Nr. 233. 30. Jahrgang.
Beilage des„ Vorwärts" Berliner Volksblatt. Montag, 8. September 1913.
Patriotische ,, Leibesertüchtigung“.
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Leibesertüchtigung, Sozivernichtigung-
Alles jetzt bunt durcheinander gemengt! Dröhnende Phrase hat wieder als Nimmersatt Jegliche bessere Regung verdrängt.
Seil dir, Verbündeter, einst uns Verkündeter!"
Also befiehlt es der Herr v. d. Golz. Und diese Jüngelchen, die Hurra- Schlingelchen,
Telegraphierens dem 3aren voll Stolz.
Michel, was flagest du? Michel, was zageft du,
Daß deine Jugend entartet, verderbt?
All diese Kriecherei, all' diese Viecherei.
Sat sie von dir, ihrem Vater, geerbt.
Buckeln vor'm weißen 3ar, Lecken der Stiefeln gar,
Rutschen und Kriechen devot auf dem Bauch,
Die Kreuzverrenkerei vor ruff'scher Senteret Dient doch zur Leibesertüchtigung" auch!
Hans Björken.
Von Joh. Fallberget.
Eine Schmiede steht ganz in der Nähe des Hauses wo ich wohne. Am Tage size ich oft lange an meinem Tisch und horche auf das Singen der Ambosse unter den Hammerschlägen. Es wirft erfrischend auf den Sinn, eine Schmiede so in nächster Nähe zu haben. Vom Fenster aus kann ich durch die offenstehende Schmieden tür das Feuer auf dem Herde sehen und wie die blutrote Aschenglut vom glühenden Eisen sprüht. Zuweilen brennt auch ein Stück Stahl. Das ist herrlich! Tausend bleiche Kreuzlichter fahren dann umher in dem halbdunklen Raum, wobei die Menschen da drinnen fast zu Schatten dahinschwinden.
Besonders das Aushammern erfordert Sorgfalt, um den Stahl| Er liest immer alles eingehender durch, wenn er am Abend nach haarscharf zu machen. Und wenn so das Messer in der rechten Hause kommt.
Weise bearbeitet worden ist, muß es gestempelt und gehärtet werden. In seiner Jugend war er ein Brausekopf, vor dem man Dann steckt er es wieder in die Esse, häuft frische Holzkohlen Respekt hatte, wo immer er beschäftigt war, beim Grubenbau oder darum und zieht in den Blasebalg, daß Rauch und Flammen auf- bei der Anlage einer Eisenbahn. Im Zorn nahm er ohne weiteres wärts strömen. Ein außergewöhnlich gutes Abpassen ist nötig, große Männer und warf sie aus dem Fenster, daß Glasstücke wenn ein Schneidewerkzeug zum letztenmal ins Feuer kommt. Eine klirrten und Leisten brachen. Sudilulonlei.... Aber im übrigen ganz gewisse Wärme muß es haben, deren Temperatur weder war er ein gutmütiger Teufel, der nicht zögerte, den letzten steigen noch fallen darf. Aber er versteht sich auf so etwas. Im Schilling aus dem Beutel zu nehmen, wenn es galt, ein treuer rechten Augenblick faßt er die Messerklinge mit der Bange und Kumpan zu sein. legt sie auf den Amboß, setzt die Brille schnell zurecht, nimmt rasch einen Stempel aus dem Stapel und bringt ihn vorsichtig ganz dicht an die Messerangel. Ein Schlag mit dem Hammer! Und da steht:
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Hans Björken
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Mein Freund, der Schmied, weckt mich jeden Morgen sehr zeitig durch sein Läuten mit dem Hammer auf dem Amboy, denn es tönt ein ganz gewaltiger Klang darin. Das Schallen aller als deutliche Sicherung gegen etwaige Nachahmung. Darauf fliegt anderen Ambosse wird nur zu einem sachten Klirren, wenn sein der Stahl in den Wasserzuber! Es siedet, zicht und dampft auf Großamboß einsett. Aber dafür ist er auch des Meisters Eigentum, aus dem sauren, trüben Wasser. Ohne Wimpernzucken kann nun das seine Gehilfen beileibe nicht anzurühren wagen.
„ Er ist ganz wie eine kleine Kirchenglode!" pflegt der Schmied lächelnd zu sagen.„ Es ist solch ein mächtiger, schöner Ton darin, wie in einem Instrument, verstehst Du! Die Klänge liegen und gittern noch lange im Stahl, ehe sie vollständig austönen." " Ja, er ist ganz gewaltig, wenn er loslegt, dieser Amboß", antworte ich und schlage sachte darauf mit dem Hammer. „ Hör nur Hör!" flüstert der Schmied.„ Hör wie es tönt!"... Und er richtet sich stolz auf in den steifen Hüften, indem er die norrigen Knien unter dem Schurzfell streckt und sich den Schweiß mit dem Blusenärmel von der Stirn wischt.
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der Schmied bei seiner Seele ewigen, teuren Seligkeit darauf schwören, daß die Klinge sogar scharf genug zum Rasieren ist. Und das ist nur möglich, wenn sie geschliffen und gebräunt wird, wie es sich gehört.
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Da gibt's feine Halbheit und Tändelei bei Hans Björken. Nein das könnte ihm nie einfallen! Und die Lauterkeit selbst ist er. Schlicht und ehrlich war er immer, in bösen wie in guten Beiten.
Man darf nicht geizig sein, dadurch wird man ein gemeiner Lump!" So und ähnlich pflegte er sich zu äußern.
Jetzt wirft Hans Björken niemand mehr aus dem Fenster. Er ist alt und steif geworden. Die eine Hüfte hat sich ganz berzogen vor Gicht und Anstrengung. Und da ist nichts zu machen mit einer fo alten, abgenutzten Hüfte, wenn sie einmal erst in Unordnung gekommen ist. Ach nein! Er muß sich eben so gut es geht mit seinem Gebrechen abfinden....
Wir reden oft von vergangenen Zeiten oder beffer: er erzählt mir.„ Die Leute waren dumm in den alten Tagen. Man verstand es nicht, zusammenzuhalten, arbeitete sich nur ab, hatte es schlecht und meinte, es müßte so sein. Aber nun weht ein anderer Wind. Denn jetzt ist das Volk erwacht. Und das ist recht so."
Dann leuchtet es auf in seinen stahlgrauen Augen unter den Brillengläsern, und ein so herzgutes Lächeln erhellt sein rußiges Geficht. Die gekrümmten Finger mit den dicken, angebrannten Nägeln taften in der Westentasche nach der Messingtabaksdose. Der alte Stautabak wird ausgespuckt und eine neue Rolle bedächtig zwischen die Zähne gelegt. Dann bleibt er in gekrümmter Haltung stehen, sich eine Weile schwer auf den Hammerschaft stützend. Er grübelt über das Leben.... Bis er wiederum Eisen und Stahl hervorsucht zu einem neuen Schnitmesser.
So gehen seine Tage dahin, der eine nach dem andern, ohne jegliche Abwechselung.
„ Kein rechter Schmied befaßt sich mit Jug und unsaubern Dingen", pflegt er zu sagen. Und Hans Björken ist Sozialist vom reinsten Wasser! Er hat den„ Socialdemokrat " von der ersten Mein Freund, der Schmied, heißt Hans Björken und gehört zu Nummer an gehalten, die herauskam. Er kann sich so gut auf den den alten, prächtigen Wolfgebirgsschmieden, die niemals pfuschen. Kleinen Lappen erinnern.... Das war damals nichts Großartiges. Ms Bohrschmied war sein Name einmal weitbekannt über ganz Aber den Trok des Wachstums hatte er in sich. Und alles, was Norwegen . Bohrstahl, den er gehämmert oder gehärtet hatte, stand ben hat, muß aufwärts und vorwärts! seine Probe in jedwedem Gestein, und keine einzige Bohrspite blieb Jeden Abend wenn der Zeitungsjunge mit den Blättern in im Berge stecken. Das ist eine Kunst, die nur wenige verstehen.... die Schmiede kommt nimmt sich Hans eine kleine Ruhepause. Jeßt, seitdem er sich hier in der Hauptstadt als Schmied nieder- Er beugt sich nieder und bläst den Eisenstaub vom Amboß , setzt sich Feuer auf der Esse da draußen in der Schmiede erlöscht, fühle ich Am Abend, wenn der Klang vom Amboß verftummt und das gelassen hatte, wurde so gut wie nichts aus der Bohrschmiedearbeit. dann und putzt die Brillengläser mit dem Futter seiner flachen Aber er versteht sich auch vortrefflich auf die Verfertigung von Müße. Und nun beginnt ein Lesen und Grübeln. Bald nickt er mich oft so merkwürdig einsam. Ich bleibe immer sitzen und sehe Schneidewerkzeug. Er schmiedet Aerte, Haden und Schnigmesser beistimmend vor sich hin, bald schüttelt er bedächtig mit dem Kopfe. meinem Freunde nach, wenn er langsam und hinkend und arbeitsbon ben letteren kann er es bis zu einem Dubend am Tage Nachdem er alle Seiten durchgesehen hat, faltet er die Beitung müde die Straße entlang geht... s bringen, obgleich er bei der Arbeit sehr gründlich zu Werte geht. hübsch zusammen und stedt sie unter die Weste auf die Bruft.
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Aus dem Norwegischen von Woldemar Düring.