zwei festzustehen, nämlich daß das System der Interessen- Vertretung und das bisherige Schwergewicht der politischen Rechte des Bürger- und Bauernstandes ausrecht erhalten und daß eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten vor- genommen werden wird. Mit anderen Worten, es handelt sich blos um eine Scheinreform, es soll wesentlich alles beim Alten bleiben, nur sollen ein Paar Arbeiter zur Dekoration ins österreichische Parlament hineinkommen dürfen. Uebrigens ist selbst diese Scheinreform nicht einmal gesichert, denn ihre Annahme soll von einer Zweidrittel- Majorität ab- hängig gemacht werden.— Ein politischer Mord! Gelegentlich der VerHand- lnngcn des österreichischen Abgeordnetenhauses über den Prager Ausnahmezustand bezeichnete der jungczechische Ab- geordnete Herold einen Mann namens Rudolf Mrva, der unter dem Namen Rigoletto von Toscana bekannt war, als agsnt provocateur im jungczechischen Geheinibunde Omla- dina. In dem ersten Prozesse gegen die Mitglieder dieser Verbindung wurde zu allgemeinem Erstaunen Mrva frei- gesprochen und in dem demnächst vor dem Ausnahmegerichte stattfinoenden Monstreprozeß sollte Mrva als Kronzeuge seinen früheren Genossen viele Jahre Gefängniß und Kerker und der lobesamen österreichischen Regierung die Recht- fertigung für ihre Polizeimaßregeln verschaffen. Dieser Handschuhmacher Mrva ist am Sonnabend in seiner Wohnung in Prag von zwei ganz jungen Leuten unter seinem in der Ausschmückung begriffenen Weihnachls- bäume erdolcht worden. Die Verhöre der verhasteten Thäter geben den Zeitungen zu zahlreichen ebenso sensationellen als nnkontrollirbaren Mittheilungen Anlaß. Der Mord spricht jedenfalls für die hochgradige Erregung in Prag . Wie wir es begreifen, daß ein Mädchen ihren treulosen Liebhaber nieder- sticht, so verstehen wir es wohl, daß ein Mann sich Todfeinde verschafft, der wie Mrva mit der Gründung von Geheim- bänden in Prag den Anfang machte, alle Fäden in der Hand hatte und dann kalten BluteS seine Genossen ans Messer lieferte.— Aus der Schweiz wird uns geschrieben: Die sozialdemokratische Presse verurtheill einhellig das mit so großer Hast vom Bundesrath ausgearbeitete Anarchisten- Gesetz, während die übrige Presse, soweit sie nicht von dieser staats- und gesellschaftsretterifchcn Aktion hoch erfreut ist, sich darüber noch ausschweigt. Die liberale Basler „National-Zeiwng" verweist über ihrer Freude doch auch auf die Nothwendigkeit sozialer Reformen. Schlagend sagt der „Grütlianer", daß der vor drei Jahren vom Volke an- genommene Verfassungsartikel betreffend Einführung des staat- lichen Banknotenmonopols und Bundesbank noch immer auf das Ausführungsgesetz warte, hierzu habe der Bundesrath offenbar während drei Jahren keine Zeit gefunden, für ein Anarchistengesetz hatte er aber sofort die nöthige Zeit. Die am Sonntag in Zürich angeblich vorgenommene Ver- breitung eines anarchistischen Manifestes gleicht der Polizei- mache wie ein Ei dem andern. Niemand in Zürich hat irgend eine Verbreitung wahrgenommen und doch hat dies am Dienstag die.Neue Züricher Zeitung " berichtet und das„Manifest" abgedruckt, das ihr nach andere Blätter reproduzirten. Der Bundesrath hat nun den Bundesanwalt mit der Untersuchung der Angelegenheil beauftragt, deren Auf- klärung im hohen Grade wünschenswerth ist.— Wir sprachen oben von Polizeimache. Nun wir möchten sagen, daß die- selben Fanatiker, welche es fertig brachten, am Tage vor der Eröffnung des internationalen Sozialisten- kongresses in Zürich in den Zeitungen von einer Schmach und Schande zu reden, welche dadurch auf diese Stadt geladen werde, es auch fertig bringen könnten, ein anarchistisches Flugblatt herzustellen und verbreiten zu lassen— durch ihre Presse, um dadurch ihrer Ncaktionswuth und ihrem Sozialistenhasse Befriedigung zu verschaffen. Dem eidgenössischen Parlament in Bern pressirt es übrigens mit dem Anarchistengesetz nicht ebenso wie dem Bundesrath, der Ständerath hat nämlich seine Berathung auf die Märzsesston verschoben. Ter Bundesralh hat den in Cheaux-de-fonds wegen Ver- breitung revolutionärer Flugblätter verhafteten Franzosen Billerling aus der Schweiz ausgewiesen.— AuS der französische» Angstrcpublik erhalten wir die— absolut sichere— Nachricht, daß jedes abgehende und einlaufende Telegramm, ehe es an den Adressaten be- fördert wird, durch das Ministerium des Innern oder die Polizei zu gehen hat, um einer genauen Prüfung und Kontrolle unterworfen zu werden. Eine Kontrolle der Telegramnie findet auch in Deutschland statt— so toll ist es aber selbst in der Spitzelära der Bismarck-Puttkamer, Krüger nicht getrieben worden.— Die Attentatöpolitiker an der Arbeit. Aus Paris wird uns unterm 22. Dezember geschrieben; Der Minister des Innen, vulgo Polizeiminister hat seit Votirung der Attentaisgesetze eiiie Anzahl von Präfekten, namentlich jener Departements zu sich beordert, wo die sozia- listische Bewegung am lebhaftesten hervortritt, um ihnen die neuen Gesetze zu erläutern. Und als wollte er zeigen— woran wir ja keine» Augenblick gezweifelt haben— daß diese Gesetze hauptsächlich den Sozialisten gelten, hat er dem in solchen Dingen gewöhnlich gut unterrichteten„Figaro" zufolge den Präseklen ganz besonders aufgegeben, die sozialistischen Redner zu überwachen, die ihren Agitations-Feldzug wieder ausnehmen zu wollen scheinen und sich recht energisch zu zeigen, gleichgiltig, ob es sich nun um Abgeordnete oder sonstige Sozialisten handle. Und mit solchen Potizeimaßregeln, die das herrschende Regime nur noch verhaßter machen, glauben die Regierungsmänner, die sich einbilden, Staatsmänner zu sein, der sozialistischen Bewegung Einhalt lhun zu können. Diese Thoren scheinen nicht zu wissen, daß es eine sozialistische Bewegung nur in Ländern mit kapitalistischer Entwickelung giebt, daß jene mit dieser gleichen Schritt hält und wähnen darum die sozialistische Bewegung hemmen zu können, während sie gleich« zeitig die kapitalistische Entwickelung mit allen möglichen Mitteln zu fördern suchen, ja zu fördern gezwungen sind. Wenn Repressivmaßregeln den politischen Ueberbau der Gesell- schaft festzubannen vermöchten, während deren ökonomischer Unterbau sich verändert, dann wäre Herr Perier heute sicher- lich nicht Ministerpräsident, während Raynal , anstatt im Ministerium des Innern in irgend einem Ghetto feinen Wohn« sitz hätte. Und was das ehemalige Regime mit seinen ge- Heimen Verhaftsbefehlen, den lettres de cachet nicht gegen den anstürmenden Diers-sut(das Bürgerthum) vermochte, das wird das gegenwärtige Regime mit seinen Repressivmaß- regeln noch weniger gegen die anstürmende Arbeiterklasse ver- wögen. Wer sich ihr entgegenstellt, wird früher oder später, aber sicherlich zermalmt werden. Das haben schon größere Herren als Casimir Perier , Raynal u. Cce. erfahren. Also geht nur Ihr Herren Eurem eigenen Verderben entgegen. Die sozialdemokratische Partei Hollands hat sich gespalten. Uns geht folgendes Telegramm hierüber zu: Groningen , 25. Dezember. Der Parteitag des holländischen sozialdemokratischen Bundes beschloß laut An« trag der Abtheilungen Grogezand- Sappemeno mit 47 gegen 40 Stimmen und 14 Enthaltungen, daß künftig unter keinerlei Umständen, auch nicht aus agitatorischen Rücksichten, an Wahlen mehr theilgenommen werden soll. Ein solcher Beschluß muß, wie auf dem Parteitage von der Majorität selbst zugestanden wurde, zur Spaltung führen. Wir ersehen aus dieser Abstimmung, daß die Ge- sundung der holländischen Sozialdemokratie rasch fort- schreitet und daß der unselige Einfluß Domela Nieuwenhuis im Schwinden begriffen ist.— Die Agrarier in Dänemark . Auch in Dänemark haben sich die Agrarier organisirt und dem Parlamente zahlreiche Gesetzesvvrschläge eingereicht. In der Sitzung des Folkethings(Abgeordnetenhauses) vom 18. Dezember sprach sich der sozialdemokratische Abgeordnete Hördum über die Haltung der dänischen Sozialdemokraten gegenüber der agrarischen Bewegung aus. Die Sozialdemokraten, sagt er, hätten bisher eine passive Haltung gegenüber den Agrariern eingenommen. Es freue sie, daß die dänischen Agrarier die Preise der Lebensmittel nicht erhöhen wollen und die Stellung der Landarbeiter zu verbessern versuchen. Wenn man frage, wo das Geld dazu herkommen solle, müsse man darauf hinweisen, daß die Agrarier eine Ein- schränkung der„unproduktiven" Ausgaben in ihr Programm aufgenommen hätten. Auch die Sozial- demokraten forderten Einschränkung der unproduktiven, d. h. militärischen Ausgaben. Diese Gelder sollten zur Verbesserung der Lage der Arbeiter angewendet werden. Von der Einführung einer neuen Branntwein- Steuer, welche vorgeschlagen worden sei, könne uicht die Rede sein. Wenn oie Agrarier diesen Standpunkt fest- hielten, würden die Sozialdemokraten ihre Bestrebungen unterstützen. Die dänischen Agrarier scheinen weniger plumpe Be- gehrlichkeit zu zeigen wie die deutschen.— Crispi, der gefeierte Staatsmann der Bourgeoisie läßt offiziös verlauten, daß die Nachricht, daß sich unter den von der Regierung dem Parlament vorzulegenden Gesetz- entwürfen auch eine Erhöhung der Einkommensteuer auf Reute befinde, der Begründung entbehre. Herr Crispi hat ein Anrecht darauf, ein Liebling der Bourgeoisie zu sein. Mögen auch die sizilianischeu Land- arbeiter verhungern, der Koupon wird doch nicht ge- schmälert! Auf Sizilien ist es an verschiedenen Punkten zum Aufstand und zu blutigen Zusammenstößen mit Gendarmen (Cärabinieri) und Soldaten gekommen. Der Zorn des Volkes richtet sich überall in erster Linie gegen die Steuer- bchörden, und, wie das bei derartigen Erhebungen natür- lich ist, werden die Schlagbäume und Zollwächter-Häuschen, sowie die sonstigen Steuergebäude zerstört, die Steuer- beamten, wenn sie bewaffneten Widerstand leisten, miß- handelt. Bauern und städtische Arbeiter machen gemeinsame Sache, und die Frauen und Kinder ziehen mit— ein Beweis, daß es eine echte Volksbewegung. Wenn auch der Ausbruch bis jetzt nur von einzelnen Orten— freilich von einem halb Dutzend Orten zu gleicher Zeit— gemeldet wird, so unterliegt es doch keinem Zweifel mehr, daß wir es mit einer a l l g e- meinen Volksbewegung zu thun haben, die aller Wahrscheinlichkeit noch sehr bald auch das italienische Fest- land ergriffen haben wird. Herr Crispi sieht offenbar die Gefährlichkeit der Lage: er hat sofort frische Truppen nach Sizilien geschickt. Doch er will auch mit„moralischen Waffen" den Ausstand bekämpfen. Ein Telegramm vom gestrigen Tag meldet: !){ o m, 26. Dezember. In einem telegraphischen Zirkular an die Präfekten von Sizilien empfiehlt der Ministerpräsident Crispi die Maires aufzufordern, auf eine gerechtere Vertheilung der Gemeindesteuer» bedacht zu sein und dafür zu sorgen, daß die Verzehrungssteuer ohne Uebertreibung der fiskalischen Maß- nahmen erhoben würde. Ohne Uebertreibung! Aber e r selbst, Herr Crispi ist es ja gerade, der die„fiskalischen Maßnahmen" noch über das jetzige Uebermaß hinaus„übertreiben" will! Nachstehend bringen wir die wichtigsten der eingelaufenen Telegramme zum Abdruck: Palermo , 26. Dezember. In Lercara fand gestern vor dem Bürgermeisteramt eine Kundgebung statt. Die Demonstranten richteten gegen die Polizei einen Steinhagel und verwundeten viele Wachmänner. Auch die zur Unter- stützung der Polizei anrückenden Truppen griff die Menge mit Steinen und Beilen an und versuchte dieselben zu entwaffnen. Die Truppen machten von der Schußwaffe Gebrauch. Vier Individuen wurden getödtet, einige verwundet. Schließlich trieb das Militär die Tumultuanten auseinander. Die Ar- beitervereine des Ortes blieben übrigens der Manifestation fern; die Demonstranten gehören größtentheils nicht der Ge- meinde Lercara an. C a l t a n i s e t t a, 26. Dezember. In der Gemeinde Valguarnera entstanden infolge der Verhaftung eines Jndivi- duums. welches die Bevölkerung zum Widerstande gegen die Ortsbebörde aufreizte(!), Ruhestörungen. Der Polizeibeamle, welcher die Verhaftung vorgenommen hatte, mußte aus der Gendarmerie-Kaserne Hülfe holen. Die Gendarmen richteten an die Menge die wiederholte Aufforderung auseinanderzugehen und gaben schließlich mehrere Revolverschüsse in die Luft ab. Die Menge versuchte hierauf in die Kaserne einzudringen. Da ihr der Eingang jedoch verwehrt wurde, durchzog sie im Tu- multe die Straßen und steckte die Mairie, das Zivilkasino, das Haus des oben erwähnten Polizeibeamten, dce Bureaus der Telcgraphie, der Präsektur und der Post in Brand. — Der Sieg der Italiener über die Derwische des M a h d i, die arme ausgehungerte Bevölkerung Zentral- afrikas, welche mehr durch die Roth als durch religiösen Fanatismus getrieben einen Weg zum rothen Meer suchten, hat die Segel der italienischen Kolonialschwärmer und Abentenrer-Politiker geschwellt. Crispi hat diesen„Er- folg" gebraucht, um durch einen wohl vorbereiteten Theater- coup sich glänzend einzuführen und das Verlangen des ganzen italienischen Volkes, die inneren Fragen zu regeln in den Hintergrund zu drängen und die ganze Aufmerksam- keit auf die kriegerischen Ereignisse in Afrika zu lenken. Auch dem neuen Kricgminister M o c e n n i war es ein höchst willkommener Anlaß, seinen Nebenbuhler, den Ge- neral Barattteri, den Kriegsminister, den Zanardelli in Aussicht genommen hatte, möglichst weit von allem po- litischen Einfluß zu bringen, indem er ihn nach Afrika sandte. Man rathet nun in Italien und auch in der Re. daktion der„Kölnischen Zeitung ", daß das gerade jetzt an dem Rand der finanziellen Leistungsfähigkiet angelangte Italien Kassala besetze, um ven Sieg zu vervollkommnen. Kassala ist der Sitz eines der Statthalter des Mahdi, es liegt weit im Innern von Afrika . Die Er- oberung dieses Ortes würde viele Tausende Soldaten un Millionen Lire Geldopfer fordern, ohne daß der Ort ge- halten werden könnte, wenn nicht auf Jahre hinaus starke Besatzungen der Wege zum Meere und kolossale Geld- summen dem italienischen Volke aufgebürdet würden. Natürlich spricht man, wie immer bei solchen Gelegenheiten, von der nationalen Ehre und der Verbreitung der Zivili« sation. Es sind dies die alten Mittelchen der großthuerischen und das Volk verwirrenden Politik Crispi's, welche� jetzt frevelhafter ist, denn je. Sie ist ein Spott auf das Elend der sizilianischen Bevölkerung, für die Italiens Staats- männer wichtigere und näherliegende zivilisatorische und patriotische Aufgaben zu lösen haben, als in den siber- schwangeren Küstengebieten Afrikas . Die Zivilisation wird übrigens in Sizilien wie Afrika von Herrn Crispi mit den gleichen Mitteln gefördert— mit Hinterladern und Kanonen. — Die Anklageschrift gegen das letzte liberale Ministerium in Serbien liegt leider nicht im Wortlaut vor. Telegraphisch wird blos gemeldet, daß sich die umfangreiche Anklage richtet gegen das gesammte Ministerium Awakumowitsch und die einzelnen Mitglieder desselben wegen verfassungswidriger Vertagung der Regentenwahl, Auf- lösung der Skuptschina, Verlängerung der Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn :c. Nach Verlesung der Anklage- schrift wurde der Bericht des Untersuchungs-Ausschusses der Skuptschina verlesen.— Unter den Albanesen rumort es wieder. Aus Ce- tinje, der Hauptstadt Montentgro's wird telegraphirt: Der türkische Spezialkommissar, der sich nach Gusinje begab, um die Individuen, welche den montenegrinischen Kommissar überfallen hatten, zu bestrafen, ist neuerdings von Albauesen angegriffen worden und mußte sich unter dem Schutze der Truppen nach Jpek zurückziehen. Die Zahl der Opfer des Zusammenstoßes ist noch nicht bekannt.— Ein theurer Fürst. Die bulgarische Sobranje hat dem Fürsten Ferdinand die Zivilliste auf eine Million Eranks(800 000 M.) erhöht. Sauer verdient wird dieses eidengeld nicht.— Aus Brasilien wird dem„Reuter'schen Bureau" ge- meldet, daß der Präsident Peiroto das Dekret über die Ausweisung der Auslander wieder zurückgezogen habe.— ZZsrkeiNKrhviöhken: Der Sozialiftenkongreß, welcher dieser Tage in Groningen (Holland ) tagte, erklärte sich durch die Beschlüsse der internationalen Kongresse nicht für gebunden. Der Kongreß beschloß auch die Ausschtteßung der bürgerlichen Blätter. Polizeiliches, Gerichtliches re. — Genosse S tr ö b el, Redakteur der„Schlesw.-Holst. Volks-Zeitung" war vom Kieler Schöffengericht im Oktober dieses Jahres wegen Beleidigung durch die Presse zu einem Monat Gesängniß verurtheill worden. Seine Be- rufung an die Strafkammer hat den Erfolg, daß die Gesängstiß- strafe siel und eine Geldstrafe von 100 M. für ausreichende Sühne erachtet wurde. — Auf eine unleugbar originelle Idee, wie man den Sozialbemokratcn die Ausübung ihres Versammlungs- rechtes unmöglich machen kann, so schreibt man der„Franks. Zeitung" aus dem Fürstenthum Lippe, ist die Polizei in unserem Ländchen verfallen. Aus vorigen Sonntag war hierher eine Volksversanimlung einberufen, in welcher der sozialdemokratische Redakteur Grolh aus Bielefeld sprechen wollte. Die Versamm- lung war vorschriftsmäßig angemeldet und der Einberufer er- hielt auch von dem sürstlich lippischen Verwaltungsamt zu Schötmar die Beschelnigmig über die Anmeldung zu- gestellt. Zugleich aber gelangte an ihn von derselben Behörde die Aufforderung, für die durch Gendarmen auszu- übende Ueberwachung der Versammlung— an Gebühren drei Mark zu entrichten, iind zwar binnen 5 Tagen, widrigenfalls die 3 M. zwangsweise beigelrieben werden wurden. In Lippe gilt ein mit dein preußischen im Wortlaut genau überem- stimmendes Vereinsgesetz, und es ist daher jene Verfügung voll- kommen ungesetzlich. Selbstverständlich ist gegen dieselbe Be- schwerde eingelegt. Ginge es nach dem Verwaltuugsamt in Schötmar , so brauchte die Vergütung für die VersanimlungL- Ueberwachung gegenüber den Sozialdemokraten|unb anderen Reichsfeinden nur auf einen genügend hohen Satz normirt werden, und die Zahl der Versammlunge» würde bald ab- nehmen. — Staatsanwalt Romen übertrumpft! Der Staats- anwalt T r ö b e r am Landgericht Augsburg scheint dem Herrn Romen nachzueifern. Vor den Schranken des Gerichts stand ein armer Arbeiter einer Kuranstalt, welcher von seinen 17 M. Wochenlohn«in« sehr starke Familie zu ernähren hatte. Er war bezichtigt, einzg« Kilo Roßharre entwendet zu haben. Mit ihm zugleich war der Tapezier Graf angeklagt, der ihn zum Diebstahl verleitet haben soll. Nachgewiesen konnte ihm solches jedoch nicht werden, trotzdem verstieg sich der Staats- anwalt in seinem Plaidoyer zu folgendem geschmackvollen Aus- spruch: Die Handlung Graf's sei die soztaldemokratischs Eigenthumstheorie ins Praktische übersetzt, indem Graf dem Arbeiter Eeesried plausibel machte, er solle nur das Roßhaar nehmen, er dürfe sich nur nicht erwischen lassen. Den Beweis für diese Behauptung beizubringen, dürfte dem Staatsanwalt natürlich nicht gelingen. Weder in unserem Programm, noch in irgend emer Schrift ist auch nur eine Zeile vorhanden, die das rechtfertigen könnte. Nicht eine Anstiftung zum Diebstahl noch sonst irgend ein Vergehen läßt sich uns nachweisen, wohl aber haben wir eine andere Erklärung für dieselben. Der überaus größte Theil der Verbrechen wird nicht begangen aus Lust an denselben oder weil die Menschen schlecht an sich sind, so wie die satte Moral be- hauptet, sondern weil die Verhältnisse, in denen die meisten Menschen leben, schlechte sind. Es ist bedauerlich, wenn sich solche Dinge im Gerichtssaak absvielen, wenn dort hinein politische Gehässigkeiten getragen werden, wo die Devise herrschen sollte: Gleiches Recht für Me! Vrivkkapken dev Redcilikion. Müllerstraße. Majestätsbeleidigung verjährt in 5 Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Tage an welchem die Beleidi- gung ersolgt ist. M. St 83. Mangels Vereinbarung und da gesetzlich die Länge des Arbeitstages für Handlungsgehilfen noch nicht normirt ist, müssen Sie so lange im Geschäft bleiben, als es den Chefs beliebt dasselbe offen zu halten. O. H. 83. 1. und 2. werden höchstwahrscheinlich durch Ihren Miethsvertrag beantwortet. Lesen Sie denselben durch. H. Wetter. Die Beschäftigung einer versicherungspflicbtizen Person bei einem Jnnungsmitglieve hat die Zugehörigkeit der- selben zu der Jnnungs-»rankenkaffe zur unmittelbaren Folge. Ausgenommen sind die Mitglieder der genehmigten eingeschriebenen Hilsskassen. W. H. Wenden Sie sich an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I Berlin.
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