Nr. 229.
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Ein Feind der Massenheere.
III.
Donnerstag, den 4. September 1913.
Um den Mangel an Brot auszugleichen, wurde die Fleisch- nur in selbstgegrabenen Kartoffeln, die am Feuer gebraten portion auf anderthalb Pfund pro Mann erhöht, denn an wurden. Nicht einmal die Verpflegung der EinschließungsSchlachtvieh war in den beseßten Gegenden kein Mangel. Als armee von Meß, die keinen Feind mehr im Rücken stehen hatte, beinahe erheiternd bezeichnet der Große Generalstab war entsprechend geregelt. Der Große Generalstab stellt den Befehl, daß grundsäßlich Quartierverpflegung zu fordern hierzu fest: und daß, wo diese nicht gewährt werde, für den Kopf und Tag 2 Frank von den beteiligten Gemeinden einzuziehen sei, hatten doch die armen Vogesendörfer ebenso wenig Geld wie Lebensmittel.
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An der Organisation der Verpflegung hatte man in der preußischen Armee gar nichts geändert; die Erfahrungen von „ Nur der geringen Entfernung von der deutschen Grenze 1866 waren für die Ausbildung von Führern und Truppe und dem Bestehen einer Bahnverbindung dahin ist es zu danken, im Verpflegungsdienst nicht nutzbar gemacht worden. Sachsen daß die Armee im ganzen genügend verpflegt wurde. Der Verhatte die ungenügenden preußischen Einrichtungen überwaltung gebührt dafür keinerlei Verdienst." nommen, und Bayern hatte eine eigene Organisation, die Besonderen Mangel litt das II. bayrische Korps, weil Das Werk des Großen Generalstabs - das bestimmt nicht an Bäckern und Oberbädern keinen Mangel aufwies, aber das vor ihm marschierende I. Korps bereits alles Genießbare zu schwarz gemalt hat, im Gegenteil zeigt die Schwienicht einen einzigen Feld- Badofen besaß!" ausfourgiert" hatte. Als endlich am 10. Auguſt die Ver- rigkeit der Verpflegung großer TruppenDie württembergische Division hatte ebenfalls eine Bäderei- pflegungsfolonnen eintrafen, waren die Vorräte meist ver- massen. Die Armeen, die in all den früheren Kriegen im folonne, aber auch eine Badöfen- dafür hatte sie dorben; die eisernen Portionen waren mittlerweile aufge- Felde standen, waren winzig zu nennen gegenüber den einen Feld- Post beamten! Der Große Generalstab gehrt worden. In Forbach hatten die Truppen ein großes Armeen, die ein künftiger Krieg auf den Beinen sehen stellt diese völlig ungenügenden Einrichtungen fest und meint französisches Magazin erbeutet. Nun entstand zwischen wird. Deutschland allein stellt in diesem Falle eine Armee dann::„ Troßdem litten die Truppen auf dem Eisenbahn- wei Armeekorps ein Streit, wem die Vor- von fünf Millionen Mann auf. Einmal ganz abgetransport feinen Mangel, weil die Opferwilligkeit täte zufallen sollen. Der Streit mußte durch sehen von der Frage, ob es möglich ist, solche Armeen beweglich der Bevölkerung die mangelhaften Vorbereitungen der das Große Hauptquartier geschlichtet wer- zu erhalten, sie zu dirigieren, entsteht die weitere, nicht minder Militärverwaltung reichlich ausglich, und weil die Truppen liegen! Nur dadurch, daß der Feind nichts unternahm, ungeheuren Maifen gewährleistet werden? Solange blieben die Vorräte ungen übt wichtige Frage: Wie soll eine Verpflegung dieser aus ihren Mobilmachungsorten nicht unbeträchtliche Ver- rächten sich dieser und andere Mißstände nicht durch einen Die Truppen haben heute Feldbacköfen und fahrbare Kochpflegungsmengen mitgenommen hatten." Den ganz ungeheuerlichen Wirrwarr schon Mißerfolg. apparate, aber wo diese Einrichtungen schließlich im Kampf, beim Aufmarsch kennzeichnet das Generalstabswerk mit fol- ucht, es ging genau wieder so wie 1866. Immer wieder werden, vermag kein Mensch zu sagen. Diese Truppenmaſſen Die mangelhafte Verpflegung I o certe die Mann es der jede vorherige Berechnung über den Haufen wirft, bleiben fam es zwischen den einzelnen Armeekorps, die einander die müssen von der Heimat aus verpflegt werden, denn der Verpflegung wegnahmen, dieserhalb zu schweren Differenzen. zurückfliehende Feind wird die Lebensmittel, die er nicht mitdes Bereiches der einzelnen Korps befehlen! Je mehr die Schließlich mußte das Große Hauptquartier eine Abgrenzung nehmen kann, einfach zerstören. Truppen vorrückten, desto heilloser wurde die Verwirrung.
genden Säßen:
„ Die Verpflegung im Versammlungsgebiet war in feiner Weise vorbereitet; man rechnete anscheinend noch mit der vor Einführung der Eisenbahnen durch Fußmarsch erfolgten langsamen Versammlung, denn es waren weder in den Proviantämtern des Versammlungsgebietes irgendwelche nennenswerte Vorräte für den Versammlungszeitraum bereitgestellt, noch die Heranziehung von Vorräten aus dem Landesinnern durch planmäßig zwischen die Truppenzüge eingeschaltete Verpflegungszüge borbereitet. Die ganze Verpflegung wie auch die Bereitstellung der für Magazine im Versammlungsgebiet erforderlichen Fuhr parts mußte erst nach Ausbruch der Mobilmachung improvi fiert werden und lastete im wesentlichen auf den Korpsintendanturen der Grenzkorps, von denen die des II. bayerischen Armeeforps qußerdem nur auf dem Umweg durch das bayerische Kriegsministerium zu erreichen war.... Gleich zu Beginn des Aufmarsches versagte die Brotversorgung. Man ertannte aber die Ursache nicht; sie bestand nicht in der ungenügenden Leistungsfähigkeit der Bädereien, sondern in der Schwierigfeit der Heranführung des Brotes zur Truppe. Man schritt daher auch nicht zu dem einzig richtigen Mittel, mitten im Truppenbereich die Bacanstalten zu errichten, sondern wählte den Weg, der schon 1366 sich als unzweckmäßig erwiesen hatte: man ließ in Berlin und Potsdam täglich 100 000 Brotportionen herstellen und wies die Intendanturen des I., II., IV., V., VI., VII., IX. und X. Armeekorps an, möglichst große Mengen Brotes zur Versendung an den Rhein bereitzuhalten."
Der größte Teil des Brotes ist nie zu den Truppen gekommen und was ankam, wartotalverdorben. Hinter dem Rhein , genau wie 1866 in Schlesien , häuften sich enorme Vorräte an, deren Weitertransport sich schließlich als eine Unmöglichkeit erwies. Die Truppen waren von Anfang an auf die eiserne Portion" angewiesen, bestehend aus Zwieback, Kaffee, Reis, Speck und Salz.
Hinter den vorrückenden Truppen waren für die Verpflegung Etappenmagazine angelegt, die von den Landesbehörden gefüllt werden sollten. Das klappte aber nur in den wenigsten Fällen und hatte dann keinen 3 wed, weil es an den nötigen Fuhrwerken fehlte, um den Truppen die Nahrungsmittel zuzuführen. Die Truppen waren auf Bei treibungen angewiesen, deren Resultat stets sehr verschieden war, die einen Teile hatten Ueberfluß, die anderen litten bitteren Mangel. Schließlich war geradezu eine Art Anar. chie eingerissen. Darüber berichtet der Große Generalstab:
" So verweigerte das Magazin des VIII. Armeekorps in Lebach die Ausgabe von Lebensmitteln an die dorthin gelangenden Truppen des VII. Armeekorps. Das VIII. Armeekorps entfernte turzerhand den Magazinvorstand undentnahm dem Magazin nicht nur seinen Be darf, sondern erheblich mehr. Die Folge war eine Beschwerde des VIII. Armeekorps beim Oberkommando. Das VII. Armeekorps scheint mit der übermäßigen Beanspruchung von Lebach eine Vergeltung dafür beabsichtigt zu haben, daß das Magazin Trier , auf welches das Oberkommando das Korps bei seinem Eintreffen angewiesen hatte, vom VIII. Armeekorps vorher größtenteils geleert worden war."( Seite 147.)
Das war schon in den ersten Augusttagen, und als die Gefechte bei Weißenburg und Wörth vorbei waren und die Truppen im Biwat auf Proviant warteten, fuhren die Proviantkolonnen ziellos hin und her, soweit sie nicht überhaupt stecken geblieben waren. Der Armee- Intendant sagte darüber in seinem Bericht:
den.
Mehrere Armeekorps ließen die eisernen Portionen auf beigetriebenen Wagen nachführen. Diese marschierten mit dem " Train"; blieb dieser zurück, so fehlten auch die eiser nen Portionen. Andere Truppenteile unterließen es, beim Ablegen der Tornister die eisernen Portionen in den Brotbeuteln unterzubringen und entäußerten sich ihrer auf diese Weise. So zogen die meisten Truppen ohne Verpflegung in die Schlacht.... Das VIII. Armeeforps hat am 15. August nicht abkochen können, weil sein„ Train" durch Truppen des I. Armeekorps abgedrängt war. Am 16. wurden die Tornister mit den eisernen Portionen zurückgelassen. Erst am Nachmittag des 17. fonnte abgefocht werden nach Ankunft einer Proviantkolonne, die wider den Befehl herangekommen und dabei versehentlich beinahe in die französischen Vocposten hineingeraten war. Sie wurde am 18. übrigens wieder ebenfalls unberechtigterweise herangezogen und dabei in die beim Korps ausgebrochene Panik verwickelt. Aehnlich war es beim VII. Armeekorps. Zum Hunger gesellte sich noch der Dur st. Auf der wasserarmen Kalkhochfläche gab es feine Quellen. Die Truppen waren auf die wenigen Brunnen der Ortschaften angewiesen. Maßnahmen zur Regelung des Wasserholens waren nicht getroffen, so fehlte vielen Truppen auch das Getränk."( Seite 161.)
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f
Ein Kriegstagebuch schildert die Verhältnisse wie folgt: Ein betrunkener Marketender schläft während eines Nachtmarsches ein. Sein Pferd, müde und hungrig, bleibt stehen. Der vor dem Marketenderwagen befindliche Teil der Kolonne ver schwindet in der Dunkelheit; die folgenden Teile wiesen. Mit hungernden Soldaten erkämpft man aber keine Der russisch - japanische Krieg hat das zur Genüge behalten. Zunächst fällt das niemanden auf. Marschstockungen Siege, das lehrt uns die Geschichte aller Kriege, die im verfind etwas Gewohntes.... Die Truppen schrieben an dieſem flossenen Jahrhundert und auch in der neueren Zeit geführt Tage, wie so oft, in die Kriegstagebücher: Verpflegung fehlt, wurden. Keine Truppe kann auf die Dauer schlechte VerBagage trifft nicht ein."
Die Verpflegung aus der Heimat sett aber das Vorhandensein der notwendigen Menge von Lebensmitteln voraus, eine Vorbedingung, die in Deutschland nicht erfüllt ist. Der Feind der Massenheere ist der Hunger! Ihm gegenüber sind Maschinengewehre und Haubizen nußlos. Er zerstört die Disziplin, in seinem Gefolge halten Krantheiten und Seuchen ihren Einzug, die mehr Opfer fordern als selbst die blutigsten Schlachten. Man soll uns nicht damit kommen, daß die Intendantur heute ganz anders ausgebaut ist. Noch immer schwebt der Streit darüber, ob die Verpflegung der Truppen Sache der Heeresleitung oder einer felbständigen Intendantur sein soll. Gleichviel, wie diese Frage legten Endes entschieden wird, schafft man damit die Tatsache nicht aus der Welt, daß weder Heeresleitung noch Intendantur Lebensmittel aus dem Boden stampfen können. Deutschland kann seine Bevölkerung schon heute nicht ernähren ohne Zufuhr aus dem Ausland. Dieser Zustand verschärft sich mit dem Wachstum der Bevölkerung. Auf dem Grund und Boden, auf dem vor zehn Jahren noch Brotfrucht gedieh, stehen heute vielfach Mietskasernen, in denen Broteffer wohnen. Der anbaufähige Grund und Boden kann aber nicht nach Belieben vergrößert werden. Wo sollen also die Lebensmittel herkommen zur Ernährung der Millionenheere? und unter den europäischen Militärstaaten steht in dieser Bedrängnis Deutschland keineswegs allein, denn in anderen mit Lebensmitteln reicher gesegneten Ländern wird es an Händen fehlen, die die Ernte bergen, und es wird die Transportmöglichkeit fehlen, den Truppen diesen ungeheuren Bedarf an Lebensmitteln zuzuführen.
direkt in die feindliche Festung Verdun hin- Ernstfalle nicht mehr meistern fann. Damit aber zeigt sich So fonnte es passieren, daß ein sächsischer Fuhrpark pflegung ertragen. So sind diese Millionenheere zu einem bin- nſtrument Instrument geworden, so groß, so gigantisch, daß man es im einmarschierte und dort natürlich in Gefangenschaft der ganze Wahnwit des Wettrüstens, das einer geriet! kleinen Oberschicht der Völker Vorteile bietet, die Völker selbst Außerordentlich schlimm war es aber mit der Pflege aber an den Rand des Verderbens bringen muß. der Verwundeten bestellt. Der Große Generalstab fonstatiert:
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Die Sanitätsfompagnien hatten fast keine Lebensmittel bei sich, auch keine eisernen Portionen. Die Feldlazarette hatten zwar zum Teil in Voraussicht der Ereignisse während des Vormarsches Wagen mit Lebensmitteln beigetrieben, aber der größere Teil dieser Wagen verschwand wieder, weil die französischen Fuhrleute mit ihren Wagen flohen, sobald sie nicht scharf bewacht wurden. Auf dem Schlachtfelde gab es nur Fleisch in lebendem Vieh und vor allem kein Wasser. Man mußte dieses in Fässern von weither holen und hielt sich inzwischen an den in fast allen Häusern vorgefundenen Wein. Vertreter der freiwilligen Krankenpflege er schienen zwar rechtzeitig auf dem Schlachtfelde, sie vermochten aber die von ihnen zur Verfügung gestellten Erfrischungen erst nach geraumer Zeit heranzubringen.( Seite 164.)
wundeten eine bessere geworden. Erst gegen Ende August war die Fürsorge für die Ver
Was der Große Generalstab mit dankenswerter Offenheit geboten hat, das wird dazu dienen, das Waffenarsenal der Sozialdemokratie zu vermehren, neue Waffen zu ich mie den im Kampf gegen den Militaris
mus!
Die Berufungsverhandlung gegen das Erfurter Schreckensurteil, das seinerzeit wohl in der ganzen Welt ungeheueres. Aufsehen erregte und im Reichstage zu den begründetsten Anflagen gegen die Militärjustiz führte, hat gestern morgen in Erfurt vor dem Oberkriegsgericht begonnen. Noch ist das Urteil über die Unglücklichen, die gelegentlich einer Kontrollversammlung in der Trunkenheit zu bedauerlichen Erzessen sich hinreißen ließen, nicht gefällt. Eines aber ist nach der bisherigen Verhandlung sicher: das furchtbare Urteil, Die Truppen waren bereits vor Sedan angelangt und das die Angeklagten auf viele Jahre zum Teil ins Zuchthaus, „ Wenn Verpflegungszüge ankommen, von denen kein die Verpflegung funktionierte noch immer nicht. In zum Teil ins Gefängnis schicken wollte, wird durch einen Mensch weiß, bon wem und für wen sie sind, so fann man Bazeilles und Donchery wurden französische Verpflegungs- bedeutend milderen Urteilsspruch ersetzt werden. awar im äußersten Notfall alle ankommenden Bestände an be- züge erbeutet, die die Verpflegung während und nach der Wenn man auch noch so kritisch den Prozeßbericht, den ftimmte Zentral- Magazinorte weisen, die Verwirrung Schlacht ermöglichten. Immerhin waren Teile der Dritten wir an anderer Stelle des Blattes wiedergeben, verfolgt, wird dadurch aber immer größer, weil alle und je de Armee infolge Verbrauchs der eisernen Portionen darauf an- immer wieder kommt man zu der Ansicht, daß es sich um eine Kontrolle aufhört, die Beamten von jeder Verantwort gewiesen, den Sunger durch selbst gegrabene ganz gewöhnliche Wirtshausrauferei handelt, lichkeit entbunden und die Lieferanten geradezu berartoffeln, Mohrrüben und sonstige Feld- die nur dadurch mit einemmal zur militärischen Meuterei führt werden, der Verwaltung beliebige früchte zu stillen." Die Situation verschlimmerte sich, wurde, weil es sich um Reservisten und Landwehrenorme Quantitäten in Rechnung zu stellen, als Sedan fapituliert hatte und nun auch noch die Gefan- männer handelt, die zufällig am Tage der Kontrollverdie sie nie geliefert haben." genen zu verpflegen waren. Diese Verpflegung bestand fast sammlung in der Trunkenheit mit Polizisten und Gendarmen