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urteilen. Es erkannte aber nicht nur auf das Strafminimum von 50 Tagen Gefängnis, sondern brachte auch die bedingte Verurteilung in Anwendung. Der Priester zog es vor, da er wohl einsah, datz er außer seiner zweifelhaften Ehre im Verhandlungssaal nichts verloren hatte, vor der Urteilsverkündung zu verschwinden, und entging so einer stürmischen Begrüßung durch die Volksmenge. Wann mag er der nächsten Schönen das Paradies zukommen lassen? Költticbe perlen". Zm schleswigschen Dorfe Todenbüttel levl ein biederer evangelischer Pastor Clausen, der seine Langeweile vertreibt mit der Herausgabe eines christlichen TraktätchensKöstliche Perle ". Als einem gottesfürchtigem Manne ist ihm der Modernismus, wie er stch in der Bremischen Kirche breitmacht, ein Scheue! und Greuel, und so benutzt er denn seineKöstliche Perle " als Schwert gegen den Feind der wahren und unverfälschten Christenlehre. In einer besondersKöstlichen Perle" verglich Pastor Clausen die Bremer Kirche mit einem Sau st all. Darob natürlich allgemeines Entsetzen, denn immer noch besser, den frommen Schäflein neu» zeitliche Konzessionen zu machen, als sie ganz den christlichen Hirten entrinnen zu lassen. Jedoch beim Pastor Clausen kamen die Entsetzten schlecht an. Er veröffentlicht in der jüngsten Nummer derKöstlichen Perlen" eine Rechtfertigung seiner kräftigen Pastorensprache. Als bibelfester Mann beruft er sich auf C h r i st u s, der den Menschen des Unglaubens gegenüber genau dieselbe Sprache geführt habe. DaS wird wieder ein schönes Enffetzen geben. Denn vom andern möchten unsere Frommen immer gern da? Christen. wort betätigt wissen:Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst." EJtialpKabeten. In der MünchenerJugend" lesen wir folgendes Geschichtchen: In einer norddeutschen Universitätsstadt werden die neueingcstellten Einjährigen einem Leutnant zur ersten Ausbildung über» wiesen. Als die Einjährigen nun zum ersten Male bei ihm an» treten, kommandiert er: Analphabeten vortreten!" Keiner rührt sich natürlich. Aeh meine natürlich mit Analphabeten solche, die kein Abiturium haben." Einer tritt jetzt hervor. Warum haben Sie den« kein Abitur?" fragt der Leutnant etwas von oben herab. Zu Befehl, Herr Leutnant; aber ich wollte anfangs Offi- zier werden, und da brauchte ich ja das Abiturium nicht." Der Leutnant hat nie wieder von Analphabeten gesprochen. R.ec1rier- Akademie. Wenn ein Berliner gut zu reden versteht, sagt man in Berlin im allgemeinen, das heißt in Berlin X. und 0. und W. und S.:Er hat eine mächtige Klappe!" Wenn aber deshalb etwa Leute draußen im Lande denken sollten, alle Berliner hätten eine mächtige Klappe, so kann man dieser An- schauung gar nicht energisch genug entgegentreten. Außerdem gibt es auch in Berlin eine unzählige Menge von Menschen, die gar nicht in Spreeathen geboren sind und daher gar keine waschechte Berliner Klappe besitzen können. Um nun diesen beiden vorerwähnten, von Natur und Herkunst vernach- lässigten Klassen reichshauptstädtischer Individuen über ihre Rückständigkeit hinwegzuhelfen, hat sich hier ein höchst zeit- gemäßes Unternehmen, eine sogenannteRedner-Akademie" aufgetan. Sie liegt nicht im eigentlichen Zentrum des Ge- schäftslebens, wo mehrgehandelt" wird, sie liegt mehr im Zentrum der Intelligenz, in der Potsdamer-Brücken-Gegend, in Berlin W. Wer diese Redner-Akademie nicht absolvierte, kann nicht als akademisch-rhetorisch geschult angesehen werden und kann auch daher, im wahren Sinne des Wortes, in wirk- lich honorigen Kreisen weder logisch noch künstlerisch-ästhetisch mitspreche n". Das will heute studiert, akademisch studiert sein. Mancher ungläubige Thomas, mancher langjährige Parla- mentarier oder Volksredner denkt vielleicht bei sich, das hier Mitgeteilte wäre Nonsens, oder deutscher ausgedrückt: Quatsch. O. der Toren! Sie sollten lieber bedenken:Der Mensch wird nicht so alt wie'ne Kuh, er lernt immer noch'was zu!", und sollten stch schleunigst als Studenten der Rhetorik in be- sagter Akademie immatrikulieren lassen. Sie müßten das auch schon allein aus den Gründen tun, die sonst ihre bis dahin einzigartige Lebensstellung direkt bedrohen. Denn wer weiß, wie bald sie ohne gründlichst nachgeholte akademische Ausbildung durch dieses neuartige Unternehmen, das in jede m" Schüler, auch in dem schwerfälligsten, die Rede- kunst bis zu ihrer höchsten Blüte zu steigern vermag und zu entwickeln trachtet, in die Lage kommen werden, sich nach einem anderen Lebensberuf oder Erwerbszweig umsehen zu müssen. Auch braucht sich niemand des Besuches dieser Akademie zu schämen. Pah, wer hat da nicht schon alles die Schulbank, nein, die Schulsessel gedrückt. Laut allerneuestem Prospekt wurde besagte Akademie allein in letzter Zeit, um nur einige zu nennen, frequentiert durch: 5 Minister, 9 Konsuln, 25 Reichs- und Landtagsabgeordnete(die Partei- Zugehörigkeit ist leider nicht mit angegeben!), 31 Kommerzien- räte, 29 Polizeiofsiziere, 55 Professoren, 226 Geistliche, 280 Assessoren, 523 Schuldirektoren usw. usw. Letzten Sonntag verkündeten wieder frohlockend die Ber - liner Litfaßsäulen durch viele, viele hoffnungsgrüne Plakate, daß abends acht Uhr einer der berühmten öffentlichen Orien- tierungsvorträge des Direktors der Rednerakademie statt- finden würde, Eintritt 5V Pf. Punkt acht Uhr kletterten im Gänseschritt zirka 46 Wissensdurstige, in der Hauptsache Angehörige des männlichen Geschlechts, aber auch vier Zukunftsrednerinnen, die beiden hohen gewundenen Treppen in die zweite Etage des stattlichen Hauses empor, wo ihnen ein eilends mit ihnen heraufstürmender Herr mit einem Zylinder auf dem Kopf liebenswürdig die Tür auf- schloß. Ein heller, freundlicher Raum, wie geschaffen zu solchem Werke, umfing die Schüler, die sich aus einigen blutjungen Jünglingen, einigen schon weißhaarigen Elementen, zum größ- ten Teil aber aus Individuen im bildungsfähigsten Mittelalter zusammensetzten. Der Diener kassierte zunächst die pränume- rando zu entrichtenden 50 Pf. ein, oder vielmehr, er tauschte sie gegen eine gedruckteEinlaßkarte" von 1 Mark zumProbe- Unterrichtsabend"(inkl. 5 Pfennig Billetsteuer) um, über- reichte darauf jedem Teilnehmer gratis einen Prospekt und verkaufte den erwartungsvoll Harrenden außerdem ein Exemplar der von der Rcdnerakademie herausgegebenen Monatsschrift:Der Redner", für zehn Pfennige das Stück. Beim schönen, durch milde Kuppeln gedämpften, von der Decke herabhängenden Gasampellicht erkannte man aller- dings sofort, daß man an diesem dem Wissensdurst Vertrauens- selig geopferten herrlichen Augustabend eine November- nummer desRedner" aus dem Jahre 1912 erstanden hatte, aber der reiche Inhalt dieser Propagandanummer söhnte so- fort mit dieser kleinen Enttäuschung aus. Die Schüler vertieften sich lautlos in die zeitgemäße Lektüre, nur ein dicker Student mit einer Schmarre auf der rechten Wange schnitt dabei ein Gesicht wie ein Kobold, wodurch er direkt störend von den an- deren Studiengenossen abstach, llnd um halb neun, als durch das stille Vorstudium genügend Sammlung über alle Teil- nehmer gekommen war, öffnete sich fast geräuschlos eine Seitentür, durch die der Direktor in schwarzem Frackanzug und schwarzem Schlips auf feierlich weißem Faltenhemd, ein- trat. Es war ein stattlicher blonder Herr mit scharfen blauen Augen, die eine goldene Brille schützte, mit einem blon- den Spitzbart und einer durch Haarverlust etwas reichlich hoch gewordenen Stirn. Er stellte sich sogleich auf das Podium, ließ verächtlichen Blickes durch den dienstbaren Geist das noch auf dem Podium befindliche Pult hinwegräumen, verneigte sich dann vor den Anwesenden und begann:Ver- ehrte Damen, verehrte Herren!", und führte dann ungefähr folgendes aus: Wenn ich doch nur reden könnte! Dieser Klageruf und Wunsch durchtönt die Welt. Schule und Er- ziehung haben hier eine Lücke offen gelassen, vor der viele wie vor einem gähnenden Abgrund stehen. Sie zweifeln sich selbst an und huldigen der Meinung, daß Redner be- sonders Veranlagte, von der Schöpfung Bevorzugte, seien. Nach unserer Methode ist es j e d e m möglich, der mit seinen gesunden fünf Sinnen und Sprechwerkzeugen ausgestattet ist, sich zum logischen Denker, freien, einflußreichen Redner, der jedem Hörerkreis gewachsen ist, heranzubilden. Das Erlernen dieser Kunst hängt nicht von Wissen und Kenntnissen ab, wir wenden uns einfach an d i e Kräfte, die jedem Menschen eigen. Diese zur möglichst hohen EntWickelung zu bringen, ist schon gleichbedeutend mit der Vervollkommnung im Denken und Reden. Jeder Mensch empfindet, denkt und spricht, täglich. Bis zu einem gewissen Grade sind also die Fähigkeiten vorhanden. Daß sie ent- lvickelungsfähig, leugnet niemand. Geschieht dies methodisch, so kann es zu keinem anderen Ziele führen, als� zum schöpferischen, logischen und großzügigen Denken, zum freien Reden und Vortragen. Zu- nächst schulen wir die Sprechtveise, dann die Atmung. Da­neben beschäftigt uns die Persönlichkeit. Dadurch steht� un­sere Methode diesbezüglich losgelöst von allen ähnlichen Methoden da. Wir warnen vor allen andere». Wir haben selbst solch einen Kursus einer anderen Firma geprüft und können aus Erfahrung dagegen reden. Unsere� Redner- akademie ist die einzig existierende und unterhält keine Filialen. Wir also führen den Schüler in das Zentrum seiner Persönlichkeit zurück. Keine Schwäche, nicht die aller- krankhafteste Feigheit, hält diesem BildungSmittel gegenüber stand. Geben wir eine Probe." Der Herr Direktor ergriff ein Stück Kreide und zeichnete jetzt einen Kreis an die Tafel und teilte diesen Kreis durch eine senkrechte Linie in eine größere und kleinere Fläche. In die größere malte er einen Punkt und schrieb daneben: Verstand, in die kleinere malte er ein Pünktchen und schrieb daneben: Wille. Dann fuhr er mit bezeichnender Gebärde fort: Sehen Sie, bitte, her. Die zentrallebende Persönlich- keit ist gleichbedeutend mit dem logischen Denker und freien Redner, dessen Festigkeit und Ruhe auf die ausgleichenden Wechselbeziehungen zwischen den beiden Grundvermögen Wille und Verstand beruhen, die vom Zentrum aus in Tätigkeit treten. Gibt er dieses auf, so entsteht Disharmonie, die ganze Gemütsverfassung gerät ins Wanken, das innere Gleichgewicht geht verloren, ein un- verhältnismäßig großer Verstand sieht dem kleineren Willen gegenüber. Angst, Furcht, Herzklopfen sind die Folgen." Darauf veränderte der Herr Direktor das Bild an der Tafel dergestalt, daß der Verstand nur ein Pünktchen und der Wille zum dicken Punkt wurde und sprach:Hier kämpft der kleine Verstand mit dem großen Willen. Erfolg: Zer- fahrenheit, Erregbarkeit, Zerstreutheit." Nun aber verdickte der Herr Direktor den Kreis, wischte die dünne Linie fort und zo�j mitten durch den dicken Kreis einen dicken festen Strich, schrieb in die rechte Hälfte: Wille, und in die linke Hälfte: V e r st a n d und erklärte: Hier haben Sie des Redners Willen und Verstand har- monisch vereint, das verleiht ihm den persönlichen Vollwert. In dieser Selbstbedeutung erst, ausgestattet mit den fünf Kompagniearbeitern, Verstand, Gedächtnis, Vorstellungsver- mögen, Phantasie und Inspiration, die Eingebung seines höheren Geistes, ist der Redner fähig, vor den beschränkten Zuhörerkreis zu treten. Nun beginnt bei uns das Studium der D e n k g e s e tz e. Wer sie gründlich studiert und ver- standen hat, vornehmlich das große Grundgesetz der L o g i k, der hat gesiegt, der kann sich sofort in jedes Thema hineinleben, seinen Vortragsstoff in wenigen Augenblicken ordnen. Es folgt dann bei uns die Schärfung des Gedächt- nisses. Unsere Gcdächtnislehre hat mit keiner, die im Um- lauf sind, etwas zu tun. Das nach unserer Methode gebildete Gedächtnis kann n i e versagen. Dann schlagen wir unseren Schülern die Brücke zur freien Vortragsrede. Ist diese Brücke genügend verankert, folgt der freie Vortrag mit Dis- kussion in der Praxis. Klangfarben, Tonmalerei treten hinzu. Wechselbeziehender Ausgleich zwischen phonetischem und logi- schcm Element. Fest- und Gesellschaftsredner bilden wir als Spezialität aus. Kein Auswendiglernen, kein Pult, kein Stuhl wird von unseren Rhetorikern umklammert, frei und sicher, zielbewußt, ruhig, ungeniert treten sie in Harmonie mit ihrem Mienen- und Gcbärdenspiel auf, um wirkungsvoll zu reden. Auch die Wechselwirkungen zwischen Reden und Schweigen werden unseren Schülern gelehrt. Im rechtzeitigen Schweigen liegt nianchmal etwas U eberwältigen- des, bei einem unangenehmen Wortgefecht ist es das einzig Richtige. Um besonders schlagfertig zu werden, empfehlen wir unseren Schülern die Zuhilfenahme unseres hin, es war ja nicht unmöglich, daß er vor Uebermüdung die weiß. blechernen Eimer übersehen haben konnte. Emil Knitterbuckse hat ein gutes Herz und ein mitfühlendes Gemüt für die Schwächen und Leiden seiner Zeitgenossen. Des- halb geht er resolut auf den Straßendamm und schleppt den schweren Eimer unter Nichtachtung körperlicher Anstrengung an die Bordschwelle. Im selben Lugenblick bleibt der Schutzmann stehen, dreht sich um und sieht, wie Emil Knitterbuckse beginnt, sich auch mit dem zweiten Eimer unter Aechzen und Stöhnen abzu- mühen. Der Schutzmann ändert seinen schläfrigen Schlendergang plötzlich, kommt in lebhaftem Tempo mit Riesenschritten herzu. geeilt und erreicht Emil Knitterbuckse gerade in dem Moment, wo er sich keuchend in der Mitte des Weges zwischen den Bahnschienen und der Bordschwelle ein bißchen verschnaufen will. Was tun Sie hier," schreit ihn der Schutzmann an und packt ihn fest am Arm,Sie schleppen die Eimer auf das Straßenbahn� gleise? Schämen Sie sich denn nicht?" Entschuldigen Sie nur, Herr Wachtmeister, im Gegenteil, ich schleppe die Eimer vom Gleise herunter, weil sie leicht ein Unglück herbeiführen können." Na, hören Sie mal, alter Freund," sagt darauf der Schutz- mann,mit mir können Sie solche Dinger nicht drehn. Mir können Sie das nicht vordeklamieren. Wie heißen Sie?" Aber, wenn ich Ihnen doch sage, Herr Inspektor, daß ich-- Ach, hören Sie doch auf, so verrückt ist doch kein Mensch, daß er die dreckigen Eimer wegschleppt, wenn er sie nicht selber hinge» tragen hat. Uebrigens alte Geschichte: der Verbrecher kehrt stets an den Ort seiner Tal zurück. Kennen wir alles--" Aber, Herr Kommissar!" Emil Knitterbuckse wird windel- weich. »Na, Stühe nun! Schluß! Namen? Wohnung? Können Sie sich legitimieren? So, genügt." Aber, ich bitte Sie, Herr Leutnant, Sie werden doch nicht- »Ja, ja, ist schon gut. Wir wissen Bescheid. Alter Freund, das wird ne eklige Sache. Wissen Sie, was das heißt: Transport- gefährdung? Sie, das ist mit Geld gar nicht abzumachen. So, md jetzt stellen Sie den Eimer hin, wo er hingehört. So jo dicht an den Bordrand. Nun gehen Sie ruhig nach Hause. Psst! Bleiben Sie mir mit Ihren Zigarren vom Leibe. DaZ Weitere findet sich." ES fand sich tatsächlich. Das Weitere. Emil Knitterbuckse wurde vom Schöffengericht wegen groben Unfug? in Jdealkon- kurrenz mit Transportgefährdung zu fünfzig Mark Geldstrafe, im Nichtbeitreibungsfalle zu zehn Tagen Gefängnis verdonnert. Die Höhe der Strafe wurde damit begründet, daß er sich als gebildeter Mensch über die eventuellen Folgen seines Tuns hätte klar sein müssen. Andererseits wurde als Milderungsgrund bei Festsetzung des Strafmaßes in Betracht gezogen, daß er Reue bekundet habe und bestrebt gewesen sei, noch vor Eintritt der folgenschweren Mög- lichkeiten die durch ihn herbeigeführte Ursache wieder zu beseitigen. Meine Zeugenschaft wurde abgelehnt, da ich der Beihilfe drin- gend verdächtig erschien. In seinem Plaidoyer bedauerte der Ver- treter der Anklage tief, daß er wegen mangelnden Beweises leider darauf verzichten müsse, noch nachträglich gegen mich die Anklage wegen des gleichen Delikts zu erheben. Seitdem gehe ich in weitem Bogen nicht nur jedem Mülleimer aus dem Wege, sondern auch jeder Möglichkeit, ein Verbrechen zu verhindern. Daß ich zu dieser Herzlosigkeit und zu dieser Ge- mütsroheit gezwungen wurde, und zwar durch die brutale Macht der Verhältnisse, tut mir bitter weh. Meiner Mitmenschen wegen. Mein und Meinfälfchung in Hit-Berlin . Die Straßennamen wie Weinbergsweg, Weinstraße weisen darauf hin, daß es in Alt-Berlin Weinberge gab. So bestand u. a. die heute so bevölkerte und von regem Verkehr erfüllte Landsberger Straße zum größten Teil aus Gärten. Eine große Anzahl von ihnen hatte der bekannte Generalfeldmarschall Derfflinger als Weinberge eingerichtet. Der ungewöhnlich kalte Winter von 1740, in dem fast alle Weinstöcke erfroren, machte dem Weinbau i». dieser Gegend ein Ende. Neue Weinstöcke wollte man nicht anpflanzen. Auch verschiedene andere Weinberge Alt-Berlins gingen ein, weil die Besitzer die gleiche Erwägung anstellten. Aus der Tatsache, daß früher in Berlin und in der Mark umfangreicher Weinbau ge- trieben wurde, von dem heute nur geringe Spuren vorhanden sind, abzuleiten, daß da» Klima in unseren Breite« kälter geworden sei, i so daß bei uns kein Wein mehr reife, ist irrig, wie wenigstens Wetterbeobachtungen und Temperaturfeststellungen beweisen. Die Erträgnisse des Weinbaues in Berlin standen nicht im richtigen Verhältnis zu den Mühen und Kosten, die er verursachte. Und dazu kam der geringe Wert deS in Berlin gewonnenen Weines, denn er zog unbarmherzig die Eingeweide zusammen. AuS diesem Grunde gab man wohl den Weinbau in Alt-Berlin allmählich auf. Sehr lohnend ist er wohl nie gewesen, obgleich er besonders von Friedrich dem Großen unterstützt wurde. Wer sonst Neigung dazu verspürt, kann auch heute noch den Weinbauer in Berlin spielen, dürfte aber nicht viel Freude an seiner Ernte haben. So war es kein Wunder, daß schon in Alt-Berlin die Weintrinker die ein- heimischen Erzeugnisse verschmähten und Rhein -»nd Moselweinen den Vorzug gaben. Wegen der ungeheuren Höhe der Transport- kosten in damaliger Zeit sahen sich die Weinhändler veranlaßt, den Wein zu verdünnen. Da aber diese Verdünnungsmethode schließlich zu Fälschungen mit Bleizucker führte, so ergingen im Beginn des achtzehnten Jahrhundert? Verordnungen gegen solche Mahnahmen. Wie wenig ein solches Gesetz aber nützte, geht aus der Bekannt« machung vom IS. August 1703 hervor, die also lautet: Obwohlen über die in den Reichsconstitutionen enthaltenen Hehlsamen Verordnungen in anno 1705 das Weinfälschen sowohl mit Lithargyrio(Bleizucker) als anderen schädlichen Tincturen von neuem bey namhaftiger Geldstraffe, als auch nach Befinden der Dinge bey Ehren-, Leibes- und Lebensstraff in unserm Königsthum verbotten worden, so hat sich doch für weniger Zeit erfunden, daß ein Küfer, HannS Jacob Feuerherdt, sowohl in der Stadt Berlin , als auch in andern Ocrdtern des Landes die hochverpönte Ber- fälfchung abermalen zu practieieren unterstanden. Wie nun in gepflogener genauer Inquisition sich ergeben, daß darauf hin und' wieder etzliche Personen an ihrer Person mercklichcn Schaden er- litten, einige auch daran gestorben seynd, als ist sshm zu wohl- verdienter Straffe in allhiesiger Residenzstadt der Kopf abgeschlagen auch das von dergleichen verbottenen Weinkünsten zusammen- geschriebene Büchlein abolirt und durch den Henker öffentlich ver» brandt; sonsten auch durch Vernichtung und Auslauffung der adulte- rirten Weine fernerem Unhehl vorgebeugt worden." Diese Hinrichtung für Weinpantscherei blieb der einzige Fall. Dieses abschreckende Beispiel hatte aber leider wenig genutzt, denn die Weinfälschungen mehrten sich in der Weise, daß eine andere Strafe gewählt werden mußte; man entschloß sich, körperliche Züch- tigung dafür als Entgelt zu geben: diesen Fälschern wurden Ruten- hiebe angedroht.»vrfk.