr wir, bemerkt die Verwaltung der Bank für Orientalische Eisenbahnen weiter, die vom Verwaltungsrat der Betriebsgesellschaft der Orientalischen Eisenbahnen vertretene Ansicht über die rechtliche Situation der Gesellschaft und die absolute Pflicht der Balkanstaatcn zur An- erkennung der wohlerworbenen Privatrechte der Gesellschaft teilen, so wenig konnten wir uns verhehlen, wie schwierig es sein»verde, eine Wiedereinsetzung der Gesellschaft in ihre Bctriebsrcchte vor vollständig durchgeführter Demobilisierung der kriegführenden Armeen zu erlmigen. Unter diesen Umständen hat der VdrwaltungS- rat geglaubt, sich gegenüber einer an ihn herangetretenen Slnregung, welche gestattete, alle in der bisherigen europäischen Türkei ge- legenen Engagements der Bank, die durch die folgenschweren Aende- rungen der politischen Konstellation auf dem Balkan betroffen waren, auf einen Schlag und mit annehmbarem Nutzen wenigstens der Hauptsache nach zu liquidieren, nicht ablehnend verhalten zu sollen. Es wurde uns nämlich ein Vorschlag gemacht und von uns nach längeren Verhandlungen auch angenommen, wonach unsere Bank ihren gesamten Besitz von 48 999 Aktien der Compagnie üEx- ploitation des Chemins de fer Orientaux an eine ö st e r r e i ch i s ch e ungarische Bankengruppc veräußerte, nachdem sie der Compagnie d'Exploitation vorher auf Wunsch der Käufer auch noch ein in der Folge zur Ausübung gelangtes Erwerbungsrecht auf die in ihren Händen befindlichen Vorzugs- und Stammaktien der Saloniki- Monastir-Eisenbahngesellschaft eingeräumt hatte. Da die Käufer verlangten, in den Besitz der absoluten Mehrheit aller 199 999 Aktien der Compagnie d'Exploitation des Chemins de fer Orientaux zu kommen, unsere Bank allein aber nicht über diese Stückzahl verfügte, so schloß sich die Deutsch e Bank mit der nötigen weiteren Aktienzahl dem Verkaufe an. Wenn auch unsere Bank sich ihres Besitzes an Aktien der Compagnie d'Exploitation des Chemins de fer Orientaux und der Saloniki-Monasticr-Eisenbahn�esellschaft begeben hat, bleibt sie durch den ihr vorbchaltenen Anteil an den Gewinnen der Käufergruppe am weiteren Schicksal dieser Gesell- schaft und damit implicito an demjenigen der Saloniki-Monastir- Eisenbahngesellschaft noch einigermaßen interessiert. Versammlungen. Das Thema:„Ter politische Massenstreik" behandelte in der gutbesuchten Mitgliederversammlung des WahlvereinsLankwitzGen. Gehrke. Der Redner betonte, daß seiner Ansicht nach sowohl die Partei als auch die Gewerkschaften noch nicht so gekräftigt seien, um einen Massenstreik mit dem gut organisierten Kapital wagen zu können. Die Zahl der Indifferenten betrage noch das Zehn- fache der organisierten Arbeiter. Da in Deutschland andere Mo- mente bei Anwendung des Massenstreiks mitsprechen als in Ruh- land und Belgien , müsse der Agitation für die Stärkung von Partei und Gewerkschaften ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. In der hierauf lebhaft einsetzenden Diskussion wiesen die Genossen Prochnow, Radicke und Valwig die Ausführungen des Referenten als unzutreffend zurück. Genosse Lange' hält in erster Linie starke Organisationen zur Inszenierung eines Massenstreiks für unerläßlich und warnte vor zu großem Optimismus. Genosse Ucko glaubt, daß der Massenstreik schon jetzt durchführbar sei, so- bald politische Ereignisse eintreten, die das Proletariat in seinem innersten Wesen aufrütteln. Zum mindesten müsse man die Tis- kussionen über die Frage des Massenstreiks als außerordentlich be- fruchtend für den Zusammenschluß und die Begeisterung der Massen betrachten. Genosse Böhmer als Gewerkschaftsbcamter betont, daß neben dem allgemeinen Wahlrecht fiir Preußen die Nenein- teilung der Wahlkreise, das Frauenstimmrecht sowie die Wahlberechtigung vom 21. Lebensjahr zu fordern sei. Er hält ferner die heutige Taktik der Partei sowie der Gewerkschaften als ver- flacht; die Rückkehr zur alten revolutionären Taktik gewährleiste viel mehr den Idealismus und somit den Erfolg einer Massen- aktion. Genosse Schreiber nahm Bezug auf die Fragen des Gebärstrciks sowie der Stcuerverweigcrung. Er wünschte die Bc- schleunigung der direkten Aktion. Folgende Resolution wurde gegen drei Stimmen angenommen: „Die Parteigenossen des Wahlverein's Lankwitz erkennen die Notwendigkeit der Diskuherung und Propagierung des Massen- streiks an, um die Arbeiterschaft mit diesem Kampfmittel vertraut zu machen. Die Versammelten sind ferner der Meinung, daß der Massenstreik nicht nur als Abwehr- sondern auch als Angriffs- Waffe verwandt werden kann; sie halten um so mehr an ihrer Auffassung fest, solange nicht diejenigen, die den Massenstreik nur als AbweHrwaffc anwenden wollen, andere Mittel zur Erringung weiterer Rechte der Arbeiterklasse vorschlagen können. Die Ver- sammlung hält es für notwendig, wieder zu der alten, revolutio- nären Taktik, die uns groß gemacht hat, zurückzukehren, um den für den Massenstreik notwendigen Idealismus zu entfachen." Generalversammlung der Buchbinder. Würzberger ehrt zunächst das Andenken August Bebels und der verstorbenen Verbandsmitglieder. Der Geschäftsbericht für das zweite Viertel- jähr lag gedruckt vor, wurde debattelos entgegengenommen� und dem Kassierer Entlastung erteilt. Das Mankogeld auf 28 Pf. pro 1999 M. Umsatz und Vierteljahr festzusetzen, fand die Zustimmung der Mehrheit. Die turnusgemäß ausscheidenden Revisoren Voigt und Jahn wurden wiedergewählt.— Würzberger weist dann darauf hin, daß ab 1. Oktober das neue Statut in Kraft tritt. Heideröther bringt hierauf zur Sprache, daß bei der Firma Ullstein. Abt.„Illustrierte Zeitung ". Frauen in Akkord beschäftigt seien; die Firma weigere sich jedoch, die 19 Proz. Zuschlag zu zahlen� Ferien zu bewilligen� sei auch entschieden abgelehnt worden. Er fordere die Tarifkommission auf, einmal vorstellig zu werden. Ein Vorschlag Bergmanns , die Dauer, auf welche Aushilfsscheine ausgestellt werden, von 3 auf 6 Tage zu erhöhen, führt zu einer längeren Aussprache über die Zu» st ä n d e auf dem Arbeitsnachweis, die als unhaltbar auch von der Verwaltung und der Beschwerdekommission bezeichnet wurden. Vor allem müsse von den zugereisten Kollegen gefordert iverden, daß sie den Arbeitsnachweis nicht durch Umfrage bei den Arbeitgebern umgehen und dadurch erst den letzteren die Möglich- keit geben, den Nachweis beiseite zu schieben. Es besteht die Ab- ficht, eine außerordentliche Generalversammlung mit der Sache zu befassen. Ein Antrag, die Frage des Massenstreiks kn einer Mitgliederversammlung zu behandeln, wurde zurückgestellt auf eine Erklärung Würzbergers hin, der da meinte, daß wir noch lange nicht so weit seien, erst müsse die Zahl der Organi- sierten eine größere werden. Zudem bilde die Frage voraussichtlich einen Verhandlungsgegcnstand des Parteitages und sollten wir deshalb zunächst diesen abwarten. Schnabel vermißt im Buch- bindergewerbe das politische Bewußtsein, das dazu gehöre, um dem Massenstreik nähertreten zu können. Er wünscht die Behandlung der Frage, damit dieses Bewußtsein geweckt werde. Ter Verband der Kupferschmiede hielt am Donnerstag im Gewcrkschaftshausc seine Monatsversammlung ab. Bevor in die Tagesordnung eingetreten wurde, widmete der Vorfitzende dem Ge- nassen Bebel einen kurzen Nachruf. Nachdem ein Vortrag über „Feuerbestattung" und ein solcher über die„Volksfürsorge" ge- halten war, gab Kühne einen Bericht über verschiedene Lohn- b e w e g u n g e n. Er forderte die Monteure, welche bei Hochdruck- firmen beschäftigt sind, auf, ihre Adresse nebst Lohnangabe an das Bureau einzusenden. In der Diskussion wurde das Verhalten einiger Kollegen, welche nach außerhalb auf Montage fahren, stark gerügt. Um die Lohnvcrhältnisse und die Zulagen für Montagen einheitlich zu regeln, soll für diese Kollegen eine Lohnbewegung eingeleitet werden. Hierauf wurde noch ein Antrag des Vorstandes, zum Bebelfonds 25 M. zu bewilligen, einstimmig angenommen. Verband der Hausangestellten. Kürzlich fand eine Mitglieder- Versammlung des Verbandes der Hausangestellten statt. Zunächst wurde der Kassenbericht vom letzten Vierteljahr von Frl. Lücke gegeben. Die Einnahmen betrugen mit einem vorhandenen Be- stand von 1148,69 M. 2473,18 M. Ausgegeben wurden 1747,94 M.. darunter an Krankengeld 198,19 M., für Rechtsschutz 16,49 M., für Agitation 347,49 M., an die Zentrale wurden 497,89 M. ab- geliefert. Ter Kassenbestand betrug am 1. Juli 728,21 M.; der Mitgliederbestand ist jetzt 1937. Im Verbandsbureau wurden in Dienststreitigkeiten 79 Auskünfte an Mitglieder erteilt und 66 an NichtMitglieder; davon schlössen sich 26 dem Verbände an. In der gleichen Zeit waren 14 Termine wahrzunehmen, und es gelang, außer verschiedenen Streitigkeiten, die auf gütlichem Wege geregelt werden konnten, für die Hausangestellten 399,93 M. zu gewinnen, zusammen vom 1. Januar 1913 bis jetzt 475,33 M Frl. Arndt berichtet, daß 12 Veranstaltungen, zum Teil bc- lehrender Natur, stattgefunden haben. Für den Verband war die letzte Zeit sehr ereignisreich. Es ist allen bekannt, daß Frl. Baar nicht mehr für uns tätig ist. Wir bedauern es im Interesse unserer Organisation sehr, daß Frl. Baar ihren Posten aufgeben mußte. Wir verlieren in ihr sehr viel; sie hat nicht nur für den Verband, sondern auch für unsere Ortsgruppe Berlin seit sieben Jahren ihr Bestes getan. Auch die auf der am 29. Juni stattgefundenen Kon- ferenz anwesenden Ortsgruppenleiterinncn bedauerten mit uns diesen Ausgang der Streitigkeit zwischen Ausschuß und Zentral- vorstand. Sie konnten aber alle an der getroffenen Wahl nichts ändern. Für uns heißt es jetzt mit allen Kräften für unseren Verband zu arbeiten, damit wir selbständig werden.— Frau Kühler bespricht dann die Ursachen der Streitigkeit zwischen Ausschuß und Vorstand. Es wurde beschlossen, die FortbildungSabende im kommenden Winter wieder abzuhalten. Als Beisitzerinnen für den Zentralvor- stand wurden Frl. Heinrich und Frau Bahr gewählt. Em aller Alelt. Eine Tragödie des Elends. Eine erschütternde Notstandstragödie hat sich am Freitag in Luckenwalde abgespielt. Nachdem der 49jährige Malergehilfe Paul Schenk aus der Potsdamer Straße durch Erhängen Selbst- mord verübt, vergiftete dessen Ehefrau s i ch und ihre drei kleinen Kinder aus Verzweiflung mit Gas. Zum Glück wurde die Tat noch so früh entdeckt, daß alle vier Personen dem Tode ent- rissen werden konnten. Im Kampf ums Dasein für sich und seine aus vier Köpfen bestehende Familie wurde der Malergehilfe S. vom Schicksal arg heimgesucht. Die Not und das Elend in der bescheidenen Behausung wurden von Tag zu Tag größer, und als der Familien- Vater gar keinen Ausweg mehr wußte, entfernte er sich in der Ver- zweiflung von seinen Angehörigen, begab sich nach der Wuhlsdorfer Heide und erhängte sich dort. Spielende Kinder fanden später den Leichnam des Lebensmüden. Kaum erfuhr die Ehefrau von dem Tode des Ernährers, da wurde auch sie von der Verzweiflung ge- packt. Nachdem sie die Kleinen, zwei Mädchen im Alter von elf und sechs Jahren und einen Knaben von sieben Jahren, ins Bett gelegt hatte, stellte sie vor alle Türen Möbelstücke, um so ein Eindringen von Personen zu verhindern. Nachdem die Unglückliche schließlich einen Abschiedsbrief geschrieben, öffnete sie sämtliche Gas- hähne in der Wohnung und legte sich zu den Kindern. Mehrere Stunden darauf wurden die Nachbarn durch einen verdächtigen GaS- geruch aufmerksam gemacht. Man drang gewaltsam in die Wohnung ein und fand Mutter nebst Kindern leblos in den Betten vor. Ein hinzugcrufener Arzt bemühte sich mit Hilfe des Sauerstoffapparates mit Erfolg um die Bewußtlofen. Er vermochte sowohl die Mutter als auch die Kinder wieder ins Leben zurückzurufen und sorgte für Ueberführung ins Krankenhaus. Japan wird Kulturstaat. In Japan hat das Gerücht großes Aufsehen erregt, daß der Minister des Hofes, Graf Watanabe Chiaki, durch große Unterschlagungen sich ein enormes V e r m ö g s n errungen haben soll. Die japanische Presse verlangt in scharfem Tone eine genaue Untersuchung der Affäre. Kleine Notizen. Den Bock zum Gärtner gemacht. Wegen gewerbsmäßigen W i I d e r n S verurteilte die Strafkammer in Trier den k g l. F ö r st e r Meinstadt aus Kerken z» 4 M o n a t e n G e f ä n g n» s. Der Verurteilte, der demnächst pensioniert werden sollte, stand schon seit Jahren im Verdacht des Wilderns. In der Verhandlung leugnere er, die Beweisausnahme ergab jedoch, daß er sogar während der Schonzeit gewildert hat. Schweres Banunglück. Beim Niederlegen einer Scheune in der schlesischen Ortscha't P a w l a u wurde durch einen abstürzenden Balken der sechzehnjährige Gärtnersohn Hernd getötet. Der fünfzehnjährige Handlanger Kotschi wurde schwer, ein Polier leicht verletzt. Reiche Beute. In Budapest wurde der Bankprokurist Szegfue unter dem Verdacht verhaftet, seiner Gesellschaft, der Ungarischen Kommerzialbank, 299999 Fr. unterschlagen zu haben. Schweres Unglück auf der Bühne. In T e m e S v a r stürzte Freitag abend während der Vorführung der Boden einer Varietö- bühne ein. Die Artistin S a n d o r und ihr Partner, der Artist R a d o stürzten und wurden beide schwer verletzt. Das Publikum wurde v o n einer Panik ergriffen, doch gelang es ruhigem Zureden, größeres Unglück zu verhüten,
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