Thiers meinte, er(tobe ia zv, daß die Eisenbahnen die Be- förderuug von Reisenden etwas erleichtern würden, wenn der Gebrauch auf einige ganz kurze Linien in der Nähe großer Städte beschränkt bliebe. Man brauche keine weiten Strecken! Heute durchzieht die ganze Erde ein Eisenbahnnetz in einer Gesamtlänge von über 1 Million Kilometer, das ist mehr als das Zweifache der Entfernung des Mondes von der Erde! Und in Deutschland allein werden mehr als Söll Millionen Menschen im Jahre mit der Eisenbahn befördert! So hat sich von jeher jede Neuerung erst gegen Autoritäten ihren Weg erkämpfen müssen. Die Wasserversorgung der Landgemeinden betrifft eine Bekanntmachung, die von den Regierungs- Präsidenten und Landräten erlassen wird. In dem heißen Sommer 1911 versagten bekanntlich viele Brunnen, so daß zahlreiche Gemeinden das erforderliche Wasser von weither heranschaffen mußten und auch die kommunalen Wasserwerke gezwungen waren, den Verbrauch des Wassers durch Sper- . Lungen zu regeln. In den beiden letzten Jahren wurden des- Tjcllb eine ganze Anzahl neuer Tiefbrunnen angelegt. Von den Beamten der königlichen Geologischen Landesanstalt in Berlin ist nun wiederholt die Beobachtung gemacht worden. daß kostspielige Schürfarbeiten, Bohrungen usw. nach Wasser von Gemeinden ohne jeden Erfolg ausgeführt wurden, da die Bohrpunkte außerhalb des unterirdischen Wasserverkehrs lagen. In den weitaus meisten Fällen hätten derartige nutz. lose und kostspielige Arbeiten vermieden werden können, wenn eine geologische Voruntersuchung und Begutachtung statt- gefunden hätte. Im Auftrage der Geologischen Landesanstalt wird jetzt amtlich darauf hingewiesen, daß die Landesanstalt die erwähnten Beratungen und Arbeiten gegen mäßige Gebühren ausführt und daß wenig bemittelten Gemeinden auf Antrag die Zahlung einer Gebühr erlassen wird. Die vergeßlichen Ferienreisenden. An die verflossenen Sommerferien erinnern jetzt, wo bereits alles wieder im alten Gleise ist. die Fundbureaus der Verkehrseinrichtungen, ganz besonders aber das Fundbureau der Ersenbahndirektion Berlin . Dieses hat seit der Rückkehr der Ferienreisenden eine ganz enorme Bereicherung er> fahren. Tausende von Paketen. Paketchen. Schirmen, Stöcken, Kartons mit Reiseandenken, Taschen, ja. selbst Reisekörbe und Koffer ssnd hier aufgestapelt. Auf der Stettiner Bcchn mit ihrem gewaltigen Verkehr aus den Ostseebädern scheint die Vergeßlichkeit der Ferienreisenden ihren Höhepunkt erreicht zu haben, denn die betreffende Abteilung des Fundbureaus ist nahezu überfüllt. Ein Teil der Fundsachen wurde bereits von den Eigentümern abgeholt, der Rest harrt jetzt der öffentlichen Versteigerung._ (Sitte lehrreiche und interessante Darstellung des unter- irdischen Berlin befindet ssch im Landwirtschaftlichen Museum Es ist dies eine Art Landkarte" von Berlin , ein Glasrelief, das den Grund und Boden fixiert, auf dem Berlin gebaut ist. Die Karte hat eine Länge von 6V2 Meter und eine Breite von �,19 Meter und zeigt das unterirdische Berlin bis zu einer Tiefe von 400 Meter, und zwar vom Rummelsburger See bis nach Westend und in nordsüdlicher Richtung vom Tegeler Schießplatz bis hinter Neukölln und Schmargendorf , Auf der Deckglasplatte befindet sich ein genauer Situationsplan von Berlin in plastischer Ausführung, an welchem lotrecht un- zählige Glasstäbe hängen. Diese veranschaulichen in mehr. farbigen Abstufungen genau die verschiedenen Erdschicht- folgen. Alle Straßen. Plätze und Gassen verraten so ihr Fundament bis zur Tiefe von fast einem halben Kilometer. Kies-, Mergel-, Sand- und Kohleschichten, durchzogen von vielen Wasserarmen, wechseln miteinander ab— Gold- und Silberschichten sind jedoch nirgends zu erblicken! Der Plan ist ein Lebenswerk des Professors Gruner und hat einen Her- stellungswert von rund 20 000 M. Ueber die deutschen Schulbauten der Gegenwart hat die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung eine umfangreiche Lichtbildersammlung zusammengebracht. Die Sammlung umfaßt etwa 1000 Diapositive. Vertreten sind größere und mittlere Städte Deutschlands mit ihren neueren Schulbauten. Die Vorlagen sind von den städtischen Schul- Verwaltungen zumeist mit Erläuterungen zur Verfügung gestellt worden. Die Sammlung gibt einen Ueberblick über das, was zurzeit auf dem Gebiete des Schulbaues geleistet wird, und zugleich einen interessanten Einblick in das Aeutzere de» modernen Schulwesens. Sie wird an Gemeinden, Schulen. Bildungsvereine usw. gegen eine geringe Gebühr auSgeliehen, um die Fortschritte auf dem Gebiet des Schul- baueS bekannter zu machen und dazu mitzuwirken, daß überall, wo neue Bauten errichtet werden sollen, die besten Muster der Gegenwart zur Hand sind. Vor allen Dingen können auch durch Vorführung der Bilder und entsprechende Erläuterung— die Erläuterungen werden den Bildern bei- gegeben— auch weitere Kreise für das wichtige Gebiet der Schulbaukunst interessiert werden. Tödlicher Unfall im Krankenhaus Bethanien. Gestern vormittag gegen 11 Uhr wurde die Feuerwehr nach dem Krankenhaus Bethanien am Mariannen-Platz 2. gerufen, too sich ein Fahrstuhlunglück ereignet hatte. In dem Schwestern« wohnhau».Martha- Mariahou»' befindet sich ein Fahrstuhl mit Selbstbetätigung. Als gestern vormittag der Maschinenmeister Willi Ehler« in dem Fahrstnhlschacht tätig war. setzte sich der Fahrstuhl plötzlich in Bewegung, so datz der Maschinenmeister eingeklemmt wurde. Di« Feuerwehr befreite den Verunglückten aus seiner gefährlichen Lage, doch hatte er schon so schwere Verletzungen er- litten, datz er bald daraus starb. EdlerS war seit einigen Jahren in dem Kranlenhause angestellt, verheiraret und Familienvater. Er stand im SV. Lebensjahre. Eine genaue Untersuchung des traurigen Borgange» ist eingeleitet. Vom Rettungswesen Berlins . Di« Einrichtungen des Berliner Rettungswesens wurden im EtaiSjahr ISIS<1. April 1012 bis 31. März 1913). aus dem jetzt der Jahresbericht deS Kuratoriums für das Rcttungswelen der Stadl vorliegt, wieder sehr stark in Anspruch genommen. Gegenüber dem vorhergehenden EtalSjahr 1911 hat sich allerdings eine Minderung ergeben, doch ist fie nur gering. In 1912 hallen Beistand zu leisten die 17 Hilfswachen zusammen 33 547 mal, die in Krankenhäusern untergebrachten 12 Hauptwachen zusammen 11 773 mal. autzer- dem die Station des Hedwigskrankenhauses 1159 mal. macht im ganzen 73 470 Fälle. Für 1911 waren gezählt worden in 17 Hilfs- wache« 67 B8« Fälle, in 12 Hauptwachen 12 226, im Hedwigs- krontenhau» 332 überhaupt 83 323 Fälle von Beistandsleistungen. Di« Hilf« de» Siettungswesen« wurde in 1012— ähnlich wie in 1911— nur bei einem Fünftel aller Fälle in der Nacht, bei vier Fünfteln am Tage beansprucht. Mit 1. April 1913 hat die Stadt endlich den Gesamtbetrieb des Berliner RettungSwesenS in eigene Verwaltung übernommen. Zur Beachtung für Eltern«nd Vormünder! Wieder naht die Zeit, in der eine grotze Anzahl junger Leute die Schule verlätzt und in das Berufsleben einttitt. Da erscheint es angezeigt, alle Eltern und Vormünder darauf hinzuweisen, beim Abschluß von Lehrverträgen streng darauf zu sehen, datz in diese Verträge nicht etwa Bestimmungen ausgenommen werden, die für die von den Eltern gewünschte geistige Fortbildung der schulentlassenen Jugend in hohem Matze hinderlich sein können. Wiederholt find Fälle verzeichnet worden, in denen durch besondere Bestimmungen im Lehrvertrag den jungen Leuten die Möglichkeit genommen wurde, sich der freien Jugendbewegung anzuschlietzen und deren Veranstaltungen zu besuchen. Meist gehen derartige Bestimmungen dahin, datz der Lehrling der Genehmigung deS Lehrherrn bedarf, wenn er sich irgendwelchen Vereinen an- schließen oder irgendwelche Veranstaltungen besuchen will. Datz sich solche Bestimmungen einzig und allein gegen die auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehenden Organi- sationen, insbesondere auch gegen die freie Jugendbewegung richten, liegt klar aus der Hand. Da bisher alle Bemühungen des Staates und der Polizei, die freie Jugendbewegung zu unterdrücken. erfolglos gewesen sind, so versucht man nun in der angegebenen Weise, die jungen Leute von der freien Jugendbewegung fern- zuhalten. Darum, Arbeitereltern, gebt acht! Unterschreibt keinen Vertrag. in dem Bestimmungen der gekennzeichneten Art enthalten sind! Es ist Euer gute« Recht und Eure Pflicht, für die geistige Einwickelung Eurer Jugend in der Weise zu sorgen, wie eS in Eurem Jniercsie liegt. Daran kann Euch kein Lehrherr hindern. Darum heißt es: Vorsicht beim Unterzeichnen von Lehrverträgen I Ein Veteran der Arbeit, der alte..Streikvater" Wilhelm Schmitz, genannt Lukas, ist im Alter von 83 Jahren nach mehrjährigem Siechtum aus dem Leben geschieden. In ihm der- lieren die Berliner Arbeiter, insbesondere aber die Holzarbeiter, einen ihrer tätigsten Borkämpfer. Schon vor 46 Jahren, als von einer Organisation noch kaum die Rede war, nahm er als Vertreter der Berliner Tischler an dem im Jahre 1868 stattgefundenen allge- meinen deutschen Arbeiterkongreß teil. Auch in der Folgezeit stand er immer an der Spitze der Berliner Tischler, und alle Versuche zur Organisierung seiner Berufskollegen sind auf seine Initiative zuückzuführen. Unter seiner Leitung gelang es auch den Berliner Tischlern in den Jahren 1871 und 1873 erfolgreiche Lohnbewe- gungen durchzuführen. Soweit es seine Kräfte erlaubten, hat er auch noch später in der Organisation seinen Mann gestanden, bis ihn das zunehmende Alter und Siechtum zwang, ganz zurückzu- treten. Alle, die den Wackeren kannten, werden ihm ein bleibendes Andenken bewahren. Zwischen zwei Straßenbahnwagen. Ein schwerer Unfall ereignete sich am gestrigen Sonnabend morgens gegen 8 Uhr am Moritzplatz. Dort wallte der siebzehnjährige Lehrling Artur Sedelholm mit seinem Zweirad zwischen zwei Stratzenbohnzügen hindurchfahren. Er wurde erfaßt und so heftig zu Boden geschleudert, datz er einen Schädelbruch und schwere innere Verletzungen davontrug. Nach Anlegung eines Notverbandes wurde der Lehrling in das Urban- Krankenhaus geschafft. Schon wieder zwei Dachstuhlbrände. Im Hause Schulstratze27. das dem Verein«Arbeitsstätte für arbeitslose Familienvärer und-mütter" gehört, kam gestern vormittag ein Dachstuhlbrand zum Ausbruch. Tie Gefahr wurde kurz vor 9 Uhr bemerkt, als Rauchwolken aus dem Dachgeschoß de» Ouergebäudes hervorquollen. Die Feuerwehr wurde von verschiedenen Seiten alarmiert und rückte infolgedessen mit drei Löschzügen an. Durch kräftiges Wassergeben konnte der Brand in verhältnismäßig kurzer Zeit gelöscht werden, sodatz nur ein Teil des Dachstuhles vernichtet worden ist. Ueber die Ursache de» Feuers ist nichts festgestellt.— In der fünften Nachmittagsstunde wurde die Feuerwehr nach der Tegeler Stratze 61/62, Ecke Lynarstratze, gerufen, wo ebenfalls ein Dachstuhlbrand ausgebrochen war. Das Feuer hatte seinen Herd im Dachstuhl des Ouergebäudes und war noch nicht so sehr weil vorgeschritten. Infolgedessen konnte die Gefahr in kurzer Zeit beseitigt werden. Als Ursache des Brandes nimmt man Brandstiftung an, doch sind bestimmte Feststellungen in dieser Richtung nicht gemacht worden.— Fast gleichzeitig erfolgte auch Feueralarm nach dem Bahnhof Frankfurter Allee . Hier war die Holzverschalung unter der Eisenbahnbrücke in Brand geraten. Die Gefahr wurde in wenigen Minuten beseitigt, so datz der Schaden geringfügig ist. Abends gegen 8)4 Uhr wurde die Feuerwehr nach der Lange Straße 16/16 gerufen. Als die Züge dort ankamen, standen die Kellerräume des zweiten HofeS, in denen die Kartons der Karton- fabrik von Fabian lagern, sowie der Pferdestall und die darüber liegenden Treppen in hellen Flammen. Die Ablöschung des Brandes nahm längere Zeit in Anspruch. Da in letzter Zeit dort schon das viertemal Feuer ausgebrochen ist, wird Brandstiftung vermutet. Wegen eines AutomobilbrandeS wurde die Wehr in der vergangenen Nacht nach der Steglitzer Straße 26» gerufen. Um die hoch emporschlagenden Flammen zu ersticken, mußte mit einem Rohr Wasser gegeben werden. Das Automobil ist stark beschädigt worden. Berliner BolkSchor. Die UebungSabende des Chors finden jeyt wieder nur in der Aula der Pflickt-Fort« bildungSschule V, Lange Str. 81(am Siblesischen Bahnhof). jeden Dienstag und Freitag, abends>/z9 Uhr, start. Gäste als Zuhörer stets willkommen. Aufnahme neuer' Mitglieder ebenda. Die Hundesprrre ist, wie im LandeSpolizeibczirk Berlin , jetzl auch für zahlreilhe Ortschaften der Kreise O st b a�v e l l a n d, Teltow und Niederbarnim sowie in der Skadt Spandau bis zum 16. November d. I. mit der Maßgabe verlängert worden, daß die gewissenhafte Ueberwachung der mit einem sicheren Maulkorb« versehenen Hunde der Festlegung gleich geachtet werden soll.__ Vorort- NacbricbtciK Neukölln . Die drei für Freitagabend einberufenen Volksversammlungen mit dem Tchema:«Heraus aus der Kirche" waren sämtlich schon vor dem Beginn übetfüllt. In allen drei Versammlungen waren über 2939 Personen anwesend. In der Vereinsbrauerei mußten die Nebenräume geöffnet und die Tische entfernt werden. In Felschs GesellschaftShauS sprach Dr. Karl Liebknecht , der auseinandersetzte. daß es eine ganz einfache Forderung der Ehrlichkeit sei, aus der Kirche auszutreten, wenn man mit den Lehren der Kirche innerlich gebrochen habe. Aber auch der, der zwar wirklich christlich gesinnt sei. müsse sich von der Staatskirche trennen, die heute gar nichts anderes mehr sei als ein Machtinstrument der Reaktion. Weiter führte Redner aus, datz dieser Kampf gegen die Staatskirche, der durchaus nicht einen Kampf gegen die Religion jeglicher Schattierung bedeutet, ein außerordentlich wirksame? Mittel im Kampf um politische Recht« überhaupt sei, so z. B. um die Erringung eines freien Wahlrechts in Preußen. Wahlrechtsdemonstrationen und der Massenstreik verlangten in jedem Falle mehr oder weniger persönliche Opfer, der Kirchenaus- tritt, der, wie die Erfahrung gezeigt hat, keinerlei Schwierigkeiten mache, brächte nur Vorteile und verlangte gar keine Opfer, er träfe die reaktionäre Staatsgewalt aber an einer sehr empfindlichen Stelle. Genosse Zepmenel, der Leiter der Versammlung, beleuch. tele darauf die Schulde nwirtschaft in den Neuköllner kirchlichen Ver. Hältnissen und daß durch den Bau der gänzlich überflüssigen fünften evangelischen Kirche die Belastung auch der Minderbemittelten aufS äußerste gesteigert würde. Er wies, ferner darauf hin, daß sogar eine Reih« von Staatsbeamten aus der Kirche ausgetreten sei.— In den Hohenstausensälen, wo Landtagsabgeordneter Adolf Hofs» mann sprach, wies der Leiter der Versammlung, Dr. med. Eckold, darauf hin, daß die Kirchenbesuchsstatistik ergeben habe, daß v-"7 239� Neuköllnern durchschnittlich 199 nicht in die Kirche er erzählte weiter, daß er auf die Reklamation des Religionslehreri seines Töchterchens, sie zeige..durchaus mangelhafte' Leistungen in Religion, geschrieben habe:„Gerda wird in ihrem Eliernhause in völligem Unglauben erzogen. Sie glaubt weder an Gott noch an Christus, noch an Engel oder Teufel, noch an Himmel oder Hölle. Ihre Erziehung ist vielmehr auf eine rein ethisch-moralische, natur- wissenschaftliche Basis eingestellt. Wenn sie morgens in der Schule die Hände faltet, so folgt sie dem Zwange, wenn sie die von wissen- schaftlichen Unwahrheiten strotzenden biblischen Geschichten und Sprüche mechanisch hersagen mutz, so ist ihr Herz nicht dabei, weil sie im Eliernhause gegenteilig belehrt wird. Die Folgen dieses Konfliktes sind mangelhaste Leistungen in Religion." Dr. Eckold forderte die Hunderte aus, seinem Beispiel zu folgen und in dieser Weise Protest einzulegen gegen die Vergewaltigung der Dissidenten. kinder , eine Aufforderung, die größten Beifall fand. Genosse Adolf Hoffmann erörterte dann ausführlich die mit dem Kirchen. austritt verknüpften religiösen und politischen Fragen in ähnlicher Weise wie Dr. Liebknecht. Er wies darauf hin, datz zwar durch die Kirchensteuer ein« sehr erhebliche materielle Belastung eintritt, hob aber ganz besonders hervor, datz nur der aus der Kirche aus- treten solle, der durch sein Gewissen dazu gedrängt würde, auch er müsse aufs äußerst« verurteilen, wenn jemand den Kirchenaustritt nur vollzieht, um die Kirchensteuer zu ersparen. Redner ging dann auf einen ausführlichen Brief ein, den der erste Pfarrer Neuköllns, Voigt, als Antwort auf eine Einladung zur Versammlung gesandt hatte, und worin der Pfarrer erklärt, er wäre anderweitig in An- spruch genommen, sonst würde er erscheinen und erklären, daß auch nach seiner Meinung die mit der Kirche Zerfallenen aus ihr aus- scheiden sollten, datz aber Volksversammlungen nicht der rechte Ort seien, um solche zarten Fragen zu er» ledigen, deren Behandlung„auch ein gewisses Maß klarer Ein- sichten und Vorbegriffe erfordert". Genosse Hoffmann fragte der» wundert, warum denn die anderen 19 evangelischen und die katho- tischen Geistlichen und der Rabbiner nicht erschienen seien? Aber das habe er immer beobachten müssen, daß die Pfarrer und Lehrer sich in solchen Versammlungen so gut wie nicht einfänden, und daS erinnere ihn an das Wort der Bibel von dem schlechten Hirten, der seine Schafherde im Stich läßt, wenn sie vom reißenden Wolf an- gefallen wird.— In der Vereinsbrauerei, wo die bürgerlichen Redner, Schriftsteller Lehmann-Rutzbüldt und Redakteur v. Gerlach.� sprachen, brachten die Kirchlichliberalen eine Erklärung zur Ver- lesung, in der sie betonten, daß es verständlich sei, wenn in Neukölln der Ruf erschalle:„Heraus aus der Kirche!", denn die Orthodoxen hätten in wenigen Jahren di« Kirchensteuer von 19 auf 16 und jetzt auf 20 Proz. gesteigert, und durch den Bau der fünften Kirche würde die Schuldenlast auf 1i4 Millionen erhöht. Besonders interessant war es, wie Herr v. Gerlach erzählte, daß er aus konservativ-ortho- doxem Lager gekommen sei, als er aber beobachtete, daß z. B. ein Kirchenpalron ihm erllärte, er habe einen Pfarrer nur deshalb ge- wählt, weil dieser ein guter Skatspieler sei, obgleich der Pfarrer im Gegensatz zum Kirchonpatron liberal angehaucht war, wurde sein Glaube an die Ehrlichkeit der kirchlichen Kr ms« erschüttert. Spater habe er als Kirchenratsmitglied und als Synodale im liberalen Sinne versucht, die Kirche von innen zu reformieren, als er aber auch hier sah, daß die Kirchlichliberalen nicht einmal das kirchliche Frauenstimmrecht gewährten und überhaupt nicht Ernst machten mit einer Reformation der Kirche, habe er sich zum Kirchenaustritt entschlossen.— In allen drei Versammlungen wurden 397 Kirchen- austritte eingeleitet, wovon auf die Versammlung des Genossen Adolf Hoffmann 161 entsielen. Der Reinertrag der Versamm» lungen wurde zur Hälfte mit 24 M. dem Bebelsonds für Errichtung von Jugendheimen zugewiesen, um zum Ausdruck zu bringen, daß die Kirchenaustrittsbewegung nicht bloß negative Ziele habe. Die weiteren 24 M. wurden für die Beschickung des internationalen Freidenkerkongresses in Lissabon bestimmt. Seht die Wählerlisten ein! Di« Liste der stimmfähigen Bürger für die Stadtverordnetenwahlen liegt in der Zeit vom 16. bis 39. September an den Wochentagen von 8 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags, Sonnabends nur bis 2 Uhr nachmittags, und an den Sonntagen von 8 bis 19 Uhr vormittags im Wahlbureau des Rat- Hauses. Berliner Straße 62, 1 Treppe links, aus. In dieser Zeit kann jedes Mitglied der Stadtgemeinde die Liste einsehen und gegen die Richtigkeit er List« schriftlich oder zu Protokoll Einspruch erheben. Wir fordern unsere Parteigenossen auf, Einsicht in die List« zu nehmen. Nur der ist wahlberechtigt, der in der List« steht. Zu der am 28. September, vormittags 19 Uhr, im Jugendheim stattfindenden Schulentlassungsfeier werden Anmeldungen noch bis zum 29. September von der Genossin Bohm-'Schuch, Britz, Hanne« mannstr. 32, und dem Genossen Graf, Donaustr. 129, entgegen- genommen. Die Feier ist für alle diejenigen Schulentlassenen, welche an einer kirchlichen Einsegnung oder der Jugendweihe der Freireligiösen Gemeinde nicht teilnehmen. Irgendwelche Unkosten erwachsen den Beteiligten nicht. Warnung vor Schwindlern. Nachdem im Frühjahr versucht wurde, während der Abwesenheit der Bezirkskassierer bei deren Frauen die Kasse zu revidieren, versuchen jetzt Schwindler, bei den Mitgliedern selbst Geld zu erlangen. Unter der Angabe, sie seien Hauskassierer des Wahlvereins, verlangen dieselben das Geld für die Beiträge. Es sei daraus hingewiesen, daß unsere Hauskassierer alle mit einer grauen Legftimationskarte, die aus den Namen de? Betreffenden ausgestellt und den Stempel der Organisation trägt. versehen sind. Wo derartige Manöver wieder versucht werden, ver» anlasse man die Feststellung der Personen. Gleichzeitig sind die Frauen der Funktionäre zu peranlassen. keinem irgendeine Auskunft zu geben oder gar Bücher und Marken vorzulegen. �rievenau. Erbauliches aus einem Dorfparlament! Mit einer Beharrlich. keit, die wirklich einer besseren Sache würdig wäre, sucht der Ge- meindevorstand unter der glorreichen Führung der liberalen Herren Walger und v. Wrochem die ohnehin winzigen Rechte der Ge- meindevertretung zu beschneiden. Tie vormärzliche Landgemeinde- ordnung ist diesen fortschrittlichen Mannen noch lange nicht reaktiv- när genug. In der von der Gemeindevertretung selbstgegebenen Geschäftsordnung sind u. a. einzelne Bestimmungen zum Schutze von Minderheiten vorhanden. So ermöglicht es z. B. der§ 7 dieser Ordnung, daß jeder Antrag oder ied« Vorlage einer noch- maligen Kommissionsberatung unterzogen werden muß, wenn dieS von mindestens vier Mitgliedern der Gemeindevertretung verlangt wird. Schon vor den Ferien wurde vom G-meindevorstand die Be- seitigung dieses Passus verlangt. Begründend wurde vamals ausgeführt, daß man nicht vier Gemeindeverordneten die Handhabe bieten dürfe, die ganze Gemeindevertretung zu vergewaltigen. Damals wurde, da der Opposition auch nicht in einem einzigen i;all ein Mißbrauch dieser Bestimmung nachgewiesen werden konnte, der Anschlag des Gemeindevorstandes abgelehnt. Wer nun annahm, der Gemeindevorstand würde sich bei diesem Votum beruhigen,
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