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Dr.ZZö. 30. Iahrgavg. X KtilU des Jormirte" ßttlintt ßolblilntt. 31. JupS 1913. Nlrtichswicher Aochenbericht. Aohlenpreise. Berstaatlichung der Hibernia  . Kohlensyndikat «nd Fiskus. Im Oktober jeden Jahres setzt das R h e i n i s ch- w e st f ä tische Kohlensyndikat die Richtpreise für das folgende Betriebsjahr fest. Die Normierung der Preise in diesem Jahre muß ganz besonderes Interesse hervorrufen, da wir uns gegenwärtig in einem Zeitabschnitte deutlich absteigender Konjunktur befinden, Die Konsumenten haben natürlich alles Interesse, daß die Kohlen preise ermäßigt werden. Sie leiden heute stark unter dem im bergange nen Jahre beschlossenen und in diesem Frühjahr realisierten Preis erhöhung, die gerade in Kraft trat, als der Konjunkturrückgang, ver- stärkt durch den Balkankrieg und die Geldteuerung, einsetzte. Die Konsumenten müssen selbstverständlich fordern, daß diese vorjährige Preissteigerung nicht nur rückgängig gemacht wird, sondern daß die Preise auch noch unter das vorjährige Niveau heruntergehen! denn im Vorjahre rechnete man mit steigender Hochkonjunktur, während man sich heute bereits auf eine Krisenzeit einrichtet. Viel Neigung ist natürlich in Syndikatskreisen zu einem solchen Schritt nicht yorhanden. Da ist es charakteristisch, daß ein Unternehmerblatt, das sich selbst stets zum Sprachrohr für die Interessen des Kohlensyndikats macht, daß dieRheinisch-Westfälische Zeitung* den Zechen zur Preis­ermäßigung für Koks zuredet. Man darf zwar nicht erwarten, daß die«Rheinisch-Westfälische Zeitung* an die Interessen des Klein- konsumenten denkt, der im privaten Haushalt seinen Ofen und Herd mit Kohle oder Briketts heizt. Sie nimmt sich vielmehr der Groß- konsumenten auS der Roheisenindustrie an. Bekanntlich zeigte sich die Konjunkturabschwächung am ehesten und stärksten in den Eisenpreisen an allen internationalen Eisenmärtten sind die Preise seit den Wintermonaten im Weichen. Die Ermäßigung der Roheisen- preise wird den deutschen   Industriellen aber durch die hohen Kokspreise im Inlands erschwert. Das hat eine Hemmung des Ab- satzes im Ausland zur Folge und vergrößert die Gefahr, daß aus- ländisches senglischesj Roheisen in Deutschland   eindringt. Tritt eine weitere Roheisenpreisermäßigung auf dem Weltmarkt ein und sie wird als unvermeidbar erwartet so hängt die Konkurrenzfähigkeit der deutschen   Roheisenindustrie wesentlich von der Ermäßigung deS Kokspreises ab. So kommt die.Rhein.-Westf. Ztg.* zur Warnung den Profit st andpunkt zu stark zu betonen*. Die Mäßigung in der Kohlenpreispolitik ist für das Kohlensyndikat auch durch die zunehmende Stärkung der Außenseiter geboten. Seit der Erneuerung des(1903 zum erstenmal abgeschlosienen) Syndikats- Vertrages im Jahre 1907 ist der Anteil der syndikats freien Zechen an der Gesamtförderung im Ruhrkohlengebiet von 1,7 Proz. aw 7,1 Proz. gestiegen. Unter diesen Außenseitern des Syndikats nimmt der p r e u ß i s ch e B e r g f i S k u S eine besondere Stellung ein. Seit 1904 ist seine Kohlenproduktion im Ruhrrevier um das Vierfache gestiegen. Der kleineren selbständigen Zechen würde das Syndikat leichter Herr werden; aber der geschlossenen Macht de» Fiskus gegenüber fühlt eS sich in die Enge gedrängt. Daher gehen seit langem Bestrebungen des Syndikat« dahin, den Fiskus zum Eintritt in das Syndikat zu bewegen. Im vergangenen Jahr war bereits ein Einvernehmen zwischen Fiskus und Syndikat dahin erzielt worden, daß der Fiskus dem Syndikat den Verkauf seiner Förderung übertrug und als Entgelt zur Shndikatsumlage beisteuerte. Im Herbst 1912 wurde dieser Vertrag aber wieder gelöst, als das Syndikat auch die Preise für Hausbrandkohlen erhöhte. Trotzdem damals Kirdorf  , der Vota des Kohlen« syndikats, behauptete, der Anschluß eines von Parlamentsmehrheiten abhängigen FiSkuS sei für das Syndikat völlig bedeutungslos, hat doch ein lebhaftes Liebcswerben um den Fiskus eingesetzt. Es wird sogar behauptet, daß nicht die Beteiligungsfrage oder die Regelung des Verhältnisses zwischen reinen und Hüttenzechen, sondern der Anschluß de? FiskuS für daS Zustandekommen deS Syndikats entscheidend sein werde. Da der Fiskus auch im Saargebiet und in Oberschlesien   Kohlengruben besitzt, ist seine Stellung in der deutschen   Kohlenproduktion eine recht gefestigte, und er ist Wohl in der Lage, die SyndikatSpolitik empfindlich zu durchkreuzen. Die private Kohlenindustrie sucht deshalb durch besondere Zugeständnisse den Fiskus zum Anschluß zu bewegen. An der Börse verlautete in der vergangenen Woche das Gerücht, daß die Verstaatlichung der Hibernia als«ine derartige Konfession zu erwarten sei. Schon vor einiger Zeit teilte der Oberbürgermeister von Herne   in einer Stadtverordnetensitzung mit, daß der Fiskus über kurz oder lang die Hibernia schlucken würde und auch die Wahl de? Vor- sitzenden der kgl. Bergwerksdirektion zu Recklinghausen   in den Aufsicht«- rat der Hibernia im April d. I. wurde allgemein al« erster Schritt der Verständigung zwischen Hibernia und FiskuS aufgefaßt. Denn obgleich der Fiskus für 27>/, Millionen Hibernia-Aktien von 60 Millionen Gesamtaktien besitzt, war er bisher aus dem Aufsicht«- rat ferngehalten worden. Um die Bergwerksgesellschaft Hibernia hat bekanntlich vor einigen Jahren ein lebhafter Kampf zwischen Fiskus und privater Kohlenindustrie stattgefunden. Durch die Dresdner Bank kaufte der FiskuS im Jahre 1904 Hibernia-Aktien auf und trat gleichzeitig an die Gesellschaft mit dem Anerbieten heran, da« ganze Unternehmen zu übernehmen. Der AufsichtSrat lehnte aber das Anerbieten ab. Um auch eine spätere Erwerbung der Hibernia durch den FiSkus unmöglich zu machen, vereinigten sich mehrere Banken(Handelsgesellschaft, Darmstädter Bank, Diskonto- Gesellschaft, Deutsche Bank, S. Bleichröder) mit dem Kohlensyndikat zur»Herne  *, Vereinigung von Hibernia  -Aitionären. Die Herne  verfolgte die ausgesprochene Absicht, den FissuS am Erwerb weiterer Hibernia-Aktien zu hindern. Durch Ausgabe von neuen Aktien unter Ausschluß deS Bezugrechtes der alten Aktionäre, gelang es dem Privaikapital, den FiSkuS noch mehr in die Minderheit zu drücken. Heute hat daS Bergbaukapital kein Interesse mehr daran, den FiskuS am Erwerb der Hibernia zu hindern, denn seit 1904 hat sich per Besitz deS BergfiSkuS trotzdem rasch vergrößert. ES mehren sich sogar Stimmen in Unternehmerkreisen, die den Kampf gegen die Verstaatlichung bedauern.»DaS Syndikat hat die Folgen empfiydlich spüren müssen: an die Stelle des geplanten Staats« besitzes, der vollverpflichtetes Mitglied des Syndikats hätte bleiben müssen, ist ein völlig freier Betrieb(von StaatSzechen) getteten, der dem Absatz der SyndikatSzechen nachhaltigen Abbruch getan hat*(Wiedenfeld). Jetzt will man umgekehrt die Ueberlassung der Hibernia an den Staat als Köder für den Beitritt zum Syndikat benutzen. Die Befürchtung, daß der FiSkuS auS seinem Besitz »staatssozialistische  * Betriebe mit vernünftiger Lohn- und Preis» Politik machen könne, hegen die Syndikatsherren nicht mehr. Der FiSkuS ist in der Knebelung der Bergarbeiter und der Bemessung der Preise mit so»gutem* Beispiel vorangegangen, daß sie ihm jetzt volles Vertrauen schenken. In dem Abge'ordnetenhause sorgen alle Parteien, einschließlich des Zentrums(dessen Vertreter nur im Plenum etwa, Opposition machte, in der Kommission aber mit dt« nationalliberalen Scharfmachern Hand in Hand ging), dafür,'! daß die Regierung nicht etwa auS ihren Werken sozialpolitische Muster- bettiebe gestalte. Je ausschlaggebender die Stellung de? BergfiSkuS aber wirb, um so mehr muß die Sozialdemokratie darauf dringen, daß diese Stellung zugunsten der Arbeiter und Konsumenten ausgenutzt wird. Die Sozialdemokratie bekämpft entschieden den EinKitt des FiskuS in das Syndikat, denn wie selbst bürgerliche Blätter ausgeführt haben in einem Privatmonopol wird der FiSku« immer eine klägliche Rolle spielen. Sobald er sich seiner staatlichen Machtmittel und seiner Selbständigkeit begibt und das muß er als Mitglied unter Gleichberechtigten, wird er immer ins Schlepptau der ihm an Kapital überlegenen Unternehmer genommen werden. DaS Syndikat gewänne durch den Beitritt nur an Macht und moralischem Einfluß, ohne daß der FiSkuS die Interessen der Konsumenten wahren könnte, selbst wenn er es wollte? denn sogar nach dem literarischen Verteidiger deS Syndikats, Professor Wiedenfeld, ist die nackte Tatsache unbestreitbar, daß der shndikatlichen Preispolitik das Bestreben einer Preis st eigerung zugrunde liegt". Allen erneuten Versuchen, den FiskuS in das Syndikat zu ziehen und dadurch die Erneuerung des Syndikats zu sichern, muß schon jetzt mit aller Entschiedenheit in der Oeffentlichkeit entgegen- getteten werden._ Legen den Ledärittelk! Die Frage des sogenannten Gebärstreiks, über die Klara Zetkin   am 22. August in einer großen Volksversammlung rcse- riert hatte, wurde am letzten Freitag in einer zweiten, ebenfalls überfüllten und bereits vor 8 Uhr polizeilich abgesperrten Volks- Versammlung in derNeuen Welt" weiter erörtert. Dr. Alfred Bernstein(den ein Teil der Versammlung leb- Haft begrüßte): Ich bitte, den einfachen Deduktionen eines Arztes zu folgen, der vielfach Schreie der armen Arbeiterfrauen gehört hat, die unter der Geburtenlast leiden. Wenn Genossin Zetkin   sich gegen die Geburtenbeschränkung ausspricht, begibt sie sich unter die Führung eines Regierungsrats Bornträger in Tüjscl- dorf, der ein gehässiges Pamphlet gegen die Arbeiter und Arbeite- rinnen geschrieben hat. Nachdem wir Aerzte zur Bekämpfung der Tuberkulose die verschiedensten Mittel vergeblich versucht haben, müssen wir ein letzte» Mittel heranholen. Dieses besteht darin, daß der Arzt schwangeren Tuberkulosen die Frucht durch eine kleine unschädliche Operation abtreibt. Alljährlich werden auf dem Altar des Kapitalismus 000 000 Säuglinge geopfert. Sehr wenig Ar- beiterfrauen sind physisch in der Lage, ihren Kindern den Born der Mutterbrust zu geben. Und wenn drei Millionen Mark bewilligt würden, würde das nicht genügen, um die große Säuglingssterblich- keit aushören zu lassen. Da sind v�lmehr gewaltige soziale Re- formen notwendig, da muß das ganze wirtschaftliche Leben um- gewälzt werden. In Berlin   sterben 20 Proz. der Säuglinge. Im Tiergartenviertel sind es aber nur 6 Proz., und im Gebiet des Elends, oben am Wedding  , sind es 43 Proz. Tvmit ist der Jammer aber nicht genug charakterisiert. Mütter werden Mörderinnen ihrer Kinder. Sie geben ihnen verdorbene schlechte Milch, um sie rasch loszuwerden und Platz zu schaffen für neue. Ein Zuviel an Kin- dern übt seine Wirkung bei der Rekrutierung der Prostitution Es ist eine anerkannte Tatsach«, daß die Prostituierten namentlich aus mehrki aderigen Familien stammen. Auch bei den Fürsorge- zöglingen ist es so. Sieht man das Elend der kriminellen Aborte da sagt man sich: ist es nicht besser, vorzubeugen durch den Prä- ventivverkehr? Den Staatsanwälten will man noch mehr Opfer ausliefern, indem man die Aerzte anhalten will, Anzeige zu er- statten, wenn der Verdacht eine« kriminellen Abort« vorliegt. Wenn da« zu einer Gesetzesbestimmung verdichtet werden sollte, dann lege ich meine ärztliche Tätigkeit nieder. Denn ich bin nicht dazu da, Arbeiterfrauen ins Gefängnis zu bringen. Die Frauen, die wir als Führerinnen ansprechen, sehen den Wald vor Bäumen nicht. Sie leiden an einerRaserei der Zahl". In der Zeit der Eisenbahnen, deS lenkbaren Lustschiff» usw. sehe ich den Fortschritt nicht in der rohen Kraft, sondern in der Kraft deS Geistes. Man soll daran denken, daß die Leute, auf die wir einst zählen müssen, kräftig und gesund sind. Czerny hat daS goldene Wort ausge- sprochen: ES soll niemand mehr Kinder erzeugen, al» er ernähren kann. Der gegen mich angeführte Karl Marx   hat den Satz aus- gesprochen, daß jede ProduktionSepoche sich ihre eigenen Bevölke- rungSverhältniffe schaffe. So müssen sich die Arbeiter neue Be- Völkerungsverhältnisse schaffen. Nun tun Sie, Arbeiterfrauen, Ihre Schuldigkeit und soraen Sie dafür, daß der Geburtenrückgang ein immer größerer wird. Der Geburtenrückgang, wie er jetzt eingeleitet ist, der trifft den Kapitalismus an seinem Lebensmark. Wenn wir die Ausbeutungsobjekte nicht rekrutieren, wenn wir das Heer nicht vermehren, dann ist der Kapitalismus am Ende.(Starker Beifall.) Vorsitzender Eugen Ernst  : Es ist eine Resolution eingegangen. Es handelt sich hier aber um eine Klärungsversammlung, wo Rede und Gegenrede klären soll. Da ist es unnötig, Resolutionen vor zulegen. Pieck: Hätten Dr. Moses und Dr. Bernstein sich darauf be schränkt, die Frauen im Hausarztverein oder sonst über die Mittel aufzuklären, wie zu zahlreichem Kindersegen vorzubeugen sei, dann bätte dagegen niemand etwas unternommen. Die Argumente der Genossin Zetkin   gegen die Erklärung deS GebärstreikS als politisches Kampfmittel find treffend. Es darf sich niemand dem törichten Glauben hingeben, daß er durch die Selbsthilfe der Geburten- beschränkung dazu beitrage, den Klassenkampf der Arbeiter zu starken.(Widerspruch und Zustimmung.) Paatz vertritt den Standpunkt, daß auf jeden Fall der Mili tavismuS durch den Gebärstreik getroffen wird. Damit wird aber auch der Kapitalismus getroffen. Dr. MoseS geht mir nicht weit genug. ES mutz dafür«ingetreten werden, baß K Jahre lang überhaupt keine Kinder geboren werden; dann wird es schon besser gehen.(Heiterkeit, Beifall und Zischen.) Randler faßt seinen Standpunkt dahin zusammen: Ich will nichts empfehlen, sondern ich sage: wer innerhalb seiner Klasse sich dessen bewußt ist, was er wn und lassen soll, und wer doch mehr Kinder erzeugt, als er ernähren kann, der versündigt sich an seiner Klasse. Klingler: Genossin Luxemburg   hat in der vorigen Versamm- lung den Versammelten Oberflächlichkeit vorgeworfen, im Hinblick auf den Baifall für Dr. MoseS' Ansichten. Sie hätte sich aber an «in« ander« Adresse wenden müssen. Di« Berliner   Parteileitung hat zu wenig für Aufklärung getan. Nur durch zähen Kampf können wir etwas erringen, aber nicht durch Einschränkung der Geburten. Indessen müssen wir mit dem Geburtenrückgang rechnen, ohne daß wir ihn aber fürchten brauchen. Im Gegenteil habe ich die Er- fahrung gemacht, daß wir in Familien mit weniger Kindern noch aufrechte freie Menschen anfinden, die leichter gewonnen werden können. Vorsitzender Eugen Ernst  : Der Vorredner hat die Parteileitung für das Verhalten der vorigen Versammlung verautwotlich gemacht. Wir lehnen daS ab! Frau G tildner(von der Arbeiterinnenkommission der Metall- arbeiter) schildert auS ihrer praktischen Erfahrung die Schwierig- ketten, die der Werbearbeit unter den mit Kindern gesegneten Ar- beiterinnen erwachsen. Frau Mendels: Amb die preußischen Junker haben sich im Parlament über de» Geburtenrückgang unterhalten. Dazu hat auch ein Redner von uns gesprochen. Er hätte recht scharf zum Ausdruck bringen müssen, daß die. die die Lebensmittel verteuerten und die Kulturbedürfnisse der Arbeiterschaft herabdrücken wollen, die Schul- digen seien. Wenn Genosse Bernstein  , der Arzt, so austritt wie hier, dann kann ich das verstehen. DaS aber, waS«r wünscht, unserem Kampfe von Nutzen sein soll, kann ich nicht einsehen. Die Frage gehört überhaupt nicht in die Partei. Jede einzelne Familie soll das mit sich abmachen.(Beifall.) Barth: Die Frage deS Geburtenrückganges ist sehr wichtig, auch im Interesse des Klassenkampfes. ES ist aber Unsinn, zu sagen: die Beschränkung der Geburtenzahl sei eine revolutionäre Waffe und etwa mit dem Massenstroik auf eine Stufe zu stellen. Aber die Klasse wird durch den Gebärstteik gestärkt, und wenn man dafür eintritt, etwa wie man den Alkoholmißbrauch bekämpft, dann wird der Erfolg bedeutend sein und der Partei nutzen.(Beifall.) Mathilde Wurm  : Ich wünschte, die Sache wäre geblieben, wohin sie gehört: im Sprechzimmer des Arztes und im Schlafzimmer des Ehepaares. Rednerin vertritt ihre in der«Gleichheit* wieder- gegebene Auffassung, die sich wesentlich mit der der Genossin Zetkin  deckt. Sie betont: Niemand wird einen Vorwurf erheben, wenn jeder nach seinen Verhältnissen seine Kinderzahl beschränkt: aber niemand darf glauben, daß auch nur um Haaresbreite die heutige Gesellschaft mit allen ihren bösen Erscheinungen durch die Ge- burtenbeschränlung von ihrem Fleck gerückt wird. Kampf gegen die Ursachen des Elends und der Entrechtung der Arberterklasse, daS ist das Entscheidende.(Lebhafte Zustimmung.) Schulz begrüßt mit Freuden, daß wir nun seit Jahren im Gebärstreik stehen. Weniger Menschen, aber glücklichere. Frau Herrmann: Genossin Zetkin   hat nicht so recht in die Verhältnisse der Armen hineingesehen. Ich rate: streiken sie weiter. (Zustimmung.) Es wird nunmehr auf Antrag aus der Versammlung Schluß der Diskussion beschlossen. Luise Zieh(in einer persönlichen Bemerkung): Ein Redner hat unter Hinweis auf meine Ausführungen gesagt: ich wollte, daß die Heimarbeiterinnen ihre Kinder vom dritten Jahre an als Mitarbeiter ansehen sollten. Das habe ich natürlich nicht gesagt. Ich habe vielmehr gesagt: Gerade in den Kreisen der Arbeiter, die am meisten verelendet sind, der Heimarbeiter, ist die freiwillige Geburtenbeschränkung am wenigsten oder gar nicht vorhanden; sie sind zu unwissend oder so arm, daß sie sich die Mittel nicht kaufen können. Und hinzugesetzt habe ich: Wenn überhaupt eine dieser Frauen nachdenkt über die Möglichkeit und wendet die Mtttcl nicht an, so hindere sie, wenn nicht Fatalismus, dann der Gedanke, daß die Kinder nicht bloß Mitesser seien, sondern auch mitarbeiteten, oft schon vom dritten Jahre an.(Sehr vichtig.) Klara Zetkin  : Ich habe lediglich die Frage vom Standpunkt der proletarischen Klassenintercssen aus geprüft und habe nicht mit den einzelnen abgerechnet. Nichts hat mir ferner gelegen, als mich irgendwie in Vorurteilen zu ergehen über die, die aus irgend welchen Gründen freiwillig ihre Kinderzahl beschränken. Ich bin der Meinung, daß wie Liebe, Religion, literarischer Ge- schmack usw. es auch eine Privatfrage ist, wer Kinder erziehen will und wieviel Kinder er erziehen will. Ich wende mich nur dagegen, daß man die Beschränkung der Kinderzahl als revolutionäre Waffe anpreisen, eine persönliche Frage zur Parteisache machen will. Unter Ihrem Beifall habe ich erklärt: wenn aus den Kreisen der Besitzenden gegen den Geburtenrückgang das nationale Inter­esse und die vaterländische Pflicht angerufen werde, und wenn die- selben Kreise den Arbeiterinnen Moralpredigten wegen der Gc- burtenbefchränkung halten wollten, daß dann die Proletarierin mit Recht antworten kann: Unter dem Stachel der Not tun wir nur, was Ihr aus Wohlleben, aus egoistischen Gründen uns seit Jahrzehnten vorgemacht habt. Und als ich die schlimme Lage der proletarischen Frau schilderte, da habe ich erklärt: ich sei die letzte, die Steine auf die arme Proletarierin wirst, die unter dem Zwange der Not ihre Kinderzahl beschränkt. Hüten mutz man sich, an Stelle eines sozialen einen moralischen Maßstab anzulegen. Denn die Gründe sind die ver» schiedenartigsten, die achtungswürdigsten, aber auch die gemeinste«. Also kühle soziale Würdigung vom Klassenstandpunkt aus. Es gibt eine Reihe von Fällen, wo die Unterlassung, Kinder in die Welt zu setzen, der Allgemeinheit gegenüber sogar sittliche Pflicht ist. ES ist ein Mißverständnis, daß ich geprediot haben soll, die Frauen sollten viele Kinder haben. Von der Qualität wurde gesprochen. Gewiß, die gute Qualität ist ein gutes Ding. Aber auch die Massen sind für den Aufstieß des Proletariats durch den Kampf eine un- abweisbare Notwendigkeit. Auch hier vollzieht sich das Gesetz, daß die Quantität in die Qualität umschlägt. Auf eine Frage Alfred Bernsteins, wie ich mich zur Frage der Aborte stelle, die gesetzlich geahndet werden, kann ich nur sagen: auch dem Genossen Bernstein  müßte bekannt sein, daß die Sozialdemokratie seit langen Jahren die Bestimmung des Strafrechts gegen die Aborte bekämpft, gerade im Hinblick auf die furchtbaren sozialen Erscheinungen, die die Grundlage bilden. Moses gegenüber mutz ich erklaren, daß ich mit keiner Silbe gesagt habe: es kommt auf den einzelnen nicht an. Ich denke deutlich betont zu haben, daß wir viele Einzelne wollen. Ich habe nur erklärt, daß die Klassen läge nicht gehoben werden könnte dadurch, daß die einzelnen ihre persönliche Lebens- Haltung durch Geburtenbeschränkung veränderten. Dagegen wirkt die allgemeine Klassen läge erheblich auf die einzelne Familie zurück. Eine Verschlechterung der sozialen Verhältnisse, die das Proletariat nicht durch Kampf verhindert hat, macht sich auch den Klassengenossen empfiodlich bemerkbar, die sich an eine etwa» höhere Lebenshaltung gewöhnt haben, auch denen, die die Zahl ihrer Kinder beschränkt haben. Genosse Moses   hat als Kronzeugen für sich die Genossen Kautskh und Bebel angeführt. Es stimmt, daß KautSky   mal Anhänger der Herabsetzung der Kinderzahl durch den Präventiv- verkehr gewesen ist. Die Abhandlung ist aber schon 1880 beröffent- licht worden und, als sich KautSky   zum Sozialismus hindurch- gearbeitet hatte, da hat er seinen Neu-MalthusianismuS feierlich widerrufen. Auf derselben Höhe steht die Zitierung Bebels durch Moses  . Ist doch der ganze Schlußteil de» fraglichen Absatzes darauf gestimmt, daß hinieden genug Brot für alle Menschenkinder wächst. Bebel sagt auch: schließlich lverde die Regulierung der Volkszahl ohne gesundheitsschädliche Enthaltsamkeit>md ohne wider- liche Präbentivmaßrcgeln sich bollziehen. Moses   hat prophezeit. daß die Regierung freiwillig Reformen anbieten werde, wenn erst recht wenig Geburten erfolgen. Ach, der Reformeifer wird nicht angespornt durch Verminderung der Volkszahl. Da» sehen wir an Frankreich  . Manches ist ja dort geschehen zur Bekämpfung des Kinderelends, aber in bezug auf durchgreifenden Mutterschutz, auf. durchgreifenden Arbeiterschutz, auf eine Sicherung des Koalition«- rechts, in bezug auf die Lebensmittelverteuerung durch ein Abgehen vom Sochschutzzoll, hat die französische   Regierung vollständig versagt trotz des Geburtenrückganges. Für England gilt da? gleiche. Um das Bild auch von der anderen Seite zu sehen, muh auch darauf hingewiesen werden, daß Aerzte im Präventivverkehr die Ursache mancher Frauenkrankheit sehen, und auch mancher nervöser Erscheinungen bei den Männern, Die kapitalistische Ordnung beschmutzt das Tiefst« im Menschen. Die Empörung darüber müssen wir in die Bahn des politischen und gewerkschaftlichen Klassenkampfes leiten. Nicht durch den Präventivverkehr, sondern durch den Kampf der Klasse ßegen wirtschaftliche Ausbcu- tung und politische Entrechtung, wie wir ihn schon jetzt führen» nur durch die Heranziehung und Heranbildung der Massen kommen wir zum Ziel.(Lebhafter Beifall.) Marktpreise vo« verkin am 8g. August I»1S. nach Ermittelung m des igt. Polizeipräfidiums. Mais(mixed), gute Sötte 16, b0 16,80. MaiS (runder), gute Sorte 14,60�15,00. Rtchlslroh 0,000,00. Heu, neu 7,70. Markthallenpreise. 100 Kilogr. Erbsen, gelbe, zum Kochen 30.0050,00, Spesseiobnen, weiße 35,0060,00. Linsen 36,0060,00. Kartoffeln(Kleinhdl.) 5,009,00. 1 Kilogramm Rindfleisch, von der Keule 1,702.40. Rindfleisch. Bauchsteisch 1,301.60, Schwomefleilch 1.60210 Kalbfleisch 1.40-2.40. Hammelfleisch 1,602,40. Butter 2,203,00, 60 Stück Eier 3,605,50. 1 Kilogramm Karpsen 1,402,60. Aale 1.40-3,00. Zauber 1,403,20. Hechte 1,402.80. Barsche 1.00-2.40. Schleie 1.70-3.50. Bleie 0.60-1.60. 60 Stück Kreise 1,00-46.00.