iragc unserer Genossen für gegenstandslos hielten. Was wir wollten,sei doch alles von dem vorausahnenden Magistrat besorgt wordenund sie rieten sogar unseren Genossen, ihre Anträge zurückzuziehen.Dies« Zumutung wies unser Genosse Leid in der allerent-schiedensten Weis« zurück. Er zeigt« an der Hand von Tatsachen,welche unglaubliche Verschleppung die Ausführung städtischer Bautenheute erfahre, eine Verschleppung, die mit der gewünschten und ver-fügten Beschleunigung wie die Faust aufs Auge passe. Sei es nichtunerhört, daß der städtische Finanzminister den Bau einer, von beidenKörperschaften beschlossenen Erweiterung einer Badeanstalt auf einFahr verschieben wollt«, trotz Verfügung des Magistrats, Bautenzu beschleunigen. Zeige es von der Einsicht des Magistrats indie Wirtschaftslage, wenn der Vertreter der Armenverwaltung dieArmenvorsteher zusammenberuft und sie zur Einschränkung vonUnterstützungen an Arme und Notleidende auffordert?Sei«S erhört, daß selbst für Bauten, für die erhebliche Mittelbewilligt Jind, noch heute, nach mehr als Jahresfrist, noch nichteinmal die Projekt« vorliegen? Aus allen diesen Gründen könnedie sozialdemokratische Fraktion ihren Antrag nicht nur nicht zurück-ziehen, sondern die Annahme sei eine dringende Notwendigkeit.Die Stadtverordnetenversammlung müsse entschieden bekunden, daßsie ein schnelleres Tempo der Bauausführungen dringend verlangt.Nach dieser Attacke suchten der Baurat und der Kämmerer sichnoch etwas zu wehren, wobei letzterer sich als der Nachrevisor undZensor der Beschlüsse der Gemeindebehörden aufzuspielen suchte,cZ war aber alles vergeblich.Bei der Abstimmung gelangten die Anträge der sozialdemo-kratischen Fraktion zur Annahme. Es gilt jetzt, dafür zu sorgen,daß das Problem der Arbeitslosenfürsorge ernster als je behandeltwird, sei«S im Reich, im Staat oder in der Gemeinde. Die Ge-meinden können sich auf die Dauer der Pflicht nicht entziehen,Positives auch auf diesem Gebiete zu schaffen.*In Eei Ll'chkenberger Stadtverordnetenversammlung begründet« Genosse Grauer die von der sozialdemokratischen Frab-tion eingereichte Interpellation über die Arbeitslosenversicherungund fragte den Magistrat, welche Maßnahmen dieser zu tun ge-denke. Bürgermeister U n g e r erwiderte, daß alle Arbeiten, fürdie die Mittel bereits bewilligt seien, unverzüglich in Angriff ge-nommen werden sollen, im übrigen aber stehe der Magistrot aufdem Standpunkt, daß es Aufgabe des Reiches sei, für eine wirk-same Arbeitslosenversicherung einzutreten. Im übrigen wolle manaber an einer Konferenz, die am 13. September für Groß-Berlineinberufen sei, teilnehmen und wolle versuchen, soviel wie möglichAbhilfe zu schaffen. Genosse Rößler erwiderte, daß die Aus-führung«n des Magistrats sehr unbefriedigend seien und daß esSache der Gemeinden sei, für die Einführung der Arbeitslosen-Versicherung einzutreten. Von den bürgerlichen Stgdwerordnetennahm niemand das Wort zu dieser Angelegenheit. Schließlichwurde unser dringender Antrag einstimmig angenommen:„DieStadtverordnetenversammlung wolle beschließen, den Magistrat zuersuchen, in Gemeinschaft mit den übrigen Gemeinden Groß-Berlinsmöglichst bald in Verbindung zu treten, um die Arbeitslosenver-sicherung für.Groß-Berlin zu schaffen." �Das korrigiette Scbreckcnsurteil.Das Oberkriegsgericht in Erfurt hat am Donnerstagabend sein Urteil gegen die fünf wegen der WolkramshausenerAusschreitungen angeklagten Reservisten und Landwehr-männer gefällt. Es erkannte auf insgesamt 8 Jahre und4 Monate Gefängnis. Damit hat das Urteil derersten Instanz eine ganz erhebliche Korrektur erfahren! warendoch die fünf Angeklagten von: Erfurter Kriegsgericht zu derungeheuerlichen Strafe von 15 Jahren 8 MonatenZuchthaus und 10 Jahren 9 Monaten Gefängnis verurteilt. So verhältnismäßig gelinde dasUrteil im Vergleich zum früheren Erkenntnis im erstenAugenblick erscheint und soweit das Gericht auch unter dieStrafanträge des Anklagevertreters, der insgesamt über19 Jahre Gefängnis beantragte, geblieben ist: eswird in den weitesten Kreisen der Bevölkerung lebhafteEmpör u'n g hervorrufen. Das Volk wird nicht begreifen,daß zweierlei Recht Rechtens sein darf: es wird nichtverstehen, daß eine Straftat, die, wie einer der Verteidigerganz richtig ausführte, vom bürgerlichen Gericht mit einerG e l d st r a f e oder höchstens einigen Wochen Gefängnis ge-sühnt würde, zu einem Schwerverbrechen wird, weil sie amTage der Kontrollversammlung begangen wurde.„Der Gendarm verkörpert in hohemMaße die staatliche Autoritä t." Dieser, charakteristische Ausspruch des Anklagevertreters gibt der Militär-jnstiz, diesem in einem modernen Staate unhaltbaren Sonder-rechte, das ganze Gepräge. Bekanntlich wird Frau Justitiaim Bilde mit einer Binde vor den Augen dargestellt: sie sollblind sein gegen den Stand, dem der Abzuurteilende angehört. Das Militärstrafgesetzbuch hat der Justiz d i eBinde von den Augen gerissen. Es sagt seinenRichtern: Du sollst bewußt verschieden urteilen, du sollstden Angeklagten darauf anschauen, ob es sich um einen Unter-gebenen oder einen Vorgesetzten handelt: und darum siehtdas Militärstrafgesetzbuch in Fällen von Vergehen vonUntergebenen gegen die heilige Autorität, gegen die Disziplin,so furchtbare Strafen vor, daß erst die Welle gerechterEmpörung, die das erste Erfurter Urteil hervorgerufen hatte,die entsetzlichsten Auswüchse der Militärjustiz beseitigenmußte.Geradezu typisch für die Anschauungen, wre sie m denMilitärkreisen herrschen, waren die Darlegungen des Anklagevertreters, Kriegsgerichtsrats Dr. Schröder. Ausjedem seiner Worte sprach das Bewußtsein, die Disziplin mußgeschützt werden, strenge Strafen müssen erfolgen, wenn sichUntergebene gegen die heilige Autorität vergehen.„DieLeute sollen sich in den Tagen der Kontrollversammlungenals Soldaten fühlen," so sagte er. Das sei mit einer derwesentlichsten Gründe, weshalb man an diesen Kontrollver-sammlungen festhält. Aber der Vertreter der Anklage be-gnügte sich nicht damit, im militärischen Interesse die Dis-ziplin erhalten zu wissen. Er wollte die politische G e-s i n n u n g der Angeklagten bestraft wissen. Weil nach seinerAnsicht die Angeklagten Sozialdemokraten sind—einer von ihnen erklärte, daß er einem Kriegerverein,ein anderer, daß>er keinerlei Organisation ange-höre—, auch deshalb müßte auf harte Strafen erkanntwerden. Wenn auch das Gericht in seiner Urteilsbegründungdiese politische Aufreizung seiner Klasseninstinkte abwies, sosprach es doch ein für das Rechtsempfinden des Volkes außer-ordentlich hartes Urteil aus, da es nun einmal den militärischen Aufruhr für gegeben ansah.Gerade diese Verhandlung zeigt, wie unsinnig undgefährlich die Ueberspannung des Begriffes Disziplinist. Sie wird im Volke aufklärend wirken und die Beseiti-gung des militärischen Sonderrechtes in einem Maße för-dern, wie es die Vertreter der militärischen Gewalt wahr-scheinlich nicht glauben._. poUtifcbc QeberficbtTie Neuauflage des Krupp-Prozeffes.Das offiziöse Wolffsche Telegraphenbureau meldet: Wievon bestunterrichteter Seite mitgeteilt wird, ist der Bureau-Vorsteher der Firma Krupp, Maximilian Brandt, weder kranknoch denkt er daran, in ein Sanatorium zu gehen. Brandtwünscht im Gegenteil so schnell als möglich, daß gegen ihndie Verhandlung stattfindet, da er der bestimmten Ansicht ist,daß er seine völlige Schuldlosigkeit beweisen wird. Nunmehrhat auch die Staatsanwaltschaft gegen Brandt und zwei ehemalige Direktoren der Firma Krupp, die nicht in Essen,sondern in Berlin stationiert waren, wegen Beamtenbestechungund Verleitung zum Verrat militärischer, Geheimnisse dieAnklage erhoben, Die Verhandlung wird voraussichtlich EndeOktober vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Berlin Iunter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Schmidt statt-finden und�etwa fünf bis sechs Täge dauern. Die Anklagewird von Staatsanwaltschaftsrat Dr. Toepffer vertreten. DieVerteidigung liegt in den Händen der RechtsanwälteDr. Siegfried Loewenstein und Justizrat Dr. von Gordon.Gegen den früheren Vorsitzenden des Direktoriums, Landrata. D. Roetger, ist keine Anklage erhoben worden.Tie Zusammensetzung des neuen preußischen Landtagsnach Berufsständen.Der»eugewählte Landtag zeigt nach Berufsständen ungefährdas alte Bild früherer Legislaturperioden, eine Untersuchung aufGrund amtlichen Materials möge das beweisen:Im neuen Landtage sitzen 124 Landwirte(biKher 159). Hierbeiist zu bemerken, daß auch andere Beruke sich nebenamtlich noch mitLandwirtschaft befassen und hier nicht nachgewiesen sind. Die Zahlder Verwaltungsbeamten beträgt 57 sbisher 44), darunter sind Land-räte 35(27). Ehemalige Staatsbeamte sind 9 gezählt(14). AlsJustizbeamte bekennen sich 41 Richter und 32 Rechtsanwälte(bis-her 48 und 2«). Ehemalige Offiziere sind 13(bisher 7), sogar dieMarine stellt diesmal einen Vertreter. Die Geistlichkeit ist mit 21vertreten(bisher 29), darunter 8 evangelische, 13 katholische Geistliche.Kommunalbeamte sind 11(bisher 14), Lehrer an Hochschulen undanderen Schulen sind 25(bisher 19). Die Zahl der Aerzte ist von4 auf 2 gesunken. Redakteure und Schriftsteller sind 11 vorhanden,bisher nur 6. Als Privatbeamte lassen sich 23 charakterisieren, wennman den Begriff etwas weiter faßt, bisher 10. Der Handelsstandzählt 14 Herren(bisher 17), Kaufleute und Gewerbetreibende nennensich 14(bisher 19), dazu treten noch 6 Handwerker(wie bisher),2 Arbeiter, 5 Arbeiter- und Parteisekretäre, 2 Förster, 1 Apotheker,11 Rentiere(früher 29). Der Rest verteilt sich auf andere Berufe.Bebels Nachfolger.Hamburg, 4. September.(P r i v a t- T e l e g r a m m.)Die Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Vereinsfür den ersten Hamburger Wahlkreis beschloß einstimmig denGenossen Otto Stötten(Nedatteur des„Hamburger Echo")als Kandidaten für die Reichstagswahl aufzustellen.Im Anschluß daran wird uns geschrieben:Die Genossen des ersten Hamburger Wahlkreise» beschäftigten sicham Mittwochabend in einer gutbesuchten Mitgliederversammlung mitder Kandidatur für die bevorstehende Reichstagswahl. Genosse OttoStolten, der langjährige politische Redakteur des„HamburgerEcho" und Führer der Hambnrger Bürgerschaftsfraktion, hatte' daSeinleitende Referat übernommen. Er entwarf ein Bild von der Eni-Wicklung der Sozialdemokratie und schilderte dann eingehend diegegenwärtige innerpolitische Lage. Die großen und wichtigen Fragen,die der jetzige Reichstag noch zu erfüllen habe, besonders aufdem Gebiete des Zollwesens und der Handelsverträge, das Wahn-sinnige Wettrüsten, das noch lange nicht an seinem Ende angelangtsei, zwingen die ArbeitersSaft dazu, im Parlament alle Kräfte an-zuspannen, um nach Möglichkeit neue Belastungen von sich fern-zuhalten. Sei es auch nicht möglich, auf dem parlamentarischenWege eine wirklich grundlegende Besserung für die Lage derArbeiterklasse herbeizuführen,.so könne doch bei geschickter Aus-Nutzung der Gegensätze zwischen den bürgerlichen Parteien manchesUnheil abgewendet oder gemildert werden. Ein Beweis dafür seidie vielumstrittene Deckungsvorlage. Sie bedeute zweifellos einengroßen Erfolg der Fraktion, wenn sich gegen die Steuern im einzelnenauch manches einwenden lasse. In herzlichen Worten gedachte der Rednerseines verstorbenen großen Vorgängers, den zu ersetzen er wie jederandere Genosse nicht imstande sei. Trotzdem müsse und werde dieHoffnung der Bürgerlichen, bei der kommenden Ersatzwahl einegrößere Stimmenzahl zu erhalten als früher, zuschanden werden-Denn das Hamburger Proletariat sei aufgeklärt genug, bei denWahlen nicht auf die Person zu sehen, sondern in erster Linie aufdie Sache.Auf Vorschlag des Vorsitzenden sah die Versammlung von einerDiskussion des Vortrages ab und wählte sofort untergroßem Beifall den Genossen St ölten zum Kan-d i d a t e n._Nachträgliches zum Metzer Katholikentag.Die reformkatholische Wochenschrift„Das neue Jahrhundert"fällt folgendes Urteil über den Metzer Katholikentag und den Streitzwischen der Kölner und Berliner Richtung:„Die Katholikentage haben sich überlebt: man lasse die Totenihre Toten begraben.... WaS die Gewerkschaftsfrage und ihrSchicksal auf der Metzer Veranstaltung betrifft, haben wir rechtbehalten mit unserer Prophezeiung, daß man eine öffentliche Aus-einandersetzung nicht erwarten dürfe. Immerhin hat Bischof Korumdeutlich genug gesprochen. Auch die Art und Weise, wie derPräsident die päpstliche Enzyklika interpretierte, zeigt, daß die„Kölner" nicht mehr ausschließlich die Herrenund Tonangeber des P a r a d e k a t h o l i z i s m u Ss in d. Der Streit wird weitergehen. Aber bei dem politischenMachthunger der„Kölner" Führer ist eine Klärung der innerenKrisis nach der Seite eines mannhaften, Rom in diesen nicht-religiösen Fragen einfach den Gehorsam verweigernden Gerade-ausgehens nicht zu erwarten. Die Drückebergerei dieser Kreisewird weiter nach Kompromissen suchen— solange es den Arbeiternnicht zu dumm wird. Die haben nämlich das Leisetreten ihrerGladbacher Führer und der Bachempresse längst satt. Wenn Manan der Ruhr in Kreisen der christlichen Gewerkschaften jetzt schonsingt:„Was schert uns„Kerum novonim",Wir pfeifen auf Kopp und Korum",so kann die Zeit bald erfüllt sein, wo man des RücksichtnehmenSwirklich satt ist und dann in aller Form auf Enzykliken übersozialpolitische Organisationsfragen„pfeift".„DaS neue Jahrhundert" stellt allzu hohe Forderungen an diekölnische Richtung, wenn eS meint, die Führer sollten in allen nicht-religiösen Fragen Rom den Gehorsam versagen. Eine solcheGehorsamsverweigerung würde sofort die Feindschaft Roms und desganzen Klerus gegen die Führerschaft des Zentrums zur Folg«haben— und was wäre das Zentrum ohne die Unterstützung derkatholischen Geistlichkeit?_Ter Kali-Gesetzentwurf.Die„Kölnische Zeitung" meldet aus Berlin: Auch von offiziöserSeite wird jetzt zugegeben, daß über die Kaligesetznovelle ernsteMeinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen der einzelnenBundesstaaten bestehen. Man ist aber überzeugt, daß diese Mei-nungsverschiedenheiten die Novelle nicht scheitern lassen werden, daßes vielmehr bei den Beratungen demnächst zu einer Einigung kommenwerde. Immerhin wird die Fertigstellung der Novelle im Reichsamtdes Innern erst geraume Zeit nach den Ferien zu erwarten sein.Sie wird dann den Bundesrat beschäftigen und frühestens im Früh-jähr dem Reichstage zugehen. Trotz aller Meinungsverschiedenheitengerade über die Hauptpunkte der Novelle, sind sich die verbündetenRegierungen darüber einig, daß eine Novelle zum Kallgesetz imJnleresse der Kaliindustrie notwendig ist und nach Möglichkeit schonin der nächsten Tagung den Reichstag beschäftigen soll.Militärische Gewaltmärsche.Die zurzeit in Posen und Schlesien stattfindenden Korps-manöver haben infolge der großen Strapazen zwei Menschen-opfer gefordert. Bei den Manövern in der Provinz Posen sindzwei Soldaten des 58. Jnfanterie-Regiments an Hitzschlag g e-storben; mehrere andere Soldaten liegen schwer krank da-nieder. Bei den schlesischen Korpsmanövern, die in der Gegend vonSchweidnitz stattfinden, hatten die Soldaten am Montag indrückender Sonne nglut einen so großen Marsch zurückzu-legen, daß der ganze Weg rechts und links von zahlreich er«krankten Soldaten bezeichnet wurde. Die meisten derErkrankten gehören dem 22. und 62. Infanterie- Regiment an.Todesfälle sind jedoch bis jetztnoch nicht bekannt, wohl aber sind einzelneErkrankungsfälle selbst nach bürgerlichen Blättern sehr b e-d e n k l i ch.Auch die militärfromme klerikale„Neißer Zeitung" gibt zu, daßes sich bei der roten Partei, zu der die beiden genannten Infanterie-regimenter gehören, um einen fast übermenschlichenGewaltmarsch gehandelt habe.Die Militärbehörde bleibt trotz der unglaublichsten Gerüchte überdie Zahl der Opfer nach wie vor zugeknöpft. Sie hat es ja schließ-lich auch gar nicht notwendig, Auskunft zu geben, denn ihr Ver«halten wird ja letzten Endes doch von den bürgerlichen Parteien imReichstag gebilligt._Aus der Rcichsverbandsküche.Reichsvrrbandsblätter veröffentlichen einen Artikel:„DiePfründner der Arbeitergroschen". Es handelt sich umeinen alten Ladenhüter des Reichsverbands, der von Zeit zu Zeitimmer wiederlehrt, ohne daß man sagen könnte, seine Güte hättedurch das Alter gewonnen. Um den Schein der Aktualitätzu wahren, versichert der Reichsverband den uneingeweihtenLesern, sein Material stamme aus Aeußerungen, die in denGeneralversammlungen der Berliner sozialdemokratischen Wahl-vereine am 26. August dieses Jahres gefallen seien.Es wird da behauptet, daß„der Genosse Lucht, der in derPartei eine hervorragende Stellung einnimmt und verschiedene Ver-trauensämter bekleidet", erklärt habe, es sei traurig, daß in derPartei alle Ideale fehlten. Diese Aeußerung des Genossen Luchtwird in die Generalversammlung des zweiten Kreises verlegt. Ge-nasse Lucht gehört dem ersten Kreise an und hat im Hinblick auf denWiderstand gegen die Propagierung des Massenstreiks allerdings einesolche Aeußerung getan. Sie hatte aber mit materiellen Fragenabsolut nichts zu tun: es handelte sich lediglich darum, die zögerndenParteigenossen anzufeuern.Gemeiner wird die Reichsverbandsleitung, indem sie einem Ge-noffen Lehner— der angeblich auch in der Generalversammlungdes zweiten Kreises gesprochen haben soll � Aeußerungen unterstellt, die glatt aus den Fingern gesogen sind. Genosse Lehner hatin der Generalversammlung des vierten Kreises zur Maifeier ge-sprachen und den Standpunkt eingenommen, daß alle diejenigen Partei-genossen, die am 1. Mai feiern können, ohne Lohnausfall zu haben,einen Tageslohn für die Maifeiergemaßregelten abzugeben haben. Erbekämpfte die Gegner eines solchen Verlangens und ließ in diesemZusammenhang die Bemerkung fallen, die Angestellten seien allzu-lehr GeschäftSmcnschen geworden und besäßen keinen Idealismusmehr. Das war alles. Der Reichsverband läßt den GenossenLehner jedoch von Zehntausenden von Angestellten sprechen, die alledie Partei zu ernähren habe und für die jährlich Zf/z Millionenverausgabt würden usw.Selbst wenn sich nicht einwandftei feststellen ließe, was Ge«nosse Lehner gesagt hat, kann man allein an dieser Erzählung dieganze ekle ReichSverbandSmache erkennen. Der Schwindel von denverpraßten Arbcitergroschen gehört zu den wesentlichsten Kampf-Mitteln der Reichsverbandsstrategen, und er wird bestehen bleiben,so lange eS einen Reichsverband gibt. Niemand kann aus seinerHaut; auch die schönen Elemente nicht, die�sich zur Leitung des„vaterländischen" Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie zu«sammengetan haben._Wie das Zentrum Arbeiterinteressen vertritt.Zwei Jahre nacheinander beantragten unsere Genossen InA s ch a f f e n b u r g bei der Stadtverwaltung, je 1990 M. zur Er-richtung einer Arbeitslosenversicherung in den-Erat ein-zustellen. Unseren beiden im Rathaus sitzenden Genossen gelang eSauch immer, den Antrag durchzudrücken, obwohl die Mehrheit derZentrumsvertreter die Ablehnung des Antrages verlangten, da dieArbcitslosenfürsorge Sache des Land- und Reichstag?wäre.(Im bayerischen Landtag lehnten die Zentrums«Vertreter die sozialdemokratischen Anträge auf Einsetzungeines bestimmten Geldbetrages in das Budget zur Unter«stützung derjenigen Gemeinden, die eine Arbeitslosen«Versicherung einführen wollen, ab, da diese UnterstützungSache der Gemeinden sei.) In diesem Jahre nun ver-suchte der Vorsitzende des christlichen Fabrik- und Hilfsarbeiter-Verbandes unseren Genossen den Rang abzulaufen und beantragteim Kollegium der Gemeindebevollmächtigten, an den Magistrat daSErsuchen zu richten, die Arbeitslosenversicherung einzuführen. Aberer hatte die Rechnung ohne das offizielle Zentrum gemacht I Außerihm stiuimte nur noch ein einziger Zentrumsvertreterfür diesen Antrag. Die übrigen Zentrumsvertret erlehnten den Antrag, ihres P a rt e i g n o s s e n kurz-weg ab. Das Zentrum hat in beiden städtischen Kammern dieMehrheit._Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Landshut.Amtliches Wahlergebnis: Bei der ReichstagSersatzwahl im Wahl-kreise Niederbayern I vom 31. August wurden für den GutsbesitzerFreiherrn v. Aretin-Haidenburg(Z.) 10 162 Stimmen, für denBürgermeister Eisenberger- Ruhpolding(Bayerischer Bauernbund)4999 Stimmen und für den Gauleiter Raith-München(Soz.)1535 Stimmen abgegeben. Freiherr v. Aretin(Z.) ist somitgewählt.Ein feines Trio!Der evangelisch-konservative„Aeichsbote", die antisemitische„StaatSbürger-Zeitung" und die ultramontane„Germania" intrautem Verein als P r e ß d e n u n z i a n t e n— das ist die neueste